Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Zudem ist die Qualifizierung von Fachkräften aus Ländern der Dritten Welt bisher einer der Schwerpunkte der hessischen Entwicklungshilfe gewesen. Auch hier stellt sich die Frage, ob das nicht kontraproduktiv für Ihre eigene Politik ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Mit großer Mühe haben wir es geschafft, unsere Hochschulen international besser zu platzieren. Durch die Quasi-Aussperrung von Studierenden aus dem Ausland schaden Sie diesen Bemühungen zur Internationalisierung der hessischen Hochschulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einer weiteren sehr traurigen Bestimmung in Ihrem Gesetzentwurf,mit der Sie sich auch noch brüsten:das Studieren mit Kindern.Zwar sieht das Modell der Landesregierung eine Befreiung von Studiengebühren von sechs Semestern vor. Allerdings brauchen Studierende mit Kind deutlich länger als sechs Semester, um ein Studium abzuschließen, zumal die sechs Semester für beide Elternteile gelten. Die finanzielle Belastung bleibt nach den sechs Freisemestern also in voller Höhe erhalten. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Kinder nach drei Jahren kein Geld mehr kosten? Dieser Gesetzentwurf geht vollkommen in die falsche Richtung. Studierende mit Kindern brauchen eine deutlich stärkere Unterstützung und keine weiteren finanziellen Belastungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Corts, Sie blenden aber nicht nur die direkten Auswirkungen dieses Gesetzentwurfes völlig aus. Ihre Bundesfamilienministerin von der Leyen hat mit Recht darauf hingewiesen, dass junge Akademikerpaare weniger Kinder bekommen. Die Rückzahlung des Studienkredits fällt genau in die Familiengründungsphase junger Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Hier wirkt sich eine Schuldenlast von mehreren Tausend Euro negativ auf die Möglichkeit zur Familiengründung aus. Junge Menschen werden es sich nämlich zweimal überlegen, ob sie Kinder in die Welt setzen, wenn sie noch so viele Schulden zurückzahlen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Corts, es kann doch auch nicht sein, dass die Kommunen gerade händeringend versuchen, junge Familien zu entlasten, etwa durch kostenlose Kinderbetreuung, und die Landesregierung bei jungen Familien gleichzeitig wieder abkassiert. Sie konterkarieren damit jede Bemühung, junge Eltern besser zu stellen. Diese Art der neuen Familienpolitik müssen Sie mir wirklich erst einmal erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Corts, Sie erklären immer wieder, dass die Landesregierung keine andere Wahl hat, als Studiengebühren zu erheben, weil alle anderen Bundesländer ringsherum es

auch vorhaben. Zum einen frage ich mich, warum Sie dann diesen unsäglichen Föderalismuskompromiss bei der Bildung mittragen. Hier wird nämlich jegliches Instrument, vernünftige Ausgleichsmodelle zwischen den Ländern umzusetzen, aus der Hand gegeben. Das halten wir für bildungspolitisch fatal. Das haben wir an anderer Stelle schon öfter diskutiert. Aber insbesondere frage ich mich, Herr Corts, warum Sie dann in Hessen die sozial ungerechtesten Gebühren aller Bundesländer einführen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Möglichkeit, bis zu 1.500 c von den Studierenden zu verlangen, steht in keinem anderen Gesetzentwurf Ihrer Kolleginnen und Kollegen der CDU-regierten Länder. In Bayern sollen es 100 bis 500 c werden, in Baden-Württemberg und Niedersachsen 500 c, in Nordrhein-Westfalen höchstens 500 c.

(Norbert Schmitt (SPD): Die „Studiengebühr plus“! – Heiterkeit bei der SPD)

Dazu kommen in den meisten Bundesländern noch zusätzliche Ausnahmetatbestände. Nichts dergleichen steht in Ihrem Gesetzentwurf. Ich habe es am Anfang meiner Rede schon ausgeführt.

Es drängt sich der Verdacht auf,dass hier eine Preisspirale in Kraft gesetzt werden soll, die die anderen Bundesländer dazu zwingt, ihre Gebühren allmählich anzuheben. Meine Damen und Herren, diese Art von Gebührenwettbewerb schadet dem Wissenschaftsstandort Deutschland. Sie wird dazu führen, dass die Gebühren langfristig weiter steigen und noch weniger Absolventinnen und Absolventen die Hochschulen erfolgreich verlassen.

Anstatt immer weitere Hürden für die Aufnahme eines Studiums zu schaffen, sollten Sie sich besser überlegen, wie man die Studienbedingungen in Hessen verbessern kann. Ihr Gesetzentwurf ist völlig verfehlt. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag gegen die Einführung von Studiengebühren zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Sorge. – Das Wort hat nun Frau Kollegin Beer für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion ist für Studienbeiträge. Doch es gehört für uns zur Autonomie der Hochschulen, dass diese selbst entscheiden, ob, in welchem Studiengang und in welcher Höhe sie Studienbeiträge einführen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Der CDU-Vorschlag widerspricht nicht nur vollends dem Gedanken von Autonomie und Selbstverantwortung in den Hochschulen. Die CDU verhindert mit diesem Modell auch, dass zwischen den Hochschulen Wettbewerb entsteht, dass die Hochschulen ganz bewusst ihr Leistungsspektrum überprüfen, mit den Studierenden, Professoren und Mitarbeitern zusammen darüber diskutieren und ein Konzept entwerfen, wie sie das zusätzlich eingenommene Geld einsetzen wollen, und dass sie so weiter

hin ihr Profil ausbilden und sich erfolgreich am Markt, sowohl national als auch international, platzieren können.

Die FDP ist für Studienbeiträge. Meine Damen und Herren,doch dies ist für uns untrennbar mit der Verpflichtung verbunden, zusätzliche Leistungen für die Studierenden anzubieten und die Studienbedingungen zu verbessern.

Das heißt für uns, wir wollen die Hochschulen verpflichten, die Studierenden in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen und ihr Beratungs- und Betreuungsangebot zu intensivieren. Das heißt auch, dass sie die Studienbeiträge dafür verwenden können, ein Stipendienwesen aufzubauen.

Die Erfüllung dieser Verpflichtung wird in unserem Modell regelmäßig überprüft. Wir sehen eine Evaluation unter Mitwirkung der Studierenden vor. Das heißt, dass sowohl die Mittelverwendung als auch das Ergebnis der Evaluation regelmäßig veröffentlicht werden. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies bietet zum einen die Möglichkeit, Mängel aufzuzeigen und diese abzustellen. Das geht nach unserem Modell bis dahin, dass dann, wenn die Studienbedingungen nachweislich nicht verbessert wurden, auch eine Rückerstattung der gezahlten Studienbeiträge möglich ist. Zum anderen werden die Regelungen dafür sorgen, dass die Leistungen, die jede einzelne Hochschule im Wettbewerb erbringt, transparent gemacht werden, was wiederum für den Studierenden ein Anhaltspunkt dafür ist, welche der Hochschulen er sich aussucht. Das heißt, wir stärken an dieser Stelle die Nachfragemacht der jungen Leute.

Herr Kollege Siebel, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Verbesserung der Studienbedingungen an unseren Hochschulen eher zu einer Verkürzung des Studiums und damit auch zu einer kürzeren Zeit der Belastung durch das Studium führen wird als zu einer Verlängerung.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Sie sehen also, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen: Das FDP-Modell unterscheidet sich deutlich vom CDUVorschlag.

(Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt!)

Denn die CDU will lediglich flächendeckend Beiträge erheben, um die Unterfinanzierung der hessischen Hochschulen zu kaschieren. Sie sieht keinerlei Verpflichtung vor, dass die Studienbedingungen zu verbessern seien. Sie überprüft nicht, ob diese Verpflichtung eingehalten wird, und sie macht auch nicht transparent, was mit den eingenommenen Geldern passiert. Letztendlich bleibt es im Modell der CDU auch ohne Konsequenz, wenn nichts passiert, wenn also nur Geld eingenommen wird, ohne dass sich die Leistung verbessert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Somit ist für uns auch klar, dass beim CDU-Modell nicht sichergestellt ist, Herr Minister, dass die eingenommenen Studienbeiträge nicht über kurz oder lang auf die Grundfinanzierung der Hochschulen angerechnet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Im FDP-Modell hingegen ist abgesichert, dass die Studienbeiträge da, wo sie erhoben werden, aber auch die Langzeitstudiengebühren und die Verwaltungsgebühren vollständig – ich betone: vollständig – bei den Hochschulen als zusätzliche Mittel verbleiben, also on top, zusätzlich zur Grundfinanzierung des Staates.

Nach dem FDP-Modell ist die Grundfinanzierung, also der größte Batzen an Geld, den die Hochschulen bekommen, nach wie vor aus Steuermitteln sicherzustellen. Das liegt daran – da teile ich die Auffassung der Kollegen von der SPD und den GRÜNEN –, dass Bildung, auch Bildung im Hochschulbereich,nach unserer Meinung weiterhin eine öffentliche Aufgabe ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der SPD, die FDP präsentiert an dieser Stelle ein ausgewogenes und vor allem in sich geschlossenes Konzept. Denn wir schlagen Ihnen mit unserem Antrag vor, die Grundfinanzierung über Bildungsgutscheine als Nachfragemodell zu organisieren. Dies hätte zwei Wirkungen zur Folge. Zum einen würden die Studierenden das Geld,das die Hochschulen für das Studium in den verschiedenen Fächern einnehmen möchten, in die Hand bekommen. Das heißt, ihnen würde eine wahre Nachfragemacht gegeben, die wiederum auch zu einer Leistungssteigerung an den Hochschulen führen würde.

Zum anderen sieht unser Modell, Herr Kollege Siebel, schon seit Jahren den von Ihnen eben angesprochenen Hochschulfinanzausgleich vor. Denn es ist ja richtig, dass wir als Hessen z. B. reihenweise junge Leute aus Bayern, aus Baden-Württemberg oder aus Schleswig-Holstein ausbilden, weil es sich die dortigen Bundesländer einfach machen und nicht die nötigen Kapazitäten für ihre Landeskinder an den Hochschulen vorhalten.

Das heißt aber, dass wir mit dem Modell der Bildungsgutscheine auch den Wettbewerb unter den Hochschulen weiter stimulieren würden und gleichzeitig bundesweit zu einer gerechteren Verteilung kämen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mache ich Ihnen auch den Vorschlag, dass wir, nachdem nun auch andere Bundesländer – siehe Herr Zöllner – das FDP-Bildungsgutscheinmodell entdeckt haben, einmal einen Modellversuch zwischen zwei, drei, vielleicht auch vier Bundesländern – unserer Meinung nach würden sich hier Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen anbieten – initiieren sollten, solch einen Hochschulfinanzausgleich untereinander zu organisieren. Dies hätte gleichzeitig den Vorteil, dass die privaten Hochschulen gleichberechtigt neben den staatlichen einbezogen würden. Denn selbstverständlich könnten die Studierenden die Bildungsgutscheine nach freier Wahl der Hochschule auch an privaten Institutionen einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Aber zurück zu dem Thema der Studienbeiträge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Modell, das wir als FDP Ihnen vorschlagen, ist unserer Meinung nach sozial ausgewogen. Denn auch wenn wir für Studienbeiträge sind, machen wir uns Gedanken darüber, wie wir es jedem Studierenden ermöglichen können, ein Studium ohne eine Hürde aufzunehmen, Herr Kollege Siebel. Denn nach unserem FDP-Modell kommt es nicht auf die aktuelle Finanzlage des Studierenden an. Es kommt auch nicht auf die Finanzlage seiner Eltern oder sonstiger Unterhaltspflichtiger an, sondern wir stellen mit unserem Modell auf die Leistungsfähigkeit des fertigen Akademikers ab.

Sie können mir abnehmen, dass wir in der Fraktion eine sehr ausgiebige Diskussion hatten, welche Hürden die Einführung von Studienbeiträgen eventuell bedeutet. Ich nehme auch die Hinweise sehr ernst, dass sich möglicher

weise gar keine tatsächliche, aber eine psychologische Hürde ergeben könnte,

(Norbert Schmitt (SPD): Mindestens das!)

sich wegen Studienbeiträgen in der Studienzeit zu verschulden. Ich glaube aber, dass es uns mit unserem FDPModell gelungen ist,diese Hürde zu nehmen,indem wir in unserem Modell eine Vielzahl von Befreiungen von den Studienbeiträgen, z. B. wegen minderjähriger Kinder, z. B. wegen Krankheit und Behinderung, z. B. wegen ehrenamtlichen Engagements, mit der Möglichkeit kombinieren, ein Darlehen in Anspruch zu nehmen, das ohne Bonitätsprüfung und ohne Sicherheiten jeder in Anspruch nehmen kann, der ein Studium aufnehmen will, sodass jeder die Möglichkeit hat, die Finanzierung der Studienbeiträge auf einen Moment nachzulagern, wo er nach Arbeitsaufnahme finanziell leistungsfähig ist.