Protokoll der Sitzung vom 31.05.2007

Auf jeden Fall ist in dem Text, den Sie heute vorgelegt haben und der die Unterschrift des Fraktionsvorsitzenden der CDU trägt, überhaupt keine Rede davon, dass die Steuermehreinnahmen nur dazu verwandt werden, die Nettoneuverschuldung zu reduzieren. Vor vier Jahren wurde in der Staatskanzlei die „Operation düstere Zukunft“ entwickelt, weil der Herr Finanzminister nicht fähig war, zu sparen, und sich gegen die Interessen der Ressortminister durchzusetzen.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Herr Weimar, mit Verlaub, Sie wurden zum Folienwechsler degradiert.Wir alle haben noch das Bild vor uns, wie Herr Grüttner vorträgt und Herr Weimar die Folien wechseln darf. Ich meine, für Sie als Finanzminister war es doch eine erniedrigende Situation, dass die Staatskanzlei die „Operation düstere Zukunft“ entwickelt hat, weil Sie sich anscheinend nicht durchsetzen konnten.

Heute gibt es ein neues Schauspiel.Wenn man Ihren Text ernst nimmt, muss man davon ausgehen, dass es heute ein neues Schauspiel gibt. Der Finanzminister verkündet, die Steuermehreinnahmen müssen zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung verwandt werden.Aber der dritte Absatz Ihres Antrags klingt ganz anders. Dort ist die Rede davon,dass in die Schwerpunktbereiche investiert werden solle. Das ist hochinteressant. Der entscheidende Satz, dass die Steuermehreinnahmen verwendet werden sollen, um die Nettoneuverschuldung zu reduzieren, steht eben nicht drin.

Herr Kollege von Hunnius hat in der letzten Sitzung eine neue Art der Textexegese von Jubelanträgen der CDU eingeleitet. Das war ganz spannend. Heute war er nicht ganz so witzig. Aber es lohnt sich in der Tat, sich einmal anzuschauen, was eigentlich in dem CDU-Antrag steht.

Ich muss Ihnen sagen, der erste Absatz Ihres Antrags ist schlicht eine Lachnummer. Kein Land in der Bundesrepublik hat bei den Ausgaben so zugelangt wie das Land

Hessen. Von einem Sparkurs kann doch überhaupt keine Rede sein. Die Zuwachsraten seit dem Jahr 2000 sind gewaltig. Von 2000 bis heute – 2007 – sind die bereinigten Ausgaben, also nach Abzug des Länderfinanzausgleichs und des Kommunalen Finanzausgleichs,um 1,4 Milliarden c gestiegen. Das ist übrigens im Durchschnitt etwa das, was uns an Nettoneuverschuldung in den Jahren immer draufgepackt worden ist. 11 % beträgt die Steigerungsrate seit dieser Zeit. Das ist ein klarer Verstoß auch gegen den Finanzplanungsrat zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Das macht deutlich, dass bei dieser Landesregierung von Sparen keine Rede sein kann: in sieben Haushaltsjahren 11 % draufgepackt.

Die Haushaltssituation ist so kritisch, weil dieser Finanzminister nicht fähig ist, zu sparen, und – Herr von Hunnius, da haben Sie Recht – diese Landesregierung nicht zu einer klaren Schwerpunktsetzung in der Lage ist.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Dann reden wir einmal darüber. Vergleichen wir nicht die Sprüche, sondern das Handeln.Wir haben uns mit der Vergangenheit beschäftigt. Sie haben ja sehr viel Wert darauf gelegt, auf die Vergangenheit hinzuweisen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Haushaltsjahr 1996: Unter Rot-Grün wurden die Ausgaben um 0,5 % abgesenkt. Haushaltsjahr 1997: Die Ausgaben wurden um 0,6 % abgesenkt. Haushaltsjahr 1998: Die Ausgaben wurden um 0,8 % abgesenkt. Das waren in der Tat Zeiten, in denen in diesem Lande gespart worden ist. Ganz anders Sie: Sie haben, wie gesagt, in sieben Haushaltsjahren eine Steigerung von 11 % zustande gebracht. Das war Ihr Ergebnis.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das haben wir alles nachholen müssen!)

Anders die CDU: In den Regierungsjahren von Herrn Koch stieg die Verschuldung um 10 Milliarden c. Das ist rund ein Drittel aller Nachkriegsschulden. Für ein Drittel aller Schulden, die in den vergangenen 60 Jahren aufgetürmt wurden, haben Sie gesorgt. Das haben Sie in Ihren Regierungsjahren geschafft.

Was haben Sie denn alles getrieben? Die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung kostet mittlerweile zweistellige Millionenbeträge. Ihre Kampagne „An Hessen führt kein Weg vorbei“ ist ein Ausdruck davon. Ich sage Ihnen: An Frau Ypsilanti führt in Hessen kein Weg vorbei. Das sollten Sie plakatieren.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Für Öffentlichkeitsarbeit, Kongresse und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen ist immer Geld da. Geld ist immer da, wenn es um die Öffentlichkeit geht, um Ausgaben geht, mit denen die CDU-Landesregierung sich darstellen kann. Da wird an keiner Stelle gespart. Für SAP und für eine überdrehte neue Verwaltungssteuerung ist viel Geld da, insgesamt 60 Millionen c. Aber für Bildung, für soziale Initiativen, für Investitionen in Arbeit und Umwelt ist kein Geld da. An dieser Stelle haben Sie keine Schwerpunktsetzung vorgenommen. An dieser Stelle haben Sie nicht das Notwendige getan.

Ein Schloss haben Sie gekauft. Darüber haben wir lange diskutiert.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie es auch schon besichtigt?)

Frauenhäusern haben Sie die Zuschüsse gestrichen. Geld ist für die Staatskanzlei da; diese wird aufgebläht. Aber bei den Waldarbeiterstellen gibt es erhebliche Einschnitte. Bei der Polizei haben Sie Stellen gestrichen, auch Lehrerstellen haben Sie gestrichen. Das ist die Schwerpunktsetzung, von der Sie in diesem Antrag schreiben: weniger Waldarbeiter,weniger Lehrer,weniger Polizisten. Dann reden Sie davon, dass Sie eine Schwerpunktsetzung bei der inneren Sicherheit und der Bildung vorgenommen haben. Der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, ist doch eine Lachnummer.

(Beifall bei der SPD)

Wie sehen denn Ihre Schwerpunktsetzungen aus? Sie haben sich gegenseitig Orden umgehängt. Das war eine Schwerpunktsetzung dieser Landesregierung. Sonderrechte im Straßenverkehr haben Sie eingeführt. Das sind Ihre Schwerpunktsetzungen. Konkurrenzparteien mit Staatsknete von der Wahl abzuhalten scheint eine Ihrer Schwerpunktsetzungen zu sein.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt geht es wieder unter das Niveau!)

Die größte Schwerpunktsetzung ist die permanente Vermischung zwischen Staat und Partei, die es mittlerweile in Hessen gibt. Das ist die Schwerpunktsetzung, die Sie vorgenommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich Ihnen, wie der erste Absatz Ihres Antrags hätte lauten müssen. Ich versuche, es so zu machen, wie es Herr von Hunnius in der letzten Plenarsitzung gemacht hat.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Lass das sein, du schaffst es nicht!)

Das kann sein, aber lass es mich doch einmal versuchen. – Der erste Absatz Ihres Antrags hätte lauten müssen:

Der Landtag stellt fest, dass unter der Amtszeit von Ministerpräsident Koch die Schulden um mehr als 10 Milliarden c gestiegen sind und dass die Ausgaben wie in keinem anderen Bundesland unter Verstoß gegen die Vereinbarung zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien gesteigert wurden. Anstelle klarer Prioritätensetzung ist der finanzpolitische Kurs der Landesregierung ohne Kompass. Solide und transparent, wahr und klar, wie die Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

So hätte der erste Absatz lauten müssen – um eine Anleihe bei einem sehr anerkannten Journalisten zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Damit wäre auch gleich der dritte Absatz Ihres Antrags erledigt, nämlich die Aufforderung an die Landesregierung, ihren Weg konsequent fortzusetzen. Das kann wirklich nur noch als ein Beitrag zum Kabarett bezeichnet werden.

Auch der zweite Absatz – lesen Sie ihn einmal durch – ist eine arge Zumutung. Von wegen Verbesserung der Wirtschaftskraft: Hessen liegt mit 2,1 % beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts – ich beziehe mich auf das Jahr 2006 – nur an elfter Stelle. Meine Damen und Herren, Hessen liegt beim Bruttoinlandsprodukt mittlerweile an elfter Stelle. Es liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, der 2,7 % beträgt.

Auch was den Arbeitsmarkt betrifft, sind die Zahlen in Hessen weiterhin sehr schlecht. Rheinland-Pfalz ist trotz seiner starken Strukturschwächen längst an uns vorbeigezogen. Es hat bessere Arbeitsmarktzahlen. RheinlandPfalz hat mittlerweile eine Arbeitslosenquote von 6,8 %. In Hessen liegt die Arbeitslosenquote bei 8 %. Das waren die Zahlen aus dem April.Wie ich gehört habe, gibt es inzwischen neue Zahlen von der Bundesagentur für Arbeit.

Herr Kollege Schmitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Boddenberg?

(Norbert Schmitt (SPD): Bitte schön, Herr Boddenberg!)

Herr Boddenberg.

Herr Kollege Schmitt, da Sie eben über das Bruttoinlandsprodukt gesprochen haben,frage ich Sie:Kennen Sie auch die Zahlen für das Bruttoninlandsprodukt pro Kopf und den Rang, auf dem Hessen dort steht?

Herr Boddenberg, die Frage ist eigentlich unter Ihrer Würde. Es wäre wirklich eine Sensation, wenn Sie es in den sieben bis acht Jahren, in denen Sie jetzt regiert haben, geschafft hätten, Hessen, das über Jahrzehnte hinweg stärkste Land, sozusagen von den oberen Plätzen auf der Rangliste wegzubekommen, was das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrifft.

Sie haben es beim Wirtschaftswachstum insgesamt geschafft. Sie verspielen das, was die 60-jährige Tradition des Landes ausmacht. Wir befinden uns an dieser Stelle auf dem Weg bergab. Die Spreizung war früher viel stärker, weil Hessen beim Wirtschaftswachstum immer auf dem ersten oder zweiten Platz lag. Ich glaube, dass wir unter der Regierung Eichel einmal auf dem dritten Platz waren. Das hat von Ihrer Seite aus zu Diskussionen geführt. Das sei eine völlig dramatische Situation,haben Sie damals gesagt. Deswegen ist Ihre Frage verhältnismäßig ärmlich.

Wir sollten uns noch einmal über die Arbeitsmarktzahlen unterhalten. Wie gesagt, in Hessen beträgt die Arbeitslosenquote 7,7 %. In Rheinland-Pfalz liegt sie mittlerweile um einen Prozentpunkt darunter.

(Michael Boddenberg (CDU): Die schicken doch alle rüber!)

Sie müssen dann auch über die Ausbildungsplätze reden. Etwa 8.000 junge Menschen werden unversorgt bleiben. Es gibt immer noch rund 21.000 Bewerber, denen 13.000 freie Plätze gegenüberstehen. Damit wird deutlich, um was es in Hessen geht.

Deswegen muss ich sagen – ich erinnere Sie wieder an den Kollegen von Hunnius –, der zweite Absatz Ihres Antrags hätte anders lauten müssen:

Der Landtag bedauert, dass Hessen beim Wirtschaftswachstum zum unteren Drittel der Bundesländer gehört. Der Landtag bedauert, dass Hessen zu den Ländern mit der höchsten Zunahme der Arbeitslosigkeit gehört und junge Menschen die geringsten Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu

finden. Der Landtag bedauert, dass in der mittelfristigen Finanzplanung auch in den nächsten Jahren eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 1,3 Milliarden c für das Jahr 2008,von 1,1 Milliarden c für das Jahr 2009 und von 980 Millionen c für das Jahr 2010 vorgesehen ist.

So hätte Ihr Antrag lauten müssen. Außerdem hätte er lauten müssen: Ich fordere die Landesregierung auf, endlich einen neuen mittelfristigen Finanzplan vorzulegen.

Anlass der Debatte ist ein Antrag der GRÜNEN, die einen Nachtragshaushalt fordern. Herr Kollege Kaufmann, Herr Kollege Al-Wazir, das kann man machen. Aber eigentlich ist es nicht nötig. Denn das Haushaltsgesetz sieht vor, dass Mehreinnahmen für eine Reduzierung der Nettoneuverschuldung zu verwenden sind. Man muss überlegen, ob man der Landesregierung diese Tür aufmacht. Ich weiß nicht, ob Ihr Antrag eine Chance hat.Wenn sie wirklich einen Nachtragshaushalt vorlegen würde, ist es möglich, dass dann nicht alle Mittel verwendet werden, um die Nettoneuverschuldung zu reduzieren – wie gesagt, der Antrag der CDU lässt diese Interpretation durchaus zu –, sondern noch einmal kräftig auf die Sahne zu hauen und Wahlkampfgeschenke zu verteilen.

Im Übrigen wird man mit einem Nachtragshaushalt keine Lehrerstellen schaffen können, denn wir werden ihn vor der Sommerpause mit Sicherheit nicht verabschieden können. Von daher ist eine Verbesserung der Schulsituation mit einem Nachtrag – leider,muss ich sagen – nicht zu erwarten. Deswegen sage ich: Die Weichen müssen mit dem Haushalt 2008 gestellt werden.

Ich befürchte aber, dass die Landesregierung dazu eben nicht fähig ist. Denn unsere Anträge, die wir zu der ordentlichen Haushaltsberatung 2007 – die GRÜNEN auch, aber auch die SPD – sehr intensiv gestellt haben, die Investitionen im Bereich Arbeit, Bildung, für Kommunalinvestitionen und für neue Energien vorgesehen haben – das war eine interessante Debatte, die wir hier zwei Tage lang geführt haben –, haben Sie alle abgelehnt; Sie haben sie alle abgebügelt. Dabei wäre es für die Situation auf dem hessischen Arbeitsmarkt notwendig gewesen, dass wir Beschäftigungsimpulse in diesem Lande setzen. Aber hier haben Sie die Chance verpasst, wichtige Impulse für unser Bundesland zu schaffen.

Sie haben unsere Anträge zur Absicherung des sozialen Netzes abgelehnt. Sie halten an der Verwaltungsteuerung, an SAP, fest, an diesem Millionengrab. Deswegen sage ich Ihnen: Diese Landesregierung hat mit dem Haushalt 2007, wie mit allen Haushalten zuvor, keine Antwort auf die Probleme des Landes gegeben.