Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Grundsätzliche Zustimmung der SPD-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf, da damit auch die privatrechtlich organisierten Kliniken letztlich in öffentlicher Trägerschaft und beim LWV verbleiben und keine Privatisierung im ursprünglichen Sinn eröffnet werden soll. Wir halten das für den richtigen Weg.
Diese Gesetzesänderung ist notwendig, da mit dem bisherigen Maßregelvollzugsgesetz letztlich die gesetzliche Ermächtigung zur Beleihung von gemeinnützigen GmbHs mit der Aufgabe des Maßregelvollzugs nicht verfassungskonform zu gestalten war. Insofern begrüßen wir es, dass die Rechtsformprivatisierung keine materielle Privatisierung bedeutet.
Für die SPD stellt sich allerdings die Frage, warum nur die ärztlichen Direktorinnen und Direktoren beim LWV verbleiben sollen, nicht aber das übrige Personal.Wir stehen für gute Standards auch im Maßregelvollzug und in den Kliniken und wollen fachlich gut ausgebildetes Personal in diesen Einrichtungen. Dazu gehört erstens ausdrücklich die Qualität der Ausbildung derer, die dort arbeiten, zweitens selbstverständlich die Einhaltung der Tarifverträge. Das wird mit Sicherheit für uns Thema bei der folgenden Anhörung sein.
Wenn wir über den Maßregelvollzug sprechen, dann wende ich mich an die Landesregierung. Unlängst haben wir einen Besuch in Hadamar gemacht, und dabei wurde uns vorgetragen, dass im Jahr 2004 dort von Ihnen der Erweiterungsbau angekündigt wurde, der aber nach wie vor nicht erfolgt ist, obwohl dort durch eine 150-prozentige
Belegung eine vernünftige Arbeit, vorsichtig ausgedrückt, erschwert wird. Sicherheit und Behandlung gerade der psychisch kranken Straftäter sind Auftrag der Forensik. Das ist aber nur machbar, wenn auch die Überbelegung in Grenzen bleibt. Mir scheint dort diese Grenze überschritten zu sein. Wir hatten hier immer Überbelegungsprobleme,das ist so.Aber wenn man im Jahre 2004 eine Zusage gibt, dann sollte man sie zumindest im Jahr 2007 im Neubauplan haben. Wahrscheinlich haben Sie das für den nächsten Haushalt angemeldet, aber das können Sie dann nochmals darstellen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Nächster Redner ist Herr Kollege Gerling für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie eben von Ministerin Lautenschläger vorgetragen, soll mit der Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes dem Landeswohlfahrtsverband ermöglicht werden, die forensischen Kliniken zukünftig in der Rechtsform von gemeinnützigen GmbHs zu führen, die dann in einer Holding-GmbH gesteuert werden.
Diese privatrechtliche Betriebsform der GmbH wird sicherstellen, dass der LWV die bisherige Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Einrichtungen auch künftig erhalten und möglichst noch ausbauen kann.
Die Trägerschaft der Holding-GmbH verbleibt aber zu 100 % – das haben wir eben von der Ministerin vernommen – beim LWV. Es handelt sich hierbei um eine formelle Privatisierung. Dadurch bleibt gewährleistet, dass die sensiblen Aufgaben des Maßregelvollzugs auch in Zukunft ausschließlich durch den LWV als zuverlässiger und bewährter Träger durchgeführt werden.Alle wesentlichen Entscheidungen werden auch weiterhin von dessen ärztlicher Leitung getroffen.
Die vollständige Privatisierung des Maßregelvollzugs, wie es sie in anderen Bundesländern bereits gibt, ist in Hessen nicht geplant. Sie wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich verhindert,da eine Veräußerung der Anteile an den Kapitalgesellschaften an private Dritte ausgeschlossen ist.
Meine Damen und Herren, der Maßregelvollzug in Hessen hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Die Ministerin hat darauf hingewiesen. Die Zahl der Therapieabbrüche wurde verringert. Es kam zu einem deutlichen Rückgang des Lockerungsmissbrauchs. In den letzten fünf Jahren wurden während der Behandlung keine schweren Delikte mehr begangen. Auch die Rückfallquote konnte deutlich gesenkt werden.
Als Resultat dieser Entwicklung können wir in Hessen einen effizienten, leistungsfähigen und sicheren Maßregelvollzug vorweisen, der in Deutschland eine Spitzenposition einnimmt und anderen Bundesländern als Vorbild dient.
Meine Damen und Herren,der Landeswohlfahrtsverband war bisher im Maßregelvollzug sehr erfolgreich tätig.
Der LWV verfügt über die fachliche Kompetenz und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Einrichtungen auch weiterhin mit hoher Qualität zu führen.
Meine Damen und Herren, es ist nun unsere Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich der Maßregelvollzug auch in Zukunft derart positiv entwickeln kann.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung bildet dazu eine wesentliche Grundlage. Denn durch die neue Betriebsform kann künftig innerhalb des LWV mit kürzeren Entscheidungswegen und damit effektiver gearbeitet werden, als dies bisher der Fall war. Deshalb unterstützt die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf uneingeschränkt. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir auch im Parlament eine sehr breite Zustimmung erfahren werden. Frau Kollegin Fuhrmann, Sie haben bereits im weitesten Sinne Zustimmung signalisiert; Details können noch im weiteren Gesetzgebungsverfahren besprochen werden. Aber ich bin sicher, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis erzielen werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Gerling. – Nun hat der Herr Kollege Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die zwangsweise Unterbringung schuldunfähiger oder nur eingeschränkt schuldfähiger Straftäter in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wird im Strafgesetzbuch als Maßregel der Besserung und Sicherung bezeichnet. Genau darum geht es: auf der einen Seite um die Besserung des Täters durch die Therapie und auf der anderen Seite um die Sicherung oder die Sicherheit der Bevölkerung vor weiteren Straftaten psychisch kranker Täter.
Wir wissen, Straftaten psychisch kranker Menschen wecken oft Ängste und Sorgen in der Bevölkerung. Deshalb steht der Maßregelvollzug oft im Zentrum öffentlichen Interesses und wird gelegentlich auch für populistische Aktionen missbraucht.
Aus diesem Grunde war es in der Vergangenheit und ist es auch in der Zukunft wichtig, dass wir mit dem Landeswohlfahrtsverband einen Träger für die Einrichtungen des Maßregelvollzugs hatten und weiter haben werden, der verlässlich ist und von dem wir wissen,dass er in jeder Diskussion um den Maßregelvollzug offen und sachbezogen die Argumente austauscht. Zu einer sachlichen Diskussion im Maßregelvollzug hat der LWV stets beigetragen, und das sollte auch so bleiben.
Für uns GRÜNE stand zum Thema Maßregelvollzug immer die Therapie der betroffenen Patientinnen und Pa
tienten im Vordergrund.Auch hierfür ist der Landeswohlfahrtsverband besonders geeignet, denn er beherbergt Einrichtungen des Maßregelvollzugs und solche der allgemeinen Psychiatrie unter einem Dach.
Das ist deswegen so besonders wichtig, weil es – wie wir vom ärztlichen Leiter des Maßregelvollzugs in Haina erfahren haben – lange Zeit fast keinen fachlichen Austausch zwischen der forensischen Psychiatrie und der allgemeinen Psychiatrie gegeben hat. Es gibt eigene Fachzeitschriften und kaum gemeinsame Tagungen, fast keinen personellen Austausch. Erst in letzter Zeit entwickelt sich da ein größerer und regerer Austausch. Das ist deswegen so wichtig, weil der offensichtliche Anstieg der Anzahl der Straftäter mit psychischen Erkrankungen nach unserer Auffassung bereits im Vorfeld abgefangen werden sollte. Auch deswegen ist der Landeswohlfahrtsverband für diese Aufgabe besonders geeignet.
Der Landeswohlfahrtsverband hat sich als Träger des Maßregelvollzugs bewährt. Wir glauben, die Fachlichkeit und die Erfahrungen des LWV sprechen dafür, den Maßregelvollzug auch dort zu belassen. Das war auch von Anfang an in der Diskussion um mögliche Änderungen in der Zuständigkeitsverantwortung des Landeswohlfahrtsverbandes immer die Auffassung meiner Partei. Das können Sie alles in Parteiratsbeschlüssen nachlesen. Dass der Maßregelvollzug beim LWV bleiben sollte,war immer unsere Auffassung, schon deswegen, weil wir das für eine öffentliche Aufgabe halten, eine hoheitliche Aufgabe.
Wir dürfen nicht vergessen, dass dort Menschen – zwar zum Zwecke der Therapie, aber immerhin – die Freiheit entzogen wird und teilweise schwerwiegender in die Freiheit eingegriffen wird als bei einer zeitigen Freiheitsstrafe. Wer zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt ist, weiß mindestens,wann der späteste Zeitpunkt ist,zu dem er die Freiheit wiedererlangt. Wer im Maßregelvollzug ist, weiß das nicht ohne Weiteres, denn das kann auf unabsehbare Zeit sein; erst der Therapieerfolg und die Prognose entscheiden, wann tatsächlich seine Entlassung in Betracht kommt.
Deshalb wird der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung von uns auch ausdrücklich unterstützt.Es ist bereits erwähnt worden: Die Verbandsversammlung des LWV hat entschieden, dass die Einrichtungen in gemeinnützige GmbHs umgewandelt werden sollen, die wiederum unter dem Dach einer Holding angesiedelt sind. Der LWV bleibt alleiniger Eigentümer der Holding,die wiederum im Wesentlichen Gesellschaftsanteile an den gGmbHs übernimmt.
Aus unserer Sicht ist diese Konstruktion wegweisend, um den Einrichtungen des LWV den Weg in eine möglichst sichere Zukunft zu ebnen. Es handelt sich hierbei um nichts weniger als die tiefgreifendste Reform in der Geschichte des Landeswohlfahrtsverbandes. Sie soll in einer Sondersitzung der Verbandsversammlung am 24. Mai endgültig beschlossen werden.
An dieser Stelle möchte ich auch ausdrücklich Landesdirektor Brückmann und der Ersten Beigeordneten Schönhut-Keil für die große Tatkraft und die Zielstrebigkeit danken, mit der sie diesen Kraftakt vorangetrieben haben. Herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Der Beifall hält sich in Grenzen!)
Um Zweifelsfragen auszuräumen, die mit der privaten Rechtsform verbunden sein könnten, soll der neuen Konstruktion jetzt auch im Maßregelvollzugsgesetz Rechnung getragen werden. Aus unserer Sicht ist es in der Tat vernünftig, den Maßregelvollzug ausdrücklich an eine 100-prozentige Eigentümerstellung des LWV für die Einrichtungen zu binden und die ärztlichen Leiter und Stellvertreter als Mitarbeiter des LWV zu belassen.
Wir alle wissen allerdings nicht – das sage ich gleich einschränkend dazu –, wie das Bundesverfassungsgericht im Streitfalle entscheiden wird. Erstaunlicherweise gibt es derzeit noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage, die in vielen Bundesländern erörtert wird – wie weitgehend es möglich ist, den Maßregelvollzug privaten Trägern zu überantworten.
Aus unserer Sicht ist es klar: Wir halten das für eine hoheitliche Aufgabe, die von privaten Trägern nicht wahrgenommen werden darf. Das gilt auch nach den Regelungen im vorgelegten Gesetzentwurf, weil die Trägerschaft für den Maßregelvollzug beim Landeswohlfahrtsverband bleibt. Eine Übertragung auf Private, die Frau Ministerin hat es ausgeführt, wird ausgeschlossen.Wir halten das für ein tragfähiges Konstrukt. Sie wissen, vor Gericht und auf hoher See ist jeder nur in Gottes Hand, aber die Chance, mit dieser Konstruktion notfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht zu bestehen, schätzen wir sehr hoch ein.
Mein letzter Satz: Mit einem höheren Grad an Sicherheit lassen sich richterliche Entscheidungen erfahrungsgemäß ohnehin nicht vorhersagen, aber wir glauben, das ist der richtige Weg.
Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Als nächster Redner hat Herr Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zum Thema Landeswohlfahrtsverband eine Vorbemerkung machen. Frau Kollegin Fuhrmann, vonseiten der Sozialdemokraten ist in den letzten Monaten immer wieder der Versuch gemacht worden, bei diesem Thema den Eindruck zu vermitteln, die Koalition aus CDU, FDP und GRÜNEN sei nicht in der Lage, den Landeswohlfahrtsverband richtig zu führen. Ich denke, mittlerweile ist das Gegenteil bewiesen.
Landesdirektor Uwe Brückmann, Frau Schönhut-Keil als hauptamtliche Beigeordnete und Herr Dr. Barkey, der für die Liberalen dort Verantwortung übernimmt, beweisen
jeden Tag, dass sie hier einen hervorragenden Job machen. Die Situation im Landeswohlfahrtsverband hat sich – unterhalten Sie sich mit den Betroffenen, dann werden Sie das erfahren – hervorragend entwickelt.
Kollege Dr. Jürgens hat es schon ausgeführt, mittlerweile ist bei den Mitarbeitern der Eindruck beseitigt worden, es gehe der Koalition darum, die Situation des LWV grundlegend zu verändern. Nein, es geht der Koalition im Landeswohlfahrtsverband darum, die wirtschaftlichen Herausforderungen, denen der Landeswohlfahrtsverband als Kommunalverband ausgesetzt ist, aufzunehmen und sich diesen anzupassen. Mich ärgert, dass von Ihnen immer so getan wird, als ob der LWV eine Institution sei, die mit der Landespolitik nichts zu tun habe. Natürlich hat er etwas mit der Landespolitik zu tun.