Meine Damen und Herren, stehen Sie bitte noch nicht auf. Ich habe die Sitzung noch nicht unterbrochen. Seien Sie bitte so lieb, mir zuzuhören.
Ich mache Ihnen nur einen Vorschlag. Es ist mir gesagt worden, dass es eine Dreiviertelstunde dauert, bis das Protokoll vorliegt. Ich sehe, dass dies nicht gewünscht wird. Es ist gewünscht, dass der Ältestenrat jetzt zusammentritt. Dann unterbreche ich die Plenarsitzung und berufe den Ältestenrat in Raum 107 ein.
(Zuruf von der SPD: Der Ministerpräsident hat keine Meinung! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Doch, er hat eine Meinung! Zustimmung! – Unterbrechung von 9.38 bis 10.25 Uhr)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich teile Ihnen mit, dass der Ältestenrat die Angelegenheit sehr ausführlich beraten hat. Wir sind so verblieben, dass es den Fraktionen überlassen ist, die Angelegenheit weiter zu behandeln, wenn alle Protokollauszüge vorliegen.
Für das weitere Verfahren haben wir festgelegt, dass wir, da die Redezeiten in dieser Aktuellen Stunde erschöpft sind, den Mitgliedern aller Fraktionen die Möglichkeit geben, eine persönliche Erklärung nach § 81 unserer Geschäftsordnung abzugeben, falls sie dies wünschen. Danach werden wir über die beiden Anträge abstimmen.
Ich sehe, dass Sie alle damit einverstanden sind, dass wir so verfahren. Dann darf ich dem Kollegen Walter für die SPD-Fraktion das Wort geben. Wir haben eine Redezeit von ca. drei Minuten je persönlicher Erklärung vereinbart.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Sozialdemokrat eine persönliche Erklärung zu dem Vorwurf des Herrn Kollegen Vorsitzenden der CDUFraktion abgeben, die Sozialdemokratie habe ein ungeklärtes Verhältnis zum Vaterland.
Lieber Herr Kollege Wagner, zu Beginn der ersten Demokratie in unserem Land, im Jahre 1918, war es ein Sozialdemokrat, nämlich Friedrich Ebert, der als Reichspräsident die Verantwortung übernommen hat, und es waren Sozialdemokraten, die im gesamten Verlauf der Weimarer Republik für die Demokratie gekämpft haben. Das war nicht bei allen anderen Parteien der Fall.
Wie die Frau Kollegin Wagner zu Recht angemerkt hat, sind der Weimarer Republik im Laufe der Zeit die Demokraten abhandengekommen. Die Sozialdemokraten wurden von Rechten, aber auch von Linken dafür beschimpft, dass sie die Demokratie schützen wollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein für uns Sozialdemokraten zentrales Datum ist der 23. März 1933. Am 23. März 1933 tagte der Reichstag in der Krolloper, da das Reichstagsgebäude abgebrannt war. Die 89 sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten – von ursprünglich 110 –, die noch auf freiem Fuß waren, die noch nicht inhaftiert waren, sind durch ein Spalier aus SS- und SAMännern in die Krolloper eingezogen. Unser damaliger Fraktionsvorsitzender Otto Wels hat in seiner Antwort auf eine Rede von Adolf Hitler den unvergesslichen Satz gesagt: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Für uns Sozialdemokraten ist die Tatsache, dass uns der Kollege Wagner diesen Vorwurf macht,angesichts unserer Tradition ein Vorgang, der nicht einfach in den Bereich der politischen Taktik abzuschieben ist; denn auch nach dem Ende des Hitler-Regimes waren es wiederum Sozialdemokraten, die die Demokratie – auch in Hessen – aufgebaut haben.Wir haben vor wenigen Wochen bei der Beerdigung von Holger Börner über seine Verdienste geredet. Wir haben in diesem Zusammenhang auch über die großen Verdienste der Ministerpräsidenten Georg August Zinn und Hans Eichel gesprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mich an die Redezeit halten. Ich glaube, ich habe deutlich gemacht, um was es geht. Herr Ministerpräsident Koch, vielleicht verstehen auch Sie, dass wir es nicht hinnehmen können, wenn Ihr Fraktionsvorsitzender, von Ihnen und der Landesregierung unwidersprochen – Sie hätten dazu noch Gelegenheit –,Vorträge in dieser Art und Weise hält.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verdienstmedaille des Landes trägt den Namen eines Sozialdemokraten – Frau Wagner, Sie haben es gesagt –, der hingerichtet worden ist. Er steht für den Mord an Zehntausenden Mitgliedern meiner Fraktion, die im Kampf für die Demokratie gestorben sind. Herr Kollege Wagner, wir als Sozialdemokraten sind nicht der Auffassung, dass der Mord an Zehntausend Sozialdemokraten eine „bedauerliche Entgleisung“ ist.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Land gilt Meinungs- und Redefreiheit. Deswegen hat jeder und jede das Recht, auch jeden Unsinn zu verbreiten, solange er damit nicht gegen strafrechtliche Gesetze verstößt.Wir haben in diesem Landtag über die Frage diskutiert, wer sich welchen Unsinn zu eigen macht. Das ist die politische Dimension. Wenn man dann vonseiten des Kollegen Wagner hier aufgrund der Tatsache, dass man dies thematisiert, gesagt bekommt, wir als diejenigen, die darüber reden wollen, was man sich hier zu eigen macht oder nicht,hätten ein gespaltenes Verhältnis zur freien Rede, dann ist das etwas, was ich als Vor
Ich bedauere es außerordentlich,dass der Kollege Wagner dies im Ältestenrat nicht nur wiederholt hat,sondern auch noch hinzugefügt hat, wir hätten ein gespaltenes Verhältnis zur Freiheit der Wissenschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich genau überlegt, was damit gesagt wird, bedeutet das, dass der Vorwurf ist, wir hätten ein gespaltenes Verhältnis zu den ersten Artikeln unseres Grundgesetzes. Meine Damen und Herren, insofern kann ich es nicht – –
Herr Kollege Al-Wazir, darf ich Sie bitten, bei den persönlichen Bemerkungen zu bleiben? Es gibt eine klare Regelung in diesem Hause.Es wird auch nicht aus den Beratungen des Ältestenrates zitiert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ein neuer Tabubruch! – Norbert Kartmann (CDU): Sie haben gegen eine Regelung des Hauses verstoßen!)
Meine Damen und Herren, wir haben uns auf ein Verfahren verständigt. Ich darf Sie doch jetzt alle bitten, dass wir dieses Verfahren beibehalten, damit wir diese Plenarsitzung vernünftig weiterführen können.
Ja, Herr Präsident. Ich bedauere dies außerordentlich. Ich kann es nicht ändern. Das könnte nur Christean Wagner ändern. Aber ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass auch Sie verstehen, dass man einen solchen Vorwurf, hier im Plenum des Hessischen Landtags geäußert und nicht zurückgenommen, auch nicht hinnehmen kann.
Zu der Debatte darüber, wie denn die Debattenkultur in diesem Parlament ist: Meine sehr verehrten Damen und Herren, da muss man sich schon einmal überlegen, ob es nicht irgendwann eine Grenze gibt, nämlich die Grenze, wenn man Fraktionen, die in diesem Parlament Anträge stellen, vorwirft, dass sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Ich glaube, das ist ein Punkt, über den die CDU-Fraktion einmal nachdenken sollte. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die FDP-Fraktion in diesem Hause hat sich heute Morgen wieder einmal bestätigt, dass das Instrument der Aktuellen Stunde ungeeignet ist, sich über die deutsche Geschichte zu unterhalten, dass es sogar ungeeignet ist, sich
über bedauerliche Entgleisungen über die deutsche Geschichte zu unterhalten. Aber wir alle sollten daraus die Lehre ziehen,wenn wir eine ernsthafte Debatte zu diesem Thema führen wollen, dass wir andere Mittel, die unsere Geschäftsordnung gibt, nutzen und nicht die der Aktuellen Stunde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil es so schwierig ist,sich in einer Aktuellen Stunde,in der die Redezeit nur fünf Minuten beträgt, mit diesem Thema auseinanderzusetzen,glauben wir,daran erinnern zu dürfen – weil wir uns seit Jahren daran halten –, dass jedenfalls in dieser Debatte bei diesem Thema eine hohe Disziplin und – ich sage sehr bewusst – auch eine hohe Demut in der Rhetorik gewählt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es heißt Disziplin halten für mehrere Seiten.Es heißt Disziplin halten zum einen,wenn die Landesvorsitzende der Sozialdemokraten ein Bild zeichnet, das es sehr einfach macht, die Christdemokraten dieses Hauses in Verbindung mit dem braunen Sumpf zu setzen.
(Widerspruch bei der SPD – Dr. Thomas Spies (SPD): Was ist das, Herr Hahn? – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Einen Moment, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Kollege Hahn.
(Norbert Schmitt (SPD): Das haben wir eben gerade gesehen! – Michael Siebel (SPD): Da sind Sie der Richtige, was Demut in der Rhetorik angeht!)
wenn man ein Bild zeichnet, das letztlich die Assoziation haben könnte, dass Sozialdemokraten vaterlandslose Gesellen sind. Beides,
liebe Kolleginnen und Kollegen, geht nicht. Wir sollten deswegen damit aufhören, derartige Debatten so zu führen, sei es vom Pult aus oder sei es durch Zwischenrufe. – Vielen herzlichen Dank.
Ich darf Sie bitten, sich etwas zu mäßigen, und ich darf Sie insbesondere bitten, dem Präsidenten nicht zu widersprechen.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten? – Es spricht jetzt der Fraktionsvorsit
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Ich stimme zunächst einmal ausdrücklich dem Kollegen Hahn zu,dass der Gegenstand unserer heutigen Aktuellen Stunde für eine Aktuelle Stunde nicht geeignet ist. Dazu ist er zu komplex.
Zweitens. Es ergibt sich auch aus der Sicht der CDUFraktion die Frage nach den Motiven für die Anberaumung der Aktuellen Stunde. Die will ich hier nicht beantworten.