Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

Es hat in erstaunlicher Art und Weise sehr detailliert beschriebene Standards gesetzt, denen wir uns anschließen wollen, dass etwa gerade im Jugendvollzug die familiären Kontakte größer als im Erwachsenenvollzug sein müssen, dass der Wohngruppenvollzug ausgestaltet sein soll, dass er möglichst nur zwölf Personen umfasst,dass Jugendliche ein differenziertes Lern- und Bildungsangebot präsentiert bekommen sollen oder dass bis zum 1. Juni 2008 – das ist eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts – zwei Drittel der Haftplätze entsprechende Bildungs- und schulische Angebote enthalten. Was ganz wichtig ist: Zur Wiedereingliederung der Jugendlichen müssen die entsprechende Unterbringung im offenen Vollzug und die Gewährleistung von Lockerungen möglich sein.

Der Erwachsenenvollzug ist für uns ebenso von zentraler Bedeutung. Wir sagen klar: Die Wiedereingliederung der verurteilten Straftäter muss für uns im Mittelpunkt des Erwachsenenvollzugs stehen. Hier nehmen wir das mit Verfassungsrang ausgestaltete Resozialisierungsgebot sehr ernst. Herr Minister, Ihre derzeitigen Entscheidungen zeigen nicht in diese Richtung.

Frau Kollegin Hofmann, auch an Sie geht der freundliche Hinweis, dass die vereinbarte, eingetragene Redezeit abgelaufen ist.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Meine Damen und Herren, insgesamt bleibt festzuhalten, dass dieser Justizhaushalt 2007 einer modernen, bürgernahen Justiz nicht gerecht wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hofmann. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Dr. Jürgens, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Einzelhaushalt des Justizministers, wie er uns vorliegt, ist fast ein bisschen langweilig. Er enthält praktisch keine innovative Zielsetzung für die nächste Zeit.Allerdings ist er in einem Punkt durchaus bemerkenswert. Darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen. Er enthält implizit das Eingeständnis, dass die „Operation düstere Zukunft“ ein Fehler war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf daran erinnern: Neben vielem anderen haben Sie mit der „Operation düstere Zukunft“ auch die Haftentlassenenhilfe auf null gesetzt.Die Zuschüsse,die es vorher an die Organisationen gab,die Gefangene beim Übergang in die Freiheit begleiten, wurden gestrichen. Meine Fraktion hat in den Folgejahren immer wieder dafür gekämpft

und Änderungsanträge gestellt, dass das im Haushalt reaktiviert wird. Jetzt ist es tatsächlich so weit. Wenn man genauer hinschaut: 250.000 c will der Justizminister für ein sogenanntes Übergangsmanagement einrichten und damit Organisationen unterstützen, die genau das machen, nämlich den Übergang von der Justizvollzugsanstalt in Freiheit unterstützen. Was vorher Haftinsassenhilfe hieß, das nennt man jetzt anders, ist aber in der Sache das Gleiche.

(Nicola Beer (FDP): Ja!)

Ich begrüße ausdrücklich, dass sich der jetzige Justizminister zumindest an dieser Stelle von seinem Vorgänger klar abgrenzt, die Kritik der Opposition ernst genommen hat

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und unserer Kritik endlich Rechnung trägt. Sie sollten auch an anderer Stelle die Fehler der „Operation düstere Zukunft“ korrigieren, unseren Vorschlägen folgen und einräumen, dass die Politik der verbrannten Erde in der sozialen Infrastruktur zu erheblichen Problemen geführt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden mit unseren Haushaltsanträgen erstmals eine Änderung des Oberziels des Ministeriums und des Fachziels Strafvollzug beantragen. Wir haben in der letzten Zeit häufig über die künftige Gestaltung des Strafvollzugs debattiert. Das gewinnt an besonderer Bedeutung, weil das Land jetzt eigene Gesetzgebungskompetenz hat.

Im Haushalt des Justizministeriums ist ein Fachziel Justizvollzug formuliert und entsprechend in das Oberziel des Ministeriums aufgenommen, das nach unserer Überzeugung inhaltlich falsch und jedenfalls nach der gegenwärtigen Rechtslage sogar gesetzeswidrig ist. Nach dem Strafvollzugsgesetz – wir haben darüber mehrfach diskutiert – ist die Resozialisierung des Täters, der möglichst in die Lage versetzt werden soll, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen, das alleinige Vollzugsziel. Etwas anderes kann nach unserer Überzeugung auch gar nicht Ziel des Strafvollzugs sein.

Ihr Fachziel lautet, einen „auf Sicherheit und Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug“ zu gewährleisten – also eine Gleichstellung von Sicherung und Resozialisierung. Natürlich muss – das ist selbstverständlich – Sicherheit während des Vollzugs gewährleistet sein. Das ist aber eine ständige Aufgabe. Das kann nicht die Zielsetzung sein. Denknotwendig ist ein Ziel, das am Ende eines Prozesses steht. Am Ende des Strafvollzugs muss nach unserer Überzeugung die ideale Vorstellung, das, was wir erreichen wollen – die Resozialisierung der Täter –, stehen. Nur das ist das Vollzugsziel, das sinnvoll und richtig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wird der Sicherheit der Bevölkerung Rechnung getragen,weil ein resozialisierter Täter keine weiteren Straftaten begeht. Deswegen wollen wir es richtig formulieren, nämlich: durch einen effizienten, auf Resozialisierung ausgerichteten Justizvollzug den Schutz der Allgemeinheit gewährleisten. Wir wollen hier die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein paar andere Änderungs- und Ergänzungsvorschläge. So wollen wir z. B. die Effizienz der Strafver

folgung im Bereich der Wirtschaftskriminalität und Korruption steigern. Wir haben vorgeschlagen, drei weitere Stellen für Staatsanwälte einzurichten, die sich im Wesentlichen selbst finanzieren würden. Das ist der Effekt dabei.

(Nicola Beer (FDP): Habt ihr es endlich erkannt?)

Sie sollen in der entsprechenden Abteilung der Staatsanwaltschaft in Frankfurt zur Wirtschaftskriminalität und Korruptionsbekämpfung eingesetzt werden. Es ist völlig klar, dass durch höhere Geldstrafen und Geldbußen, die dort durch die Abschöpfung von illegalen Gewinnen und der Verwertung eingezogener Gegenstände usw. eingenommen werden, mindestens so viel hereinkommt, wie uns dort die Stellen kosten.

(Nicola Beer (FDP): Mehr!)

Wahrscheinlich sogar mehr. Aber wir sind pessimistisch davon ausgegangen, dass es jedenfalls die Kosten deckt. – Das kann dazu führen, dass es einen nachhaltigen Beitrag zur Förderung der Verfolgungsdichte im Bereich der Wirtschaftskriminalität gibt. Durch Steuerhinterziehung, Korruption, Subventionsbetrug, und was es alles gibt, gehen der Volkswirtschaft jährlich mehrere Millionen, wenn nicht Milliarden Euro verloren. Hier kann ein wirksamer Beitrag dazu geleistet werden, dass es der Wirtschaft besser geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen auch, dass eine Informationskampagne zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz durchgeführt wird.Wir haben mehrfach über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder das Antidiskriminierungsgesetz, wie es in dem ursprünglichen Konzept hieß, im Landtag sehr kontrovers diskutiert. Wir haben es aber jetzt. Erstmals wird die Beachtung von Bürger- und Menschenrechten auch im Zivilrecht zur Verpflichtung gemacht.

Herr Kollege Dr. Jürgens, auch für Sie der freundliche Hinweis, dass die vereinbarte Redezeit abgelaufen ist.

Danke schön. Ich komme zum Schluss.

Die Bürger- und Menschenrechte sind etwas Neues, was im deutschen Zivilrecht eingeführt wird. Deswegen meinen wir, sowohl diejenigen, die von den neuen Verpflichtungen betroffen sind,als auch diejenigen,die Rechte daraus haben, haben einen Anspruch darauf, über die neuen gesetzlichen Regelungen besser informiert zu werden. Wir sind davon überzeugt, dass sich etwas grundsätzlich Neues, wie es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz darstellt, nicht von alleine verwirklicht, sondern durch eine aktive Umsetzung gefördert werden muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben noch einige andere Änderungsvorschläge. Ich muss Sie auf die Lektüre verweisen. Jedenfalls geben sie insgesamt die Chance, im Justizhaushalt neue Ideen zu verankern. Ich finde, Sie sollten dieser Chance und unseren Anträgen folgen, die im Übrigen alle entsprechend gegenfinanziert sind. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Beer für die FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den Augen der FDP-Fraktion bleibt der Einzelplan Justiz im Haushaltsentwurf für das nächste Jahr auch nach dem Wechsel von Herrn Dr.Wagner zum neuen Justizminister Jürgen Banzer ein Einzelplan mit Licht und Schatten.Es gibt durchaus Licht.Das habe ich schon in der letzten Haushaltsberatung eingeräumt.

So sehen wir als FDP-Fraktion die Fortsetzung der 1999 begonnenen Modernisierungsoffensive als eines dieser Licht ausstrahlenden Reformprojekte. Herr Minister Banzer, die 28 Millionen c, die wir im nächsten Jahr einsetzen wollen, sind gut investiertes Geld. Mit Projekten wie dem Signatursystem, dem elektronischen Gerichtsund Verwaltungspostfach sowie dem elektronischen Ordnungswidrigkeitsverfahren sind wir als Hessen auf dem richtigen Weg.

Ohne Schatten schaffen wir es aber leider auch in diesem Bereich nicht, da man eingestehen muss, dass wir keineswegs an der Spitze der Entwicklung stehen, sondern nur einen sehr großen Nachholbedarf haben. Blickt man in andere Bundesländer,allein über den Rhein hinüber nach Rheinland-Pfalz, dann muss man konzedieren, dass es dort schon länger solche und weitergehende elektronische Möglichkeiten gibt, wie z. B. das vollelektronische Verwaltungsgerichtsverfahren, das es jedem ermöglicht, sich elektronisch in die jeweilige Prozessakte einzuklinken, und zwar auch von außen heraus den Vertretern der Rechtsanwaltschaft für ihre Parteien, und entsprechende Schriftsätze dort niederzulegen.

Herr Minister, genauso bin ich für die FDP-Fraktion nach wie vor sehr enttäuscht, dass es weder Ihnen noch Ihrem Vorgänger bislang gelungen ist, das Projekt elektronische Schuldnerkartei auch nur einen Schritt weiter voranzubringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Projekt, bei dem ich Sie daran erinnern darf, dass wir es hier 2003 einmütig beschlossen haben, wo wir – obwohl man sich in der hessischen Justiz mittlerweile der Modernisierungsoffensive rühmt – nach wie vor mit 46 Karteikästen in 46 Amtsgerichten arbeiten. Ich glaube, das passt nicht wirklich zum Bild einer modernen Justiz in Hessen.

Licht – da habe ich eine komplett andere Anschauung als Sie,Frau Kollegin Hofmann – sehe ich im Bereich des Personals dort, wo der Personalabbau gedämpft wird. Herr Kollege Jürgens hat darauf hingewiesen. Herr Minister Banzer, Ihren Vorgänger haben wir an dieser Stelle stets kritisiert, weil ersichtlich war, dass die zunehmende Belastung auch im personellen Bereich der Justiz, der Gerichte und Staatsanwaltschaften, zu entsprechend verlängerten Verfahrenszeiten führen wird.

Sie planen nun fast genauso viele zusätzliche Stellen ein, wie Sie durch die „Operation sichere Zukunft“ abbauen. Also ist hier wenigstens der Abbau der Personalstellen gebremst. Das halten wir für wirklich wichtig und nötig. Denn – darauf muss immer wieder hingewiesen werden – kurze Verfahrenszeiten sind für die Recht suchende Bevölkerung Geld wert. Deswegen ist es notwendig, hier schnell und mit hoher Qualität Recht zu sprechen und Recht zu verschaffen.

Schatten allerdings auch in diesem Bereich, denn Sie versäumen es ein weiteres Jahr lang, im Justizministerium zukunftsweisende Strukturen einzuführen. Stichwort nur: effektivere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch die Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft.

Ich bin froh, dass es mittlerweile auch bis in die Fraktion der GRÜNEN gedrungen ist: dieses Projekt, das wir als FDP-Fraktion in diesem Hause bereits seit Jahren verfolgen. Auch diesmal haben wir wieder nachgewiesen, dass sich die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität mit Nettomehreinnahmen für das Justizressort von über 10 Millionen c rechnen würde. Herr Minister, ich hege jetzt die Hoffnung, dass Sie nach Ihren letzten Äußerungen in der Sitzung des Rechtsausschusses wenigstens die neu eingestellten Staatsanwälte und vor allem Wirtschaftsreferenten so einsetzen, dass sie vielleicht nicht mit dem Wort „Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität“ versehen werden, aber mit dem betreffenden Aufgabengebiet doch mehr hinter der Weiße-Kragen-Kriminalität her sein werden. Wie gesagt, sowohl für die Verfolgungsdichte als auch im Hinblick auf die Einnahmen im Justizressort ist das ein lohnenswertes Projekt.

Zukunftsträchtige Strukturen erwarte ich mir aber auch bei der Vollstreckung. Ich darf hier erneut auf unser Projekt der Privatisierung des Gerichtsvollzieherdienstes verweisen, das – ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach dargestellt – für alle Seiten, sowohl für die Recht suchende Bevölkerung als auch für die Gerichtsvollzieher und für den Landeshaushalt Vorzüge haben würde.

Mittlerweile wissen wir, dass dieses Projekt auch im Rahmen der Justizministerkonferenz unterstützt wird. Herr Minister Banzer, daher wünsche ich mir wirklich einen größeren Elan und vor allem ein großes Durchsetzungsgewicht an dieser Stelle auf Bundesebene.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, mit dem heutigen Tag stellen Sie seit genau einem Jahr die Bundeskanzlerin.Aber bislang konnten wir nicht feststellen, dass dies dazu geführt hätte, auf der Bundesebene blockierte wichtige Zukunftsprojekte voranzubringen. Seit einem Jahr können wir beobachten, dass Sie gerade bei der Justiz bislang nur die SPD-Kröten geschluckt haben; das Stichwort Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ist hier schon gefallen.Wir erinnern uns alle sehr gerne an den Eiertanz des Kollegen Rhein – er möge in Frankfurt erfolgreich walten –, den er hier zwischen den verschiedenen Anträgen und Verhandlungssituationen auf Berliner Parkett aufführen musste.

Herr Minister Banzer, wir wünschen uns, dass Sie solche Projekte, zumal wenn Sie die Unterstützung dieses Hauses und der Justizministerkonferenz haben, endlich auch auf der Bundesebene durchsetzen und dort Führungsqualitäten zeigen. Wozu sonst dient es denn hier, zumindest mit der Kanzlerin eine Führungsperson zu stellen, wenn sich dies nicht auch in Ergebnissen niederschlägt?

Licht und Schatten aber auch in einem anderen Bereich, nämlich dem Justizvollzug.Herr Minister Banzer,wir nehmen sehr positiv zur Kenntnis,dass Sie,wie seit Jahren von der FDP gefordert und anders als Ihr Vorgänger Herr Dr. Wagner,nun endlich auch im Justizvollzug die Prävention, sprich: die Haftentlassungsvorbereitung, aber auch die Haftentlassenenhilfe, zur Vermeidung von Rückfälligkeit entdeckt haben und als Aufgabe des Justizvollzug begreifen. In unseren Augen ist dies schon immer wichtig gewesen, nicht nur im Sinne der Sicherheit für die Bürgerinnen

und Bürger in diesem Land, sondern gerade auch im Sinne der Perspektive, die diese Gesellschaft den Haftentlassenen bieten soll.