Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Bouffier hat gerade in seiner Rede gesagt, in aller Regel kämen bestenfalls einfach geschulte Menschen zu uns. Herr Lenhart ist in seiner Rede ebenfalls auf diesen Aspekt eingegangen.
Ich frage Sie,Herr Minister Bouffier:Warum hat die CDU eigentlich unseren Antrag, der aus dem Mai 2005 stammt, abgelehnt? Wir haben damals genau die Ermöglichung der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte gefordert.Wir haben gefordert, dass Hessen auf Bundesebene initiativ wird, damit das Punktesystem wieder auflebt. Diesen Antrag haben Sie damals abgelehnt. Mich würde dann schon interessieren:Warum wurde unser Antrag abgelehnt?
Wir standen damals an der Seite der Wirtschaft. Das will ich hier noch einmal feststellen. Ich glaube, erst vor zwei Wochen haben die Verbände der Wirtschaft wieder eingefordert, dass wir in Deutschland die Zuwanderung qualifizierter Leute brauchen, da Deutschland einen Fachkräftemängel hat.
Herr Minister Bouffier, verehrte Kollegen der CDU! Ich will es noch einmal sagen. Ich weiß nicht, ob das nicht angekommen ist. Selbstverständlich ist die FDP-Fraktion bereit, das zu prüfen. Ich glaube schon, das ist richtig.
Ich will trotzdem noch einmal sagen: Prüfen bedeutet auch, dass man die Bedingungen prüfen muss, wie man im Herkunftsland solche Sprachkurse organisieren kann. Es mag sein, dass in Städten wie Istanbul Sprachkurse mithilfe von Laptops und CDs möglich sind. In Anatolien wird das aber nicht der Fall sein. Diejenigen, die aus den typischen Einwanderungsgebieten kommen, brauchen Menschen, die ihnen die Sprache beibringen.Wahrscheinlich besitzen sie nicht die technische Ausstattung, die sie erwartet, wenn sie in das Einwanderungsland kommen. Wenn man bei dieser Prüfung ernsthaft zu einem positiven Ergebnis kommen will, dann muss man auch fragen, wie im Herkunftsland mit welchen Institutionen und mit welchen Kosten solche Sprachkurse durchgeführt werden können.
Ich möchte noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen. Denn er hat in der Evaluationsgruppe des Bundesministeriums des Innern eine große Rolle gespielt. Dabei geht es um die Problematik, die Sie hier angesprochen haben,nämlich um die nachholende Integration,also um diejenigen, die bei uns schon seit Jahren oder Jahrzehnten leben.
Wir wissen im Augenblick nicht genau, wie groß die Zahl der Ausländer ist, die in Hessen leben. Ich nehme die 6,1 Millionen Einwohner in Hessen als Ausgangszahl. Dann, so nehme ich an, wird die Zahl der Ausländer hier knapp unter 1 Million sein. Im Rhein-Main-Gebiet wird deren Anteil sehr viel höher als in anderen Teilen des Landes sein.
Hinsichtlich dessen, was wir beschrieben haben und was Sie beschrieben haben, besteht völliges Einvernehmen.
Das betrifft die Abkapselung, die Abschottung, und reicht hin bis zu den parallelen Lebensverhältnissen und den parallelen Gesellschaften. Das bedeutet aber, dass wir die nachholende Integration in den nächsten Jahren umso wichtiger nehmen müssen. Denn das Verhältnis von Zuwanderung und Auswanderung verkehrt sich. Darauf wollte ich noch einmal hinweisen.
Wir haben während der Sitzung der Enquetekommission „Demografischer Wandel“, die in den letzten Tagen stattgefunden hat, noch einmal etwas zur Kenntnis genommen, das den anderen Kolleginnen und Kollegen vielleicht nicht so intensiv zur Kenntnis gebracht wurde.
Das Statistische Bundesamt hat zum ersten Mal für das Jahr 2005 eine Umkehrung bei der Abwanderung und der Zuwanderung von bzw. nach Deutschland festgestellt. Im Jahre 1994 wanderten etwa 70.000 Menschen deutscher Herkunft in die ganze Welt aus. Damals hatten wir über 200.000 Zuwanderer. Wir haben für das Jahr 2005 folgende Zahlen. Sie bilden die Grundlage für alle Statistischen Landesämter. Wir haben in Deutschland eine Abwanderung von sage und schreibe 150.000 Menschen. Dem steht nur noch eine Zuwanderung von 98.000 Menschen gegenüber.
Das heißt – das wurde in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor zwei Wochen einmal deutlich dargestellt –, dass die akademisch gut ausgebildeten jungen Ärzte, Ingenieure und zu einem großen Teil auch Naturwissenschaftler abwandern, während wir eine Zuwanderung der Menschen haben, die nicht über solche Qualifikationen verfügen.
Das muss man als Hintergrund im Kopf haben. Herr Bouffier, ich darf das noch einmal sagen: Das stützt Ihre Aussage. Diese Rotation der Zuwanderung und Abwanderung kann schon im Jahr 2020 dazu führen – das ist nicht mehr weit hin –, dass mehr als die Hälfte der deutschen Staatsbürger einen ausländischen Hintergrund haben werden.
Umso mehr muss uns nicht nur der Spracherwerb im Ausland kümmern. Vielmehr geht es auch um die nachholende Integration derjenigen, die zugewandert sind
und die am Ende mit Mehrheit unser Land gestalten werden. Sie werden hier wohnen und hier auch für die Politik verantwortlich sein.
Ich sage Ihnen deshalb: Der Antrag, diese Möglichkeit zu prüfen, stellt einen wichtigen Ansatz dar. Das reicht aber nicht aus. Man muss nämlich auch an das denken und das sehen, was Sie vorhin angedeutet haben. Das ist eine andere Situation der Zuwanderer,als sie z.B.bei der kleinen Gruppe der Hugenotten gegeben war. Das ist auch anders, als es bei den Vertriebenen und Flüchtlingen nach dem Ersten und insbesondere auch nach dem Zweiten Weltkrieg war. Diese Menschen sprachen zum größten Teil Deutsch. Wir haben es hier mit völlig anderen Einwanderern einer völlig anderen Bevölkerung zu tun.
Am Ende bedeutet das also: Wer diese Gruppe der Einwanderer nicht mit unserer Kultur, unserem Rechtssystem und unseren Werten vertraut macht, der wird das Land in 50 Jahren nicht mehr wiedererkennen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend doch noch einmal für diesen Prüfantrag werben. Der Innenminister hat das sehr pragmatisch beschrieben.Wir sollten uns daran orientieren, wie es in der Praxis vor Ort aussieht. Die angebotenen Integrationskurse genügen nicht, weil sie nicht angenommen werden. Es ist vollkommen richtig – daran machen wir keine Abstriche –, dass die Integrationskurse zwar hier lebenden Immigranten weiterhin angeboten werden müssen, um die Chancen der Integration einzuräumen.Aber wenn wir noch immer die Eheschließung, die Zwangsehe oder die arrangierte Ehe mit der Zuwanderung haben und der Ehepartner kein Deutsch kann, dann fangen wir wieder genau an der Stelle an,der wir eigentlich entkommen wollen.
Insofern muss man in der Praxis feststellen, dass die Zuwanderung, der Zuzug, in diesen Migrantengruppen dort erfolgt, wo Vernetzung eng ist, wo man sich entsprechend in der Muttersprache verständigen kann. Insoweit geht es um ein ganz anderes gesellschaftliches Phänomen als um ein Bleibe- oder Duldungsrecht. Das war bei den betreffenden Überlegungen vollkommen außen vor.
Frau Wagner, ich stimme Ihnen zu. Natürlich gehört zu einem Prüfantrag, auch zu prüfen, wie es umzusetzen ist. Das sehe ich in dem Punkt als selbstverständlich an. Ich sehe zwischen uns keinen Dissens. Insoweit werbe ich dafür, weil wir in den Schulen sehen, wie die Zusammensetzung in den Gymnasien ist, wo die Migrantenkinder sind. Es sind einfach zu wenige. In der siebten, achten Klasse – wo sich entscheidet, ob jemand zum Abitur kommt oder nicht – ist es so, dass es in den Gymnasien vielleicht eine Handvoll sind. Wenn man die ins Verhältnis zu der Zahl derjenigen nimmt, die ihre Mühe haben, die in eine integrierte Gesamtschule oder eine Förderschule gehen, denke ich, sollte das ein wesentlicher Maßstab für die weiteren Überlegungen sein. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir wollen den Antrag dem Innenausschuss überweisen. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Erleichterung von Volksbegehren – Drucks. 16/6824 zu Drucks. 16/4156 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Erleichterung von
Der Gesetzentwurf war dem Innenausschuss in der 73. Plenarsitzung am 12. Juni 2005 überwiesen worden. Der Innenausschuss hat zu dem Gesetzentwurf am 18. Januar 2006 eine öffentliche Anhörung durchgeführt.
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf zuletzt in seiner Sitzung am 24. Januar 2007 behandelt und mit den Stimmen der CDU und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der SPD den Empfehlungsbeschluss der Ablehnung gefasst. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit diesem Jahr gibt es schon seit 25 Jahren eine grüne Fraktion in diesem Haus. Seit es diese grüne Fraktion gibt – also seit 25 Jahren – treten wir für die Stärkung plebiszitärer Elemente in Hessen ein.
Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung.Wir wollen mehr politische Einflussmöglichkeiten des Souveräns, nämlich des hessischen Volkes. In der Verfassung heißt es:Alle Staatsgewalt liegt unveräußerlich beim Volke – nicht beim Volker, Herr Innenminister, sondern beim Volke.
In zahllosen Initiativen haben wir immer wieder versucht, den Beteiligungsmöglichkeiten des Volkes Geltung zu verschaffen.All diese Initiativen sind gescheitert.Wie Sie gerade in der Beschlussempfehlung zur heutigen zweiten Lesung unseres Gesetzentwurfes gehört haben, soll auch er das Schicksal aller bisherigen Initiativen teilen. Ich darf daran erinnern, die Hessische Verfassung räumt dem Volk formal weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten ein, weiter als in vielen anderen Verfassungen.
Eine Verfassungsänderung kann nur durch eine Volksabstimmung zustande kommen. Es gibt die Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid. Die steht in der Hessischen Verfassung systematisch sogar vor der Gesetzgebung durch den Hessischen Landtag. Es gibt – wir haben das in der letzten Plenarrunde besprochen – sogar das Unikat in der Hessischen Verfassung, nämlich die Möglichkeit einer Popularklage zum Staatsgerichtshof durch eine Gruppe von 1 % der Stimmberechtigten. So weit die Theorie.Wie sieht es allerdings in der Praxis aus?
In den 60 Jahren seit Bestehen der Hessischen Verfassung wurden Verfassungsänderungen dem Volk nur alle 15 Jahre einmal zur Abstimmung vorgelegt. Es hat noch nie in der Geschichte des Landes Hessen ein Volksbegehren geschafft, dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen, von der Durchführung einer Volksabstimmung ganz zu schweigen. Es konnte noch nie eine Popularklage vor den Staatsgerichtshof gebracht werden.
60 Jahre nach Inkrafttreten der Hessischen Verfassung müssen wir feststellen, die Volksrechte bestehen nur auf dem Papier. Nach dem Willen der Mehrheit in diesem Hause soll es dabei bleiben. Das ist ein erbärmliches Er
Wir wissen alle, hinsichtlich der Volksbegehren stellt die Hessische Verfassung selbst hohe Hürden auf. Nur ein Gesetzentwurf, der von 20 % der Stimmberechtigten unterstützt wird, muss vom Landtag behandelt und dann im Falle einer Ablehnung der Volksabstimmung zugeführt werden. Das ist das höchste Quorum, das es in einer Verfassung eines Bundeslandes überhaupt gibt, in denen die Volksgesetzgebung geregelt ist. Aber es kommen in Hessen durch außerordentlich restriktive Verfahrensregelungen in dem Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid noch weitere Hürden hinzu. Das wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geändert haben. In anderen Bundesländern wurden übrigens in den letzten Jahren plebiszitäre Elemente wesentlich erleichtert. In Hessen gilt die Verfassung seit 60 Jahren unverändert, das Ausführungsgesetz seit 50 Jahren ebenfalls praktisch unverändert.
Zur Erinnerung. Ein Volksbegehren wird in Hessen überhaupt erst eingeleitet, wenn es mindestens von 3 % der Stimmberechtigten beantragt wurde. Das sind nach Lage der Dinge und nach derzeitigem Stand rund 130.000 Menschen. Die muss man erst einmal zusammenbringen. Dieses Einleitungsquorum ist bundesweit überhaupt das höchste. Hieran ist z. B. zuletzt 1997 das Volksbegehren evangelischer Gemeinden zur Wiedereinführung des Buß- und Bettages gescheitert.
Wir sind der Auffassung, dieses Quorum muss auf höchstens 1 % der Stimmberechtigten abgesenkt werden. Das wären immer noch 43.000 Menschen, die ein Anliegen unterstützen müssten. In Nordrhein-Westfalen sind im Übrigen nur 5.000 Unterschriften notwendig. Das entspricht gerade einmal 0,02 % der Stimmberechtigten.Wir liegen mit unserem Vorschlag immer noch über dem Durchschnitt der anderen Bundesländer. Aber nicht einmal zu dieser Vereinfachung ist die Union bereit. Und das finden wir enttäuschend und erbärmlich.
Aber wenn dieses Einleitungsquorum einmal geschafft wurde – das war z. B. 1966 beim ersten Volksbegehren zur Einführung der Briefwahl der Fall, interessanterweise damals übrigens von der CDU unterstützt –, folgen noch weitere Restriktionen. Die dann von der Verfassung vorgesehenen 20 % der Stimmberechtigten, die vorgesehene Anzahl von Unterstützern, müssen sich in Listen eintragen.Diese Listen liegen nach der hessischen Regelung gerade einmal für zwei Wochen bei den Gemeindebehörden aus.
In Hessen müssen also nach der Regelung der Verfassung die meisten Unterschriften gesammelt werden, und das nach den Regeln des Gesetzes in der kürzesten Zeit. Das ist nach unserer Auffassung nicht in Ordnung. Wir haben vorgeschlagen, eine Frist von drei Monaten vorzusehen. Um einen Vergleich zu machen: In Niedersachsen ist ein Jahr – zwöf Monate – Zeit, um 10 % der Stimmberechtigten zu erreichen. Zwischen der Regelung in Hessen und der in Niedersachsen liegen Welten.