Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

einander mehr tun, um Fachkräfte auszubilden, sowohl in Ausbildungsberufen als auch in Hochschulstudiengängen, damit sie uns in Zukunft zur Verfügung stehen, denn im Moment ist einfach das Problem – das kann man auch in der Antwort des Senats deutlich lesen –, dass für viele Stellen einfach kein Personal mehr zu bekommen ist.

Ich habe das heute Morgen schon erwähnt: Für den Flüchtlingsbereich hat der Senat sehr viel Geld zur Verfügung gestellt. Es ist Geld da, der Bund kompensiert einiges, leider noch viel zu wenig – da muss noch sehr viel mehr kommen vom Bund –, aber es ist dort Geld hineingegeben worden. Das Problem ist jedoch, alle Stellen zeitnah besetzen zu können. Das, glaube ich, kann keine Fraktion, keine Partei hier im Hause leugnen, dass wir dabei auf objektive Probleme stoßen.

Ich finde es richtig, eine Unterscheidung zu treffen – das wird hier auch gemacht – zwischen den grundständigen Problemen, die wir im Jugendhilfesystem haben, und den Problemen, die jetzt durch den Zuzug von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen noch hinzukommen. Das ist ohne Zweifel so, allein von den schieren Zahlen. Das betrifft vor allen Dingen auch die Amtsvormünder, das betrifft viele andere Punkte, aber ich finde, Frau Ahrens, jeder Senat, von wem auch immer getragen, auch wenn er von Ihrer Fraktion mitgetragen wäre, kann doch im ersten Moment nur so darauf reagieren, immer wieder neue Stellenausschreibungen zu machen, Mittel aufzustocken. Ja, es stimmt, die Arbeitsbelastung ist hoch. Ja, wir reißen auch an der einen oder anderen Stelle gesetzliche Grenzen. Das kann so nicht sein, da sind wir ja beieinander, aber was anderes, als die Mittel bereitzustellen und die Stellen aufzustocken, soll man denn tun? Man muss sie dann natürlich auch noch besetzen, aber dazu habe ich gerade auf die eher langfristige Perspektive verwiesen, dass wir in der Ausbildung dafür sorgen müssen, dass die Besetzung der Stellen dann auch möglich ist.

Im Übrigen fände ich es richtig, wenn wir ab und zu hier auch einmal daran erinnerten, dass der Zuzug, wie er im Moment stattfindet, nicht ausschließlich Probleme schafft. Er bringt uns auch Menschen ins Land, die eine entsprechende Ausbildung und eine entsprechende Berufserfahrung haben. Also haben wir dabei als Aufgabe, die Anerkennung von qualifizierten Abschlüssen, Sprachschulungen, die Ausbildung sozusagen nachzuholen und dann diese Menschen auch tatsächlich einzusetzen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir dürfen sie nicht immer nur als Verursacher von Problemen zu sehen, sondern eben auch als eine Chance – in der Altenpflege ist das ja schon weitgehend Praxis, aber dies muss eben auch in anderen Bereichen gelten –, diese Stellen auch zu besetzen. Insofern danke ich dem Senat für die Antwort. Ich

glaube, dass wir mit einer Haltung, es so schwarzzumalen, wie Sie aus den Reihen der Opposition es heute getan haben, hier nicht weiterkommen und vor allen Dingen den Kindern damit keinen Gefallen tun. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Ahrens das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Tuchel, auch wenn Sie heute Geburtstag haben, ich weise es entschieden zurück, dass ich in irgendeiner Weise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier im Amt eine hoch anerkennenswerte Arbeit leisten, Überstunden leisten und alles Menschenmögliche tun, damit eben nichts passiert, obwohl sie diese Ängste äußern, in irgendeiner Form diskreditiert habe! Ganz im Gegenteil!

(Beifall CDU)

Wir als CDU-Fraktion sagen: Wo ist denn bitte schön eigentlich der von Ihnen immer propagierte Arbeitsschutz, den Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewähren wollen? Gilt der für Kolleginnen und Kollegen im Amt für Soziale Dienste nicht, meine lieben Damen und Herren von der SPD?

(Beifall CDU)

Es tut mir wirklich leid, dazu fällt mir nichts mehr ein. Bitte gehen Sie wenigstens das nächste Mal auf meine Rede ein, und lesen Sie nicht eine vorgefertigte Rede ab! Das war echt schlimm.

(Beifall CDU)

Ich habe Ihnen gestern schon auseinandergenommen und ich habe es Ihnen auch heute gesagt –

(Abg. Frau Tuchel [SPD]: Uns auseinandergenom- men?)

das Thema auseinandergenommen – und erläutert und erklärt. Ich mache es aber gern noch einmal für Sie persönlich, Frau Tuchel. Es geht hier nicht darum, dass die Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht haben, sondern es geht um politische, also Ihre Verantwortung.

(Beifall CDU)

Es geht um die Verantwortung der Grünen und die Verantwortung des Senates, der von Ihren Parteien getragen wird. Sie haben den Fehler gemacht, mei

ne Damen und Herren, Sie haben nicht schnell genug eingestellt. Hinweise darauf, dass wir völlig unterbesetzt sind, gab es früh genug. Schauen Sie sich noch einmal unsere Vorbemerkungen an! Darin sind drei Initiativen aufgeführt, die die CDU in letzter Zeit zu diesem Thema ergriffen hat. Ich lege Ihnen noch einmal einen Beitrag aus dem Herbst 2014 ans Herz, damals hat es schon einen Unterhang von bis zu 100 Stellen gegeben. 60 haben Sie im Februar eingestellt. Das heißt, Sie haben den Mangel, den es gab, damals schon nicht komplett abgedeckt und wussten, dass Sie weiterhin hinterherlaufen. Das werfe ich Ihnen vor, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Ich werfe Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, und Ihnen, lieber Senat, vor: Wenn Sie von allen Fachleuten, im Juni von den Amtsvormündern, hören, wir können das Kindeswohl nicht mehr garantieren – in einem schriftlichen Brief sagen das die Amtsvormünder –, dann muss man das doch ernst nehmen, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Die Casemanager sind mit dem Personalrat und mit dem Gesamtpersonalrat im Februar an die Presse gegangen. „Wir können den Mangel irgendwann nicht mehr verstecken“ lautete die Überschrift. Das muss man ernst nehmen, denn es geht hier eben nicht um Gelder, die nicht eingetrieben werden, es geht um den Schutz von kleinen Kindern, die sich alleine nicht schützen können, für die wir den staatlichen Auftrag des Schutzes übernommen haben. Ich sage Ihnen ganz deutlich für die CDU-Fraktion: Wir wollen nicht, dass das noch einmal in die Hose geht! Wir wollen, dass sich so etwas nicht wiederholt!

Wenn alle, die in den entsprechenden Schaltstellen sitzen, die Amtsvormünder, die Casemanager oder auch seit zwei Jahren vier Berichte der verschiedenen Gesundheitsämter zu den Familienhebammen, die die Hochrisikofamilien betreffen, also Familien mit Drogenabhängigkeiten der Eltern, die hoch manipulativ sind, wo man genau sehen muss, was wir auch aus dem Untersuchungsausschuss wissen, dass die Eltern engmaschig vom gleichen Amtsvormund und Casemanager begleitet werden, damit eine Kindeswohlsicherung stattfinden kann. Wir wollen nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen diese Zeit nicht mehr haben und das letztlich auf dem Rücken dieser Kinder ausgetragen wird, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Jetzt einmal ganz ehrlich, liebe Frau Tuchel: Sie sind auch schon lange dabei. Sie können doch nicht das Kinder- und Jugendnottelefon hier darstellen, ohne die volle Wahrheit zu sagen, nämlich dass das seit

Monaten als Taxinotdienst missbraucht worden ist – bis es dann einmal eine Vereinbarung gab, die jetzt so ein bisschen umgesetzt wird, aber auch immer noch nicht richtig –, dass hier also auch die Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten werden, dass das als Bereitschaftsdienst angerechnet wird, dass die am nächsten Morgen um acht Uhr wieder ihren normalen Job als Casemanager aufnehmen müssen, aber gleichzeitig zum Teil 60 bis 80 Fälle in der Nacht hatten. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, denn beim Kinder- und Jugendnottelefon läuft auch schon lange nicht mehr alles rund, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch für uns als CDUFraktion: Wenn wir Hilferufe von allen Schnittstellen erhalten, dann sind wir der Auffassung, dass es unsere Aufgabe ist, genau diese Missstände anzusprechen, und das, lieber Herr Kollege Dr. Güldner, nützt nämlich den Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt, denn damit wird ihnen eine Stimme verliehen, und es ändert sich hoffentlich etwas.

(Beifall CDU)

Hier aber alles pauschal kleinzureden und in drei Vierteln einer Rede so zu tun, als wenn es kein Problem gibt, und dann hinterher zu sagen, „stimmt, eigentlich haben wir doch ein Problem“, das ist unredlich, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann den Schluss aus dieser Debatte ziehen, dass wir uns relativ einig darin sind, dass es nicht überall rosig aussieht und es Missstände gibt, sowohl in der Amtsvormundschaft als auch im Casemanagement als auch im Kinder- und Jugendnotdienst – ich unterstelle jetzt einmal, dass die Situation da bekannt ist – als auch bei den Familienhebammen, und dass diese Missstände auch behoben werden müssen.

Wir haben schon gestern darüber gesprochen, es gibt Ausschreibungsverfahren, es gibt zusätzliche Stellen, 180 bei der Sozialsenatorin auch in diesem Bereich. Das Problem ist, und das haben auch schon die Betroffenen beziehungsweise die Beteiligten deutlich gemacht, dass das Personal eben nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung steht, wie es nötig wäre, und da erwarte ich auch eine klarere Antwort als das, was bisher kam, wie man Abhilfe schaffen möchte. Dazu gehört eine kurzfristige Strategie und eine langfristige Strategie.

Die kurzfristige Strategie, wir haben es schon gesagt, so ist es in der Marktwirtschaft: Wenn die Nachfrage fehlt, dann muss man das Angebot verbessern. Das

läuft bei Stellenbesetzungen nun einmal über das Gehalt, und das läuft über Arbeitsdichte. Genau da muss man eben jetzt die soziale Arbeit aufwerten, ansonsten werden wir die nötigen Fachkräfte nicht finden, weil sie im Umland 500 Euro mehr verdienen, das ist doch klar! Sie wissen, dass sie im Umland weniger Arbeit für mehr Bezahlung haben. Dann liegt der Schluss doch relativ nah – und das ist auch leicht nachzuvollziehen –, dass eben manche sich für das Umland oder für Hamburg entscheiden. Das ist die kurzfristige Strategie, die wir für diese Frage vorschlagen.

Die langfristige Strategie betrifft die Frage, wie wieder ausreichend Fachkräfte in diesem Bereich ausgebildet werden können. Das ist die langfristige Strategie, es ist ja absehbar, dass die Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe nicht sinken werden, im Gegenteil, sie werden absehbar noch weiter steigen. Man hätte eigentlich schon gestern Abhilfe schaffen müssen, aber spätestens jetzt muss man Abhilfe schaffen.

In den Bereichen Casemanagement und Amtsvormundschaft werden studierte Fachkräfte eingestellt. Wenn man sich einmal die Hochschule Bremen anschaut, den Studiengang Soziale Arbeit, da gibt es in diesem Jahr 100 Studienplätze, letztes Jahr waren es 80 Studienplätze. Eine Steigerung von 20 ist nicht die Steigerung in der Größenordnung, wie sie notwendig wäre, da würde ich mir wünschen, dass der Senat die Möglichkeiten schafft, damit die Hochschule diesen Studiengang aufstockt.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ja nicht so, dass kein Interesse bestünde. Es gab in diesem Jahr 3 000 Bewerbungen auf gerade einmal 100 Studienplätze, das heißt, es gibt durchaus auch die Nachfrage nach diesen Studienplätzen, es gibt das Interesse. Es gibt nach wie vor viele junge Menschen, die sich in ihrem Berufsleben sozial engagieren möchten. Dieses Potenzial sollte man nutzen und die Ausbildungsplätze in einem viel größeren Umfang als bisher ausbauen. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat Frau Senatorin Stahmann das Wort.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Wir debattieren hier zum wiederholten Male über das wichtige Thema, was Bremen alles im Kinderschutz tut, und ich kann sagen, Bremen tut eine ganze Menge, das muss man auch hier in der Debatte sagen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte auch noch ansprechen, dass man sich nicht hierhin stellen und auf den Tod eines Kindes im Jahre

2006 abzielen sollte, der dieses Haus auch über die Maßen – –. Ich kann mich an den Tag noch gut erinnern, ich kann mich genau an die Stimmung erinnern, ich weiß noch, wie Karin Röpke hier als Senatorin gestanden hat, ich kann mich an unsere Gespräche in der Fraktion sehr gut erinnern. Frau Ahrens, hier gibt es doch niemanden, keinen einzigen Parlamentarier im Raum, der will, dass sich so etwas wiederholt! Das zu suggerieren, halte ich für falsch, und das sollte man auch nicht tun, egal, welcher politischen Couleur man angehört!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Den Eindruck zu erwecken, der Senat, der Senat davor und der Senat seit 2006 habe nichts aus dem gelernt, was passiert ist! Das ist doch nicht der Fall, Frau Ahrens, und das wissen Sie doch auch! Sie wissen doch auch, dass wir Strukturen aufgebaut haben, dass die Leute jetzt im Team arbeiten. Das war vorher nicht der Fall. Vorher hatten wir eine ganz starke Vereinzelung. Es wird hingeschaut, auch bei Suchtproblematiken, bei Überlastung der Kolleginnen und Kollegen.

Es ist hier zu Recht bemängelt worden, das betrifft die Debatte von gestern – da kann ich jetzt auch noch einmal sagen, ich sage alles noch einmal, was ich gestern schon zu Protokoll gegeben habe –, wir sind in einer Situation, in der wir einer Entwicklung hinterherlaufen, in der aber die Kolleginnen und Kollegen trotzdem versuchen, fachliche Standards mit einer ganz hohen Verantwortung einzuhalten. Der Senat schreibt aber auch weiterhin Stellen aus, für die Amtsvormünder, das habe ich gestern gesagt, zwei Stellen gerade besetzt, zwei im Besetzungsverfahren, 15 in der Ausschreibung. Ebenso ist das Verfahren im Casemanagement.