Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn das die Strategie der CDU ist, dann Prost Mahlzeit! Mit dem, was Sie hier vorgeschlagen haben, haben Sie nicht einen Kindergartenplatz mehr geschaffen, nicht einen Schulplatz mehr geschaffen, nicht eine Wohnung mehr geschaffen. Eigentlich haben Sie gar nichts mehr geschaffen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Einzige, was Sie schaffen, ist die Aussage, dass Sie erst einmal nach Gefühl schauen wollen, wer eine Bleibeoption hat und wen man gar nicht erst richtig aufnehmen muss. Dieses Recht, das Asylrecht, ist aber ein Recht der einzelnen Menschen. Jeder, der hier ankommt und Asyl beantragt, hat das Recht auf eine sorgfältige Prüfung. Da kann nicht irgendjemand schon einmal vorab prüfen, ob jemand überhaupt eine Bleibeoption hat oder nicht. Wie wollen Sie das denn machen? Wer soll das denn dann entscheiden? Das ist das, was ich für so gefährlich halte, weil so etwas das Asylrecht unterhöhlt, sozusagen auf sanften Pfoten daherkommend. Das finde ich nicht in Ordnung.

Ansonsten haben Sie, Frau Grönert, nicht einen Vorschlag gemacht, wie wir in hoher Geschwindigkeit zum Beispiel neue Wohnungen schaffen. Da ist sogar Frau Steiner noch weiter, wenn sie sagt, dass die Bürokratie abgebaut werden müsse und wir sozusagen die Bauordnung ändern müssten, um schneller zum Bauen zu kommen, so zumindest habe ich sie verstanden. Diese Aussage kann ich sogar nachvollziehen, und ich teile sie auch. Wir haben dieses Thema in unserem Antrag ja auch als Perspektive aufgegriffen.

Ich sage es noch einmal, liebe CDU: Wenn sich die Diskussion zuspitzt – sie wird sich politisch zuspitzen, und das wird auch Folgen für das politische Koordinatensystem in unserer Stadt haben – und wenn die CDU glaubt, sie könne sich irgendwie mehr in die andere Richtung als die Mitte orientieren, dann ist das für unsere gesamte Gesellschaft brandgefährlich!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Widerspruch CDU)

Da müssen Sie nicht abwinken! Das fängt mit Herrn Seehofer an, der genau das massiv betreibt. Ich wünsche mir, dass die Bremer CDU an der Stelle endlich ihrem eigenen Ideal, eine moderne Großstadtpartei zu sein, näher kommt. Dafür aber müssten Sie in der Frage von ziemlich rechten Positionen abrücken.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Widerspruch CDU – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Dazu brauchen wir von Ihnen keine Ratschläge, Herr Kollege! – Abg. Möhle [SPD]: Sie werden noch uralt aussehen, wenn Sie so weitermachen! – Lachen CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Fries.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das vielzitierte Wort von Angela Merkel „Wir schaffen das!“ ist richtig, weil es Zuversicht verbreitet, weil es Alarmismus verhindert und uns auf den Weg bringt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Die Antwort auf die Frage, wie wir das schaffen, müssen aber in erster Linie Länder und Kommunen leisten, weil das unserer föderalen Aufgabenverteilung entspricht, die zum Glück noch niemand infrage gestellt hat.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das stimmt!)

Die Frage setzt aber voraus – um auch auf den Ruf nach finanziellen Mitteln einzugehen –, dass die Ebene, die zuständig ist, auch über die entsprechenden finanziellen Ressourcen verfügt. Auch das ist ein ganz normaler Mechanismus des Grundgesetzes. Eigentlich sollte das über die Deckungsquoten laufen, praktisch läuft es anders. Wenn aber eine Ebene wie die Kommunen und die Länder einen deutlichen Aufgabenzuwachs hat, dann braucht es dazu auch zusätzliche finanzielle Ressourcen. Das ist keine Kapitulation, sondern das normale Spiel unserer Finanzverfassung.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir müssen uns darüber hinaus so aufstellen und tun das auch als Senat, dass die Leute über die Befriedi

gung von Grundbedürfnissen – Vermeidung von Obdachlosigkeit, also dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge eine trockene Unterkunft haben und satt werden – hinaus dauerhaft integriert werden. Das ist eine große Herausforderung, bei der wir einerseits planvoll vorgehen müssen, bei der wir aber andererseits um das Improvisieren oder darum, „ein bisschen auf Sicht zu fahren“, wie es Schäuble in der Haushaltsdebatte sagte, nicht herumkommen. Schäuble sagte dazu weiter, dass es nicht das Schlechteste sei, auf Sicht zu fahren, denn viele Menschen, die Gutes getan hätten, würden auf Sicht fahren. Auch hier ist vielleicht ein bisschen Lebensklugheit des Bundesfinanzministers hilfreich.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Im Moment spricht Fries!)

Dem Eindruck, dass der Senat nicht immer an einem Strang zieht, möchte ich hier entgegentreten. Natürlich führen unterschiedliche Logiken der verschiedenen Ressorts zu unterschiedlichen Sichtweisen der Probleme. Das ist sinnvoll, das führt manchmal zu Konflikten, die man austragen muss, aber das ist in der Regel produktiv.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich kann mich nicht über fehlende Unterstützung beklagen. Das Gesundheitsressort ist da, wenn man es braucht, um die Flüchtlinge zu untersuchen, die Sprechstunden anzurufen und sich um Impfungen zu kümmern. Das Bildungsressort tut alles, um die Beschulung sicherzustellen, auch wenn die riesige Masse genauso wie bei den Unterbringungen ein immenses Problem ist und wir das eine oder andere Hakeln sicherlich noch aushalten müssen. Niemand läuft hier in unterschiedliche Richtungen.

Ich könnte die ganzen Ressorts durchdeklinieren und sagen, wo wir Unterstützung bekommen und wo wir gemeinsame Projekte haben. Da das in dem Antrag und in vielen Beiträgen klargeworden ist, muss man das nicht alles aufführen. Einen Punkt möchte ich für den Senat aber noch einmal aufgreifen, weil er eine ganz zentrale Bedeutung hat. Es geht um die Frage der zusätzlichen Wohnungen.

Es ist völlig unstrittig, dass die bisherigen Wohnungsbauprogramme und anstrengungen nicht ausreichen, um den Leuten aus den Flüchtlingsunterkünften einen Übergang in den Wohnungsmarkt zu ermöglichen und damit das elementare Grundrecht auf Wohnen und die Voraussetzung, hier anzukommen, zu ermöglichen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde es aber auch legitim, wenn man einen großen Schritt macht und sich der Staat massiv in den Wohnungsmarkt einmischen wird, einmal darüber zu diskutieren, welche Größenordnung richtig ist, wel

che Instrumente effizient sind und funktionieren, wie ich es hinbekomme, das über die Stadtteile zu verteilen. Das als einen Grundsatzstreit darüber zu interpretieren, ob wir bauen oder nicht, finde ich arg verkürzt und gewollt.

Lassen Sie mich noch auf den aufgeworfenen Aspekt des Flüchtlingsbeauftragten eingehen! Hier ist oft die hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung angesprochen worden. Ohne deren unglaubliches Engagement und die Bereitschaft, auch einmal über normale Arbeitszeiten hinauszugehen und Unglaubliches zu leisten, hätten wir das nicht geschafft.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir müssen bei allen Debatten aufpassen, nicht darüber zu diskutieren, wie wir Leute finden, die neue Vorgesetzte für sie sind und ihnen Vorgaben machen. Wir müssen sehen, wie wir unsere Koordination weiter verbessern. Da sind wir auf einem guten Weg. Die Senatskanzlei, die in einer Regierung genau für so etwas zuständig ist, leistet sehr gute Arbeit. Das wird sich in Senatsbeschlüssen der nächsten Wochen sicherlich niederschlagen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Beiträge von Frau Grönert haben mich dazu provoziert, mich doch noch einmal zu melden. Das hatte ich eigentlich nicht vor. Frau Grönert, was Sie hier beigetragen haben, erweckt bei mir einen bestimmten Eindruck. Eigentlich dachte ich wirklich, Sie sind nicht ganz ahnungslos. Sie haben aber wirklich noch nicht begriffen, was gesellschaftliche Inklusion bedeutet.

Gesellschaftliche Inklusion bedeutet nämlich, die Regelsysteme auszubauen, und nicht, Sondersysteme zu schaffen, wie Sie es jetzt mit dem Flüchtlingsbeauftragten vorschlagen. Nein, es erfordert dafür keinen gesonderten Beauftragten. Jeder Senator und jede Senatorin muss seinen beziehungsweise ihren Beitrag dazu leisten.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Das geschieht auch zumindest bei den meisten.

(Heiterkeit, Zurufe)

Ich habe vorhin etwas zum Bausenator gesagt.

Darüber hinaus müssen die Regelsysteme ausgebaut werden. Dazu haben Sie keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht. Die einzigen konkreten Vorschlä

ge, die wir heute von Ihnen gehört haben, waren, die Mobilität mit der BSAG zu verbessern. Ich bin vorhin schon darauf eingegangen, warum ich glaube, dass das nicht funktionieren wird. Der andere konkrete Vorschlag betrifft WLAN. Das ist doch in dem Antrag enthalten. Deshalb weiß ich wirklich nicht, was Sie wollen.

Statt auf konkrete gesellschaftliche Inklusion und die Maßnahmen einzugehen, die dafür notwendig sind, kommen Sie wieder mit den Abschiebungen. Ich bitte Sie! Wir haben doch heute Morgen gehört, dass gerade einmal 250 Personen in Bremen vollziehbar ausreisepflichtig sind. Wenn Sie dann wieder einmal suggerieren, durch die Abschiebung von 250 Personen stünden genug Kita-Plätze, Schulplätze oder Arbeitsplätze zur Verfügung, streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Ich bitte Sie, hören Sie auf damit! – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir sind nicht schwerhörig! – Abg. Grotheer [SPD]: Sonst fällt Ihnen nichts als Argument ein, Herr Dr. vom Bruch, oder?)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hier ist eben unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Worten zitiert worden: „Wir schaffen das!“ Diese Worte sind in dem Anspruch richtig, Mut zu machen, in einer besonders schwierigen Situation nicht zu verzagen und die anstehenden Aufgaben mutig anzugehen. Sie sind aber falsch in dem Sinne, in dem sie Hoffnungen erwecken und ein Versprechen suggerieren, welches wir nicht einlösen können.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Sie wollen das auch gar nicht einlösen! Sagen Sie es doch!)

Wir können hier in Bremen niemandem den Vorwurf machen, nicht alles zu tun, um die zu uns kommenden Menschen möglichst gut zu integrieren und ihnen zu helfen. Die Amtsvormünder sind in ihrer Arbeitslast komplett überfordert. Wir stellen fest, dass wir es nicht schaffen, alle Menschen im Winter aus den Zelten zu bekommen. Wir stellen fest, dass wir bei den Einschulungen der zu uns kommenden Kinder nicht einmal 50 Prozent erreichen.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Was gibt Ihnen das Recht, von „wir“ zu sprechen?)

Das heißt, wir haben sehr, sehr große Defizite. Dennoch tun wir alles.

Ich pflichte meiner Vorrednerin bei. Abschiebungen sind in Bremen keine Lösung, wenn wir überhaupt nicht so viele nachvollziehbar Ausreisepflichtige ha

ben. Das wird uns hier substanziell nicht weiterhelfen. Wir haben bundesweit um die 200 000 Zuwanderungen im November zu verzeichnen. Bis dato haben wir 2015 mehr Asylbewerber als die 44 größten Industrienationen im gesamten letzten Jahr zusammengenommen. Wir müssen einfach feststellen, dass wir mit der Gesamtzahl derjenigen, die zu uns kommen, überfordert sind. Es sind einfach zu viele. Wir haben mehr Zuwanderung als eigene Geburten. Wir stellen an allen Ecken und Enden fest, dass die Kapazitäten nicht reichen. Selbst wenn wir uns aufstellen würden, um es kurzfristig zu schaffen, müsste wir uns darauf einstellen, dass die Nachfrage nach Einwanderung auch in der Zukunft immer weiter steigen wird und unsere Aufnahmekapazitäten überfordert.

(Abg. Frau Aulepp meldet sich zu einer Zwischen- frage.)