Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Das ist Ihr demokratisches Recht, deshalb nehme ich die Gelegenheit auch gern wahr, darauf zu antworten.

Was ist das Aktuelle, das Sie uns zu sagen haben? Eigentlich das, was Sie uns beim letzten Mal auch schon gesagt haben, dass Bremen disziplinlos sei auf der Ausgabenseite! In Ihrer Pressemitteilung, die Sie am vergangenen Donnerstag veröffentlicht haben, in der eigentlich schon das stand, was Sie heute auch gesagt haben, spitzen Sie das noch einmal zu und sagen, Bremen zeige seine Unfähigkeit vor allem darin, dass es 300 Millionen Euro vom Bund bekomme und trotzdem die Schuldenbremse nicht einhalten werde.

Frau Steiner, vielleicht kommen Sie einmal aus dem Wahlkampfmodus heraus, schauen sich Realitäten und

Fakten an und schauen auch einmal in ein Gesetz, zum Beispiel in das Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen! Darin steht, dass diese Konsolidierungshilfen nicht auf den maßgeblichen Finanzierungssaldo angerechnet werden. Das, was Sie gesagt haben, ist also eine reine Luftnummer und kein schön zugespitztes Argument!

(Beifall SPD)

Wenn wir jetzt einmal die Disziplinlosigkeit auf der Ausgabenseite angehen: Ja, wir haben ein Ausgabenproblem,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Mehrere!)

das ist nämlich insbesondere der hohe Posten der Zinsbelastung. Schauen Sie sich einmal die Zahlen an! Wenn wir hier in Bremen im Bereich der durchschnittlichen Zins-Steuer-Quote der Bundesländer liegen würden, dann hätten wir kein Ausgabenproblem, und das heißt nichts anderes, als dass wir mit unseren Ausgaben im Vergleich zu den anderen Bundesländern eben nicht disziplinlos sind, sondern dass wir ein spezielles Problem haben, und das sind die Altschulden. Das wird ja von Ihnen durchaus auch anerkannt, und nun kommen Vorschläge, was man machen soll. Das eine ist auch nicht neu, Steuerwettbewerb, ich will darauf nicht näher eingehen: Sie wissen genau, wenn wir mit 20 Milliarden Euro in einen solchen Wettbewerb gingen, dann wäre das, als wenn wir in einen Boxkampf gingen, bei dem der Gegner Eisen im Handschuh hätte und wir mit nackten Fäusten antreten müssten. Es geht überhaupt nicht!

Zu dieser ganzen Steueridee will ich Ihnen auch einmal etwas sagen: Wenn Sie einmal ein bisschen nachdenken würden: Angenommen, man hätte freie Möglichkeiten im Steuerwettbewerb, haben Sie schon einmal überlegt, wie groß eigentlich normalerweise Steueroasen sind?

(Abg. Tschöpe [SPD]: Gute Frage!)

Wenn wir die Möglichkeit zur vollen Steuerautonomie hätten, dann würde es allerdings aus Bayern über kurz oder lang argwöhnische Blicke geben!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, da bin ich sicher!)

Deshalb würde ich diese Idee doch einfach einmal fallen lassen! Sie steht zwar in Ihrer Dauerprogrammatik, aber sie ist nicht durchdacht, in keiner Hinsicht.

Sie sprechen dann an, dass wir eine Lösung für die Altschulden brauchen. Frau Steiner, wenn wir hier in Nordkorea wären, und Sie wären die Großnichte von Kim Jong-il, dann würde ich sagen: Super!

(Heiterkeit und Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Super Idee, mir fällt es wie Schuppen von den Augen! Wir sind aber nicht in Nordkorea, wir sind in Deutschland, wir sind in Bremen, und seit Jahren wird es gemacht, es wird zwischen Bund und Ländern verhandelt, und es wird debattiert, wie wir eine Lösung für die Altschulden hinbekommen.

Wenn Sie über eine Altschuldenregelung reden, dann müssen Sie auch einmal zuspitzen, was das eigentlich heißt! Das ist kein abstraktes Modell, sondern es läuft letztendlich darauf hinaus, dass man eine tragfähige Lösung für die Belastungen aus diesen Altschulden finden muss, und zwar eine dauerhaft tragfähige Lösung! Ob man dafür einen Altschuldenfonds nimmt, Zinshilfen oder sonstige zusätzliche Zahlungen aus dem System des Länderfinanzausgleichs, das ist im Prinzip eigentlich egal.

Das, was im Moment gemacht wird, wird nicht gemacht, weil niemand außer Ihnen über eine Lösung für die Altschulden redet, sondern es gibt im Moment genau zwei Vorschläge, über die debattiert wird. Das ist zum einen der Vorschlag, der von Olaf Scholz zusammen mit Bundesfinanzminister Schäuble entwickelt worden ist, und das ist zum anderen ein jüngerer Vorschlag, der von den Unionsparteien kam. Darüber wird verhandelt, das ist die Realität hier im Land, darum geht es politisch, und da bringt Bremen sich ein! Was meinen Sie, was wir hier sonst machen?

(Abg. Röwekamp [CDU]: Einen FDP-Vorschlag gibt es, glaube ich, nicht! – Zuruf FDP)

Ich habe allerdings auch noch keinen vernommen. Es besteht ja die Möglichkeit, dass wir hier noch irgendetwas hören.

Darüber wird jedenfalls verhandelt, und dabei will ich es auch zunächst belassen, Frau Steiner. Darüber wird verhandelt, die Ministerpräsidenten haben noch einmal bekräftigt, dass sie optimistisch sind, das bis Anfang Dezember zu schaffen. Ich habe keinen Zweifel, dass es so sein wird, und dann werden wir in der Tat hier etwas Wichtiges zu diskutieren haben. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Ministerpräsidentenkonferenz sich in der letzten Woche mit dem Thema Flucht beschäftigt hat, ist selbstverständlich, das ist ein unmittelbar drängendes Problem. Meiner Meinung nach hätte sie sich aber durchaus auch mit dem Länderfinanzausgleich beschäftigen sollen,

(Beifall DIE LINKE, FDP)

denn diese beiden Dinge hängen natürlich ein Stück weit zusammen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wie alles miteinander zusammenhängt!)

Alles hängt nicht miteinander zusammen, zum Beispiel hängen die Thesen der FDP nicht mit der Realität zusammen, aber dazu komme ich noch!

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wissen seit entsprechenden Debatten hier im Hause, dass das Aufstellen der Haushalte von den Fraktionen durchaus als kompliziert empfunden wird. Bei den nächsten Haushalten wird es noch komplizierter. Es wäre nicht nur für Bremen ungeheuer wichtig, wenn wir heute wüssten, wie es mit den Finanzbeziehungen in Deutschland in den Jahren ab 2016 weitergeht. Diese Frage ist offen. Es geistern ganz unterschiedliche Vorstellungen und Ideen durch den Raum. Das erinnert mich manchmal an „Dinner for one“, wenn James sagt: „I now declare this bazaar open.“

So war es schon bei den letzten Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich. Damals wurde ein Sanierungspfad beschlossen. Meiner Meinung nach wurden buchstäblich beim Hinausgehen, als der Mantel angezogen wurde, 300 Millionen Euro Zinsbeihilfen und Ähnliches beschlossen. Es ist schon etwas seltsam, dass es in der aktuellen Situation nicht zügig zu einer Neuauflage des Länderfinanzausgleichs und einer Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen kommt.

Ich will noch etwas Grundsätzliches zum Länderfinanzausgleich sagen. Dieser wird von einigen fast beschimpft. Die Länder, die gerade einmal etwas geben müssen, empfinden ihn als Belastung. Die Länder, die etwas bekommen, werden dagegen hin und wieder abschätzig als „Bittsteller“ bezeichnet. Meiner Meinung nach ist der Länderfinanzausgleich in Deutschland eine demokratische und soziale Errungenschaft, mit der dafür gesorgt wird, dass es annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern gibt und dass es unter den Bundesländern keinen Wettbewerb nach unten gibt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Solche Verhältnisse hatten wir, als das Territorium Deutschlands aus Grafschaften, Herzogtümern und Königreichen bestand. Damals gab es so etwas wie Steuerautonomie, aber keine gleichwertigen Lebensverhältnisse. Auch fanden damals noch viele Kriege statt. Zu solchen Zuständen wollen wir nicht zurückkehren.

Ein Länderfinanzausgleich wäre übrigens auch für Europa eine gute Idee. Zumindest sollte darüber

nachgedacht werden, ob auf diese Weise gleichwertige Lebensverhältnisse in den europäischen Ländern erreicht werden könnten.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Auch vor dem Hintergrund des Zustroms von Flüchtlingen und angesichts der Tatsache, dass wegen der hohen Sockelarbeitslosigkeit in vielen Kommunen – auch in Bremen – zahlreiche Menschen Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und auf Sozialhilfe angewiesen sind, bedarf es einer Neuordnung der Länderfinanzen. Wir in Bremen brauchen bis zu 500 Millionen Euro mehr, um unsere gesetzlich – auch grundgesetzlich, das heißt verfassungsrechtlich – festgelegten Aufgaben erfüllen zu können. Das ist eine Realität, die auch Sie endlich erkennen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zu einer weiteren Realität. Frau Lencke Steiner, es gibt interessante Grafiken, die die Korrelation zwischen der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Bremen seit 1952 – in diesem Jahr begann die Zeitreihe – und der Entwicklung der Steuereinnahmen aufzeigen. Wenn Sie einen Blick darauf werfen, stellen Sie fest, dass die Kurven bis 1992 ungefähr parallel verliefen. Ab 1992 knickte die Kurve der Steuereinnahmen fast senkrecht ab. Das heißt, wir haben es seit gut 20 Jahren mit einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen zu tun. Wenn dann gesagt wird, nur höheres Wirtschaftswachstum könne uns aus der Einnahmeproblematik heraushelfen, dann gilt dies nur dann, wenn nicht gleichzeitig die Steuern gesenkt und damit Leute, die ohnehin genug haben, weiter begünstigt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das muss man dazu sagen. Ansonsten funktioniert es nicht.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Absolut haben die Steuer- einnahmen zugenommen!)

Die Steuereinnahmen nehmen seit 2008 zu, aber die Lücke, die in den Jahren davor entstanden ist, bleibt bestehen. Sie können diese Lücke nicht wieder schließen, es sei denn, Sie folgen dem Ansatz, dass diejenigen, die über hohes Vermögen verfügen, deutlich mehr zum Gemeinwohl beitragen müssen als andere.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Steiner [FDP]: Das ist doch längst der Fall!)

Diesen Weg gehen Sie von der FDP nicht mit. Wir dagegen sagen: Wir brauchen in unserem Land na

türlich eine Vermögensabgabe und eine Vermögensteuer. Anders werden wir die finanziellen Probleme der Bundesländer nicht lösen können. Aus dieser Falle kommen Sie nicht heraus.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Wenn man nicht bereit ist, Aufgaben zu streichen, dann kommt man nicht heraus!)

Sie können reden und Phrasen dreschen, wie Sie wollen, es wird nicht anders funktionieren. Schauen Sie sich doch einmal an, wie viele Aufgaben Bremen in letzter Zeit schon an gewisse Träger ausgelagert oder ganz gestrichen hat! Wir verzeichnen nach der Auslagerung eine Entwicklung hin zu prekärer Beschäftigung, zu Niedriglöhnen und so weiter. Diese Entwicklung will ich nicht verstärken. Ich will einen Staat, der seine verfassungsmäßigen Aufgaben wahrnimmt. Dazu gehört es, für die Menschen in diesem Land da zu sein. Voraussetzung ist, dass entsprechend Steuern erhoben werden. Es gibt übrigens kaum noch Aufgaben, die wir streichen könnten. Sagen Sie mir bitte, welche Sie streichen wollen! Wollen Sie Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, für Polizistinnen und Polizisten streichen? Wollen Sie die Feuerwehr privatisieren?

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Im Kernbereich wollen auch wir nicht streichen!)

Im Kernbereich der Verwaltung sind mehrere tausend Stellen gestrichen worden. Die Folgen sehen wir jetzt. Wir sind rein verwaltungstechnisch gar nicht mehr in der Lage, mit den Flüchtlingsströmen umzugehen. Deshalb müssen wir jetzt bei den Stellen nachsteuern. Das ist die Realität.