Nein, ganz und gar nicht! Wir haben einen Speckgürtel rund um Bremen, und der bedient hier die Betriebe. Das sind bildungsnahe Elternhäuser. Wir haben eine sehr starke Koppelung zwischen Bildungserfolg und Elternhaus, das wissen wir alle. Der Bildungserfolg ist, nicht in Bremen, aber in Deutschland, ungeheuer hoch, und es ist natürlich selektiv, was sich hier auf dem Ausbildungsmarkt abspielt. Herr Dr. Buhlert, wollten Sie etwas sagen?
(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Das ist ein Er- kenntnismangel über die Schulsysteme in Bremen und Niedersachsen, der bei Ihnen vorherrscht!)
Wir haben da sicherlich unterschiedliche Einschätzungen. Ob wir unterschiedliche Erkenntnisse haben? Es sei einmal dahin gestellt, wer welche Erkenntnisse hat.
Auf jeden Fall haben wir eine Situation, in der wir uns in einer ungeheuren Konkurrenz mit einem Umland befinden, das tatsächlich anders strukturiert ist, andere Sozialindikatoren als Bremen hat. Darauf muss man reagieren. Insbesondere die schwachen Jugendlichen in unseren Schulen haben große Schwierigkeiten, ihre Plätze zu finden.
Wenn wir uns die Ausbildungsplatzsituation anschauen, dann hat das auch etwas mit den Anforderungen in der Ausbildung zu tun. Nicht umsonst möchten selbst Handwerksbetriebe Abiturientinnen und Abiturienten einstellen. Die Voraussetzungen, die heute erwartet werden, sind völlig andere als vor zwanzig oder dreißig Jahren. Dass sich die Abiturientinnen und Abiturienten aber viel eher auf das Studium fokussieren, ist doch durchaus nachvollziehbar, und das wird man ihnen auch nicht ausreden wollen.
Das heißt, wir haben eine Situation, in der sich ein großer Teil unserer Jugendlichen Richtung Studium bewegt und versucht, Bildungsgänge zu durchlaufen, die einen Hochschulzugang ermöglichen, während überhaupt nur noch ein kleiner Teil auf die Ausbildung schaut. Auch das haben wir hier bereits mehrere Male debattiert. Daran müssen wir arbeiten. Ausbildung muss für alle jungen Leute interessant sein, die tatsächlich nicht in das Studium gehen. Da muss es vergleichbare Möglichkeiten geben.
Ich habe es vorhin schon gesagt, natürlich sind wir mit der Situation nicht zufrieden, natürlich muss hier etwas getan werden. Auf der einen Seite gibt es im Bildungsbereich Veränderungen, wir müssen sowohl für die Betriebe als auch für die Jugendlichen Unterstützungsmöglichkeiten organisieren. Ich glaube aber auch, dass man dieses viel geschmähte Übergangssystem, ich sage es gern immer wieder, als Qualifizierungssystem betrachten muss, denn bei diesen gestiegenen Anforderungen, die an Ausbildung gestellt werden, ist es so, dass die jungen Leute zum Teil nicht schon nach der zehnten Klasse das mitbringen, was in einer Ausbildung von ihnen erwartet wird. Da müssen sie aber die Möglichkeiten haben, das zusätzlich zu erwerben.
Darüber hinaus, glaube ich, ist das Ressort, sind wir dabei, auch zu eruieren, welche anderen Möglichkeiten es gibt. Ich persönlich hätte nichts gegen eine Ausbildungsplatzabgabe, wenn sie auf Bun
desebene vereinbart würde. Nur so, wie Sie es vorgeschlagen haben und wie Sie es jetzt mit Ihrer Kommission beabsichtigen, ist es eine länderspezifische Abgabe, die aus meiner Sicht für unser Bundesland einen Wettbewerbsnachteil nach sich ziehen würde.
Deshalb lehnen wir auch diesen Antrag ab und möchten keine Kommission einrichten, weil ja das Ergebnis, wenn es denn tatsächlich eines wäre, auch für uns kein Ergebnis ist, das wir für zielführend hielten. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war gerade eine ganz interessante Debatte. Ich verstehe nicht so richtig, warum die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen unserem Vorschlag nicht zustimmen, und eigentlich auch nicht, warum die Fraktion der CDU nicht zustimmt, denn die hat sich doch gestern gegenüber den Maßnahmen von Rot-Grün sehr kritisch geäußert. Darauf möchte ich gleich noch einmal eingehen. Dass die Fraktion der FDP nicht zustimmt, das habe ich mir ehrlich gesagt gedacht, das hat mich jetzt nicht überrascht. Sie sehen es ja immer als Teufelszeug an, wenn man in den Markt in irgendeiner Weise regulierend eingreifen will.
Trotzdem möchte ich mich noch einmal kurz auf Frau Bergmann beziehen. Sie haben ja gefragt, wie man denn einen Ausbildungsfonds machen könne, wenn die Unternehmen das eigentlich gar nicht wollten, und wir sollten noch einmal mit den Unternehmen reden. Da muss man sich natürlich einmal die Situation, wie sie gerade ist, vor Augen halten.
Natürlich ist es im Moment so, dass sich ein Ausbildungsfonds auf den ersten Blick nur für einen von fünf Betrieben lohnen würde, denn zurzeit bildet nur einer von fünf Betrieben aus. Das heißt natürlich, dass vier Betriebe sagen: Das lohnt sich für uns gar nicht, dann müssten wir ja etwas zahlen. Jetzt sagt Herr Röwekamp: Das geht ja nicht, solch eine Zwangsabgabe finden wir falsch, und wir finden es auch falsch, wenn man sich von der gesellschaftlichen Pflicht, auszubilden, freikaufen kann.
Wenn ich Sie da ernst nehme, Herr Röwekamp, dann müssten Sie aber eigentlich sagen: Na gut, dann brauchen wir eine Ausbildungspflicht, von der man sich nicht freikaufen kann, wie man das in einem Ausbildungsfonds könnte, sondern die Betriebe werden einfach dazu verpflichtet, auszubilden, und wer das nicht tut, der bekommt harte Sanktionsmaßnahmen.
Wenn Sie einen solchen Weg gehen würden, können wir darüber noch einmal reden, aber zu sagen, auf der einen Seite sei es die Pflicht der Unternehmen auszubilden, aber eine verpflichtende Abgabe wollen Sie andererseits nicht, das finde ich vor allem vor dem Hintergrund unredlich, dass man über Jahrzehnte versucht hat, die Unternehmen auf freiwilliger Basis dazu zu bekommen, dass sie ihre Ausbildungsplätze erhöhen.
Frau Böschen hat zu Beginn ihrer Rede relativ positive Zahlen verwendet, um die Ausbildungssituation in Bremen darzustellen. Man kann natürlich auch relativ negative Zahlen benutzen, zum Beispiel wenn man sich anschaut, wie eigentlich die Angebots-/Nachfragerelation in Bremen ist.
Da kommen auf 87,5 Ausbildungsplätze 100 jugendliche Bewerberinnen und Bewerber. Das ist die allerschlechteste Quote im Bundesdurchschnitt. Im Gegensatz zum Trend im Bund, wo sich nämlich diese Angebots-/Nachfragerelation deutlich erhöht hat und gerade bei 94 Prozent liegt, ist sie in den letzten Jahren in Bremen deutlich zurückgegangen. Das heißt, vielleicht können wir sagen, die bremischen Unternehmen bilden nicht unterdurchschnittlich aus, obwohl ich 22,5 Prozent immer noch herzlich wenig finde, wir können aber sagen, gemessen an der Nachfrage, nämlich wie viele junge Menschen wir hier in Bremen haben, die eine Ausbildung haben wollen, da bildet Bremen deutlich unterdurchschnittlich aus. Das hat auch Effekte. So ist die Jugendarbeitslosigkeit in Bremen doppelt so hoch wie im Bund. Wollen wir das weiter einfach so hinnehmen? Wollen wir sagen, Bremen ist ein armes Bundesland, in Bremen gibt es viele Arbeitslose, in Bremen gibt es auch viele Jugendliche, die ohne Arbeit sind?
Da kann man halt nichts machen, wenn die Unternehmen nichts tun. Ich finde, das ist der falsche Ansatz. Wir müssen jetzt endlich handeln, denn die Jugendlichen hier in Bremen haben eine Zukunft verdient, meine Damen und Herren!
Frau Strunge, bevor Sie Ihre Rede weiterführen, möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass Kundgebungen auf der Tribüne nicht zugelassen sind. Ich bitte Sie, das Applaudieren zu unterlassen! Bitte fahren Sie fort!
Ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen, ich glaube, Frau Böschen hat es angedeutet, welche Effekte es für die Unternehmen hätte, wenn man in Bremen eine landesgesetzliche Regelung einführen würde. Ich glaube, die Betriebe, die jetzt schon ausbilden, werden dann nicht weglaufen, denn die profitieren von dem Ausbildungsfonds, weil sie zusätzliches Geld bekommen. Ich glaube auch nicht, dass auf einmal alle Betriebe schreiend das Bundesland verlassen, wenn solch ein Fonds eingeführt wird. Solche Geschichten hat man auch bei der Einführung des Landesmindestlohns gehört und hat gesehen, dass das nicht der Fall war.
Vielmehr haben wir eventuell das Problem, das Frau Dr. Müller angesprochen hat, nämlich, dass die Betriebe bereit sind, zu zahlen und nicht bereit sind, auszubilden. Das wäre ein Problem. Trotzdem müssen wir dieses Instrument einmal testen, um zu sehen, was dann passiert, und wir müssen überlegen, ob wir es so ausgestalten können, dass, wenn nicht genügend betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden, wir dieses zusätzliche Geld für außerbetriebliche Ausbildungsplätze nutzen können.
(Beifall DIE LINKE – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Die werden Sie nur mit den Unternehmen lösen, nicht gegen die Unternehmen! – Glocke)
weil wir die Situation haben, dass es für die Unternehmen nicht unbedingt immer wirtschaftlich sinnvoll ist, auszubilden, es aber gesamtwirtschaftlich katastrophale Auswirkungen hat, wenn die Ausbildungskosten immer weiter ausgelagert werden, müssen wir, als Gesetzgeber, tätig werden. Ich finde, das haben die Jugendlichen in Bremen verdient, und ich bitte Sie, wirklich zu handeln.
Noch ein letzter Satz an die Koalition: In dem Wahlprogramm der SPD steht etwas von Ausbildungsumlage, in dem Wahlprogramm der Grünen steht etwas von Ausbildungsumlage.
Ich bin einmal gespannt, was Sie den Menschen erzählen, wenn Sie damit in den Wahlkampf gehen und wie Sie erklären, warum Sie das hier abgelehnt haben. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lassen Sie mich noch drei kurze Anmerkungen machen. Zunächst zu Ihnen, Frau Strunge, dass Sie die CDU nicht verstehen, das kann ich verstehen, weil wir Sie ehrlicherweise auch nicht verstehen.
Ich glaube, an dieser Stelle muss man deutlich sagen, es gibt zwischen Ihnen und uns einfach ganz unterschiedliche Vorstellungen zur Frage der sozialen Marktwirtschaft. Das will ich noch einmal ganz klar sagen: Ich finde, der Unterschied zur Hartz-IV-Debatte gestern liegt darin, dass jemand, der im Leistungsbezug von Hartz IV ist, staatliche Leistungen bekommt, und ich finde, die Solidargemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger hat einen Anspruch darauf, dass diejenigen staatliche Leistungen erhalten, die dieser Leistungen auch bedürfen. Menschen jedoch, die im Prinzip geeignet, befähigt und in der Lage sind, sich durch Teilnahme am Arbeitsleben aktiv an unserer Gesellschaft zu beteiligen und an unserer sozialen Marktwirtschaft mitzuarbeiten, haben, finde ich, eine Verpflichtung, und wir als Gesellschaft haben einen Anspruch darauf, dass sie sich selbst fordern und dass sie alles unternehmen, um in die Gesellschaft, in die Arbeitswelt zurückzukehren und aus dem Leistungsbezug wieder herauszukommen.
Das, finde ich, ist eine der Maximen unserer sozialen Marktwirtschaft. Wir helfen denjenigen, die unserer Hilfe bedürfen, aber auch nur denjenigen, die unserer Hilfe bedürfen und nicht denen, die sie nicht brauchen.
Das ist auch der Unterschied zu dem, was Unternehmen leisten. Unternehmen nehmen in der Regel nicht staatliche Hilfe in Anspruch. Sie leben nicht von staatlicher Unterstützung. Ich lebe mit meinem Betrieb nicht von staatlicher Unterstützung, sondern ich erwirtschafte mit meinem Unternehmen und meinen wertvollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Beitrag dazu, dass der Staat sich finanziert.
Durch Zahlung von Umsatzsteuer, durch Zahlung von Einkommensteuer, durch Zahlung der Lohnsteuer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und an der Stelle zu sagen, Unternehmen seien so etwas wie Hartz-IV-Bezieher der Wirtschaft, finde ich einfach eine andere Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft, als ich sie habe.