Bremer BAMF-Außenstelle wieder eröffnen! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 11. September 2018 (Drucksache 19/1812)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die letzten Monate waren für das gesellschaftliche Klima und für das Asylwesen ein Giftcocktail. Seine Zutaten: unbelegte Vorwürfe, haltlose Vorverurteilungen und mediales Aufbauschen. Gemixt haben ihn politisch und dienstlich Verantwortliche, serviert wurde er von der nationalen und internationalen Presse. Verabreicht wurde er den Asylsuchenden und einer ganzen stillgelegten BAMF-Außenstelle, die noch heute die Folgen tragen.
Nebenwirkung hat es gegeben für das Rechtsstaatsverständnis – mit der Unschuldsvermutung war es nicht mehr weit her – und auch für das Bild von Bremen. Es ist an der Zeit, offiziell aufzuräumen, die Scherben wegzukehren und Konsequenzen zu ziehen.
Werfen wir dafür gemeinsam einen Blick zurück! Nachdem die ehemalige Leiterin der BAMF-Außenstelle suspendiert wurde, trat Anfang Januar die Interimsleiterin Josefa Schmid in Bremen ihren Dienst an. Im Februar verfasst sie einen Bericht über unrechtmäßig erstellte Asylbescheide, es wird über 1 200 unrechtmäßige Asylbescheide spekuliert. Im April gibt es einen zweiten Bericht von Schmid. Darin wird Bremen als Schlupfloch der Republik beschrieben. Sie schreibt von Bussen voller Geflüchteter aus mehreren Bundesländern, die hier quasi im Schnelldurchlauf die Anerkennung bekämen.
Es ist die Rede von kriminellen Clan-Strukturen und Manipulationen im großen Stil und von über 3 000 unzulässigerweise in Bremen bearbeiteten Asylanträgen. Sie redet in dem Zusammenhang vom größten Flüchtlingsskandal der Bundesrepublik. Die Medien berichten inzwischen von systematischem Asylmissbrauch. Teilweise ist von über 4 000 falschen Anerkennungen die Rede. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechung und Bestechlichkeit sowie wegen des Vorwurfes der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gegen sechs Beschuldigte.
Im Mai fabuliert Dobrindt von einer angeblichen Anti-Abschiebeindustrie und Staatssekretär Stephan Mayer von einer hochkriminellen und bandenmäßigen Arbeitsweise einiger BAMF-Mitarbeiter. Seehofer legt dann die ganze Bremer BAMFAußenstelle inklusive Integrationsreferat lahm. Innensenator Mäurer begrüßt das und liefert als Begründung gleich sein Urteil mit. Ich zitiere: „Durch die offensichtlich rechtswidrige Praxis dieser Bundesbehörde ist Bremen ein noch nicht absehbarer immenser Schaden in Millionenhöhe entstanden.“, wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, an dem die eigene polizeiliche Ermittlungsgruppe noch nicht einmal Räume hatte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir uns also fragen, was bleibt von all dem übrig, dann können wir feststellen, die interne Prüfgruppe hat inzwischen ihren Abschlussbericht vorgelegt, in dem sie alle 18 347 Positivbescheide seit 2006 überprüft hat, und sie stellt fest, lediglich 145 waren bewusst manipuliert, das sind 0,8 Prozent aller Entscheidungen, und ich möchte anmerken, 75 Prozent dieser Entscheidung wurden zwischen 2014 und 2016 erstellt, einer Zeit, in der bekanntermaßen im BAMF in ganz Deutschland Ausnahmezustand herrschte.
Von den ehemals angeblich mehreren tausend betrügerischen Anerkennungen wurden inzwischen lediglich sechs widerrufen und 13 zurückgenommen. Die Busse waren nicht von kriminellen Strukturen, sondern von der Stadt Cuxhaven bestellt. Die Staatsanwaltschaft hat bisher keine Anklage erhoben, und aus den Ermittlungen sind als Bestechung bisher nur eine Hotelübernachtung und ein Restaurantbesuch bekannt.
Die Medien sind inzwischen sehr selbstkritisch, das ringt mir Respekt ab. Dem Innenministerium hingegen musste gerichtlich untersagt werden, weiter üble Nachrede zu verbreiten. Die ursprünglichen skandalträchtigen Vorwürfe haben sich weitgehend erledigt.
Das wird in der internationalen Presse wahrscheinlich keinen Platz finden. Die Stammmannschaft ermittelt weiter, wir werden das abwarten, und ich bin sehr gespannt, ob es irgendwann zu einer Anklage, und wenn ja, ob es zu einer Verurteilung kommen wird. Der politische Schaden aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der politische Schaden von Fake News, Vorverurteilung und Wasser auf die Mühlen rechter Hetzer, der bleibt.
Angesichts dessen ist es das Mindeste, wenn sich diejenigen, die vorverurteilt haben, bei den Betroffenen und bei der Öffentlichkeit entschuldigen. Dazu gehören zu allererst Josefa Schmid und das Innenministerium, aber auch Innensenator Mäurer. Wir finden es notwendig, dass aus diesem Haus heute ein klares Signal nach Berlin geht, dass das Bremer BAMF umgehend geöffnet werden muss, denn nach wie vor ist es nicht klar, wann die Öffnung erfolgen soll.
Es geht dabei nicht nur um die Frage des Zeitpunktes, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht auch um die Rehabilitation des Bremer Rufes, denn der hat Schaden genommen, und hier soll aus diesem Haus heute das klare Signal hinausgehen: Bremen ist kein Schlupfloch, in Bremen wird das Asylrecht gewahrt. Das ist das Signal, was wir heute von Ihnen verlangen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil sich schlechte Nachrichten immer besser verkaufen lassen als gute, bezweifle ich, dass wir aus all den Auf- und Abs der Berichterstattung über die Bremer BAMF-Außenstelle tatsächlich lernen, demnächst noch vorsichtiger mit Äußerungen zu sein. Doch ich halte es für genauso unangebracht, jetzt so zu tun, als wäre gar nichts passiert, –
nur weil der überspitzten Nachrichtenlage durch die neuesten Meldungen inzwischen das Wasser abgegraben wurde. Es gibt keine Entlastung für gemachte Fehler und Verstöße nur weil die Zahl jetzt niedriger ist, als ursprünglich angenommen. Noch sind längst nicht alle Ermittlungen abgeschlossen. 145 Fälle wurden mit Sicherheit absichtlich falsch bearbeitet. 2 700 Fälle, das ist jeder fünfte untersuchte Fall, haben immerhin gravierende Mängel.
Die Vorwürfe gegen die ehemalige Leiterin des Bremer BAMF, gegen andere Mitarbeiter, einige Rechtsanwälte sowie Dolmetscher sind auch noch lange nicht vom Tisch. Gegen sie wird weiter strafrechtlich wegen Verleitung zum Asylmissbrauch und Bestechungsverdacht ermittelt. Zudem sind die – zumindest habe ich die Zahl so gefunden – 1 371 Fälle der beiden in die Affäre verwickelten Rechtsanwälte aus Oldenburg und Hildesheim, die in Bremen vorgelegt wurden, gar nicht unter den von BAMF geprüften Akten. Doch auch hier gibt es im Ergebnis zusätzlich bei 550 Verfahren gröbere Auffälligkeiten.
Eine hohe Zahl woanders bereits abschlägig beschiedener Verfahren wurde in Bremen neu aufgerollt und dann sogar positiv beschieden. Es gibt noch ganz viele Kleinigkeiten, die man inzwischen lesen konnte, die eben auch fehlgeschlagen sind. Zum Beispiel wurde das Vier-Augen-Prinzip hier in Bremen in 81 Prozent der Fälle nicht eingehalten. Der bundesweite Schnitt liegt dagegen nur bei 44 Prozent.
Es gibt noch viele ungeklärte Fragen und Vorwürfe und immer noch Berichte, die sich inhaltlich nicht decken. Während der Prüfungen erhärtete sich aber auch der Verdacht, dass neben der ehemaligen Leiterin bis zu fünf weitere BAMF-Mitarbeiter
in die Machenschaften verstrickt sind. Im Innenministerium wird im Ergebnis von einem fehlgeleiteten Amtsverständnis gesprochen.
Nein, im Moment nicht. Quer durch Deutschland sind Begriffe gefallen, die der Arbeit des BAMF insgesamt einen Bärendienst erwiesen haben. Es wurde der Eindruck genährt, viele Menschen hätten hier zu Unrecht Schutz bekommen, selbst wenn sie aus Kriegs- oder Krisengebieten stammen, und der gesellschaftlichen Stimmung gegenüber Flüchtlingen, aber auch gegenüber Behörden, wurde massiv geschadet. Das stimmt. Ich finde das alles auch sehr ärgerlich, aber das ändert nichts daran, hier im Bremer BAMF wurden Fehler gemacht, Fehler, die niemand unter den Teppich kehren darf, auch die Fraktion DIE LINKE nicht.
(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Was ist denn mit den negativen Bescheiden, die müssen doch auch aufgearbeitet werden!)
Über die reden wir aber heute nicht, Frau Vogt! Und wenn da Fehler gemacht wurden, dann müssen die genauso aufgearbeitet werden. Das ist doch logisch.
(Unruhe – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Die sind fehlerhaft gewesen, das wird nicht aufgearbeitet! – Beifall CDU)
Fehlerhafte oder gar falsche Berichterstattung rechtfertigt jedenfalls kein Abtun in der Sache. Im Gegenteil. Alle Vorwürfe müssen jetzt erst recht nachvollziehbar und transparent abgearbeitet werden. Die Bremer BAMF-Außenstelle muss so lange geschlossen bleiben, wie die, die damit befasst sind, das für nötig halten. Jedenfalls will und kann ich nicht beurteilen, ob die Schließung im Mai verhältnismäßig war, oder ob das Andauern dieser Schließung noch verhältnismäßig ist. Das, finde ich, müssen andere machen.
Man kann zwar gut und gern etwas Druck erzeugen, damit zu treffende Entscheidungen nicht unnötig verschleppt werden, das finde ich richtig. Ich werde mich aber hier nicht hinstellen und mit der Fraktion DIE LINKE eine unverzügliche Wiedereröffnung fordern, nur weil die Fehler in der Zahl nicht so hoch sind, wie anfangs behauptet wurde.
Es ist ja auch gar nicht so, wie Frau Leonidakis kürzlich gegenüber dem „Weser-Kurier“ behauptet hat, dass alle Mitarbeiter seit Monaten zur Untätigkeit verdammt wären. In der Außenstelle werden wichtige Aufgaben wahrgenommen, auch wenn nicht alle ihren bisherigen Aufgaben nachgehen können. Natürlich tut es mir leid für alle Mitarbeiter, die ihren Job die ganze Zeit ordentlich gemacht haben. Aber nochmals, es sind im Reagieren auf bekannt gewordene Verstöße viele Fehler passiert.
Politiker und auch Pressevertreter haben vor Ermittlungsabschluss, den es ja bisher auch nur in Teilbereichen gibt, munter ge- und verurteilt. Aber das rechtfertigt jetzt überhaupt keine Bagatellisierung der immer noch vorhandenen Anklagen und Fragezeichen.
(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Würden Sie die Ordnungsbehörde auch wegen falscher Bescheide schließen?)
Öffnung der Bremer Außenstelle. Das zu fordern, ist im Umkehrschluss genauso unklug wie vieles, was bisher gelaufen ist. Die Wiederöffnung wurde inzwischen auch vom Bundesinnenminister in Aussicht gestellt, und wir als Fraktion der CDU halten es für richtig, darauf zu warten. Deshalb lehnen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der BAMF-Skandal – aus einem großen Skandal bleibt am Ende, dass knapp 0,9 Prozent der positiv beschieden Asylanträge fehlerhaft gewesen sind. 0,9 Prozent bleiben am Ende bei einem sensiblen Thema über, das die ganze Nation in Schockstarre versetzt hat.
Das Desaster, dass Menschen, die in diesem Land Asyl beantragt haben, möglicherweise zu Unrecht ein Bleiberecht bekommen haben könnten und dass eine organisierte Kriminalität, kriminelle
Strukturen dahinter stehen könnten in einem Land, einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland. All das stand im Raum, beziehungsweise wurde schon fast als wahr verbreitet.
Die Anzeichen dafür haben sich so aber nicht verdichtet, sind aber richtigerweise Teil weiterer strafrechtlicher Ermittlungen. Größtmögliche Aufklärung ist hier im Interesse aller. Kaum war dieses ausgesprochen, ging es dann auch schon los. Bremen – wo denn sonst, kann so etwas passieren. Der Innensenator war der erste Verdächtige. Dessen Rücktritt wurde fernab jeder Zuständigkeit gefordert. Medial war es natürlich wieder Bremen, wo denn auch sonst konnte ein solcher Eklat passieren.
Unbeachtet, dass dieses Amt nicht der bremischen Aufsicht unterliegt, unbeachtet der Tatsachen, dass es sich hier um eine Außenstelle des Bundesamtes handelt. Formalien, wie Zuständigkeiten, haben hier nicht interessiert. Doch gerade hier ging es um Aufsicht und Fachaufsicht, Weisungsbefugnis und Kontrolle.