Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Das ist an sich nur begrenzt ein Problem. Ein Problem wird es aus zwei Gründen: Erstens, an diesem Reichtum partizipieren relativ wenig relativ stark. Ein Prozent der Haushalte, ungefähr 400 000, besitzen ein Drittel dieses Privatvermögens. Die untere Hälfte, also die, die weniger reich sind als der Durchschnitt, haben nur 6,2 Prozent dieses Vermögens. Das ist noch nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist, dass wir einen Prozess haben, bei dem sowohl die Konzentration des Reichtums als auch die Höhe der Privatvermögen steigt und die Anzahl der Menschen, die daran nicht partizipieren, sondern von Armut betroffen oder in Bezug auf Armut gefährdet sind, ebenso steigt. Das ist Ungleichheit. Ich möchte den Verfassungsrichter Wolfgang Böckenförde zitieren: „Der Ausgleich der gesellschaftlichen Ungleichheiten ist Kernaufgabe des demokratischen und sozialen Rechtsstaats und damit verfassungsrechtlich geboten.“

(Beifall DIE LINKE)

Einer der wesentlichen Gründe, warum wir diese Forderung aufstellen, ist, dass wir diese Entwicklung der Konzentration von Reichtum stoppen und die Armen und von Armut bedrohten Menschen wieder an der ökonomischen Entwicklung dieses Landes beteiligen wollen. Das sind sie jetzt ungenügend.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen: Ich habe eine solide katholische Grundausbildung, und was mir noch in Erinnerung geblieben ist, ist, dass eine solche Umverteilung, eine Herstellung von sozialer Gerechtigkeit auch ein Ziel von Christinnen und Christen sein soll, und wenn das heißt, dass man Menschen, die reich sind, mehr besteuert als Menschen, die arm sind und diesen Reichtum umverteilt, dann ist das ein christliches Gebot.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Machen wir doch schon! Das findet doch schon statt! – Abge- ordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Ich kann das be- zeugen! – Zuruf Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP] – Zuruf BIW – Beifall DIE LINKE)

Wie entsteht dieses Vermögen? Dieses Vermögen entsteht im Wesentlichen nicht dadurch, dass Men

schen mit ihrer eigenen Hände oder Füße, Fußballer-Art, dieses Vermögen anhäufen, sondern sie erben es. Es wird dadurch gewonnen, dass man Zinsgewinne oder Unternehmen hat, deren Profite sich privat angeeignet werden. All das ist eine Entwicklung, die zum Teil in Ordnung ist, zum Teil aber auch nicht. Zinsgewinne zum Beispiel werden wesentlich weniger besteuert als durchschnittliche Einkommen einer Arbeitnehmerin und eines Arbeitnehmers. Es geht aber nicht nur um soziale Ungerechtigkeit. Es geht bei dieser Frage auch um die Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen, also um die Handlungsfähigkeit des Staates. Wir hatten gerade die letzten zwei, drei Tage eine ganze Reihe von Debatten, in denen Vertreterinnen und Vertreter der Koalition, aber auch der Fraktion der CDU gesagt haben, wir brauchen dies, wir brauchen das, wir brauchen jenes. Wenn wir nur den Sanierungsstau in Bremen hochrechnen, wenn wir schauen, wie viele Menschen in Bremen von Armut bedroht und betroffen sind, wenn wir uns unsere Straßen, unsere Schulen ansehen, wenn wir das alles bilanzieren, dann wissen wir, auch die Mehreinnahmen der nächsten Jahre reichen nicht aus, um das aufzuarbeiten. Es ist ein Gebot der Handlungsfähigkeit des Staates, in dieser Frage diejenigen zu besteuern, die zur Finanzierung dieser Situation beitragen können. Sonst machen wir Demokratie genauso handlungsunfähig wie der Staat droht, handlungsunfähig zu werden.

(Beifall DIE LINKE)

Es gab wichtige Gegenargumente gegen diese Form von Vermögenssteuer. Eines der wichtigen war, dass oftmals der Aufwand, diese Vermögenssteuer zu erheben, das Ergebnis nicht rechtfertigt. Das ist eine Frage der Ausgestaltung. Das haben die Expertinnen und Experten auch gesagt, es hängt davon ab, wie man sie ausformt. Natürlich ist das nicht leicht. Irgendjemand hat einmal gesagt, die Steuergesetzgebung ist mit die komplizierteste Gesetzgebung, die wir haben. Das trifft mit Sicherheit auch auf die Vermögenssteuer zu. Aber nur, weil es nicht leicht ist und weil es möglicherweise ein Gesetz gibt, das an der einen oder anderen Stelle noch Lücken hat, ist es doch kein Grund, sie nicht zu erheben, sondern es ist eine Herausforderung, und diese Herausforderung ist unsere politische Verantwortung!

(Beifall DIE LINKE)

Diese Form von Reichtum – –

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir wollen Vermögenssteuer für Millionäre. Vermögenssteuer verringert nicht das Vermögen, es ändert nur die Verteilung. Es schafft ein Stück soziale Gerechtigkeit, es macht den Staat handlungsfähig. Somit sichert es Demokratie. Ich werbe dafür, dass wir den gemeinsamen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen annehmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann es gar nicht oft genug sagen, ein Prozent, das reichste ein Prozent besitzt 33 Prozent, ein Drittel, des gesamten Vermögens in Deutschland. Und das reichste ein Prozent besitzt damit annähernd so viel wie die unteren 90 Prozent der Gesellschaft. Die Hälfte davon entfällt auf das reichste Promille. Wenn man es noch etwas weiter zuspitzt, dann besitzen 45 der überreichen Haushalte in diesem Land genauso viel Vermögen wie die unteren 50 Prozent der Gesellschaft. Deutschland weist damit in Europa die zweitgrößte ungleichgewichtige Verteilung von Vermögen aus. Die Kardinalfrage, liebe Kolleginnen und Kollegen, die der Besteuerung von Vermögen oder auch von Erbschaften zugrunde liegt, ist: Bewertet man das als einen Missstand und als ein Problem oder ist das ein Zustand, bei dem man achselzuckend zuschaut oder ihn möglicherweise noch steigern will?

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Für uns Sozialdemokraten ist die Sache klar. Mit dieser krassen Ungleichverteilung des Vermögens sind drei schwere Probleme verbunden. Das erste Problem ist ein soziales und ein gesellschaftliches. Ungleichverteilung bei Vermögen vergiftet die gesamte Gesellschaft. Das beweisen immer wieder Untersuchungen, die die Lebensqualität von Gesellschaften untersuchen und die sehen, dass egalitäre Gesellschaften eine weitaus höhere Zufriedenheit in der Gesellschaft aufweisen. Der zweite Punkt ist politisch. Zuspitzung von privaten Vermögen. Was das zur Folge hat, können wir am besten in den USA verfolgen. Milliardäre, die mit ihren Geldern, mit ihren Thinktanks Politik beeinflussen, die auch Präsidenten stellen. Sie sind in den USA zu einer Finanzoligarchie geworden, und wir sehen dieses Problem in anderen Ländern genauso.

Das dritte Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wirtschaftliches. Es ist auch ein wirtschaftliches Problem. Eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet, die Verteilung von Geld zu denjenigen, die weniger von dem Einkommen und dem Vermögen ausgeben und mehr sparen. Das hat zwei Folgen. Die erste Folge ist, dass wiederum weitaus mehr Geld den Finanzmärkten zur Verfügung steht und damit dem unsichersten und volatilsten Bereich, den eine Marktwirtschaft hat. Wohin das führen kann, haben wir 2008 zur Genüge gesehen. Der zweite Punkt ist, dass diese Umverteilung von unten nach oben dazu führt, dass die Binnennachfrage im Land geschwächt wird. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Wirtschaft noch mehr versuchen muss, Kaufkraft außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu gewinnen.

Darin ist Deutschland zwar ein Weltmeister, aber das, was hier in Deutschland in diesem Bereich mittlerweile durch Exportüberschüsse geschaffen worden ist, wird immer mehr zu einem Problem, weil wir immer mehr zu einem Störenfried des internationalen Handels werden. Und das ist nicht nur Herr Trump, der das sagt, sondern bei Trump sind es nur die Methoden, mit denen er das sagt, die Kritik haben wir woanders auch. Wir haben sie in den USA und wir haben sie auch in Europa. Die Konsequenz für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nur sein, wir müssen mit einer Wirtschaft umsteuern, die sich wieder stärker auf die Binnennachfrage orientiert. Dazu bedarf es sehr viel, vor allen Dingen auch höhere Lohneinkommen in diesem Bereich. Aber es bedarf auch der Abschöpfung von Vermögen, was nur auf den Finanzmärkten vagabundiert, was nicht zur Nachfrage beiträgt und das wir durch eine Millionärssteuer auch einer vernünftigen Verwendung in diesem Lande zuführen können. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Prof. Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns nach der Anhörung und auch schon davor dazu entschieden, diesen Antrag nicht mitzutragen. Ich will Ihnen das kurz erläutern. Es gibt gute Gründe gegen die Vermögensbesteuerung. Der erste Grund ist: Wo ist denn das Vermögen in Deutschland? Sie tun immer so, als wäre das nur in Jachten, in Bargeld, in Schmuck angelegt, aber nein, der größte Teil des Vermögens

in Deutschland liegt in den Familienunternehmen, in Maschinen, in Hallen, in Produktionsstätten, und genau diese treffen Sie mit der Vermögenssteuer.

(Beifall FDP – Abgeordneter Gottschalk [SPD]: Wie hoch ist der Freibetrag, der im Antrag steht?)

Es gibt eine Steuerungerechtigkeit, sagen Sie immer. Aber schauen Sie sich doch bitte die Einkommenssteuer an. Das ist doch das Instrument, das wir in Deutschland haben und das auch funktioniert, um die Steuerumverteilung entsprechend zu machen. Und das, was an Vermögen da ist, ist im Zuge der Einkommensversteuerung bereits versteuert. Deswegen halten wir eine Substanzbesteuerung grundsätzlich für gefährlich und überflüssig.

(Beifall FDP)

Der Staat hat auch kein Einnahmeproblem. Wenn Sie sich das anschauen, dann sind wir auf Rekordsteuereinnahmenniveau, auch in Bremen. Der Staat hat so viele Einnahmen wie noch nie zuvor. Insofern stellt sich nicht die Frage nach neuen Steuern, sondern es stellt sich die Frage, wie man vernünftig mit den Einnahmen umgeht. Es gibt auch ganz konkrete Probleme. Ich möchte darauf eingehen, was bei der Anhörung herausgekommen ist. Zum einen ist es die Vermögensbesteuerung bei Unternehmen. Was machen Sie denn mit Unternehmen, die ihr Vermögen nicht als Barvermögen haben, sondern im Wesentlichen als Sachvermögen, und die in einem Jahr keine Gewinne machen? Wie besteuern Sie die? Verlangen Sie von denen, dass sie Kredite aufnehmen, um dann ihre Vermögenssteuer abzuführen? Oder nehmen Sie sie heraus, was dann wieder ein Anreiz für andere Unternehmen ist, keinen Gewinn zu machen, damit man keine Vermögenssteuer abführen muss? Das ist doch ein Problem, das in dieser Anhörung ganz klar wurde.

Ein anderes Problem ist die Bewertung von Vermögen. Bei Barvermögen ist das einfach, da kann man sich einen Kontoauszug holen, darauf steht, wie viele Euro vorhanden sind, und dann kann man das bewerten. Bei Immobilien wird es schon etwas schwieriger, da geht es aber noch. Das größte Problem, das genannt wurde, sind zum Beispiel Kunstgegenstände, der Picasso an der Wand, wenn ich es mal übertrieben sage.

(Abgeordneter Gottschalk [SPD]: Kunst ist das Problem?)

Es ist die Frage, wie bewertet man diesen Picasso? Und da hat tatsächlich ein Experte vorgeschlagen, man könnte ja Kunstgegenstände aus der Vermögensbesteuerung herausnehmen. Da sage ich Ihnen ganz ehrlich, wie soll denn der Kunstmarkt in Zukunft aussehen, wenn Sie die Vermögensbesteuerung auf dem Kunstmarkt nicht einführen. Dann ist doch ganz klar, dass Kapital dann in Kunst und Kunstgegenständen angelegt wird. Das kann doch auch nicht der richtige Weg sein.

(Beifall FDP – Zuruf Abgeordneter Gottschalk [SPD])

Schauen Sie einmal zu unseren Nachbarn nach Frankreich, da hat Herr Hollande grandios eine Vermögenssteuer eingeführt. Welche Konsequenzen hat das? Die dort deutlich geringere mittelständische Wirtschaft hat extrem darunter gelitten. Und das Beispiel, das ich hier schon, vor ich weiß gar nicht wie vielen Monaten, gesagt hatte: Gérard Depardieu ist mittlerweile Russe, denn Vermögen ist auch mobil. Vermögen ist mobil! Wenn Sie hier Vermögen besteuern, dann wird Vermögen – zumindest in Einzelfällen – woandershin verlagert. Ich erinnere an viele deutsche Spitzensportler, die groß verdienen, die Wohnsitze in der Schweiz oder sonst wo auf der Welt haben.

Herr Kollege Prof. Dr. Hilz, würden Sie eine Frage des Abgeordneten Rupp zulassen?

Sehr gern!

Herr Rupp, Sie haben das Wort.

Ich wollte nur einmal wissen, wir hatten ja eine Vermögenssteuer bis in die Neunzigerjahre, wenn ich mich richtig erinnere. Warum gab es zu diesem Zeitpunkt nicht die von Ihnen beschriebenen schlimmen Effekte? Können Sie mir das erklären?

(Zuruf Abgeordneter Gottschalk [SPD])

Herr Rupp, ich glaube, ich habe das gerade schon gesagt, die Spitzensportler auch der Neunzigerjahre haben ihre Wohnsitze oft in der Schweiz gesucht und in anderen Staaten, nicht in Deutschland. Insofern ist die Mobilität da.

(Beifall FDP, BIW)

Herr Rupp, haben Sie eine weitere Frage?

Wissen Sie, wie viel Milliarden Euro Bremen seit der Abschaffung der Vermögenssteuer entgangen sind?

Ich habe gerade keinen Taschenrechner da und auch nicht die Vermögensbilanzen und Steuereinnahmen aus Bremen in den letzten dreißig Jahren. Deswegen kann ich Ihnen das jetzt leider nicht beantworten und würde jetzt gern mit meiner Rede fortfahren.

Zweieinhalb Milliarden Euro. Danke!

(Zuruf FDP)

Zur Ungleichverteilung zwischen Vermögenden und denen, die weniger Vermögen haben, trägt in Deutschland im Wesentlichen auch die geringe Eigentumsquote im Wohnbereich bei. Das ist doch etwas, wo wir ansetzen wollen. Wir müssen es den Menschen erleichtern, Vermögen aufzubauen.

(Beifall FDP – Glocke)

Wir haben den größten Mietmarkt – ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident, lassen Sie mich den Gedanken noch ausführen. Wir haben den größten Mietmarkt in Deutschland. Das ist in anderen Ländern anders, deswegen ist dieses Ungleichgewicht auch anders. Wir müssen es den Menschen in dem Bereich erleichtern, Vermögen, insbesondere Wohnvermögen, aufzubauen. Wir haben dazu vorgeschlagen, die Grunderwerbssteuer im niedrigen Bereich freizustellen. Das ist ein Ansatz, um Gerechtigkeit zu schaffen. Die Vermögenssteuer dient dazu nicht. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.