Protokoll der Sitzung vom 30.01.2007

Die auf der Website der Universität Frankfurt platzierte irreführende Angabe, wonach ein Teilzeitstudium ab dem Wintersemester 2007/2008 nicht mehr möglich sei, wurde unterdessen am vergangenen Freitag, nachdem ich sie darauf aufmerksam gemacht habe, richtiggestellt.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Es wurde richtiggestellt und verändert innerhalb von eineinhalb Stunden. Der Präsident hat es sehr bedauert. Er kannte diese Site nicht. Er hat mir noch einmal bestätigt – damit Sie das noch einmal von dritter Seite hören –, dass Teilzeitstudiengänge an der Universität Frankfurt möglich sind.

Herr Corts, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Sorge?

Nein.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist feige! – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Sind Ihre Argumente so schwach?)

In einem schrittweisen Prozess hat die Landesregierung in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass die Hochschulen endlich das – Frau Sorge, seien Sie doch ganz entspannt und hören Sie mir zu, damit Sie etwas lernen können; Sie müssen in diesem Fall wirklich etwas lernen –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na!)

erhalten, was sie nicht nur nach ihrer eigenen Auffassung, sondern nach mittlerweile einhelliger Meinung – bis auf die GRÜNEN, das habe ich eben gemerkt, weil sie eine

Rechtsverordnung erlassen wollen – benötigen, nämlich erstens mehr Freiheit, zweitens mehr Geld. Aus beidem resultiert am Ende zwangsläufig, drittens, mehr Verantwortung.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Das alles haben sie in dieser und in der vergangenen Legislaturperiode erhalten, anders als in den Jahren von 1991 bis 1999. Ich wünschte, die Hochschulen hätten Ihnen zugehört. Sie wollen sie mit den Vorschlägen, die Sie gerade gemacht haben, wieder an das Gängelband nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg.Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Genießen Sie es: Meilensteine auf diesem Weg waren das TUD-Gesetz – dem Sie übrigens zugestimmt haben –, die Hochschulgesetznovelle von 2004,der Hochschulpakt,die Weiterentwicklung des Budgetierungsmodells und schließlich das Studienbeitragsgesetz. Um es deutlich zu sagen: Selbstverständlich strebt die Landesregierung keine Streichung von § 65 des Hessischen Hochschulgesetzes an.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“!)

Sie verlassen sich wieder auf Gerüchte,wie Sie sich vorhin bei der Fragestunde auf Gerüchte verlassen haben. Sie brechen wieder eine Phantomdiskussion vom Zaun.

Das Hessische Hochschulgesetz erlegt vielmehr grundsätzlich den Hochschulen die Pflicht auf, die Belange von Studierenden zu berücksichtigen, denen ein Vollzeitstudium nicht möglich ist. Diese Pflicht der Hochschulen ist nach wie vor und bleibt auch künftig unmittelbar geltendes Recht. Es ist unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Landesregierung von ihren in § 65 enthaltenen Ermächtigungen, das Teilzeitstudium durch Rechtsverordnung zu regeln, Gebrauch macht.

Herr Corts, ich frage noch einmal nach: keine Zwischenfragen?

Nein. Ich will das in einem vortragen, damit es auch von den GRÜNEN verstanden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

§ 65 HHG existierte bereits vor der Geltung des Studienguthabengesetzes und war unmittelbar anwendbares Recht. Daran wird sich auch zukünftig selbstverständlich nichts ändern.

(Zurufe der Abg. Dr. Andreas Jürgens und Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Seien Sie doch nicht so ungeduldig. – Unter der Geltung des Studienguthabengesetzes war es aber erforderlich, verbindliche Vorgaben zu machen, wie sich ein Teilzeitstudium auf die Berechnung der Studienguthaben und damit auf den Eintritt der Pflicht zur Zahlung von Langzeitgebühren auswirkt. Dieser Grund für die Regelung fällt ab dem Wintersemester 2007/2008 weg. Damit ist jedoch das Teilzeitstudium nicht abgeschafft, sondern lediglich dereguliert.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das sagt der Teilzeitjurist!)

Was heißt Deregulierung in diesem Fall? – Sie verstehen es nicht, aber Sie können es nachlesen. – Deregulierung heißt, nur dasjenige vorzugeben, was wirklich zwingend einheitlich geregelt werden muss. Das ist geschehen. Für Studierende – Frau Sorge hat es angesprochen – mit Kindern wurden ausdrücklich Regelungen über Beitragsbefreiung in das Studienbeitragsgesetz aufgenommen, womit faktisch der Anspruch auf freie Zeiteinteilung des Studiums ohne zusätzliche finanzielle Belastung eröffnet wird.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Gleiches gilt für Behinderte oder chronisch kranke Studierende oder bei der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auch sie können die Dauer ihres Studiums ohne zusätzliche Kosten strecken. Der Gesetzgeber und auch die Landesregierung haben sich damit vernünftigerweise auf die Fallgruppen beschränkt, bei denen eine einheitliche Regelung jedenfalls im Hinblick auf die Studienbeiträge nötig und sinnvoll ist, weil sie nämlich durch eine unschwer nachweisbare persönliche oder familiäre Situation im Regelfall daran gehindert sind, die Lehrangebote der Hochschule in jedem Semester in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, und darüber hinaus eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit für sich in Anspruch nehmen können.

Vollkommen anders sieht es bei Studierenden aus, die wegen teilweiser beruflicher Tätigkeit, wegen Engagements in Sport oder Ehrenamt oder aus anderen Gründen nicht immer die volle Zeit dem Studium widmen. Diese Gruppe ist in ihren Beweggründen und in ihrem Studierverhalten so heterogen, dass man sie in einem Studienbeitragsgesetz nicht mehr pauschalisierend erfassen und dabei zugleich die Beitragsgerechtigkeit wahren kann.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn hier liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen den Langzeitgebühren und den allgemeinen Studienbeiträgen.Mit den Langzeitgebühren soll das zügige Studium gefördert werden.Da kann man mit dem Akzeptieren von Gründen für ein längeres Studium auch etwas großzügiger sein. Wenn aber im Prinzip alle einen Beitrag leisten müssen, darf es keine Willkür geben, ob jemand mehr oder weniger bezahlt. Das wäre verfassungswidrig. Deshalb müssen die Hochschulen dies in Gestalt von Teilzeitstudiengängen umsetzen und dabei festlegen, in welchem Umfang die Teilzeitstudierenden die Lehrleistung der Hochschule höchstens in Anspruch nehmen dürfen und was sie innerhalb welcher Zeit mindestens absolvieren müssen.

Ihr Hinweis, es gäbe erst acht oder zehn oder zwölf, ist richtig. Bislang gab es auch nicht das Bedürfnis. Das Bedürfnis kommt gerade erst durch das Studienbeitragsgesetz auf, das im Wintersemester 2007/2008 in Kraft tritt. Die Universitäten, die Hochschulen haben sich verpflichtet, Teilzeitstudiengänge einzurichten, wo das Bedürfnis besteht. Das war bislang aber in der Immatrikulationsverordnung nicht geregelt. Denn als Untergrenze galt bislang lediglich der angemessene Studienfortschritt. Eine Obergrenze gab es nicht.Also konnte jeder, der als Teilzeitstu

dierender eingeschrieben war, in gleichem Umfang studieren wie ein Vollzeitstudent. Das kann künftig unter dem Aspekt der Beitragsgerechtigkeit nicht ausreichen. Weil die Studiengänge und ihre Struktur sehr unterschiedlich sind, ist für entsprechend differenzierte Regelungen des Teilzeitstudiums die Prüfungs- und die Studienordnung der richtige Ort.

Die Hochschulen erhalten also im Hinblick auf die zukünftige organisatorische Gestaltung des Teilzeitstudiums genau das, was mit allen bisherigen und noch folgenden Gesetzgebungsvorhaben und Steuerungsmechanismen seitens dieser Landesregierung bezweckt wird, dem von Ihnen zum Teil zugestimmt worden ist: mehr Freiheit und damit mehr Verantwortung.

Dafür stehen den Hochschulen verschiedene Wege offen. Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der flächendeckenden Modularisierung der Studiengänge eine wichtige Voraussetzung für eine sinnvolle Gestaltung von Teilzeitstudiengängen geschaffen und in den Studien- und Prüfungsordnungen umgesetzt wird.

Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen muss Lebensnähe durch mehr Flexibilität ermöglichen. Deswegen wollen wir das Teilzeitstudium und das berufsbegleitende Studium in Hessen auch nachhaltig fördern. Die Landesregierung wird auch auf eine entsprechende Verankerung in den allgemeinen Bestimmungen für Prüfungsordnungen hinwirken, damit für jeden Studiengang die Form des Teilzeitstudiums ermöglicht wird.

Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Weg, die Hochschulen vom staatlichen Gängelband zu befreien, weitergehen und wenn wir ihnen mehr Freiheit und mehr Verantwortung geben wollen, dann müssen wir ihnen auch Vertrauen schenken – nicht,wie Sie es gerade wieder gefordert haben: Eine Rechtsverordnung nach § 65, oder was weiß ich, muss her.

(Beifall des Abg.Axel Wintermeyer (CDU) – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben es doch selbst ins Gesetz geschrieben! Das gibt es doch gar nicht!)

Lassen Sie das doch erst einmal die Hochschulen selbst machen.

Wir müssen dies insbesondere dort tun, wo es darum geht, gesetzlich verankerte oder mit der Regierung vereinbarte Ziele sinnvoll umzusetzen, und zwar unter weitestgehendem Verzicht auf flankierende Detailregelungen.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich verlange Schmerzensgeld!)

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Wir haben keine Aushöhlung des Teilzeitstudiums vorgenommen, sondern erweiterte Gestaltungsspielräume für die Hochschulen geschaffen,die von diesen besser,weil flexibler,genutzt werden. Sie können es besser, als es jede Verordnung vermag. Wir gehen diesen Weg der Autonomie weiter. Ich weiß, dass die Hochschulen bei den verschiedenen Gelegenheiten dankbar dafür sind, dass sie dieses Gängelband nicht mehr haben, das zwischen 1991 und 1999 durch die rotgrüne Regierung gegeben war. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Corts. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Dr. Jürgens zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Corts, Sie haben § 65 des Hessischen Hochschulgesetzes zitiert. Sie hätten sich allerdings nicht auf ein Teilzeitzitat beschränken, sondern die gesamte Vorschrift vortragen sollen. Natürlich ist in Satz 1 geregelt, dass ein Teilzeitstudium grundsätzlich möglich ist. Dann kommt aber der Satz, den ich Ihnen jetzt vorlese: „Das Nähere wird durch Rechtsverordnung der für die Hochschulen zuständigen Ministerin oder des hierfür zuständigen Ministers geregelt.“ „Wird geregelt“, nicht „kann geregelt werden“, nicht „soll geregelt werden“, nicht „könnte eventuell geregelt werden“, oder „Die Hochschulen können es vielleicht selbst machen“, sondern: wird zwingend geregelt.

Das heißt im Umkehrschluss: Solange es keine Rechtsverordnung gibt – entweder die Immatrikulationsverordnung, die das vorsieht, oder eine andere Rechtsverordnung, aber jedenfalls eine Rechtsverordnung –, fehlt dem Teilzeitstudium ein vom Gesetz vorgesehener Teil des Regulativs, das es überhaupt möglich macht, ein solches Teilzeitstudium zu ergreifen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist zwingend. Das ist nicht unser Gesetz, sondern das ist das Gesetz, das Sie selbst gemacht haben und womit Sie selbst der Landesregierung den entsprechenden zwingenden Auftrag erteilt haben, eine solche Rechtsverordnung zu erlassen. Ohne eine solche Rechtsverordnung – wenn die betreffende Regelung in der Immatrikulationsverordnung ausläuft, gibt es keine mehr – fehlt dem Teilzeitstudium ein wesentlicher Teil seiner Rechtsgrundlage, und damit trifft unsere Kritik voll ins Schwarze.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Dr. Jürgens. – Dann darf ich Frau Beer für die FDP-Fraktion das Wort erteilen.