Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Man muss ja auch fragen, woher die Erwartungshaltung kam, was auf dieser Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen werden könnte. Es war unser Bürgermeister, der vor seinem Amtsantritt die Erwartung geweckt hat, Bremen brauche mindestens 500 Millionen Euro zusätzlich, um den Sanierungspfad weiter zu schaffen.

Nun liegen seit Anfang September zwei Vorschläge auf dem Tisch, Frau Dr. Schierenbeck und auch Herr Gottschalk haben gerade darauf aufmerksam gemacht, nämlich einer der SPD-geführten Länder und einer der CDU-geführten Länder. Man kann sich sicherlich über Details unterhalten, ich habe nur irgendwann einmal gelernt, dass immer entscheidend ist, was hinten herauskommt. Im Moment ist es so, dass beim Vorschlag der CDU-geführten Länder – vielleicht auch dem geschuldet, dass er maßgeblich im Saarland miterarbeitet wurde – 550 Millionen Euro mehr für Bremen stehen und beim Vorschlag der SPDLänder knapp 100 Millionen Euro weniger. Da habe ich eine Reaktion vermisst, lieber Herr Bürgermeister!

(Beifall CDU, FDP – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Wir auch!)

Ich bin mir sehr sicher, wäre es andersherum gewesen, hätten Sie hier einen Jubelschrei ausgestoßen

und gesagt, Mensch, was wir in der SPD-Solidarität alles für das Bundesland haben erreichen können! Diese Vorschläge hat man im Endeffekt in der Öffentlichkeit wenig bis gar nicht kommentiert. Es kann ja sein, dass man mit den Details dieser Vorschläge nicht einverstanden ist, aber dann, muss ich auch sagen, erwarte ich von einem Ministerpräsidenten unseres Bundeslandes, gerade auch, wenn die Ministerpräsidentenkonferenz sozusagen in den eigenen vier Wänden stattfindet, eigene Vorschläge, aktiveres Vorgehen in der Debatte, lieber Herr Bürgermeister Dr. Sieling!

(Beifall CDU, FDP)

Da haben wir bis jetzt von Ihnen viel zu wenig vernommen. Ich finde es gut, wenn Ministerpräsidentenkonferenzen in Bremen stattfinden, ich finde es gut, wenn man sich von der besten Seite als Raumfahrtstandort zeigt, aber die Rolle eines Regierungschefs ist doch mehr als die Rolle eines Tourismusführers in der Böttcherstraße, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, FDP)

Wie geht es bis zum 3. Dezember weiter? Noch sind einige Hausaufgaben zu machen. Mit dem Eckwertebeschluss hätte der Senat eine Hausaufgabe erledigen können. Darauf hatten wir alle gewartet. Das war kurz vor der Ministerpräsidentenkonferenz. Wenn ich mir allerdings die Eckwerte anschaue, insbesondere die zur mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2018 bis 2020, stelle ich fest, dass das Delta zu der laut Schuldenbremse maximal erlaubten Neuverschuldung im Jahr 2016 auf 56 Millionen Euro und im Jahr 2017 auf 21 Millionen Euro reduziert wird. Dann heißt es lapidar, in den Jahren 2018, 2019 und 2020 müsse noch ein Delta von 29 Millionen Euro, 54 Millionen Euro und 105 Millionen Euro geschlossen werden. Meinen Sie, das sei das richtige Zeichen in Vorbereitung der Verhandlungen am 3. Dezember 2015? Ich sage, Hausaufgabe verfehlt! Damit senden Sie an die anderen Bundesländer nicht das Signal, dass Bremen alle Anstrengungen unternimmt, um seinen eigenen Beitrag zu leisten.

(Beifall CDU, FDP)

Wenn man weiterliest, stellt man fest, dass die Zinsausgaben und die Personalausgaben weiter steigen, die Investitionsausgaben dagegen stagnieren beziehungsweise sinken. Wir halten dies für eine Haushaltspolitik, die man hinterfragen muss. Ich greife das Beispiel der Investitionen heraus. Bremen wird wohl nicht mehr in der Lage sein, EFRE-Mittel abzurufen. Gleiches gilt für ESF-Mittel. Wir haben darüber bereits gestern in der Debatte über die Förderung von Straßenbahnbauvorhaben aus Mitteln des Gemeinde

verkehrsfinanzierungsgesetzes beraten. Wenn Bremen wertvolle Drittmittel verschenkt, weil der Senat eine falsche Schwerpunktsetzung in der Haushaltspolitik betreibt, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die anderen Bundesländer nicht glauben, wir könnten den Weg der Haushaltssanierung schaffen.

(Beifall CDU)

Der Senat wird nicht einmal den eigenen Ansprüchen gerecht. In den Vorlagen heißt es sehr klar, dass wir deutliche Kostenreduzierungen und konstante Leistungsabsenkungen erreichen müssen. In dem gesamten Maßnahmenpaket des Senats findet man dazu nicht eine konkrete Aussage. Der Senat hat in seinem Eckwertepapier Worthülsen beschlossen, um sich über den Tag zu retten. Das ist die falsche Politik!

(Beifall CDU, FDP)

Ich befürchte Schlimmstes auch für den 3. Dezember. Der Senat selbst hat sich die Verabschiedung des Nachtragshaushalts am 17. November auf die Tagesordnung gesetzt. Eine Woche später soll er in das Parlament eingebracht und in erster Lesung behandelt werden. Die Probleme sind auch in Bezug auf den Nachtragshaushalt massiv und ungelöst. Wir haben das in der Debatte im September hier im Parlament besprochen.

Frau Finanzsenatorin, Sie gehen anscheinend auch hier wieder nach dem Motto vor, es sei besser zu reagieren statt zu agieren. Das ist einem Haushaltsnotlageland nicht angemessen. Wir müssen auch insoweit mehr tun. Wenn wir uns im Parlament erst sechs Wochen vor Jahresschluss mit den Nachtragshaushalt beschäftigen können, dann ist das viel zu spät. Damit senden Sie ein falsches Signal.

Wir wünschen dem Senat für die weiteren Verhandlungen viel Glück und Erfolg. Wir hoffen – das habe ich in der letzten Debatte zu diesem Thema schon gesagt –, dass Sie, Herr Bürgermeister, von der Ministerpräsidentenkonferenz am 3. Dezember mit einem möglichst guten Ergebnis nach Hause kommen. Uns ist dann auch egal, wer den Lösungsvorschlag eingebracht hat. Falls es Ihnen gelingen sollte, die SPD-geführten Länder dazu zu bewegen, einem Vorschlag zuzustimmen, mit dem wir uns um 650 Millionen Euro besser stellen, dann werden sicherlich auch wir Ihnen zu diesem Ergebnis gratulieren. Wir sehen im Moment allerdings nicht, dass Sie das hinbekommen.

Klar ist, dass der Weg Bremens in den nächsten Jahren so oder so sehr steinig sein wird. Je besser das Ergebnis ausfällt, das Sie erzielen, Herr Bürgermeister, desto eher können wir dann an der einen oder anderen Stelle Politik noch selbst gestalten. In diesem Sinne sagen wir toi, toi, toi! Wir befürchten allerdings, dass Sie, legt man den Stand der Vorberei

tungen am heutigen Tag zugrunde, am 3. Dezember kein sensationell gutes Ergebnis, das eine durchgreifende Besserung unserer Situation bewirkt, erreichen werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung! Herr Kollege Dr. Buhlert hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass der von mir vorhin benutzte Begriff „politischer Autist“ von wirklichen Autisten als Diskriminierung verstanden werden könnte. Das war nicht meine Absicht. Dafür möchte ich mich gern entschuldigen. Es tut mir leid!

Herr Eckhoff, ich möchte noch ein paar Anmerkungen zu Ihren Ausführungen machen. Sie haben die Eckwerteproblematik angesprochen. Darauf wird im Laufe dieser Sitzung sicherlich noch intensiver eingegangen werden. Wir sollten immer im Hinterkopf behalten, dass Eckwerte keine beschlossenen Finanzplanwerte sind. So, wie sie dastehen, sind sie zunächst einmal Fortschreibungen, die auch zeigen sollen, dass wir noch vor Aufgaben, Herausforderungen und Nacharbeiten stehen. Sie sind insofern auch Warnwerte. Deshalb sollten wir das nicht miteinander vermischen. Auch Sie wissen das genau.

Sie haben bezüglich der zwei Vorschläge, die zur Reform des Länderfinanzausgleichs vorliegen, gesagt, entscheidend sei, was unten herauskomme. In der Tat, das ist entscheidend. Deshalb müssen wir genau hinschauen. Es reicht nicht aus, bloß eine Zahl – 550 Millionen Euro nach dem Vorschlag der Unionsparteien – in den Raum zu stellen.

Neben allen Details wird eine der wesentlichen Fragen lauten, inwieweit Zinshilfen mit Auflagen beziehungsweise Konditionierungen versehen sind. Es kann uns passieren, dass uns 550 Millionen Euro Zinshilfe zugesagt werden, dies aber an die Bedingung geknüpft wird, dass 300 Millionen Euro davon in die Tilgung fließen. Das hört sich für Leute, die sich mit der Materie nicht so intensiv befasst haben, vielleicht ganz gut an.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist aber auch nicht ganz falsch!)

Herr Röwekamp, ich möchte Sie daran erinnern, dass es insgesamt 22 Milliarden Euro sind.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Es dauert eine Generation!)

Ja, aber vielleicht sollten wir auch einmal etwas anders denken. 20 Milliarden Euro Schulden werden wir durch eigene Sparleistungen vermutlich nicht abbauen können. Wir haben aber möglicherweise ei

nen gewissen Helfer. Sollte es der Europäischen Zentralbank gelingen, in den nächsten Jahren die Inflationsrate in Deutschland wieder in Richtung 2 Prozent zu bekommen, dann bedeutet das pro Jahr real eine Schuldenentlastung um 400 Millionen Euro. Das ist ein riesiger Batzen. Das muss man in diesem Bereich einfach mitdenken.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wahrscheinlich steigen dann auch die Zinsen, Herr Gottschalk! Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)

Das hängt davon ab, wie wir bei der Zinssache Vorsorge treffen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Durch Inflation werden wir unsere Schulden nicht los!)

Das ist auch eine Frage des Zinsmanagements. Darüber werden wir uns sicherlich noch unterhalten.

Wir stehen vor der zentralen Frage, ob wir Gelder in die Schuldentilgung oder in die Stärkung dieses Standortes und dieses Gemeinwesens stecken. Daher müssen wir sehr genau auf die Konditionen von Zinshilfen achten. Wenn diese damit verknüpft werden, dass wir große Teile davon in die Tilgung stecken müssen, dann wird uns nicht geholfen.

(Zuruf CDU: Doch!)

Darauf müssen wir achten.

Herr Eckhoff, wir müssen einen weiteren Punkt im Auge behalten. Sie haben sicherlich eine gewisse Unionsnähe.

(Abg. Röwekamp [CDU]: In diesem Fall ist das reine Geldnähe!)

Herr Röwekamp, wenn es reine Geldnähe wäre, dann hätte Sie vielleicht etwas intensiver nachdenken sollen. Der wesentliche Inhalt des Vorschlags der CDU ist, dass die Belastungen aus dem Länderfinanzausgleich mehr auf den Bund verlagert und die Länder allesamt entlastet werden. Wenn Sie sich anschauen, wer pro Kopf am meisten entlastet wird, stellen Sie fest, dass dies Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind.

(Zuruf CDU: Pfui!)

Das ist nicht „pfui“, Bremen wird allerdings am geringsten entlastet.

Was heißt das für die weitere Entwicklung der strukturellen Unterschiede in Deutschland? Mit der Realisierung dieses Vorschlags ist die Gefahr verbunden, dass die Unterschiede zwischen den Bundesländern immer größer werden und unser Föderalismus dadurch immer weiter untergraben wird. Das ist kein

taktisches Argument. Ich kenne Sie, Herr Eckhoff, und weiß, dass Sie so etwas bedenken können. Ich betone, dass in der Realisierung des Vorschlags eine große Gefahr liegt, und bitte darum, dies mit im Blick zu haben. – Danke schön.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, aus der Abgeordnetenrunde sehe ich keine Wortmeldungen mehr. Dann erteile ich das Wort Herrn Bürgermeister Dr. Sieling.

Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal für die zumindest im Grundsätzlichen verspürte Unterstützung bedanken, die wir für die Verhandlungen und die nicht einfachen Gespräche bekommen. Ich muss aber auch sagen, dass ich bei dem einen oder anderen Akzent darum bitten würde, die Hinweise hier in diesem Haus und in Bremen zu lassen, denn wenn man gewisse Dinge in Berlin oder auch in anderen Bundesländern vortragen würde, dann wäre der eine oder andere Beitrag leider nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden Bremens. Deshalb bitte ich sehr darum, dass Sie mit den einzelnen Punkten sehr vorsichtig sind, denn es wird genau verfolgt!

(Beifall SPD)

Ich will gern einiges zu den Diskussionslinien sagen, die es gibt. Als Erstes will ich sagen, dass wir auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Ende nicht nahezu ausschließlich über die Herausforderungen durch Zuwanderung, Integration und Flüchtlingsströme geredet haben, weil wir keine Zeit mehr für das Thema Bund-Länder-Finanzen gehabt hätten. Die Zeit hätte sich schon gefunden. Der Grund, dass die Arbeiten an den unterschiedlichen Konzepten ins Stocken gekommen sind, liegt natürlich tiefer. Der Grund ist, dass in allen Bundesländern die Verunsicherung über die Auswirkungen auf die Finanzplanung zugenommen hat.

Ich will daran erinnern, dass es der Kollege Seehofer war, der mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er für Bayern – und er hat, glaube ich, auch andere Bundesländer und vielleicht auch den Bund im Blick – die Einhaltung der Schuldenbremse sehr gefährdet sieht. Das sagt Herr Seehofer, und er weist damit natürlich darauf hin, dass wir große Herausforderungen haben werden, die auch finanziert werden müssen. Man muss in dem Zusammenhang dann eben auch sehen, dass der Bund, den wir ja dringend brauchen und der finanzielle Zusagen gegeben hat, die am Ende dazu führen, dass die Ausstattung für alle Länder besser wird, wenn diese acht oder 8,5 Milliarden Euro mehr vom Bund kommen, dies auch in seinem Haushalt darstellen muss.