Protokoll der Sitzung vom 07.12.2017

Das Bundesverfassungsgericht hat auch in seinem Urteil festgestellt, der einzelne Eigentümer soll nur dann verpflichtet sein, sein Eigentum gegen eine Entschädigung abzugeben, wenn ein konkreter Zweck dem Allgemeinwohl dient. Natürlich kann es sein - da müssen wir einmal an Beispielen arbeiten -, man baut eine Radpremiumroute, und dann baut jemand einen Zaun, mit dem man zum Beispiel davor schützen will, dass Tiere auf diesen Weg gehen. Dann wird man dafür enteignen müssen. Ist das doof? Das finde ich nicht! Ich finde, das ist eine ganz vernünftige Geschichte, und um mehr geht es auch nicht.

Das mit der Enteignungsarie, das mag jetzt zwar nett sein, aber das kann man doch faktisch bisher gar nicht feststellen. Daran haben wir auch gar kein Interesse, weil der Schutz des Eigentums für uns ebenfalls ein ganz hehres Ziel ist, das auch in der Verfassung geregelt ist.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Natur- und Umweltschutz sind für mich aber Allgemeinwohl im besten Sinne.

Das heute gültige Gesetz bietet keine ausreichende Grundlage - ich glaube, darin sind wir uns einig - für eine gegebenenfalls notwendige Enteignung. Eine Enteignung ist nur dann zulässig, wenn sie auf einem vorher beschlossenen und festgestellten Plan basiert. Das heißt, wir reden wirklich über sehr

seltene Fälle, in denen man eine Abwägung vornimmt, es dann eine Anhörung gibt, in denen Einwendungen gemacht werden können, es kann geklagt werden, das ganze Instrumentarium, was dann auch in einem Rechtsstaat vorhanden ist, kann also weiter genutzt werden. Deswegen verstehe ich die Ablehnung tatsächlich an diesem Punkt nicht, aber Sie haben ja noch eine zweite Runde, um mir zu erklären, warum das dann für diese wirklich ganz seltenen Fälle - es geht ja nur darum, beispielsweise einen Radweg oder einen Wanderweg zu sichern - nicht möglich ist. Das habe ich bisher wirklich nicht verstanden.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil die CDU schon ein Problem hat, wenn es Um- weltschutz heißt!)

Ich verstehe auch Herrn Imhoff in allem, was er hier vertreten hat, so, dass ihm die Belange des Umweltschutzes sehr wichtig sind, also sind wir da gar nicht so weit auseinander.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Na also!)

Das zu enteignende Gut muss unverzichtbar für die Verwirklichung des Verfahrens sein. Es geht um die Verbesserung des gemeindlichen Verkehrsnetzes, da werden wir uns einig sein, der überörtlichen Verkehrsbeziehungen, die Erhöhung der Verkehrssicherheit und eben auch Gründe des Umweltschutzes, die tangiert werden. Wenn man in der Natur baut, dann werden Belange des Umweltschutzes natürlich tangiert, und natürlich muss man das dann auch abwägen. Die Prüfung erfolgt dann im Rahmen einer Gesamtabwägung, wie es immer der Fall ist.

Die anderen Punkte, die mit in diesen Änderungen des Landesstraßengesetzes stehen, haben Sie nur am Rande erwähnt. Es ist klar, wenn dort ein Betrieb ansässig ist, von dem möglicherweise, wenn es zu einem Unfall kommt, Gefahren ausgehen, dann macht es Sinn, das vorher in der Planfeststellung zu berücksichtigen und abzuwägen. Da sind wir uns, glaube ich, einig, da hat es ja auch schon Unfälle gegeben.

Auch das, was für die Reinigungspflicht von Anwohnern geregelt worden ist, macht aus meiner Sicht Sinn. Das steht eben auch darin, vielleicht sollten wir über all die Änderungen reden und nicht über irgendetwas, was sich an einer vermeintlichen Enteignungsarie aufhängt, die es unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen niemals

geben wird! Lassen Sie uns wirklich über das reden, was darin steht, was auch Essenz dessen ist, und lassen Sie uns doch bitte vereinbaren, dass Naturschutz und Umweltschutz eben doch zum Allgemeinwohl dazugehören! Wenn wir uns darüber einig sind, dann ist diese Änderung, die eine kleine, aber eine notwendige Änderung ist, glaube ich, nichts Schlimmes und bedeutet auch keine Enteignungsarie. Deswegen wünsche ich mir sehr, dass dieses Hohe Haus diesen Änderungen dann zustimmt. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Buchholz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gesetzesänderungen dienen in erster Linie der Anpassung eines Gesetzes an die notwendigen Anforderungen der Neuzeit. Daher war es dringend erforderlich, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Die Bestandteile, die erforderlich geworden sind, gehen auf zwei weit entfernt getroffene überörtliche Entscheidungen zurück, die Garzweiler-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2013, in der es um das Enteignungsrecht und nicht um Enteignungsarien geht, und das Ganze ging auf die Braunkohletagebauentscheidung zurück. Ich will das aber jetzt hier nicht alles wieder aufführen, das ist ja auch bekannt.

Allerdings fragen wir uns ein wenig, warum es so lange gedauert hat, bis diese Änderung jetzt vollzogen werden soll. Es muss doch eigentlich schon früher klargeworden sein, dass die jetzige Regelung den aufgestellten Kriterien des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr gerecht wird. Aber besser spät als gar nicht!

Schließlich war der Artikel 2 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012, die sogenannte Seveso-IIIRichtlinie, maßgeblich. Darin ging es um die Verhütung schwerer Unfälle im Zusammenhang mit dem Betrieb und Infrastrukturmaßnahmen bei bestimmten gefährlichen Industrietätigkeiten. Die Unfallfolgen sollten begrenzt werden, und wir schließen uns auch ausdrücklich der Auffassung des Senats an, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht nur auf Hauptverkehrswege beschränkt, sondern auch auf öffentlich genutzte Örtlichkeiten.

(Beifall FDP)

Zudem wird ein neues Planungsinstrument geschaffen, welches ermöglichen soll, Radwege, welche stadtteil- wie auch B-Plan-übergreifenden Verkehrswert haben, in einem einzigen Verfahren abzuhandeln. Dies dient scheinbar in erster Linie dem Lieblingsprojekt unseres verehrten grünen Umweltsenators, nämlich den Radpremiumrouten. Da wir uns aber nicht grundsätzlich gegen Verkehrsprojekte aussprechen, sondern uns jedes einzelne Projekt anschauen und individuell bewerten, werden wir der Erschaffung dieses Planungsinstrumentes zustimmen. Damit freilich noch keine Aussage über die einzelnen Projekte getroffen werden kann, werden wir uns natürlich vorbehalten, das in jedem Einzelfall genau abzuprüfen und erst hinterher zu sagen, wie wir uns dazu stellen.

(Beifall FDP)

Schließlich werden in diesem Gesetz diverse redaktionelle Änderungen vorgenommen, die der Alltagstauglichkeit dienen sollen, und mit denen können wir Freie Demokraten wunderbar leben, damit haben wir keine Probleme. Wir werden daher diesem Gesetz zustimmen.

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz, weil wir eigentlich mit diesem Gesetzesvorschlag so auch einverstanden sind.

Ziel ist in erster Linie, Ziel- und Zweckbestimmungen aufzunehmen und Rechtssicherheit zu gewährleisten, um im Falle von Enteignungen auch eine Gesetzesgrundlage zu haben, um Verwaltungshandeln abzusichern. Notwendig sind diese Veränderungen im Gesetz auch wegen der Entscheidung zum Braunkohletagebau, mit der uns vom Bundesverfassungsgericht noch einmal aufgegeben wurde, hier Veränderungen im Gesetz vorzunehmen. Deshalb ist auch eigentlich der politisch brisantere Teil, wenn man ihn denn so bezeichnen möchte, wie die CDU das tut - obwohl ich es eigentlich nicht teile! -, nur der Paragraf 35 Absatz 1 des Gesetzes, in dem es heißt, dass auch im Interesse des Umweltschutzes gegebenenfalls privates Eigentum durch eine Enteignung in Anspruch genommen werden kann.

Enteignungen sind in Deutschland nicht eben einmal so zu machen, und auch wenn in diesem Gesetzestext jetzt unter den Gemeinwohlinteressen auch der Umweltschutz aufgeführt wird, hat dies immer noch rechtsstaatliche Verfahren als Grundlage. Selbstverständlich steht der Klageweg jedem offen, und dann müssen eben in einer Gerichtsentscheidung das private und öffentliche Interesse gegeneinander abgewogen werden. Um diesen Abwägungsprozess allerdings überhaupt erst zu ermöglichen, ist in das Gesetz der Umweltschutz als zusätzliches Kriterium aufgenommen worden.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ehrlich gesagt, meine Damen und Herren, ist das eine Selbstverständlichkeit, und ich halte das für die richtige Novellierung. Deswegen werden wir der Vorlage auch in dieser Art und Weise zustimmen. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Lohse.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann es kurz machen, weil die Abgeordnete Frau Sprehe eigentlich schon sehr ausführlich darauf hingewiesen hat, dass diese Anpassung des Gesetzes aus verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründen notwendig ist.

Noch eine Ergänzung, die ich neben den anderen Zielen, der Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie und anderen Dingen, auch ganz schön finde! Die Ergänzung, ist, dass wir auch die Pflichten zur Reinigung von Straßen und Gehwegen für diejenigen erweitern, die Getränke und Ähnliches außer Haus verkaufen. Früher war das nur dann der Fall, wenn direkt durch ein Fenster zur Straße hin verkauft wurde. Jetzt ist es auch dann der Fall, wenn man im Geschäft, im Laden To-go-Becher oder so kaufen kann, und damit einher geht eben auch die Verpflichtung für die Gastronomen, dann entsprechend für das Aufstellen von Abfallbehältern und dergleichen zu sorgen. Ich denke, es ist ein kleiner Beitrag zu dem Thema „Saubere Stadt“, das wir auch schon mehrfach hier besprochen haben.

Ich möchte eines auch noch einmal ergänzen, weil ich glaube, das ist noch nicht von allen so richtig verstanden worden, weil man Umweltschutz eigentlich immer als Gegenpol zu Wirtschaft, zu Straßenbau oder dergleichen empfindet: An dieser

Stelle ist es genau umgekehrt. Der Begriff des Umweltschutzes ist deswegen eingeführt worden, weil wir immer wieder die Situation erleben, dass wir für ein Straßenbauvorhaben eine gerichtliche Auflage bekommen, dass auf einen bestimmten Umweltaspekt besonders zu achten ist. Das kann der Schutz des Wachtelkönigs sein, das kann der Schutz des Jurchtenkäfers sein, das kann das Anlegen eines Krötentunnels sein.

Es könnte sogar - Herr Imhoff, wenn ich an Ihren Beitrag heute Morgen denke, das ist ja Ihre große Sorge! - ein Blendschutz für Insekten sein, damit durch die Autoscheinwerfer die Insekten nicht gestört werden und dadurch dann zurückgehen, also solche Dinge, und wir kennen die gerichtlichen Auflagen von morgen nicht. Das ist der Punkt, und deswegen steht dort dieser allgemeine Begriff, dass zugunsten des Umweltschutzes eben auch Enteignungen vorgenommen werden sollen,

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Können, nicht sollen!)

ganz im Sinne dessen, wie Herr Janßen es gesagt hat, am Ende im Sinne des Ermöglichens von Vorhaben, die gemeinschaftlich gewollt sind. Ich glaube, das ist eine gute Sache. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Landesstraßengesetzes, Drucksache 19/1377, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, BIW, Abg. Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Frau Wendland [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, Abg. Schäfer [LKR])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Interfraktionell wurde vereinbart, Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung vorzunehmen. Ich lasse deshalb darüber abstimmen, ob wir jetzt die zweite Lesung durchführen wollen.

Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!