Protokoll der Sitzung vom 31.05.2018

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte um Armut ist ja nicht neu in diesem Haus, wir haben sie schon häufiger geführt und nun haben wir auf Grundlage der Anfrage der CDU noch einmal ein paar aktualisierte Zahlen.

22,6 Prozent Armutsquote, für Bremerhaven sogar etwas über 30 Prozent. Mehr als jedes dritte Kind in Bremen und Bremerhaven muss in Armut aufwachsen oder ist armutsgefährdet. Mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden, und damit zumeist Frauen, gelten als armutsgefährdet.

Ich glaube aber auch und was richtig ist, eine Debatte über die exakte Zahl, ob nun 22,6 oder 23 Prozent, und über die Methodik hilft uns nicht weiter. Was wir feststellen müssen, ist ein Trend, den wir auch deutschlandweit beobachten: Die Gesellschaft geht weiter auseinander, Armut nimmt zu und verfestigt sich in bestimmen Segmenten. Das ist eine Spaltung, die es auch hier im Bundesland zu bekämpfen gilt und die eines der drängendsten Probleme ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, flankierend zu dieser Debatte hilft auch noch einmal ein Blick in die letzte Studie der Arbeitnehmerkammer, die noch einmal einen speziellen Blick in die Stadtteile geworfen und wichtige Aussagen für die Quartiere getroffen hat. Wir müssen feststellen, dass Quartiere wie das GoetheQuartier, Klushof oder Grünhöfe in Bremerhaven Quoten von über 30 Prozent von Menschen aufweisen, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Das deckt nicht all die Menschen ab, die in diesen Stadtteilen arm sind, sondern nur die, die auch derzeit real Leistungen beziehen. Für Bremen liegen die Stadtteile Gröpelingen, Blumenthal und Huchting mit über 20 Prozent dieser Quote an der traurigen Spitze dieser Statistik, andere Stadtteile hingegen weisen sehr niedrige, teilweise sogar rückläufige Quoten auf. Wir müssen daher feststellen, dass wir in unseren beiden Städten erleben, dass unsere Gesellschaft an dieser Stelle auseinanderbricht.

Ich möchte mich dem Eindruck entgegenstellen, Frau Grönert, den Sie eben geschildert haben. Sie sagten, der Senat richtet sein Augenmerk ausschließlich auf die so genannten Neubürgerinnen und Neubürger und dass das einen Großteil der Maßnahmen ausmacht. Es ist gerade schon angesprochen worden, das Programm LAZLO, aber auch Fragen, die hier beantwortet wurden, wie Ganztagsschulausbau und Kitaausbau, sind Programme, die insgesamt den Anspruch haben, hier Armut zu bekämpfen. Inwiefern sie wirksam sind und inwiefern sie ausfinanziert sind und inwiefern die personellen Kapazitäten dafür da sind, da gebe ich Ihnen Recht, das reicht an vielen Stellen nicht. Ich möchte aber schon dem Eindruck widersprechen, dass sich Armutsbekämpfung hier ausschließlich an diejenigen richtet, die in den letzten Jahren neu nach Bremen gekommen sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Schwierigkeit, die wir doch gesellschaftlich haben, ist: Wir haben eine florierende Wirtschaft auf Bundesebene, zumindest steigen die Steuereinnahmen, aber im Goethe-Quartier, in Gröpelingen haben die Menschen von dieser Wirtschaftsentwicklung nichts. Die Armut hat sich verfestigt, die Löhne steigen jetzt erstmals wieder, trotzdem ist es keine Gegenentwicklung zu der Armut, wie wir sie derzeit erleben. Armutsbekämpfung bedeutet für uns daher nicht nur einen Kampf gegen direkte materielle Armut, sondern auch eine Auseinandersetzung um Partizipation, eine Auseinandersetzung, um der Spaltung der Gesellschaft entgegenzutreten. Nicht alle Probleme können wir, das ist beschrieben worden, vor Ort lösen. Weder die Frage sozialer Sicherungssysteme noch die der Steuerpolitik fallen in die Verantwortung des Landes, wohl aber Fragen kommunaler Arbeitsmarktpolitik, der Wohnungspolitik, der Bildungspolitik, des Ausbaus von Kitas. Genau hier müssen wir gezielt ansetzen, genau in den Stadtteilen, in denen die Armutsquoten so sind, wie sie nun einmal jetzt, auch als Ergebnis von Politik, sind. Genau auf diese Stadtteile muss der Fokus gelegt werden und hier müssen wir ganz konkrete Projekte voranbringen, um dieser Armut in den Stadtteilen zu begegnen und einen Ausweg aufzuzeigen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Vor wenigen Monaten hat erneut die Bremer Armutskonferenz mit dem Schwerpunkt Gesundheitsversorgung getagt. Das schließt sich auch an die Debatte ganz gut an, die wir eben zu der Frage

kommunaler Gesundheitsversorgung geführt haben. Auf der Armutskonferenz fand ich eingangs einen ganz eindrucksvollen Kommentar einer Ärztin aus dem Bremer Westen, die geschildert hat, dass es Patientinnen bei ihnen gibt, die eine fachärztliche Begleitung brauchen, die sie allerdings nicht im Stadtteil erhalten können. Dafür müssen sie in die Innenstadt fahren und zwar in Begleitung. Dafür brauchen wir vier Tickets, zwei hin und zwei Tickets zurück. Bei den derzeitigen Bahnpreisen und im Sozialleistungsbezug eine ernsthafte Herausforderung. Genau das sind die Herausforderungen, mit denen die Menschen tagtäglich konfrontiert werden. Deshalb müssen wir uns darum kümmern, die medizinische Versorgung in den Stadtteilen zu stärken und müssen uns auch darum kümmern, dass Mobilität bezahlbar bleibt. Genau das ist Armutsbekämpfung.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde auch einige Punkte richtig, die hier vom Senat angesprochen wurden. Kristina Vogt hat in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, und das findet sich jetzt in den Zuweisungsrichtlinien, dass besondere Bedarfe für benachteiligte Stadtteile anerkannt werden. Wir stellen auch fest, es gibt Bekundungen zum Ganztags- und Kitaausbau, da hat schon etwas stattgefunden, auch wenn uns die derzeitige Geschwindigkeit nicht ausreicht. Viele Pläne des Senats sind also in der Ankündigung nicht falsch, es bleibt abzuwarten, ob die damit verbundenen Erwartungen allerdings einen Effekt haben, ernsthaft Armut zu verändern.

Nicht alles hängt immer nur vom Geldbeutel ab, auch das hören wir häufiger. Aber ein Projekt, das nur befristet ist, das nur auf kurze Zeit angelegt ist, das personell nicht ausreichend ausgestattet ist und das keine verfestigte Struktur im Hintergrund hat, ist nun einmal ein Projekt, bei dem ich persönlich keine große Hoffnung habe, dass wir damit eine langfristige Struktur aufbauen können, um Armut ernsthaft zu bekämpfen. Deshalb bleibt es richtig, dass wir hier Armutsbekämpfung auch mit den nötigen finanziellen Mitteln unterfüttern müssen und das werden wir als Fraktion DIE LINKE in der Zukunft wie in der Vergangenheit weiter mit Anträgen zur Haushaltsberatung machen. Daher möchte ich an der Stelle sagen, es ist gut, weiter in der Debatte zu bleiben, es ist auch gut, wenn hier Projekte angerissen werden, es bleibt aber nach wie vor so, die Zahlen zeigen derzeit keine Abkehr und darum brauchen wir hier verstärkte Anstrengungen, wir

sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten. Ehrlich gesagt, ich sehe den guten Weg bisher auch noch nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als die Wirtschaft ein bisschen danieder lag und man gesagt hat: Wir müssen Wirtschaftsförderung betreiben, denn wenn die Wirtschaft floriert, dann schafft das Arbeitsplätze. Jetzt haben wir die Situation, dass die Wirtschaft floriert, aber wo bleiben eigentlich die Arbeitsplätze?

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Zumindest in Bremen!)

Es gibt ganz augenscheinlich nicht diesen unmittelbaren Zusammenhang, sondern es gibt offensichtlich eine Lücke für Menschen, die nicht in der Lage sind, am ersten Arbeitsmarkt zu bestehen. Das sind diejenigen, um die ich mich als Sozialpolitiker kümmern muss. Mein Kollege Dieter Reinken, der musste sich um Arbeitsmarktpolitik kümmern. Das sind in der Regel diejenigen, die in der Lage sind, am ersten Arbeitsmarkt zu bestehen, aber keine Stelle haben, die vermittelt werden müssen, die vielleicht auch noch geschult und weitergebildet werden müssen. Alles das gibt es, aber am Ende der Kette haben wir sehr, sehr viele Menschen, die aus vielfältigen Gründen nicht in der Lage sind, am ersten Arbeitsmarkt zu bestehen. Das überhaupt erst einmal zu akzeptieren und einzusehen, dass es auch keinen Sinn macht, bestimmte Maßnahmen auszuprobieren, sondern dass man einfach einmal sagen kann und muss, dass es vielleicht klug wäre, genau für diese Menschengruppen einen so genannten sozialen Arbeitsmarkt ins Leben zu rufen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Genau das ist es, was die Große Koalition in Berlin in Vorbereitung hat. Ich hoffe für Bremen, dass genug übrig bleibt und wir in Bremen einen vernünftigen sozialen Arbeitsmarkt implementieren können.

Mir ist das oft zu akademisch, sage ich ganz ehrlich, diese ganzen Statistiken und Debatten. Das

sind Schicksale von Menschen die daniederliegen, die nicht auf die Beine kommen, von deren Situation man sich überhaupt kein Bild macht. Wenn wir in Bremen 600 Kinder in Obhut nehmen müssen, weil die Eltern nicht in der Lage sind, mit diesen Kindern auch nur annähernd vernünftig umzugehen, dann ist das das pure Elend. Und dann frage ich einmal: Was wird aus diesen 600 Kindern, wenn die nicht vernünftige Pflegeeltern bekommen, wenn die keine vernünftige Unterstützung bekommen und wenn man sich nicht vernünftig um sie kümmert?

Ich bin in einer Pflegefamilie aufgewachsen. Ich bin mit eineinhalb Jahren aus einem Säuglingsheim in die Pflegefamilie gekommen. Ich war in der Entwicklung zwei Jahre zurück, weil man es nicht aufholt, wenn einem am Anfang des Lebens bestimmte Zuwendung fehlt. Ich bin sonst niemand, der gern über das Persönliche spricht, aber das ist so. Diese Kinder haben einen ganz, ganz schwierigen Start, egal wie gut die Pflegeeltern sind, aber wichtig ist, dass sie gut sind. Ich finde, dass diese Gesellschaft sich in vielen Bereichen nicht richtig darum kümmert, sondern liebend gern wegschaut und akademische Debatten über Armut führt. Armut ist konkret. Das ist nichts, was anhand einer Statistik zu bewältigen ist. Ich möchte auch gerne die Zahlen wissen und ich freue mich auch darüber, dass das Ressort die Zahlen aufarbeitet. Aber am Ende des Tages muss man in dem Bereich, in dem es sozial schwierig ist, auch ein Stück ehrlicher an diese ganze Problematik herangehen.

Wir haben ganz furchtbar viel, das hat Frau Grönert auch gesagt, Teilhabe organisiert. Das ist richtig und das ist wichtig, das führt aber nicht dazu, dass ein armer Mensch auch nur ein bisschen reicher wird. Das führt aber dazu, dass er gesellschaftlich nicht ausgegrenzt wird. Ich sage einmal, wenn das nicht auch ein sozialpolitisch wichtiges Ziel ist, dann hat man die Welt auch nicht wirklich verstanden. Natürlich wollen wir, dass auch arme Leute ins Theater gehen können. Wir wollen, dass arme Leute teilhaben können, dass sie zu einer Versammlung gehen und mit uns gemeinsam diskutieren können. All diese Teilhabe, die ist extrem wichtig. Wenn man so tut, als sei das Beiwerk und nicht so wichtig, dann finde ich das fatal.

Der Kollege Herr Janßen hat eben schon darauf hingewiesen, dass die Frage nach ausländischen Mitbürgern zunächst einmal so gut wie gar nichts damit zu tun hat. Wir hatten WiN-Gebiete schon lange bevor wir in dem Ausmaß diese Einwande

rung hatten. Wir hatten ganz viele Teilhabeprojekte, bevor es überhaupt ein Thema war, dass Ausländer zu uns kommen. Ich finde, das zu vermengen und da unterschwellig eine Schuldzuweisung in Richtung ausländischer Mitbürger zu formulieren, fatal falsch.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich glaube im Übrigen aber auch, dass diese zugewanderten Mitbürger Ansprüche auf Hilfen haben, und das ist auch richtig so. Das Jugendhilfegesetz ist doch für die unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen genauso wichtig und richtig wie für Bio-Deutsche oder wie immer man die nennen will. An der Stelle würde ich überhaupt gar keine Unterscheidung machen.

Ich sage noch zwei Stichpunkte: Wenn man Altersarmut bekämpfen will, dann braucht man in dieser Republik eine Rentenreform, die die Altersarmut verhindert. Davon sind wir aber derzeit weit entfernt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, dass es beim Hartz-IV-Satz endlich zu einer ehrlichen, fairen Berechnung kommen müsste, das heißt, mindestens einhundert Euro mehr für die Hartz-IV-Empfänger.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dann glaube ich, als nächsten Punkt, dass wir Möglichkeiten eines Zuverdienstes organisieren müssen, damit jemand, der im Sozialhilfebezug ist, die Möglichkeit hat, mit eigener Arbeit einen kleinen Teil hinzuzuverdienen. Das ist auch noch neu zu regeln. Als letzten Punkt sage ich, wir brauchen in der Pflegeversicherung eine Reform, die von der Teilkasko- zur Vollversicherung übergeht. Das sind die Punkte. Wenn man nicht anfängt, daran zu arbeiten, dann wird man die Altersarmut nicht los, dann wird man viele verschiedene Bereiche, in denen Armut herrscht, nicht in den Griff bekommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Möhle, natürlich will niemand jemandem die Schuld geben, wenn er aus dem Ausland kommt

und arbeitslos ist, um Gottes willen! In der Tat gibt es Zusammenhänge und in der Tat ist nicht alles so düster, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Seitdem Hartz-IV eingeführt wurde, ist die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger bundesweit, ich spreche jetzt nicht nur von Bremen, kontinuierlich gesunken. Das ist im Prinzip ein Erfolg, auch die Arbeitslosigkeit ist gesunken. Wir haben seit einer geraumen Zeit eine wirtschaftlich prosperierende Entwicklung in diesem Land. Davon profitiert auch der Arbeitsmarkt, die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist auf einem Rekordhoch. Im Übrigen ist auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer auf einem Rekordhoch. Die Zuwachszahlen bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländern sind noch viel größer als bei den Deutschen. Das ist wirklich ein großer Erfolg.

Dennoch haben wir ein erhebliches Problem der Verbesserung dieses Erfolges durch einen sehr schnell erfolgenden Zuzug. Das muss man wissen, dass die Einwanderung nach Deutschland nur zu 9,1 Prozent in den Arbeitsmarkt erfolgt, zu über 90 Prozent erfolgt sie aus humanitären Gründen und das sind in der Regel Leute mit geringer Qualifikation oder mit gar keiner Qualifikation und die kommen dann, wenn sie ihr Asylverfahren abgeschlossen haben, in das Hartz-IV-System. Wenn wir uns die Zahlen konkret anschauen, allein im letzten Jahr ist die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger, die schon länger hier leben, um fünf Prozent zurückgegangen. Die Anzahl der ausländischen Hartz-IVEmpfänger ist aber um zwölf Prozent gestiegen.

Das ist nicht alles Doom and Gloom, denn wenn diese Leute erst einmal in dem Hartz-IV-System angekommen und in unserem System sind, heißt es ja nicht, dass wir sie nicht an den Arbeitsmarkt heranführen können oder dass sie nicht irgendwann erfolgreich an dem Arbeitsmarkt teilnehmen. Der hohe Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Ausländer zeigt das. Ich habe gerade gestern noch eine Statistik gelesen, ich habe die Zahlen jetzt nicht mehr im Kopf, dass insbesondere Einwanderer aus Syrien, Einwanderer aus Nigeria durchaus erstaunliche Erfolge im Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Nur geschieht das nicht so schnell, wie diese Leute kommen. Wir haben eine extrem hohe Zuwanderungsrate von mehreren einhunderttausend Menschen pro Jahr und diese Integrationskraft, die wir haben, reicht da nicht aus. Wir bekommen ja nicht einmal die Asylanträge vernünftig abgewickelt.

Das heißt, diese Leute sammeln sich erst einmal in unserem Sozialsystem, wir hinken hinterher mit der Integration und Städte wie Bremen, die den Begriff wachsende Stadt im Wesentlichen dadurch definieren, humanitäre Einwanderung zu befördern, sind natürlich in vorderster Front betroffen, weil wir uns die Arbeit ins Land holen, diese Menschen zu integrieren. Das ist eine große Investition. Das wird Jahre dauern. Am Ende ist es aber nicht so, dass wir sagen müssen, ja, wir haben absolut gesehen vielleicht wieder genauso viele Hartz-IV-Empfänger wie vor zehn Jahren, das ist ein großes Problem. Wir haben nichts geschafft. Doch, wir haben eine Menge geschafft. Wie gesagt, die wirtschaftliche Situation derer, die schon länger hier sind, hat sich erheblich verbessert und die wirtschaftliche Situation derer, die noch nicht so lange hier sind, wird sich verbessern, aber nicht so schnell, wie immer neue nachkommen. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal noch zu Herrn Janßen. Sie haben vorhin gesagt, ich hätte gesagt, dass ausschließlich die Maßnahmen, die gemacht wurden, den Neubürgern geschuldet sind. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe das Wort ausschließlich oder auch ein ähnliches Wort nicht in den Mund genommen. Ich habe gesagt, fast nahezu. Ja. Ich habe aber so etwas nicht gesagt und das finde ich dann auch nicht fair, mir ausschließlich in den Mund zu legen.

(Unruhe SPD – Abgeordneter Senkal [SPD]: Nie- mand hat vor, eine Mauer zu bauen.)

Natürlich muss man die Grundsicherungssysteme auch stets weiterentwickeln. Man darf und muss auch gerade die Höhe der Regelbedarfe immer wieder diskutieren und auch den Finger in die Wunden legen. Das hilft der Politik, weiterzumachen und sich mit diesen wichtigen Fragen dann auch zu befassen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass wir ein weltweit anerkanntes Grundsicherungssystem haben und es auch keine einfachen Lösungen gibt. Wenn man nämlich zum Beispiel die Regelbedarfe von Hartz IV, Herr Möhle, tatsächlich kräftig erhöhen würde, dann hätte das weitreichende Folgen. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger würde zum Beispiel sofort deutlich steigen, anstatt zu sinken, und das, obwohl das Hilfesystem eigentlich besser wird. Es bekämen dann nämlich viel mehr Menschen mit niedrigen Löhnen ergänzende Hilfen aus Hartz IV. Auch die Empfänger

von Grundsicherung im Alter und noch viele andere mehr wären betroffen. Da sind also Schnellschüsse wirklich nicht angebracht.

Und ja, ich meine auch, vorsichtig sicherlich, aber ich meine auch, dass man sehr reiche Menschen noch mehr in die Verantwortung nehmen könnte. Eine Umverteilung nach dem Robin-Hood-Prinzip sozusagen, von oben nach unten, und auch, ich sage das jetzt einmal in einem Atemzug, die Kindergrundsicherung, die wir letzte Woche diskutiert haben, versetzen noch niemanden in die Lage, sich auf Dauer möglichst wieder oder auch erstmalig eigenständig zu versorgen. Dazu brauchen wir die, wie kürzlich jemand sagte, Befähigungsgerechtigkeit. Herr Buhlert hat eben auch schon über Befähigung gesprochen.

Ja, die Potenziale eines Menschen und nicht seine Alimentierung muss im Mittelpunkt stehen, also die Entwicklung der Potenziale müssen im Mittelpunkt stehen. Womit ich dann auch wieder an meinen ersten Redebeitrag anknüpfe. Genau diese Befähigungsgerechtigkeit fehlt aber in Bremen. Die Bedingungen, die man dafür in Kita, Schule und vieles mehr braucht, können sich die Betroffenen leider auch nicht selbst basteln. Diese zu entwickeln und zu garantieren ist Aufgabe der Politik, und zwar nicht nur des Bundes, sondern auch die der Bundesländer. Somit fordere ich den Bremer Senat auf, durch solche Maßnahmen den richtigen Grundstein zur Armutsbekämpfung zu legen. Da können Sie auch jetzt 100 Mal hier vorn sagen, da wird doch das und das und das gemacht. Wir kommen aber nicht vom Fleck.

(Beifall CDU, FDP)