Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

tinuierlich. Sie haben wahrscheinlich bereits gelesen, dass sich der Etat nun auf 85 Millionen c beläuft. Als wir gemeinsam begonnen haben,haben wir weniger als ein Drittel der Mittel vorgefunden. Wir beabsichtigen, im nächsten Jahr 100 Millionen c in diesem Bereich zu investieren. Das steht in unserem Wahlprogramm für den Fall,dass wir vom Wähler die Gelegenheit dazu erhalten, das umzusetzen.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist. Herr Hahn, Sie sind auf die Ausführungen von Roland Koch eingegangen, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nachzulesen sind. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die CDU diese Position uneingeschränkt teilt. Im Übrigen haben wir sie gemeinsam entwickelt. Ich bin Mitglied der Grundsatzkommission der Partei und habe den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Globalisierung, internationale soziale Marktwirtschaft“ inne.

Wenn Sie sich mit Entwicklungen auf diesem Globus beschäftigen und sehen, welche Größenordnungen beispielsweise in China oder in Russland zur Verfügung stehen, um Investment zu machen, und sehen, was dort im Einzelnen bereits vollzogen wird – ich nenne das Stichwort EADS; in diesem Zusammenhang gibt es die Entscheidung Russlands, aus anderen Gründen wieder auszusteigen, weil man gemerkt hat, dass man mit 5 % doch nicht so viel bewegen kann –,dann hegt man den Verdacht – ich denke, diesen Verdacht hegen viele in diesem Raum –, dass dahinter nicht nur investive Motive stehen, sondern dass dahinter auch das Motiv steht, machtpolitische Interessen durchzusetzen. Genau das haben wir in unser Grundsatzprogramm hineingeschrieben.

Dabei geht es nicht nur um Dinge, die weit weg sind. Da geht es beispielsweise sehr konkret um hessische Interessen. Ich erinnere an die Diskussion um die Frankfurter Börse und die Hedgefonds, die ein anderes Motiv haben, zu investieren, als viele andere. Herr Kaufmann, wir alle wissen, dass sich Frankfurter Banken, die Commerzbank, die Dresdner Bank, sicherlich den Tag noch einmal zurückwünschten,als sie mit höherem Kapital Teilhaber und Miteigentümer waren. Herr Posch, das hat nichts mit Protektionismus zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir wichtige Infrastrukturprojekte unserer Volkswirtschaft vor machtpolitischen und politischen Einflüssen schützen müssen. Wir sind neben England das einzige Land, das keine Schutzinstrumente hat.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Lothar Klemm, Norbert Schmitt (SPD) und Dieter Posch (FDP))

Herr Abg. Hahn hat das Wort zur Erwiderung.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Zwischenruf meines Ex-Kommilitonen, es krisele in der Koalition, bevor es sie gibt, kann ich nur ganz locker beantworten: Jürgen Walter gehört der SPD an, und Herr Boddenberg gehört der CDU an. Ich lese jeden Tag in der Zeitung, ihr würdet dieses Land in einer Koalition in Berlin regieren. Man merkt, dass ihr es nicht regiert. Aber versuchen Sie bitte nicht, mit einem solchen Beispiel, einem solchen kleinen Witz dieses Thema zu behandeln.

Herr Kollege Boddenberg, warum muss sich eigentlich der Hessische Ministerpräsident Roland Koch in jedem Wirtschaftsteil und in jedem Finanzteil rechtfertigen? Weil ganz offensichtlich seine protektionistische Idee bei all denjenigen, die im praktischen Leben der Wirtschaft stehen, nicht ankommt.

(Minister Karlheinz Weimar: Das sind die Interes- senvertreter!)

Herr Finanzminister, ich kenne keinen Einzigen, der in den letzten Tagen gesagt hat: Ja, es ist klasse, wir wollen jetzt einmal überprüfen, ob es gute oder böse Fonds gibt.

(Minister Karlheinz Weimar: Die haben ein massi- ves Interesse!)

Vielen Dank. Ich muss es akzeptieren, dass der Abg. Weimar dazwischenruft. Ich sage es noch einmal, auch für alle, die uns zuhören: Immer dann, wenn Karlheinz Weimar aktiv wird, haben wir einen Punkt gefunden, an dem er selbst weiß, dies ist ordnungspolitisch grober Mist, den die Union in Hessen veranstaltet.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kaufmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, welche Dynamik – wenn sie auch mit Schreien verbunden ist – diese Debatte bekommen hat. Mehr Dynamik tut dem Land gut, das haben wir schon mehrfach gehört. Ich will zum Einstieg einige Bemerkungen machen, weil meine Vorredner mich dazu veranlassen.

Herr Kollege Boddenberg, ich verstehe eigentlich nicht, warum Sie Ihre Rede in so hektischer und aufgeregter Form vorgetragen haben. Manchmal war es auch ohne Mikrofon fast zu laut. Ich will Ihnen nur sagen: Nach acht Jahren Regierung Roland Koch ist es ziemlich peinlich, wenn Sie die Hälfte Ihrer Argumente daher beziehen, dass vor acht Jahren alles viel schlechter war, als es heute ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das heißt doch nur, dass Ihnen während dieser acht Jahre nicht besonders viel gelungen ist.

Als zweiten Punkt greife ich nur ein Beispiel heraus. Sie haben auch Unwahrheiten verbreitet, als Sie sich über die Wissenschaftsausgaben ausgelassen haben. Dann schaue ich in das Gutachten. Da liegt Hessen bei den Wissenschaftsausgaben im Dynamikranking auf Platz 8, im Bestandsranking auf Platz 11. Da kann man nicht an der Spitze der Flächenländer sein, da müsste man in der Dynamik auf Platz 1 sein, wenn man von hinteren Plätzen kommt. Das ist von der Logik her völlig klar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die zweite Vorbemerkung geht in Richtung des Kollegen Hahn.Herr Kollege Hahn,ich verstehe ja alles,wir alle gucken auf den 27. Januar kommenden Jahres. Wenn Sie

aber die Zeit zwischen 1999 und 2003 als total dynamische Zeit für Hessen loben, dann vergessen Sie die damaligen Debatten, die bis heute nachwirken, dass nämlich RotGrün an allem schuld sei.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das stimmt immer!)

Das stimmt immer. – Das bezog sich damals auch auf Rot-Grün in Berlin. In der gesamten Zeit Ihrer angeblich so großen Dynamik hat Rot-Grün in Berlin regiert. Ich stelle fest, wenn Rot-Grün in Berlin regiert, geht es nach Meinung des Kollegen Hahn in Hessen sehr viel dynamischer zu, als wenn eine Große Koalition in Berlin regiert.

Herr Kollege Kaufmann, lassen Sie Zwischenfragen zu?

Frau Präsidentin, die Zeit ist zu knapp.

Ich möchte eine dritte Vorbemerkung machen.Meine Damen und Herren, der wesentliche Grund der Wahrnehmung des wirtschaftspolitischen Desasters in Hessen liegt doch – das geht wieder an die Adresse des Kollegen Boddenberg – in der Vollmundigkeit der Versprechen und in der Großkotzigkeit des Auftretens der Regierung Koch und ihrer Gefolgsleute. Herr Kollege Boddenberg, wer ständig das Wort „Garantie“ im Munde führt und Versprechungen macht, ohne sie zu halten: „Garantie plus“ – „Garantie double plus“ wird es demnächst heißen – usw., der kommt natürlich rasch in argumentative Nöte.

Ich sagte schon, die Regierung von Rot-Grün in Berlin ist inzwischen zwei Jahre Geschichte, in Hessen schon acht Jahre.Da müssen Sie sich die schlechten Daten,die für das Land festgestellt werden, schon selbst anrechnen lassen. Die anderen können es nämlich nicht gewesen sein, im Bundesvergleich schon lange nicht. Im Bundesvergleich gelten die Rahmenbedingungen der Bundespolitik für alle Länder gleichermaßen.

Die wirtschaftspolitische Debatte, die wir das letzte Mal führten – das war der 4. Mai, ist also noch nicht so lange her –, findet heute aus unserer Sicht ihre berechtigte und notwendige Fortsetzung. Ich will versuchen, die Klammer zwischen beiden zu schlagen. Vor zwei Monaten haben wir uns mit dem Mittelstandsbarometer von Ernst & Young beschäftigt. Zusammenfassend kann man in der Rückschau sagen:Wir waren etwas erstaunt darüber, dass die CDU ausgerechnet diese Studie als Maßstab für die wirtschaftspolitische Leistung der Landesregierungen in ihrem Antrag zugrunde gelegt hat.

Meine Damen und Herren von der Union, haben Sie sich tatsächlich erlaubt – das will ich hier noch einmal festhalten –, aus dem relativ dicken Werk von Ernst & Young zwei Notenpunkte herauszugreifen? – Ja, es stimmt: Mit der Infrastruktur sind die hessischen Mittelständler im Bundesländervergleich relativ zufrieden. Das war damals Ihr wesentliches Argument. Alle anderen Zeugnisnoten haben Sie damals in Ihrer Jubelarie einfach übersehen wollen.

Meine Damen und Herren, die Schulzeugnisse gibt es in dieser Woche noch. Herr Boddenberg, glauben Sie, dass ein Vater oder eine Mutter sich von ihren Kindern erzählen lassen: „In Musik und Sport bin ich prima“, und sich dann den Rest des Zeugnisses nicht anschauen? Ich denke, man sollte sich das gesamte Zeugnis angucken.

(Michael Boddenberg (CDU): Da gebe ich Ihnen ausnahmsweise einmal recht!)

Sehen Sie.– Weil das so ist,sollten wir uns auch noch einmal in einer solchen wirtschaftspolitischen Debatte das Mittelstandsbarometer von 2007 etwas genauer ansehen. Auf die Frage, ob sich die allgemeine wirtschaftliche Lage im Jahr 2007 verbessern wird, antworteten die nordrheinwestfälischen Mittelständler am zuversichtlichsten. Die hessischen Mittelständler lagen im Ranking auf Platz 10. Beim Wachstum der Investitionen liegt Bayern vorne. Dort wollen 50 % der Mittelständler bei sich selbst investieren. Hessen rangiert mit 39 % auf Platz 9. Hier geht es immer um die Einschätzung des Mittelstands. Die Einschätzungen kommen nicht von irgendwelchen bösen GRÜNEN.Was die Absicht einzustellen angeht, war Berlin der Spitzenreiter. In Hessen sind es nur 28 %, die das wollten. Das sind nur vier Fünftel des Bundesdurchschnitts, d. h. Hessen liegt ganz weit hinten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Bei der Beurteilung der internationalen Konkurrenzfähigkeit lag in dieser Studie Hessen auf dem 13. Platz. Meine Damen und Herren, daraus kann man doch ohne Weiteres folgern: Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wurde und wird von den mittelständischen Unternehmen in Hessen pessimistischer eingeschätzt als vom Mittelstand in Deutschland insgesamt. Das bedeutet doch etwas.

Acht Wochen später lag das Bundesländerranking vor. Dieses hat die SPD mit ihrem Antrag eingeführt, und es ist schon heftig diskutiert worden. Das hat auch ein bisschen etwas mit Zeugnissen zu tun. Das kommt Jahr für Jahr auf uns zu.

Man muss noch einmal unterstreichen, wer diese Studie durchführt, nachdem Herr Kollege Boddenberg versucht hat, dies kleinzureden, indem er sagte, es gebe Studien und anderes. Die Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ steht einer Gruppe mit Sicherheit nicht nah, und das sind die GRÜNEN. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hält mit der Mehrheit seiner Mitglieder die GRÜNEN für den wahrhaftigen „Gott sei bei uns“. Dann gibt es noch die „Wirtschaftswoche“. Auch dies ist kein Kampfblatt der grünen Front, wie Sie alle wissen. Das alles sind politisch gesehen am ehesten Ihre Freunde, Herr Boddenberg, die zu diesen Ergebnissen kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Norbert Schmitt (SPD))

Man kann aus dieser Studie auflisten, in welchen Bereichen Hessen abgerutscht ist. Dazu gehören das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, die Patentanmeldungen, die Kommunalinvestitionen und die Arbeitslosigkeit. Letzteres war vorhin auch etwas falsch dargestellt. Auch wenn Herr Kollege Boddenberg meint, wir hätten uns im Juni erfreulicherweise verbessert: Wir liegen mit 7,4 % immer noch schlechter als der Bundesdurchschnitt. Das muss man auch sagen.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Michael Boddenberg (CDU))

Es geht um den Durchschnitt der westlichen Flächenländer. – Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7,3 %, Hessen liegt bei 7,4 %.

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe.

Der Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer liegt bei 7,3 %, Hessen gehört zu den westdeutschen Flächenländern und liegt bei 7,4 %. Das ist ein Zehntelpunkt schlechter als der Durchschnitt. Der Staatsminister Rhiel ruft hinter mir: „Richtig!“ Herr Staatsminister Rhiel, Sie sollten nicht „Richtig!“ rufen, sondern sagen: Dies ist ja furchtbar.Was haben wir denn da falsch gemacht?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es gab in längst vergangenen Zeiten einmal den Slogan „Hessen vorn“. Dieser Slogan bezog sich nicht auf die Arbeitslosenquote. Auch in Disziplinen, die nicht direkt mit der Wirtschaftspolitik zu tun haben, ist Hessen nicht etwa besonders gut. Das qualitative Wachstum wird auch von der Schüler-Lehrer-Relation, von den Bildungsausgaben und von den Wissenschaftsausgaben gebildet. Ich hatte es vorhin schon erwähnt. Auch das hat Herr Kollege Boddenberg angesprochen.

In all den genannten Punkten liegt Hessen inzwischen auf den hinteren Plätzen. Deswegen darf man wohl die Frage an die regierende CDU stellen: Wohin haben Sie – insgesamt regiert Koch schon rund acht Jahre – Hessen in dieser Zeit eigentlich gebracht? Herr Boddenberg, das sind nicht die Versäumnisse von anderen. Das ist Ihre falsche Politik und nichts anderes, und sie dauert leider schon so lange, dass diese Ergebnisse herausgekommen sind.

Das Bestandsranking zeigt das Niveau, das ein Bundesland sozusagen in der historischen Entwicklung erreicht hat. Im Bestandsranking stehen wir 2004, 2005 und 2006 jeweils auf Platz 3. Das ist schon genannt worden. Aber die Frage, wie es weitergeht, ergibt sich unstreitig aus dem Dynamikranking. Hier kommt zum Ausdruck, wie die Chancen stehen, nachhaltig zu wachsen oder sich bei seinem Platz im Bestandsranking zu verbessern.Das zählt im Wettbewerb heute.

Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Im Jahre 2004 lag Hessen auf Platz 12, im Jahre 2005 auf Platz 13 und im Jahre 2006 auf Platz 15. Es gibt nur noch einen hinter uns. Das heißt, viel schlimmer kann es 2007 nicht mehr werden. Das ist der einzige Trost, den wir dabei haben.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Damen und Herren, seit Herr Koch und seine Freunde regieren und Herr Boddenberg sie verteidigt, sind wir von Platz 12 auf Platz 15 zurückgefallen. Nur noch Brandenburg liegt dahinter, wie schon erwähnt worden ist. Dass das ein Abstiegsplatz in der Tabelle ist, das weiß auch jeder, denke ich. So muss man der Landesregierung bescheinigen: Angesichts des kompletten wirtschaftlichen Versagens ist es nicht mehr verwunderlich, dass der alte Slogan „Hessen – hier ist die Zukunft“ abgeschafft werden musste; denn die Zahlen zeigen genau das Gegenteil.