Protokoll der Sitzung vom 30.05.2018

Gehen Sie doch einmal vor die Tür! Schauen Sie sich einmal die Leute an, die da ihre Aktionen gegen die Altersfeststellung machen, ich habe es eben noch gesehen. Da machen sie so kleine Theaterstücke, die so ein bisschen an die Mediziner in KZs im Dritten Reich erinnern sollen, wie schlimm es ist, dass man jetzt feststellen will, wie alt sie wirklich sind. Ich habe ja bei der FDP schon so manche Wette verloren,

(Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

aber da würde ich jetzt eine Wette machen: Keiner von denen ist unter 21, und wir lassen uns von ihnen auf der Nase herumtanzen!

Natürlich geht es mir auch um diejenigen, die wirklich minderjährig und schutzbedürftig sind, aber ich sage, jetzt müssen wir auch einmal an uns selbst

denken, an den Steuerzahler, an den Beitragszahler in unserem Land: Wie lassen wir uns eigentlich zum Narren halten, wenn es da 30- oder 35-jährige Leute gibt, die behaupten, minderjährig zu sein, und Sie sagen: Oh, das ist aber Misstrauen,

(Zurufe SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

wenn wir sagen, das würden wir gern einmal überprüfen. Insofern ist eine verbindliche medizinische Altersfeststellung absolut notwendig, völlig egal, von wem der Antrag kommt.

Erinnern wir uns einmal daran: Es gibt immer den Fall, bei dem man sagt, na ja, da ist eine Unsicherheit. Wir reden nur von den Fällen, bei denen wir sagen, wir sind uns absolut sicher, sie sind nie und nimmer minderjährig. Die möchten wir gern identifiziert haben, und diejenigen möchten wir gern so behandelt haben, wie es das Recht für erwachsene Asylbewerber vorsieht. – Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Möhle.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Frau Leonidakis, ich finde, man muss ehrlicherweise sagen, dass es vermeintlich Minderjährige gibt, die es nicht sind. Das ist das Problem: Wenn es nicht so wäre, bräuchten wir die ganze Diskussion hier nicht zu führen.

(Beifall BIW)

Für mich ist es Unsinn, hier von Misstrauen zu reden. Es gibt Fälle, die nicht eindeutig sind, aber es gibt kein System, auch kein medizinisches, das das aufklären könnte. Das ist in gewisser Weise ein Dilemma, und deswegen ist das mit der Röntgenuntersuchung auch so wenig hilfreich. Da wird jetzt von der CDU eine medizinische Untersuchung angestrebt, die überhaupt nicht dazu beiträgt, in der Entscheidung klarer zu werden.

(Zuruf Abgeordneter Hinners [CDU])

Das ist ein kleiner Mosaikstein!

Viel klarer ist für mich die qualifizierte Inobhutnahme, weil da Fachleute sitzen, die sich damit auskennen und eine viel klarere Entscheidung treffen können, und wenn es dann Zweifel gibt, dann ist eine medizinische Untersuchung derzeit auch

möglich. Wozu also eine flächendeckende Untersuchung anordnen? Das halte ich für absurd in Ihrer Argumentation. Ehrlich gesagt, wenn hier vorgetragen wird, das ginge mit der Sicherheit so ähnlich wie beim Steuerberater: Meine Erkenntnis beim Steuerberater ist auch nicht so, dass ich da immer auf der sicheren Seite bin und hin und wieder doch noch sehr viele Fragen offenbleiben. Aber gut!

Ich finde, wir sollten versuchen anzustreben, eine möglichst genaue Sicherheit herzustellen. Möglichst genau heißt aber nicht einhundertprozentig genau, das kann man derzeit medizinisch nicht leisten.

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Das verlangt doch auch keiner!)

Möglicherweise ist die Forschung dann irgendwann so weit, dass sie das kann.

Ich habe vorhin das Beispiel mit dem Baum nicht umsonst genannt: Menschen haben keine Jahresringe, die man auszählen kann.

(Abgeordnete Dehne [SPD]: Ja, genau so! – Zuruf Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU])

Wenn es denn so wäre, dann hätten wir die ganze Diskussion nicht.

Letzten Endes finde ich auch, was meine Kollegin von den Grünen erzählt hat: Mit wie viel Misstrauen gehen wir eigentlich gegenüber den Kollegen im Jugendamt vor, die genau diese Aufgabe erfüllen,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

mit wie viel Misstrauen gegenüber diejenigen, die sich qualifizieren, damit beschäftigen, die Ausbildung und Schulungen und Fortbildungen und alles das gemacht haben, um genau diese Aufgabe für uns zu erfüllen? Letztendlich gibt es ja auch etliche, bei denen festgestellt wird: Ja, sie sind eben nicht minderjährig. Man muss ja nicht so tun, als ob alle diejenigen, die hier antreten und eine Minderjährigkeit vorgeben, damit auch durchkämen. So ist es auch nicht! Mit Verlaub, aber das hörte sich teilweise so an. Das ist auch nicht so, und ich finde auch, dass wir in der Debatte irgendwie auch einmal ein bisschen herunterkommen müssen.

Ich bin der Meinung, wenn das Jugendhilfegesetz zum Beispiel sagt, man kann auf besonderen An

trag und bei besonderer Notwendigkeit die Jugendförderung auch bis zum Alter von 21 Jahren machen, dann muss man sich nicht aufregen, wenn ein Flüchtling hier ankommt, der sagt, ich bin minderjährig, und er ist vielleicht schon 18,5 Jahre alt. Mit solchen Leuten müssen wir wirklich sorgfältig umgehen, und da hätte ich nichts dagegen, wenn ihm die Jugendhilfe angedeihen würde, weil er es auch nötig hätte.

(Beifall SPD)

Es gibt eine Grenze, das finde ich auch, und sie liegt – für mich jedenfalls – nicht bei exakt 18 Jahren und vorher Jugendhilfe, und punktgenau danach eben nicht mehr. Das halte ich für ziemlich absurd.

(Glocke)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herrn Dr. Buhlert zu?

Ich bin eigentlich fertig, aber – –. Es macht ja keinen Sinn! Ich bin ja jetzt fertig. Ich wollte nur noch sagen: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Sie können sich ja noch einmal melden, Herr Buhlert.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Aber dann kann ich keine Frage beantwortet bekommen!)

Herr Dr. Buhlert, wünschen Sie das Wort zu einer Kurzintervention?

Nein, ich kann noch ein zweites Mal reden! Ich möchte jetzt nicht!

Gut! Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Prinzip hat mich die Debatte hier nicht so sehr überrascht, sie hat mich aber enttäuscht. Es ist für mich wirklich unverständlich, warum Rot-Grün und auch die Teilnehmer der LINKEN überhaupt nicht einsehen wollen, dass wir bundesweit bei allen Kontrollen, die durchgeführt worden sind, entweder weil es Strafverfahren waren oder weil es einen Verdacht auf falsche Altersfeststellung oder Alterseinschätzung gegeben hat. Es hat erhebliche Differenzen zur Altersangabe gegeben, da ging es nicht um ein, zwei Jahre, sondern da ging es um fünf, sechs Jahre. Das kann doch nicht negiert werden. Wir können doch nicht einfach so tun, als

wenn es das alles nicht gegeben hätte. Teilweise 40, 50 Prozent, im Ausland bis 80 Prozent, das wurde hier schon genannt.

In Bremen eine einzige medizinische Untersuchung, es wurde darauf hingewiesen, bei knapp 4 300 Fällen. Das immer wieder behauptete Verfahren hier in Bremen, nämlich durch Befragung auf ein realistisches Alter zu kommen, das ist in keiner Weise gerichtsfest. Kommt es tatsächlich zu einem Verfahren, ist eine medizinische Untersuchung unerlässlich, weil dieses Verfahren gerichtlich überhaupt keine Bedeutung hat.

Unsere Forderung, die wir heute erheben, die ist moderat, die ist bundesweit auch eigentlich konsensfähig, die sollte auch in Bremen zu einem positiven Ergebnis, zu einer positiven Rückmeldung führen, denn wir fordern ja gar keine Bremensie. Wir fordern ja gar kein Verfahren nur für Bremen, wir fordern ein bundeseinheitliches Verfahren, was aber auch in Bremen dann Anwendung findet. Das hat es bisher ja nun nicht gegeben. Das alles muss man immer unter der Bedingung sehen, dass wir in Bremen ein erhebliches Maß – das kann man ja an den Statistiken erkennen – an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen haben, die eben nicht minderjährig sind und damit erhebliche Steueraufwendungen nach sich ziehen.

Ich wiederhole noch einmal: Es geht hier nicht darum, ob jemand 17 oder 18 ist, es geht darum, ob jemand 16 oder 22 ist. Und das, meine Damen und Herren, lässt sich mit einer medizinischen Untersuchung sehr wohl und sehr gut feststellen.

(Beifall CDU, BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Tassis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen des hohen Hauses. Zu meinem eigenen Antrag werde ich gleich noch reden unter einem anderen Tagesordnungspunkt. Erst einmal zum Antrag der CDU, der einheitliche Standards fordert und vor allem auch das wiederholt, was eigentlich schon Rechtslage ist, in zwei Sätzen, in den Punkten zwei und drei des CDU-Antrages: Nur in Zweifelsfällen die medizinische Altersfeststellung anzuwenden.

Das ist zu wenig. Gerade dieser Senat kann nicht dazu aufgefordert werden, irgendetwas zu machen. Gerade dieser Senat muss verpflichtet werden zu bestimmten Altersfeststellungskriterien. In

der Tat brauchen wir da eine bundesgesetzliche Regelung, die nicht zu umgehen ist. Selbst wenn ein Bundesland in einer Art und Weise ein Staats- und Bürokratieversagen zeigt, dem schon bei dem Umgang mit der Verweigerung von Fingerabdrücken, die Hilflosigkeit bescheinigt wird. Da fragt man sich schon, wie dieses noch genannt werden kann.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Haben Sie einen Beleg dafür?)

Unter Generalverdacht stellt die AfD jedenfalls garantiert nicht, wie Frau Görgü-Philipp meinte, mit einer völlig normalen Forderung auf medizinische Altersfeststellung, die europaweit ja um sich greift, gerade auch aufgrund der deutschen Erfahrungen. Unter Generalverdacht ist höchstens eine Länderregierung zu stellen, welche solche Verfahren, wie wir sie bisher erlebt haben, duldet. Von Weisheitszahnentwicklung zu sprechen, während wir hier wirklich von einem, wie ich schon sagte, Staats- und Bürokratieversagen sondergleichen reden und einem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung, zeigt, wie man den Staatsbürgern hier gegenübertritt und nicht vielmehr. Mit vernünftiger Flüchtlingspolitik, vernünftigem Zuwanderungsgesetz, normalen medizinischen Altersfeststellungen, wie sie weltweit angewandt werden, hat diese Diskussion wenig zu tun.

Es ist kein rechtsstaatliches Prinzip, dass eine staatliche Stelle einem ihr gegenüber tretenden Menschen das glaubt, was er ihr sagt. Es wird nachgeprüft, das ist auch vollkommen normal in einem gewissen Rahmen. Diese Nachprüfung muss natürlich nach rechtlichen Standards erfolgen. Gerade da setzt doch das rechtsstaatliche Prinzip im Grunde ein, beziehungsweise das Nichteinsetzen dieser Prinzipien bei unserer Altersfeststellung bei den vielen einhunderttausend Flüchtlingen in diesem Land, wurde es ja gerade außer Kraft gesetzt. Diese einfachen Sachverhalte umzudrehen, halte ich für sehr, sehr merkwürdig und werde mich deswegen auch dem CDU-Antrag enthalten, weil er mir nicht weit genug geht. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Fecker.