Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor die Kollegin Beer an die Reihe kommt, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass es schon ein Unterschied ist, ob man beim Staatsgerichtshof eine Popularklage einreicht – ein herausragendes Recht,darin sind wir uns ja einig – oder ob man vielleicht eine neue Mülltonne oder einen neuen Pass beantragt. Ich finde, das sind Anträge von völlig unterschiedlicher Qualität. Die unterschiedliche Qualität dieser Anträge rechtfertigt es auch, dass man sie unterschiedlich behandelt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP-Fraktion steht hinter dem in der Hessischen Verfassung vorgesehenen Weg, über Wahlberechtigte Normenkontrollklagen beim Staatsgerichtshof einreichen zu können. Herr Dr. Jürgens, wir sind allerdings der Meinung, dass bei diesem einmaligen Verfahren von großer Bedeutung – das wir voll unterstützen – auch die Art der Einreichung dem Stellenwert der Klage gerecht werden muss.
Hier ist es mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass meines Erachtens das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren nicht garantiert, dass eine eindeutige Identitätsfeststellung durchgeführt wird, weil niemand da ist – jedenfalls niemand, der von Staats wegen dazu berechtigt ist –, der überprüft,ob derjenige,der eine Unterschrift leistet,wirklich den Namen trägt, mit dem er unterschreibt. Außerdem bringt das Verfahren die Gefahr mit sich, dass anhand der Unterschriftenlisten Manipulationen vorgenommen werden können.
Führen wir uns doch die Situation einfach einmal vor Augen: Sie werden in der Fußgängerzone oder irgendwo auf der Straße angesprochen: „Sind Sie für das, oder sind Sie gegen jenes?“, und unterschreiben dann in einer langen Liste, bei der niemand feststellen kann, wer was für eine Art von Unterschrift abgegeben hat. Auch kann nachher niemand mehr dafür garantieren, wie an den verschiedenen Stellen Unterschriften gesammelt wurden, woher sie gekommen sind und wer eigentlich unterschrieben hat.
Herr Dr. Jürgens, genau dieser Punkt ist es, der die FDPFraktion daran zweifeln lässt, dass der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf wirklich zielführend ist. Es geht hier um eine einmalige, sehr bedeutungsvolle Klageart. Sie ha
ben selbst gesagt, die Bürgerinnen und Bürger seien die Hüter der Hessischen Verfassung und könnten sich, um eben diese Funktion auszuüben, an unser hessisches Verfassungsgericht wenden, nämlich an den Staatsgerichtshof.
Ich glaube, dass es nicht zu viel verlangt ist, das vorgesehene Verfahren durchzuziehen – zumal, Herr Dr. Jürgens, mir überhaupt nicht einsichtig ist, warum in den Fällen, die Sie genannt haben, in denen aufgrund von Mobilitätsbeschränkungen oder aus anderen Gründen Schwierigkeiten bestehen, sich persönlich zur Gemeindebehörde zu begeben, nicht das greifen soll, was in unserem Rechtssystem sonst immer greift: Man kann durch eine eigenhändige Unterschrift – auf die eigenhändige Unterschrift mit Identitätsfeststellung kommt es an – einen Bevollmächtigten benennen, der diese Schritte in die Wege leitet. Das ist nach unserer Rechtsordnung immer möglich.
Herr Dr. Jürgens, genauso können Sie in anderen gerichtlichen Verfahren, wenn Sie entsprechende Klagen einreichen, z. B. Erklärungen zur Niederschrift bei Gericht abgeben. Nur, es bedarf dazu immer der Mitwirkung eines dazu Legitimierten, der überprüft, ob derjenige, der eine Erklärung abgibt, wirklich derjenige ist, der er zu sein behauptet. Das bedeutet eine Identitätsüberprüfung.
Ohne diese Identitätsüberprüfung wird es nicht gehen, schon gar nicht, wenn es sich um eine derart herausgehobene Art von Klage, wie es eine Klage vor dem Staatsgerichtshof ist, handelt.
Von daher sind wir der Meinung, dass Ihr Vorschlag nicht zielführend ist. Wir werden das Anhörungsverfahren abwarten.Aber ich glaube nicht, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Politiker, aber noch mehr als Justizminister habe ich einen natürlichen Reflex der Skepsis, wenn ich einen Gesetzentwurf zur Kenntnis nehmen muss, der aufgrund eines aktuellen Anlasses entwickelt worden ist.
Sie müssen schon aufpassen.Wenn Sie Gesetze nur noch nach dem System machen, was aktuell ist und wie Sie schnell darauf eine reflexartige Antwort finden, kommen Sie zu sehr schwierigen Geschichten.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagen Sie einmal Ihren Regierungskollegen in Sachen Flughafenausbau! Ein sehr guter Vorschlag!)
Besonders problematisch ist es, wenn es im Zusammenhang mit der Verfassung steht.Deswegen bin ich mit größter Skepsis an diesen Vorschlag herangegangen. 60 Jahre
hat diese Bestimmung, wie sie bisher interpretiert war, gehalten.Sie hat sich bewährt.Vor 21 Jahren hatten wir in einem Jahr zwei Popularklagen, die auch zustande kamen. Ganz offensichtlich ist es eine Hürde, die auch überwindbar ist.
Ich lege auch Wert darauf,dass ein solcher Schritt wie eine Popularklage bei den Menschen nach entsprechender Entscheidung stattfindet und dass man sich im Klaren darüber sein kann, dass die Identität dessen, der die Klage erheben will, zweifelsfrei festgestellt ist. Deswegen teile ich die skeptischen Stimmen in diesem Haus.
(Minister Jürgen Banzer: Endlich sagt einmal je- mand, dass ich zu schnell war! – Zuruf der Abg. Sa- rah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Gelber Zettel, keine Kurzintervention! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Regierung darf man noch einmal fünf Minuten reden!)
Frau Vizepräsidentin, wir haben gemeinsame Absprachen. Sie wissen das. Insofern müssen Sie aufpassen, ob Sie als Abgeordnete anders reden, als Sie das als Vizepräsidentin tun.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gelber Zettel! Nach der Regierung darf man noch einmal reden!)
Wir bleiben dabei. Wir machen keine Fortsetzung. – Wir beschließen jetzt, dass die erste Lesung vollzogen worden ist und dass wir den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Rechtsausschuss überweisen.Widerspricht dem jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist so beschlossen.
Große Anfrage der Abg. Fuhrmann, Schäfer-Gümbel, Eckhardt, Habermann, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend Situation und Perspektiven von Familien in Hessen – Drucks. 16/6297 zu Drucks. 16/5476 –
Es sind 15 Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen, und es beginnt Frau Kollegin Ypsilanti von der SPD-Fraktion.
(Jürgen Walter (SPD):Es ist überhaupt keiner da! – Hildegard Pfaff (SPD):Wo ist denn das Kabinett? – Dorothea Henzler (FDP): Ich bin doch schon da!)
Herr Präsident, wir hatten eine anstrengende Mittagspause. Da ist zu verzeihen, dass Frau Kollegin Henzler etwas später kommt.
Meine Damen und Herren, wir wollen heute über Familienpolitik diskutieren. Die SPD-Fraktion hat eine Große Anfrage zur Situation und zu Perspektiven von Familien in Hessen gestellt. Da wir parteiübergreifend und fraktionsübergreifend sagen, dass Familienpolitik das Thema der Zukunft ist,nutzen wir heute die Große Anfrage dazu, im Hessischen Landtag über Familienpolitik zu reden.
Eines muss man vorwegstellen, und es wird Sie nicht wundern:Wir kommen zu anderen Schlüssen als Sie. Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt deutlich: Die Familienpolitik in Hessen ist mehr Schein als Sein.
Meine Damen und Herren,man kann sich nicht irgendwie ein Etikett mit Familienpolitik aufkleben. Die Menschen im Lande, die Frauen und Männer, die Kinder haben, schauen sehr genau, ob das Etikett dem entspricht, was drin ist.Wir kommen zu anderen Ergebnissen.