Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Von daher glaube ich – und möchte mich der Fraktion der FDP anschließen –, Glück auf und voran, wir müssen das anpacken. – Danke!

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grönert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der CDU steht nach wie vor dazu, eine Umbenennung des Schwerbehindertenausweises anzustreben. Das Ziel, einen Namen zu finden, der sich eben nicht mehr nur an den Defiziten eines Menschen orientiert, muss weiter verfolgt werden.

An der vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen organisierten zweistündigen öffentlichen Anhörung nahmen viele Interessenvertreter teil. Ich war auch mit dabei. Viele Für und Wider wurden dort benannt, aber am Ende gab es kein eindeutiges Ergebnis, das wurde eben auch schon gesagt. Ähnlich war es beim Behindertenparlament, da wurde abgestimmt, aber das Ergebnis war relativ knapp. Interessant war, dass sich unter denen, die sich gegen eine Umbenennung des Ausweises aussprachen, vorrangig wirklich langjährig kampferprobte und selbst schwerbehinderte Interessenvertreter befanden.

Ich hatte den Eindruck, dass viele von denen mit ihrer Lebenserfahrung über die Jahre ihren Frieden mit der Schwerbehinderung gemacht haben und eben auch mit dem Namen des Ausweises nicht mehr hadern. Diese Gruppe meinte sehr engagiert, man müsse eben auch lernen, zu seiner Behinderung zu stehen, man könne sie eh nicht verstecken, und der beste Weg sei ein selbstbewusstes

Ja zu sich selbst, so wie man ist, und eben auch ein selbstbewusstes Ja zu dem Ausweis. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, aber es gibt eben auch junge und unerfahrene Menschen mit Schwerbehinderung, und diese waren zum Beispiel als Schüler und Schülerinnen der Werkstufe des Schulzentrums Neustadt auch gut vertreten, auf der Anhörung zumindest, im Behindertenparlament waren sie nicht. Sie ließen sich die Erfahrungen der Älteren genauso wenig überstülpen wie andere Jugendliche ganz allgemein nicht nur aus den Erfahrungen der Älteren, seien es Eltern oder Lehrer oder wer auch immer, lernen würden.

Jede Generation muss und wird auch eigene Erfahrungen machen, und Dinge werden sie sich anders erkämpfen, genauso wie vielleicht auch die Bezeichnung für diesen Ausweis. Das finde ich alles gut und richtig so. Wie soll sonst der Motor für Veränderungen in unserer Stadt und in unserem Land auf Dauer heiß bleiben?

Die Fraktion der FDP möchte nun mit ihrem heutigen Antrag eine Bundesratsinitiative zur Umbenennung des Schwerbehindertenausweises starten. Nicht das Anliegen der Umbenennung, das habe ich gerade schon ausgeführt, sondern diese Initiative halten wir inzwischen für völlig unnötig. Die Umbenennung des Schwerbehindertenausweises wurde bereits am 26. April 2018 im Bundestag debattiert. Der Antrag wurde anschließend zur weiteren Befassung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Es wundert mich, dass das von den Diskutanten niemand wenigstens einmal erwähnt hat. Die Fraktion der CDU hält das für absolut zielführend und auch ausreichend. Das Thema ist bereits mitten im Bundestag angekommen. Was könnte eine erfolgreiche Bundesratsinitiative mehr erreichen?

(Beifall CDU)

Ja, es mag aus Sicht der Fraktion der FDP und auch aus Sicht der Fraktion DIE LINKEN, die im Bundestag nicht regieren, nicht genug sein. Ich traue meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag aber zu, dass sie sich in den nächsten Monaten engagiert und angemessen mit dem Thema auseinandersetzen. Deshalb werden wir dem Antrag der Bremer Fraktion der FDP für eine Bundesratsinitiative trotz inhaltlicher Übereinstimmung heute eben nicht zustimmen. Ich denke, alles Weitere wurde schon gesagt.

Ich bin auch nicht begeistert von dem Namen Teilhabeausweis, Teilhabepass.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Es war das Behin- dertenparlament, das das vorgeschlagen hat! Das haben wir aufgegriffen und gesagt, hilfsweise auch etwas anderes!)

Ich hätte, wenn noch eine Bundesratsinitiative nötig gewesen wäre, weil der Bundestag es noch nicht debattiert hat, mich dafür ausgesprochen, einen Antrag auf eine Diskussion zu stellen, dass man den Ausweis umbenennt, aber nicht zwingend den Namen schon vorgibt. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Görgü-Philipp.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eines vorweg, der Name „Schwerbehindertenausweis" ist schrecklich.

(Beifall FDP)

Er ist stigmatisierend und diskriminierend. In den vielen Debatten, die wir geführt haben, ist eines klar geworden: Es geht um gleichberechtigte Teilhabe und die Frage, wie Teilhabe verbessert werden kann. Hier kann in den nächsten Jahren noch einiges erreicht werden. Nun bringt der breite Austausch von Argumenten mit sich, dass Standpunkte sich ändern können. Mein Standpunkt, dass Inklusion eine große Aufgabe ist, hat sich nicht geändert.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Auch die ernüchternde Tatsache, dass es weiterhin einer großen Anstrengung bedarf, Barrieren abzubauen und stattdessen gesellschaftliche Teilhabe zur Normalität werden zu lassen, ist bei mir unverändert. Ob aber eine Umbenennung eines Ausweises das richtige Mittel ist, um Diskriminierung abzubauen, dazu hat sich mein Standpunkt sehr wohl geändert. Gerade vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Fachverbände bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass wir mit der Umbenennung zwar ein Wort ändern würden, aber nicht die Verhältnisse in der Gesellschaft.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Aber irgendwo muss man ja einmal anfangen!)

Die gesellschaftliche Abwertung, die Menschen mit Beeinträchtigungen erfahren, liegt tiefer. Die

Anerkennung, die sich die Befürworter und Befürworterinnen versprechen, ist durch eine Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen nachhaltiger zu erreichen als es eine Umetikettierung vermag. Zu diesem Schluss bin ich durch die vielen Debattenbeiträge gekommen. Insofern lehne ich den vorliegenden Antrag ab. Als jugendpolitische Sprecherin fällt mir diese Ablehnung zugleich sehr schwer. Ich bedaure, dass ich hier vor allem junge Leute enttäuschen werde. Denn es hat sich gezeigt, dass es die jungen Leute sind, die sich von dem Umstand diskriminiert sehen, einen Ausweis vorzeigen zu müssen, auf dem "schwerbehindert" steht. Ich begrüße, dass gerade junge Menschen sich einsetzen und etwas ändern wollen.

Aber ich möchte auch den Einwand sehr ernst nehmen, wie er von Betroffenenorganisationen vorgetragen wird, dass der Begriff der Behinderung im Zusammenhang ein gut eingeführter sozialrechtlicher Begriff ist. An diese sozialrechtlichen Begriffe sind Rechte geknüpft. Darum, meine Damen und Herren, geht es doch vor allem bei der Inklusion, jedenfalls was die gesetzgeberische Seite betrifft. Es geht um Stärkung von Rechten. Diese Stärkung bedarf vieler Ressourcen. Es bedarf eines möglichst großen gemeinsamen Willens. Es bedarf auch der Initiative und des Ideenreichtums und vor allem aber finanzieller Mittel. Wie Teilhabe finanziert wird, zum Beispiel durch die praktische Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, damit werden wir uns in den nächsten Jahren noch oft beschäftigen.

So sehr ich den Wunsch und die Anliegen der jungen Menschen mit Beeinträchtigung verstehe, sich durch eine Umbenennung des Ausweises weniger diskriminiert zu sehen, so sehr bin ich doch zu dem Ergebnis gelangt, wir würden es uns als Gesetzgeber zu einfach machen. Die finanziellen Mittel, die in die Umbenennung des Ausweises fließen müssten, sind aus meiner Sicht in der Förderung konkreter Inklusionsprojekte besser aufgehoben. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass für die heutige Debatte ist die Mitteilung des Senats zum Thema „Schwerbehindertenausweis“ umbenennen. Vor gut einem Jahr haben wir hier im Parlament einen Antrag aller Fraktionen dieses Hauses intensiv diskutiert und den Senat

aufgefordert, hierzu eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, allerdings vorher auch eine Anhörung mit Betroffenen durchzuführen und ihre Wünsche und Forderungen mit einzubeziehen und diesen Wünschen und Forderungen Rechnung zu tragen. Daraus hat sich eine breite und intensive Diskussion auf sehr unterschiedlichen Ebenen entwickelt.

Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen hat, wie gesagt, im September letzten Jahres eine gut besuchte und gut dokumentierte Anhörung durchgeführt. Im Dezember hat sich das Behindertenparlament ebenfalls damit befasst. Kollegin Grönert hat es gesagt, auch auf Bundesebene hat es dazu bereits Befassungen gegeben. Man könnte jetzt zu diesem Thema sagen, der Weg ist das Ziel. In Netzwerken und Plattformen nimmt das Thema „Schwerbehindertenausweis umbenennen“ mittlerweile breiten Raum ein. Zahlreiche öffentliche Foren beschäftigen sich damit, und die Medien berichten.

Das ist gut so, denn es geht weniger oder nicht nur um die Umbenennung des Schwerbehindertenausweises, sondern vielmehr ist vielen Menschen klarer geworden, so hoffe ich jedenfalls, dass es um ein echtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung geht, somit um eine gleiche Teilhabe. Teilhabe ergibt sich nicht oder nicht nur aus einem Ausweis, sondern Teilhabe heißt Akzeptanz und Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung und heißt, miteinander zu leben.

(Beifall SPD)

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Diskussion um eine Umbenennung schon jetzt einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung einer inklusiven Gesellschaft geleistet. Das Ressort hat eine ausführliche Beschreibung der durchgeführten Anhörung vorgenommen und in der Mitteilung an die Bremische Bürgerschaft die weiteren Aufgaben, die sich daraus ergeben, beschrieben. Eine Umbenennung kann nur auf Bundesebene erfolgen, eine weitergehende Abstimmung auch auf europäischer Ebene ist durchaus wünschenswert. Denn wir wissen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen Züge, Busse, öffentliche Einrichtungen im europäischen Ausland nutzen, und insofern ist sicherlich auch ein einheitlicher oder zumindest verständlicher Ausweis wünschenswert.

(Beifall SPD)

Eine breite Evaluation auch bundesweit kann mehr Aufschluss über weitere Notwendigkeiten für eine

echte Teilhabe geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines erneuten Dringlichkeitsantrags der Fraktion der FDP und der Fraktion DIE LINKE hätte es nicht bedurft, zumal dieser Antrag keine neuen oder weitergehenden Punkte enthält, als sie nicht ohnehin schon in dem Bericht, nämlich unter dem Punkt „E. Handlungsoptionen“ beschrieben worden sind.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Optionen müssen auch ergriffen werden!)

Im Übrigen gibt es aus dem April 2017 einen ganz klaren Beschluss dieses Parlaments, und der ist auch noch einmal am Schluss dieser Senatsvorlage benannt. Insofern gibt es also nichts Neues. Aus diesem Grund wird die Fraktion der SPD diesem Antrag auch nicht zustimmen. Grundsätzlich, und ich glaube, das ist von allen Rednerinnen und Rednern klar formuliert worden, gibt es eine große Bereitschaft, sich den Wünschen und den Anregungen, den Forderungen der Betroffenen nicht nur zu öffnen, sondern denen auch zu folgen. Das ist bei uns auch überhaupt nicht anders.

Lassen Sie mich noch einen Punkt sagen. Teilhabepass oder Teilhabeausweis, ich finde, diese Begrifflichkeit hat auch ein Stück weit Beliebigkeit. Ich glaube nicht, dass Teilhabepass die richtige Benennung ist, das habe ich übrigens auch in der damaligen Debatte gesagt. Zumindest im Moment verbinden wir mit Teilhabe etwas ganz anderes, als wir es hier im Bereich oder im Zusammenhang mit Menschen mit Beeinträchtigung, mit Behinderungen interpretieren.

Ich will Ihnen abschließend noch zwei aktuelle Dinge berichten. Zum einen, auch das ist angesprochen worden, gibt es ja in verschiedenen Bundesländern diese Hülle, die über den Ausweis gezogen wird, mit dem Begriff Schwer-in-Ordnung-Ausweis. Den gibt es übrigens auch in Bremen beim Amt für Versorgung und Integration. Ich habe mir sagen lassen, bisher gibt es daran, ich will nicht sagen kein Interesse, zumindest sind keine abgefordert worden. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, und den fand ich außerordentlich interessant: Ich habe vor eineinhalb Wochen noch einmal einen Besuch in der Delmestraße bei der Schulklasse gemacht, die uns mit ihrer Initiative auf diesen Weg gebracht hat. Es war eine sehr interessante und sehr aktive, intensive Diskussion, die am Ende durchaus kein einheitliches Bild ergeben hat für eine Umbenennung.

Ich will sagen, es ist sehr ambivalent. Ich finde es gut, sich auf der Bundesebene jetzt insgesamt damit zu befassen. Das hat auf alle Fälle diese Initiative der Schülerinnen und Schüler der Delmestraße ausgelöst, und dafür können wir dankbar sein. Das einen Schritt vorangebracht zu haben, das ist ein wichtiger und ganz entscheidender Schritt in unserer Gesellschaft. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Siering.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Antrag liegt ein vorheriger Antrag zugrunde, sodass wir uns vonseiten des Senats im Rahmen einer Anhörung sehr intensiv mit der Frage einer Umbenennung beschäftigt haben. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, dass das Ganze zurückgeht auf die Schülerinitiative, so dass man eben deutlich auch noch einmal sagen und zeigen kann, dass es sich lohnt, sich auch als Schüler oder als Schülerin mit einem solchen Antrag zu engagieren und dass es möglich ist, hier in diesem Hause darüber zu debattieren.

(Beifall SPD, FDP)

Die Debatten, die wir geführt haben, haben mich, ehrlich gesagt, ein bisschen überrascht, denn ich war auch davon ausgegangen, dass es im Rahmen der Anhörung einen breiten Konsens gäbe für eine einfache Umbenennung. Das ist aber mitnichten der Fall gewesen, sondern es gibt viele Gründe, die für eine Umbenennung, aber auch viele Gründe, die genau dagegen sprechen. Das hat es uns ein bisschen schwer gemacht festzustellen, was eigentlich die Empfehlung oder das Ergebnis dieser Anhörung ist.

Wir haben in diesem Bericht eine Handlungsoption aufgezeigt, die aus meiner Sicht richtig und wichtig ist, denn wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir bundesweit dieses Thema noch einmal intensiver diskutieren können und eben nicht nur über die vermeintlich einfache Frage reden, ob man es einfach nur anders nennt, sondern auch darüber, dass wir das beispielsweise mit einem Forschungsauftrag verbinden wollen, dass wir auch mit der Antragstellung selbst und einer möglichen damit einhergehenden Stigmatisierung umgehen wollen und genau diese Fragen mit dem Bund und den Ländern gemeinsam diskutieren wollen.

Richtig ist, die Diskussion ist bundesweit angekommen, jetzt gilt es, diese Diskussion aufzunehmen, um tatsächlich hier zu einem breiten Konsens zu kommen sowie zu einer Lösung, wie wir zukünftig damit umgehen wollen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)