Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guten Appetit, Herr Kollege!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in der Masse werden die Lebensmittel sehr sorgfältig behandelt, wird mit den Lebensmitteln so umgegangen, wie wir alle es uns wünschen. Ich will aber an dieser Stelle darauf hinweisen dürfen: Es kann auch nicht angehen – es gab diverse Presseveröffentlichungen –, dass die Stadt Mannheim am 2. Dezember des vergangenen Jahres schon darauf hingewiesen hat, dass Unregelmäßigkeiten in dem bayerischen Kühlhaus vorgekommen sein sollen, und dann Herr Bundesminister Seehofer vom 2.Dezember bis heute relativ wenig oder gar nichts gemacht hat.

(Beifall bei der FDP)

Auch das müssen wir kritisieren dürfen. Dann kann er nicht mit tränenerdrückter Stimme in den Talkshows sagen:Ich kann daran überhaupt nichts machen.– Herr Seehofer, das geht so nicht. Dann müssen Sie zumindest dem Kollegen Schnappauf sagen, dass dies seine Landesaufgabe ist und es so nicht geht. Ich bin enttäuscht darüber, dass es so geschehen konnte.

(Beifall bei der FDP)

Ich will noch das Verbraucherinformationsgesetz ansprechen. Es ist absolut richtig, dass der Bürger, der Kunde sich informieren kann und die Chance hat, über das, was er auf den Tisch bekommt,alle Informationen zu erhalten. Das muss gewährleistet sein.

Ich glaube, wir müssen noch einmal darüber nachdenken, ob wir uns mit diesem Verbraucherinformationsgesetz auf dem richtigen Weg befinden. Ich bin davon überzeugt, dass es nur möglich ist, den Verbraucher davon zu überzeugen, dass er einwandfreie Ware erhält, wenn wir ihm alle Informationen an die Hand geben. Diese Chance muss mithilfe des Verbraucherinformationsgesetzes genutzt werden.

(Beifall bei der FDP)

Es darf auch keine Diskussion darüber aufkommen, ob teures oder billiges Fleisch in Ordnung sein muss. Ich sage klar und deutlich: Auch billiges, preisgünstiges Fleisch muss zu 100 % in Ordnung und genießbar sein. Da darf es keinen Unterschied geben.

Zum Schluss meiner Rede will ich noch einmal darauf hinweisen, dass all die Diskussionen, die wir führen – –

Entschuldigen Sie bitte,dass ich Sie unterbreche.Ich muss Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – All die Diskussionen, die wir führen, haben auch etwas mit dem Wert zu tun, den wir den Lebensmitteln zumessen. Ich möchte das wiederholen. Es ist in einer Gesellschaft nicht hinnehmbar, dass ein Kilogramm Rindfleisch billiger ist als ein Kilogramm Hundefutter. Es ist nicht hinnehmbar, dass eine Tonne Weizen weniger kostet als eine Tonne Müll. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Quadratmeter wertvoller Ackerboden weniger kostet als ein Quadratmeter Teppichboden.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Heiterkeit des Abg. Frank Williges (CDU))

Das ist der wahre Hintergrund, weswegen wir über solche Machenschaften reden müssen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Axel Winter- meyer und Elisabeth Apel (CDU) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

Herr Heidel, vielen Dank. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Apel das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Heidel, wir können Ihren Ausführungen, die Sie hier hinsichtlich der Verantwortung der Branche, der lückenlosen Kontrollen in den landwirtschaftlichen Betrieben, der erkennbaren Lücken in der Dokumentation der Lieferungen und der Wege, die die Lebensmittel im nachgelagerten Bereich nehmen, gemacht haben, voll zustimmen.

Ich denke, die jüngsten Enthüllungen haben gezeigt, dass auch die Lebensmittelbranche alles tun muss, damit sich die Betriebe aktiv an der Aufklärung dieser Vorfälle beteiligen. Dies muss geschehen, damit nicht die ganze Lebensmittelbranche unter einen Generalverdacht gerät. Hierzu gehört auch, dass sich die Erzeuger, die Verarbeiter und die Händler der Lebensmittel ihrer eigenen Verantwortung mehr bewusst werden. Sie müssen ihrer Verantwortung unbedingt gerecht werden.

Insofern ist die Selbstanzeige eines hessischen Fleischhändlers, der eine Warenlieferung aus einem fraglichen Betrieb in Bayern erhalten hatte, ausdrücklich zu begrüßen.Der Betrieb zeigt damit,dass er Verantwortung übernimmt. Er leistet damit einen notwendigen Beitrag zur Transparenz.

Anders verhält es sich allerdings in den Fällen, in denen offensichtlich minderwertiges oder verdorbenes Fleisch, überwiegend ausländischer Herkunft, zu Dumpingpreisen gehandelt wird. Dort wurden die Kennzeichnungen manipuliert. Das geht nicht. Das kann nicht toleriert werden. Derart kriminelle Handlungen gehören geahndet, und zwar auch mit einer Veröffentlichung der Namen der Verantwortlichen.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Leider zeigt sich jedoch, dass die Gerichte das vorhandene Strafmaß kaum ausschöpfen.Auch hier ist eine Veränderung dringend vonnöten.

Wir müssen allerdings auch die Situation zur Kenntnis nehmen, wie sie in Hessen tatsächlich ist. Herr Kollege Häusling hat eben sehr zu Recht angeführt, bei einigen der Beteiligten sei die Wahrnehmung eingeschränkt. Ich nehme an, er hat damit vor allem die Vertreter der Fraktion der GRÜNEN gemeint.

(Lachen des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann ich mir nicht vorstellen!)

Ich darf daran erinnern, dass in Hessen während der Regierungszeit der ersten schwarz-gelben – –

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Ich weiß, das tut weh. – Während der Regierungszeit der ersten schwarz-gelben Koalition in Hessen hatten wir 140 Lebensmittelkontrolleure in Hessen. Die rot-grüne Landesregierung, die von 1991 bis 1998 amtierte, hat die Veterinärverwaltung dann als Steinbruch genutzt.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wird durch Wiederholungen auch nicht besser!)

Aufgrund der falschen Prioritätensetzung gab es 1998 gerade noch einmal 85 Lebensmittelkontrolleure, die im aktiven Dienst waren. Das führte dazu, dass die Lebensmittelkontrolleure im Sommer 1998 die damals verantwortliche Ministerin Barbara Stolterfoht um Entbindung von ihrer Verantwortung baten. Denn sie konnten nicht mehr hinnehmen,dass sie einerseits nach dem Gesetz verantwortlich waren, andererseits ihnen aber nicht die Mittel an die Hand gegeben wurden, die notwendig waren, um die nach dem Gesetz vorgeschriebenen Kontrollen durchzuführen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das war die Realität in Hessen unter Rot-Grün!)

Damals antwortete der verantwortliche Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung Glaßer, er sehe das auch so, aber er habe leider aufgrund der Prioritätensetzung der rot-grünen Landesregierung keine Möglichkeit, dem entgegenzusteuern. Er hat dann noch errechnet, dass, wenn diese Entwicklung so weitergehen würde, es im Jahr 2005 nur noch 58 Lebensmittelkontrolleure in Hessen geben würde.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Wir wissen mittlerweile, dass die Entwicklung, Gott sei Dank,so nicht weitergegangen ist.Im Jahr 2005 hatten wir aufgrund erheblicher Anstrengungen dieser Landesregierung wieder 135 Lebensmittelkontrolleure.

Wir können das jetzt einmal berechnen.Wenn wir nur die 58 Lebensmittelkontrolleure hätten, die es unter RotGrün im Jahre 2005 noch gegeben hätte, hätten wir, wenn man je Kontrolleur 1.100 Kontrollen zugrunde legt, in Hessen 84.700 Lebensmittelkontrollen pro Jahr weniger, als wir derzeit haben.

(Axel Wintermeyer (CDU): So, so!)

Ich stimme Herrn Kollegen Grumbach ausnahmsweise einmal zu. Die Debatte wiederholt sich immer wieder. Schon im Dezember 2004 betonte er, er trete in tiefer Demut vor dieses Haus und bekenne sich schuldig, auch er habe daran mitgewirkt, dass die Sozialarbeit, die Drogenberatung und Sozialhilfeeinrichtungen statt des Veterinärwesens gefördert worden seien. Er sagte dann noch, er habe gelernt, dass es diese Landesregierung umgekehrt machen würde.

(Gernot Grumbach (SPD): Das ist auch nicht besser!)

Diese Landesregierung stelle Veterinäre ein und streiche dafür Stellen bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und bei der Drogen- und Schuldnerberatung. „Das ist eine Wertentscheidung. Die treffen Sie für sich.“ Das sagte Herr Kollege Grumbach.

(Gernot Grumbach (SPD): Genau!)

Jawohl, Herr Grumbach, ich stimme Ihnen zu, diese Prioritätensetzung sind uns unsere Lebensmittel wert.

Frau Kollegin Apel, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Ihre Redezeit ist vorbei. Ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Uns sind die Lebensmittel mehr Kontrollen, mehr Geld und mehr Lebensmittelkontrolleure wert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Frau Apel,vielen Dank.– Als nächstem Redner erteile ich Herrn Minister Dietzel für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lebensmittelüberwachung in Hessen funktioniert. Auf der anderen Seite müssen wir aber natürlich auch sagen, dass es ein Skandal ist, was hier wenige tun. Dabei ziehen sie aber eine ganze Branche in Mitleidenschaft. Darin besteht das Problem, das wir aufarbeiten müssen.

(Beifall bei der CDU)

Die Lebensmittelüberwachung in Hessen wurde am 31. August 2006 aus Bayern darüber informiert, dass auch in unser Land Gammelfleisch der Firma des Herrn Bruner gelangt ist. Noch bevor die Liste mit den Lieferungen aus Bayern da war, hat sich ein Händler aus der Region Offenbach gemeldet, der von dieser Firma Fleisch geliefert bekommen hat. Das ist verantwortungsvolles Handeln. Es ist verantwortungsvolles Handeln, wenn sich Händler mit der Aufsicht in Verbindung setzen und das Fleisch untersuchen lassen. Ich möchte jetzt noch zugeben, dass die 2 t Fleisch dieses Händlers in Ordnung waren.

Von den insgesamt 6,5 t Fleisch waren 370 kg Rindfleisch nicht in Ordnung. Es war verdorben und wurde aus dem Verkehr gezogen.

Das zeigt das Problem, mit dem es die Lebensmittelkontrolleure zu tun haben. Hier werden nicht ganze Chargen Gammelfleisch geliefert. Vielmehr wird versucht, das Gammelfleisch normalen Chargen unterzumischen.

Man muss sich auch die Weiterentwicklung anschauen. Am vergangenen Wochenende wurde berichtet, dass Fleisch aus dem Rhein-Main-Gebiet in Hof aufgespürt worden sei. Ich möchte hier eindeutig festhalten, dass in diesem Fall das „Rhein-Main-Gebiet“ aus Nierstein bestand, das nicht in Hessen liegt.

Allerdings muss ich auch sagen, dass wir Fleisch aus dieser Lieferung auch in der Nähe von Gießen, nämlich in Lich, gefunden haben. Das Fleisch war in Ordnung.