Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Freiheit von Forschung und Lehre ist zentral für die demokratische Ordnung, das haben meine Vorrednerinnen bereits verdeutlicht. Es darf keine staatlichen Zwangsmaßnahmen, Zensur und Verbote im Wissenschaftsbereich geben. So verstanden, wird die Wissenschaftsfreiheit auch im Grundgesetz und in der EU-Grundrechtecharta garantiert.
Nach dem Putschversuch in der Türkei, den Erdogan als „Geschenk Gottes“ bezeichnet, wurden per Erlass bis heute 5 800 Beschäftigte an über 100 Universitäten entlassen, Tausende weitere wurden inhaftiert. Viele von ihnen hatten im Januar 2016 den Aufruf „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!“ unterschrieben. Sie sind seitdem als „Akademiker für den Frieden“ bekannt. In ihrem Aufruf heißt es, ich zitiere:
„Wir fordern den Staat auf, diese Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegenüber der gesamten Bevölkerung der Region, die jedoch hauptsächlich gegen die kurdische Bevölkerung gerichtet ist, sofort einzustellen! Alle Ausgangssperren müssen sofort aufgehoben werden. Die Täter und die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die materiellen und immateriellen Schäden, die von der Bevölkerung zu beklagen sind, müssen dokumentiert und wiedergutgemacht werden.“ Dieser Text ist aus dem Januar 2016, aber zwei Jahre später ist er immer noch hoch aktuell.
Einige dieser mutigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten mittlerweile Exil in Bremen finden, wo sie an der Universität auch weiter forschen und lehren dürfen. Das war eine sehr wichtige Entscheidung für die Wissenschaftsfreiheit, aber auch für die Meinungsfreiheit und die Grundrechte insgesamt. Wir bedanken uns bei der Universität und bei allen anderen Beteiligten, die das ermöglicht haben!
Wenn Erdogans Regime eines Tages fällt, wird es auch darauf ankommen, den Bildungs- und Wissenschaftsbereich wieder neu aufzubauen und den autoritären Umbau rückgängig zu machen. Deshalb hat die Gruppe der Akademiker für den Frieden unsere volle Solidarität verdient.
Aber auch in Europa, mitten in der EU, gibt es einen rechten autoritären Umbau in verschiedenen Staaten. Viktor Orbáns Partei, die erschreckenderweise im Europaparlament immer noch eine Fraktion mit der CDU/CSU teilt, wollte im letzten Jahr gleich eine komplette Universität schließen, Frau Müller hat es bereits angesprochen. Diese Universität wird von Herrn Soros finanziert, der von der ungarischen Regierung mit wirklich übelsten antisemitischen Schmähungen überzogen wurde.
Übrigens: Auch die AfD will bestimmte Lehrstühle und Institute zensieren oder abschaffen, insbesondere im Bereich der Gender Studies. Wir sagen hier klipp und klar: Das wird nicht passieren, das kann die AfD vergessen!
Die EU hat im Juli 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des ungarischen Hochschulgesetzes eröffnet, die Zwangsschließung durch Viktor Orbán konnte vorerst abgewendet werden. Dieses Vertragsverletzungsverfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Ähnlich ist es bei dem Verfahren gegen die polnische Regierung. Beide haben nach wie vor volles Stimmrecht in den EU-Gremien, und auch alle weiteren Sanktionen aus den EU-Verträgen sind bisher nicht verhängt worden. So wie Ungarn und Polen aktuell politisch ausgerichtet sind, erfüllen sie die Kopenhagener Kriterien nicht. Die Wissenschaftsfreiheit ist genauso wenig gewahrt wie die Pressefreiheit und der Schutz der Grundrechte von Minderheiten. Wir finden diese Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierungen in Polen und Ungarn deshalb richtig, weil sie die einzige Handhabe der Kommission sind, wenn die Staaten bereits Mitglieder der Europäischen Union sind.
Ein abschließender Gedanke: Als Linke verstehen wir die Wissenschaftsfreiheit auch etwas breiter. Freiheit der Forschung und Lehre muss auch die Freiheit von wirtschaftlichen Zwängen und ökonomischem Verwertungsdruck bedeuten. Davon sind wir in Deutschland immer noch ein ganzes Stück weit entfernt. Trotzdem ist dieser Antrag der Koalition richtig und wichtig, und wir werden ihm deshalb selbstverständlich zustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich beginne mit dem hohen Gut der Freiheit von Forschung und Lehre. Die Lehren aus den Schrecken des Nationalsozialismus ziehend, wurde das Recht auf freie und unabhängige Forschung zu einem Grundrecht, und es ist damit etwa gleichbedeutend mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit. Hochschulen und Universitäten sind Orte des gesellschaftlichen Diskurses und der Aufklärung, manchmal – und auch das muss so sein – auch der Kontroverse. Sie sind ein Grundpfeiler unseres Gemeinwohls und des Wohlstands, und dies auch nicht zuletzt insbesondere durch die Freiheit, die das deutsche Grundgesetz ihnen sichert.
Man könnte natürlich sagen, das sei auch nur gedrucktes Papier, und natürlich kommt es besonders auch auf die Verankerung in der Politik und in der
Gesellschaft an, wie Wissenschaft insgesamt wertgeschätzt wird. Auch in diesem Haus haben wir in der jüngeren Vergangenheit schon des Öfteren über Wissenschaftsfreiheit debattiert, genannt seien Stichworte wie die Zivilklausel oder auch Transparenzvorschriften sowie natürlich die Notwendigkeit einer auskömmlichen Finanzierung, ohne die freies Arbeiten gar nicht möglich wäre.
Natürlich gibt es auch hier kritische Diskussionen über wissenschaftliche Methoden und eine mögliche Reideologisierung, all das zu Recht. All das sind Themen, die ihre Berechtigung haben und bei denen es zwischen den Fraktionen zum Teil auch deutliche Unterschiede gibt, doch ein Blick über die Landesgrenzen hinaus – und darauf zielen Sie ja in Ihrem Antrag ab – lässt schnell demütig werden, wie gut es uns hier in Deutschland, was das angeht, doch geht. Hier gibt es keine Wissenschaftler, die aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen, hier wird niemandem ein Studium verweigert, weil er der politischen Linie des Systems nicht folgt, hier werden keine Universitäten vom Staat drangsaliert, weil dieser kritische Bewegungen befürchtet.
Was hierzulande unmöglich scheint, ist anderswo leider traurige Realität und scheint, wie auch Frau Dr. Müller bereits gesagt hat, in den letzten Jahren verstärkt zuzunehmen, hier wurden schon viele Beispiele genannt. Deutschland und die deutsche Forschungscommunity haben sich mit vielen Opfern solidarisch gezeigt. Ich denke zum Beispiel an den March of Science im April 2017, dessen Initiatorin, Frau Prof. Dr. Tanja Baudson, aufgrund dieses Engagements sogar den Deutschen Hochschullehrerpreis bekommen hat. In Bremen übrigens findet diese Demonstration für die Freiheit der Wissenschaft am 14. April, also in einigen Wochen, zum ersten Mal statt.
Ich denke auch an das Engagement der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von HumboldtStiftung, die mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes Stipendien an verfolgte Forscher vergibt. Die Universität Bremen – und auch das wurde schon erwähnt – hat bereits mehrere bedrohte Wissenschaftler aus der Türkei über diese Stipendien aufgenommen und wird das natürlich auch fortsetzen. Dieses bewundernswerte Engagement gilt es eben weiterhin zu unterstützen und bedrängten Wissenschaftlern, egal wo und wann, zu helfen. Deswegen schließen auch wir uns dem Antrag von Rot-Grün an. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der Überschrift will ich nicht der Versuchung erliegen, hier Debatten über Zivilklauseln, über Dual-Use, über Gentechnik, über die notwendige und nicht anders realisierbare Möglichkeit und Notwendigkeit, Erkenntnisse durch Tierversuche zu gewinnen, zu diskutieren. Das sind alles Debatten, die wir auch gesondert unter der Überschrift führen könnten, denn es geht um Wissenschaftsfreiheit, die für uns Freie Demokraten nur in autonomen, selbstständigen Universitäten gewährt ist.
Deswegen würden wir gern manche Debatten, die wir hier in Bremen führen, in den Hochschulen geführt wissen und nicht außerhalb der Hochschulen, denn das ist unsere Grundeinstellung, dass Hochschulen eigenständig und autonom diese Fragen klären und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern miteinander darum ringen müssen, welche Erkenntnisse denn die richtigen sind, die die Gesellschaft weiterbringen. Das ist eben der große Vorzug autonomer Hochschulen, dass sie Impulsgeber für die Gesellschaft sein können, neue Erkenntnisse in die Gesellschaft geben und natürlich mit der Gesellschaft in einem Diskurs und ihr gegenüber verpflichtet sind zu sagen, was sie mit ihren Mitteln machen und welche Erkenntnisse sie gewonnen haben, damit sie zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen.
Wir müssen aber sehen – und in der Tat, Frau Grobien, da kann man nur demütig werden, wenn man weltweit schaut –, welche Entwicklungen es in anderen Staaten gibt. Diese Staaten sind nicht so weit entfernt, wie wir es uns manchmal wünschen, sondern sie sind in direkter Nachbarschaft, und es gab Zeiten, in denen wir weitaus bessere Beziehungen zu ihnen hatten. Es geht eben darum, dass man medizinisch Erkenntnisse beispielsweise unabhängig davon umsetzen kann, welche Religion in einem Staat vorherrscht, dass nicht Vorurteile bestimmen, wer Hochschullehrer sein oder was gelehrt werden darf oder dass religiöse Dinge darüber bestimmen, sondern dass eben Freiheit herrscht, zu forschen und Erkenntnisse zu gewinnen.
Die Türkei ist hier schon zu Recht für das kritisiert worden, was dort passiert ist. Es ist richtig, was hier
die Bremer Hochschulen und insbesondere die Universität tun, und deswegen können wir diesen Antrag nur gutheißen und unterstützen.
Genauso ist es richtig zu überlegen, wie Studierendenaustausche und Kooperationen realisiert werden können, um dieses Gut der Hochschulfreiheit, das wir bei uns so hochhalten, über kleine Pflänzchen, die wir pflanzen, über kleine Impulse, die wir geben können, auch in andere Länder weiterzugeben, damit dort entsprechend gearbeitet werden kann.
Es ist nicht zuletzt auch so, dass bei uns Hochschullehre und Forschung immer wieder in der Kritik stehen, und es stehen häufig gesellschaftlich spannende Themen wie Gender Studies in der Kritik. Dabei muss man eines sagen: Natürlich sind das Felder, die neu entstehen, weil Wissenschaft eben neue Erkenntnisse bringt. Wissen schafft man nur, indem man neue Fragen stellt und auch neue Felder beschreitet. Wer glaubt, Wissenschaft ginge nur in den alten, tradierten Disziplinen, der hat nicht verstanden, dass es gerade bei der Wissenschaft darum geht, neue Erkenntnisse zu gewinnen, mit wissenschaftlichen Methoden neue Fragen zu bearbeiten und dann auch gerade in den gesellschaftswissenschaftlichen Feldern und Fachgebieten die Themen zu bearbeiten, die gesellschaftlich kontrovers sind. Insofern kann es da keine Beschränkungen geben, sondern die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie schaffen wir es, die Autonomie der Hochschulen so zu erhalten, dass sie genug Chancen und Mittel haben, auch diese Felder beackern zu können?
Ich fasse zusammen: Wie sollte es anders sein, die Freien Demokraten sind für Menschenrechte und Wissenschaftsfreiheit, für Koalitionsfreiheit, insbesondere von denjenigen, die an der Hochschule tätig sind – das ist nämlich das, was gerade in der Türkei ausgehebelt wird –, und wir bleiben dabei, die Zukunft kann nur den Gesellschaften gehören, die wissensbasiert arbeiten. Deswegen unterstützen wir gerade dieses Ansinnen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen des Hohen Hauses! Sehr geehrte Kollegin Strunge, auf die Anwürfe muss ich natürlich kurz einmal antworten! Es ist genau der deutsche Oberlehrerton im Inland, den die AfD
bekämpft, und diesen deutschen Oberlehrerton werden wir auch im Wissenschaftsbetrieb als AfDAkademiker und so weiter bekämpfen.
Es ist in diesem Hohen Hause eine ziemliche Unsitte geworden, bestimmte Länder der Europäischen Union und des weiteren Auslands anzugreifen. Es gibt einfach Länder, die auch nach 25 Jahren noch ein kommunistisches Erbe zu tragen haben, das sie loswerden wollen, und in Bezug auf die USA: Das ist ein Land, dessen wissenschaftliche Freiheit wohl eher durch politische Korrektheit als durch irgendetwas anderes bedroht wird, und das ebenfalls um seine Wissenschaftsfreiheit kämpft.
Sie vergiften also im Grunde das völlig richtige Ansinnen des Antrags, die Wissenschaftsfreiheit weltweit zu erhalten, mit Ihrer eigenen Ideologie. Ein Land, das ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat, das 57-seitige Empfehlungen für die Gender-Sprache an seine Hochschulen herausgibt – einige Bundesländer tun dies –, ist wohl kaum in der Lage, dem Ausland Empfehlungen zu geben, wie es seine Wissenschaftsfreiheit zu erhalten habe. Ich werde daher dem Antrag der Koalition zwar nicht mit Ablehnung begegnen, weil die Wissenschaftsfreiheit selbstverständlich ein hohes Gut ist, aber ich muss mich natürlich enthalten, da ich die Tonlage, die hier schon wieder in dieses Haus eingezogen ist, allerschärfstens zurückweisen muss! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Bürgerschaft sehr, sehr dankbar, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Es ist für uns aus der deutschen Sicht manchmal gar nicht erkennbar, welch hohes Gut wir in Deutschland mit der Wissenschaftsfreiheit besitzen und vor allem, dass wir diese Wissenschaftsfreiheit auch schützen müssen. Es ist eben in anderen Ländern keine Selbstverständlichkeit, dass eine Wissenschaftsfreiheit gewährleistet wird. Zum Beispiel die Kürzung von Mitteln, die man bisher für Klimaforschung eingesetzt hat, wo man wissenschaftliche Erkenntnisse einfach vom Tisch gewischt und sie durch alternative Fakten ersetzt, das ist kein Weg für Wissenschaftsfreiheit!
Das ist die unmittelbare Beeinflussung der Wissenschaftsfreiheit, weil man hier ganz konkret mit dem Geld erreichen möchte, dass bestimmte ungeliebte
Was wir in der Türkei erleben, was wir zum Teil in den Vereinigten Staaten erleben, was wir in Polen und Ungarn erleben, das sind Situationen, die ich mir für die Bundesrepublik nicht ausmalen möchte, weil wir mit unserem Artikel 5 zur Freiheit von Forschung und Lehre einen deutlichen Gegensatz aufgebaut haben, und auch das politische Handeln ist ein ganz anderes als das, was in diesen Ländern zurzeit passiert. Dagegen müssen wir uns immer wieder verwahren, und wir müssen es öffentlich tun, damit wir dann auch die Entscheider dort in eine Verpflichtung bringen, argumentativ zu begründen, warum und weshalb sie das machen, beziehungsweise sie dazu zwingen, dass sie solche einschneidenden Maßnahmen zurücknehmen.
Bezogen auf Bremen kann ich Ihnen noch einmal einen kleinen Blick in die Geschichte geben, vielleicht erinnern sich manche noch daran: In den Siebzigerjahren sind chilenische Wissenschaftler nach der Machtübernahme durch Pinochet nach Bremen gekommen, wir haben in Bremen Asyl gewährt, und wir haben an den Hochschulen in Bremen auch Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten für geflüchtete chilenische Wissenschaftler organisiert. Schon in den Siebzigerjahren!
Der andere Punkt ist, Sie kennen vielleicht das Institut für Osteuropaforschung. Auch das ist eines der Elemente, die sich, als es noch einen Ostblock gab, sehr deutlich für Minderheiten in den jeweiligen Ländern eingesetzt haben. Das war der Ort der Forschung, und die Kooperation zwischen der Universität Gdansk und Bremen wurde von der polnischen Regierung untersagt, weil wir in Bremen ein solches Osteuropainstitut haben.
Ich finde auch! Auch die Lew-Kopelew-Sammlungen, die es im Osteuropainstitut gibt, all das sind Belege dafür, dass wir in Bremen seit vielen, vielen Jahren sehr aufgeschlossen und sehr hilfreich sind, gerade für geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Dafür, muss ich sagen, sollten wir den Hochschulen im Lande Bremen ausdrücklich dankbar sein!