Herr Minister, nein, das hat nichts mit Klassenkampf zu tun. Das hat etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Ich komme damit auch zu meinen letzten Sätzen. – Wir wollen eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Wir wollen wettbewerbsfähige Unternehmen haben.Aber wir wollen auch ein gerechtes Steuersystem haben. Wir wollen, dass es in diesem Land gerecht zugeht. – Danke schön.
Herr Schmitt, vielen Dank. – Für die Landesregierung darf ich Herrn Staatsminister Weimar das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal sagen: In Deutschland will niemand die Steuern senken, weil er am Ende weniger Geld in der Kasse haben will.Vielmehr möchte man durch eine Steuersenkung mehr Geld in der Kasse haben und Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.
Das ist der Punkt, den die Politik immer am schwierigsten darstellen kann. Denn der einfache Satz: „Wir wollen Steuer senken“, wird irgendwie immer als das Motto verstanden: Der Staat verschenkt Geld.
Wie sehen die Phänomene denn aus? – Ich will das hier nur kurz beschreiben. Bis zum Jahr 2000, also vor der Steuerreform des Jahres 2000, hatten wir die Situation, dass die Firmen, die in Deutschland aktiv waren, ein Interesse daran hatten, die Dividenden hier und nicht im Ausland auszuschütten, weil die Dividenden, wenn sie aus dem Ausland nach Deutschland transferiert wurden, hier noch einmal durch die Einkommensteuer besteuert wurden. Das war also eine Art Doppelbesteuerung.
Das hat dazu geführt, dass die Gewinne in Deutschland ausgewiesen wurden und es zu den entsprechenden Ausschüttungen kam. Seitdem das weggefallen ist, werden die Gewinne einfach ins Ausland transferiert. Über die Dividenden fließt das Geld dann steuerfrei an die jeweiligen Anleger in Deutschland wieder zurück.
Theoretisch war die Systematik richtig gedacht. Tatsächlich hat das aber auf der internationalen Ebene dazu geführt, dass die Firmen, die das können, das in vollem Umfang ausnutzen.Sie nutzen das legal aus.Wenn etwas nicht legal genutzt wird, dann sind wir dafür da, einzuschreiten. Gelegentlich können wir da auch etwas machen. Aber da gibt es nichts zu kontrollieren. Denn was wollen Sie kontrollieren, wenn diese Gestaltungselemente legal sind?
Es gibt dann noch andere Punkte. Das betrifft etwa die Fremdfinanzierung. Da wird das Kapital ins Ausland transferiert, um es anschließend nach Deutschland zurückzuverleihen. Dann können die Zinsen als Kosten geltend gemacht werden. Ich wollte das als Beispiel für ein Grundmodell anführen. Man könnte das jetzt weiter deklinieren und aufzeigen, was da alles möglich ist.
Da sind wir auch an einem entsprechenden Punkt angelangt. Natürlich statten wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Computern aus. Es gibt internationale Festlegungen hinsichtlich der Frage, innerhalb welchen Korridors sich solche Preise bewegen dürfen. Aber angesichts Hunderttausender Auslandstransaktionen nur einer Firma ist es fast unmöglich, das in irgendeiner Weise nachzuverfolgen.
Wenn wir es geschafft haben, wird es damit enden, dass wir angesichts der 100 Verrechnungspreise, die wir beanstandet haben, einen Streit vor dem Finanzgericht werden führen müssen.Dieses Verfahren hat dann einen Ausgang,
den sich eigentlich keiner leisten kann. Das heißt, hier geschieht etwas, was insbesondere die großen Firmen betrifft.
Man muss das auch einmal nüchtern sehen. Es wird immer der Eindruck vermittelt, gerade die großen Firmen seien in Deutschland mit Steuerzahlungen grässlich überlastet.Wir sind nicht das aufkommensschwächste Land in Deutschland.
In den Jahren 2003, 2004 und 2005 haben wir im Land Hessen etwa 350 Millionen c aus der Körperschaftsteuer erzielt. Jetzt sagen Sie: Die andere Hälfte des Aufkommens aus der Körperschaftsteuer erhält der Bund.
Wir haben also über den genannten Zeitraum 350 Millionen c aus der Körperschaftsteuer erzielt. Im Jahr 2002 kam es zu einem negativen Ertrag. Deswegen rede ich nur von den Jahren 2003, 2004 und 2005. In diesen Jahren erhielten wir zusammen 300 Millionen c aus der Körperschaftsteuer. In Hessen haben wir während dieses Zeitraums aber weit über 600 Millionen c durch die Kraftfahrzeugsteuer eingenommen. Ich finde, das muss einem zu denken geben. Denn es gibt welche, die sehr hart dafür plädieren, die gewinnunabhängigen Elemente auszuklammern. Ich möchte gleich auch noch etwas zum Gewinn sagen. Denn dieses Wort ist völlig falsch. Es handelt sich dabei um einen Kampfbegriff, der so nicht zutrifft.
Man muss sich wirklich fragen, was an Steuern tatsächlich noch erzielt wird.Ich habe das schon viele Male gesagt,ich bleibe dabei. Ich werde nicht zur SPD oder irgendeiner anderen Partei wechseln. Vielmehr sage ich das als Person.
Ich sagte das, weil immer wieder in diesen Kategorien gedacht wird. – Ich kann es nicht akzeptieren, dass die großen Unternehmen dieses Landes, also die, die wir in Hessen haben, zur Finanzierung dieses Landes und dieses Staats gerade einmal die Hälfte von dem beitragen, was die Autofahrer über die Kraftfahrzeugsteuer beitragen.
Sie wissen, dass ich hinsichtlich der Gestaltungsmodelle einen Vorstoß gemacht habe, der in weiten Kreisen akzeptiert wurde. Das betrifft die Frage, ob wir es uns auf Dauer leisten können, uns hinterher mit den Steuermodellen zu befassen.Solche Modelle wurden auch jetzt wieder in der Zeitung geschildert. Bei einem war eine Verlustzuweisung in Höhe von 268 % praktisch ohne Einsatz von Eigenkapital möglich. Ich wollte das nur einmal als Beispiel nennen.
Da verhält es sich doch wie bei dem Hasen und dem Igel. Wir decken ein solches Steuersparmodell auf. Dann geht das vor Gericht. Darüber wird jahrelang prozessiert. Der Bundesfinanzhof ist bei der Aberkennung steuerlicher Boni sehr restriktiv. Am Ende ist es so, dass immer dann, wenn wir eingreifen, das nächste Modell schon auf dem Markt ist.
Deswegen habe ich gesagt, dass wir uns besonders der Frage zuwenden müssen, was bei den „Steuersparmodellen“ möglich sein soll.
Ich bin auch durchaus bereit, da sehr massiv einzugreifen. Ich möchte da noch einmal meine Aussage aufgreifen, die ich schon mehrfach getroffen habe: Ich bin dagegen, dass wir dem Arbeitnehmer die Möglichkeit streichen, die ersten 20 km seines Fahrtwegs zur Arbeitsstätte steuerlich abzusetzen, wenn gleichzeitig Hunderte Millionen Euro Steuern bei uns verloren gehen, weil es irgendwelche, volkswirtschaftlich gesehen, völlig unnötigen Steuersparmodelle in diesem Land gibt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Denzin (FDP))
Wir sollten uns auch darüber einig sein, dass es da durchaus eine Lobby gibt, die nicht ohne Einfluss ist. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen.
Eigentlich finde ich, dass uns das als diejenigen verbinden müsste, die dafür verantwortlich sind, dass sich dieser Staat auch dauerhaft finanzieren kann.
Es gibt da zwei Probleme. Das eine Problem besteht darin, dass die nominale Steuerdifferenz zum benachbarten Ausland zu hoch ist. Hier sind es 39 %, im Ausland sind es etwas über 20 % bis etwa 25 %. Das ist natürlich der Anlass dafür, dass es zu dieser schwunghaften Entwicklung gekommen ist, bei der die Beteiligten ihre Gewinne ins Ausland verlagern und, was noch schlimmer ist, ihre Verluste nach Deutschland transferieren. In dem einen Land bekomme ich für 1 c Verlust 23 Cent zurück. Bei uns sind es 39 Cent. Es ist dann doch klar, wo ich die Verluste geltend mache. Das mache ich natürlich da, wo ich den höchsten Ertrag erzielen kann.
Die nominale Steuerdifferenz ist also ein zu beachtender Punkt. Mehrere haben das hier gesagt. Das teile ich. Wir müssen nicht den niedrigsten Steuersatz in Europa haben. Wenn wir irgendwo im Mittelfeld liegen, werden wir sehr gut wettbewerbsfähig sein. Denn wir haben andere Assets in diesem Land, aufgrund derer die Firmen hier sehr gut arbeiten können.
Trotzdem sage ich jetzt: Das, was im Eckpunktepapier steht – unter 30 %, 29 Komma x ist im Moment die Rechnung –, ist mir ebenfalls noch etwas zu wenig. Ich würde 25 % durchaus anstreben.
Das ist auch ein Punkt, der durchaus im Gespräch ist.Wir müssen halt nur schauen – das sage ich jetzt auch einmal an dieser Stelle –, wie die Wirtschaft durch aktives Tun diese Steuerreform, wenn sie denn kommt, annimmt. Es ist auch ein Geben und Nehmen.Wenn wir sehen, dass auf der Basis dieser 29 % unternehmerisches Verhalten in diesem Land anders wird,ist der nächste Schritt einer weiteren Absenkung durchaus etwas, worüber man reden kann, wenn man damit weitere Volumina für unsere Kassen gewinnt. Denn letztendlich ist es dem Unternehmen
egal, wo es die Steuern bezahlt, wenn es hier gute Bedingungen hat. Ich sage auch immer: Das sind ja keine vaterlandslosen Gesellen, die diese Entscheidung treffen, sondern sie sind ihren Aktionären, ihren Gesellschaftern, ihren Eigentümern verantwortlich. Wenn sie diese Verantwortlichkeit so definieren können, dass sie sagen: „In Deutschland ist das vollkommen vertretbar“, bin ich der festen Überzeugung, dass die Versteuerung dann auch hier vorgenommen wird. Denn das sind auch Leute, deren Familien hier leben,deren Kinder in die Schule oder in die Hochschule gehen und Sonstiges mehr, und die unternehmerische Entscheidung wird hier ausgesprochen positiv zu unseren Gunsten ausfallen. Das ist meine feste Überzeugung.Wir müssen nur die Rahmenbedingungen schaffen.
Jetzt müssen wir sehen:Was können wir uns denn im Moment leisten? Wenn wir nominal unter 30 % absenken,liegen wir bei 13 oder 14 Milliarden c, die zunächst einmal rechnerischer Verlust gegenüber dem jetzigen Aufkommen wären. Da können Sie rechnen – ich rechne da sehr viel großzügiger –, dass 3 Milliarden c relativ kurzfristig zu Verhaltensänderungen führen, sodass wir mehr Steuern durch diese Steuerreform bekommen. Dann haben wir noch gesagt, 5 Milliarden c wollen wir über die Haushalte tragen, d. h. grosso modo sind 5 Milliarden c gegenzufinanzieren. Sonst müssten wir sagen, das können wir nicht aus den Haushalten darstellen.
Da sollte man, finde ich, ehrlich zueinander sein. Wenn das in die Stufen hineingeht, dann sind die ersten 5 Milliarden c hier durchaus eine deutliche Entlastung.
Jetzt müssen wir uns überlegen: Was machen wir an der Stelle? Da kommt jetzt wieder ein Punkt, eine Schnittstelle, an der man sagen könnte: Schaffen wir die Gewerbesteuer vollständig ab. Theoretisch, idealiter ist das durchaus ein Punkt, wo man sagen könnte: Darüber kann man ja einmal nachdenken. Ich finde, nein. Zum einen haben die Kommunen ein eigenes Steuererhebungsrecht, und zum anderen glaube ich auch, dass unter einer Voraussetzung, die jetzt hier gewährleistet werden soll, nämlich dass die Gewerbesteuer wie die Körperschaftsteuer zu berechnen ist, sodass im Grunde genommen eine fast einheitliche Bemessungsgrundlage vorhanden ist, die Gewerbesteuer in dem internationalen Wettbewerb überhaupt nicht stört. Das kann übrigens auch die Unternehmen nicht stören, weil es dann eine Unternehmensteuer mit, sagen wir, 29 % gibt, von der nur ein Teil an die Kommune geht und ein Teil an den Fiskus bzw. an Bund und Länder.
In dieser Frage haben wir dann also einen entscheidenden Punkt erreicht, der heute so stört, weil die Gewerbesteuer von den Unternehmen anders zu kalkulieren ist, als das bei der restlichen Körperschaftsteuer der Fall ist. Insofern halte ich es für einen riesengroßen Vorteil, dass das hier angestrebt wird. Man muss jetzt die Module berechnen.