Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(FDP, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Ich unterbreche jetzt die Landtagssitzung für eine Mittagspause bis um 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.02 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kurses „Interkulturelle Öffnung der Verwaltung des Jobcenters Bremen“ und eine Besuchergruppe der Bremer Krankenpflegeschule.

Seien Sie herzlich willkommen im Parlament!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Kann Bremen seinen Verpflichtungen im Bereich Kinderschutz noch ausreichend nachkommen? Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 21. Juli 2015 (Drucksache 19/30) Dazu Mitteilung des Senats vom 6. Oktober 2015 (Drucksache 19/96)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Fries.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Wer auch immer! Wir haben ja den Finanzstaatsrat, der schafft das auch!)

Er ist ja da.

(Heiterkeit)

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, dass der Senat davon absieht.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen erfolgt eine Aussprache, wenn dies die Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Ahrens das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber etwas gerupfter Senat! Ich hätte ehrlich gesagt dieses Thema gern debattiert, während die – ah, sie ist da! – zuständige Senatorin anwesend ist, da sie ansonsten auch schlecht auf die Punkte eingehen kann.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode immer wieder über das Thema Kinderschutz debattiert, ich habe es gestern schon erwähnt, und wie immer ging es dabei vor allem auch um die Personalausstattung bei den zuständigen Stellen. Die Personalausstattung in den Kommunen ist nämlich das A und O, wenn es

darum geht, Kinder und Jugendliche tatsächlich schützen zu können und die Verantwortung für die geistige, körperliche und seelische Entwicklung zu übernehmen, wenn die eigenen Eltern dies nicht können oder wollen.

Bereits vor dem Jahr 2014, also vor dem Beginn des immensen Zuzugs minderjähriger Flüchtlinge, platzte das Kinder- und Jugendhilfesystem aus allen Nähten, und zwar auf allen Ebenen, bei den Amtsvormündern, bei den Casemanagern und bei den Familienhebammen wie auch an den zahlreichen weiteren Schnittstellen. Daneben war und sind die NGO-Kinderschutzeinrichtungen in Bremen, wie Schattenriss, das Bremer Jungenbüro oder der Kinderschutzbund, chronisch unterfinanziert, was sie auch im Jahr 2013 in einem gemeinsamen Bündnis nachhaltig dargestellt haben. Seitdem gab es marginale Verbesserungen im Bereich der NGO, wir reden hier aber von weniger als 100 000 Euro insgesamt, die an der Stelle ausgegeben worden sind.

Die Frage ist also: Können wir den Verpflichtungen im Bereich Kinderschutz ausreichend nachkommen? Ausreichend heißt in diesem Fall, dass weder die körperliche noch die seelische Gesundheit von Kindern gefährdet wird, und allein mit der Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage wird es leider auch nicht beantwortet. Zu viel blieb unbeantwortet, wurde nicht vollständig oder nicht vergleichbar dargestellt oder blieb mit Hinweis auf den Datenschutz gleich völlig unbeantwortet. Ein realistisches Bild der tatsächlichen Situation sieht in der Tat ein wenig anders aus, wie ich Ihnen nachfolgend erläutere.

(Beifall CDU)

Wenn man sich den Bereich der Amtsvormünder ansieht, dann verweise ich an der Stelle auf die gestrige Debatte und wiederhole nur die zwei Kernsätze von gestern: Seit das Bundeskinderschutzgesetz, übrigens ausgelöst durch Fälle, wie sie auch hier in Form einer Kindstötung erfolgt sind, geändert und die Vorschrift eingeführt wurde, dass Amtsvormünder nur 50 Mündel, also minderjährige Kinder und Jugendliche, zu betreuen haben sollen, wurde diese hier in Bremen nicht eingehalten. Das sagen nicht nur wir, das sagen auch die Amtsvormünder selbst, die im Juni dieses Jahres einen entsprechenden Brandbrief geschrieben haben. Sie haben ebenfalls gesagt, und ich zitiere hier wortwörtlich: „Bei dieser Personalbesetzung können wir das Kindeswohl nicht mehr garantieren.“ Meine Damen und Herren, das ist erschreckend!

Wenn ich sehe, dass Frau Dr. Rose mitgeteilt hat, dass allein im September 493 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge zu uns gekommen sind, dann wissen Sie auch, dass die Personalverstärkungen, die beschlossen worden sind, jetzt schon wieder nicht reichen werden.

Stellen wir uns einem weiteren Bereich, dem der Casemanager! Beide, die Amtsvormünder und die Casemanager, sind die Schnittstellen gewesen, die unser Untersuchungsausschuss als die maßgeblichen Schaltzentralen für die Gewährung des Kindesschutzes im Land Bremen herausgearbeitet hat. Wenn diese also nicht funktionieren, meine Damen und Herren, weil sie nur noch Papier bewegen können und für ihre tagtägliche Arbeit, für den Schutz der Kinder, tatsächlich keine Zeit mehr haben, dann sieht es sehr schwierig aus!

(Beifall CDU)

Darauf gibt die Antwort des Senats in der Tat eine Antwort, und zwar die Antwort, die Sie auch dem Vorwort entnehmen können, dass es da leider aktuell aufgrund der schwierigen Besetzung Lage einen akuten Personalunterhang gibt. Auf gut Deutsch übersetzt heißt das viel zu wenig Personal, und damit ist auch hier die Sicherung des Kindeswohls nicht gewährleistet.

Wenn man weiß, dass wir in einem zweiten und in einem dritten Sofortprogramm schon wieder zusätzliche Casemanager beschlossen haben, die auch schon zu einem großen Teil da sein müssten, dann stellt sich das als nach wie vor extrem schwierig dar, und das ist etwas, von dem wir als CDU sagen, dass es sich dringend verbessern muss.

(Beifall CDU)

Diese Stellschraube muss in die Richtung verändert werden, dass der Auftrag, das Kind zu schützen, wahrgenommen werden kann, meine Damen und Herren!

Regelmäßig sehe ich die Gesundheitsberichte, und zwar sowohl für Bremen als auch für Bremerhaven. Ich erinnere mich an die letzten beiden Jahre, als in jedem Gesundheitsbericht tatsächlich stand, dass es eine Überforderung gebe, nur noch im Notfallmodus reagiert würde und man von einer geordneten Arbeit weit entfernt sei.

(Glocke)

Auch darin steht der Satz – ich komme gleich zum Schluss –, dass das Kindeswohl gefährdet sei. Das heißt, alle betroffenen Schnittstellen geben Alarm und geben den schriftlichen Hinweis: Das Kindeswohl ist gefährdet, meine Damen und Herren! Das ist etwas, was ich mir zumindest der Ehrlichkeit wegen in dieser Antwort des Senats gewünscht hätte. Leider hat man sich an der Stelle auf Verschleierungstaktik verlegt, und das finde ich sehr traurig. – Danke schön!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Tuchel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unter etwas irritierender Überschrift: „Kann Bremen seinen Verpflichtungen im Bereich Kinderschutz noch ausreichend nachkommen?“ hat die CDU eine Große Anfrage eingebracht. Unter dem Stichwort Ehrlichkeit habe ich gerade nichts Neues von Frau Sandra Ahrens gehört. Das ist genau das, was in der Senatsmitteilung vom 6. Oktober steht. Die „Ehrlichkeit“ steht hier ganz klar, wenn man ehrlich diese Mitteilung liest. Diese Frage kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Die Mitteilung ist ganz klar mit Ja zu beantworten.

Frau Tuchel, würden Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Ahrens zulassen?

Frau Ahrens hat im Weiteren die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen.

(Zurufe CDU)

Deswegen möchte ich ganz gern weiter fortfahren.

(Zurufe CDU)

Genau, das ist mein Recht, das ist mein demokratisches Recht an dieser Stelle.

(Beifall SPD)

Ganz wesentlich ist Folgendes: Kinderschutz ist natürlich Aufgabe aller am Leben von Kindern Beteiligten. Kinderschutz ist natürlich eine Aufgabe aller mit Kindern Lebenden und zuallererst Aufgabe der Eltern, und an sie gerichtet sage ich danke und nicht, wie Sandra Ahrens sagt, die Kinder wollen gar nicht ihre Aufgabe in Anspruch nehmen. Das stimmt ja überhaupt nicht. Es gibt ja Eltern – –

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Was reden Sie für einen Mist! – Zurufe)

Merken Sie sich genau, was Sie hier an dieser Stelle sagen! Hören Sie zu, was Sie sagen!