Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dieses Signal sollten wir an die hessische Wirtschaft, an den hessischen Gewerkschaftsbund, an die hessischen Kommunen und nicht zuletzt an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer senden. Deshalb noch einmal unsere Aufforderung: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.Wir haben die Vorarbeiten geleistet. Sie brauchen nur noch Ja zu sagen. Wir tun damit allen in diesem Land etwas Gutes.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ypsilanti. – Nächster Redner ist Herr Boddenberg für die CDU-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Er erklärt uns das mit dem Handwerk!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ypsilanti, als Erstes schlage ich vor, dass wir uns darauf verständigen, den Betroffenen, die Sie angesprochen haben, nicht zu viel zu versprechen. Mit dem, was Sie vorgetragen haben, haben Sie zumindest diesen Eindruck vermittelt.An einer Stelle haben Sie versucht, das zu korrigieren. Aber so, wie Sie das vorgetragen haben, haben Sie den Eindruck vermittelt – das ist möglicherweise auch Ihr Ziel –, als könnte man mit einem solchen Gesetz alle Probleme dieser Welt lösen.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein, das hat sie gerade nicht gesagt!)

Doch, Herr Schmitt, das hat sie im Grunde genommen gesagt, indem sie beispielsweise auf das verwiesen hat, was vor einigen Tagen auf den Staatsweingütern festgestellt worden ist. Nach meiner Auffassung und nach meinem Rechtsempfinden ist das, sollte sich herausstellen, dass es so ist, wie es in der Presse zu lesen war, rechtswidrig. Das heißt, wir haben Gesetze, mit denen in solchen Bereichen das verhindert werden soll, was wir alle verhindern wollen.

(Beifall bei der CDU)

Also geht es um die Frage:Was wirkt denn? Wirkt ein zusätzliches Gesetz? Es geht nicht darum, ob wir eines brauchen – wie Sie es offenbar noch einmal vermitteln wollten –, mit dem wir alle Untaten dieser Welt verhindern können.

Wir haben eine Reihe von Vorgaben zu beachten. Bei der Vergabe haben wir europäisches Recht sowie das Wettbewerbsrecht der Bundesrepublik Deutschland in der Umsetzung des europäischen Rechts zu beachten. Wir haben zu beachten, dass es bei öffentlichen Vergaben einen wesentlichen Grundsatz gibt, nämlich dass nach der Einschätzung der Sachkunde, der Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit eines Unternehmens vorgegangen wird. Das ist der wesentliche Grundsatz sowohl im europäischen als auch im nationalen Recht, den man braucht, um Unternehmen überhaupt beauftragen zu können.

(Norbert Schmitt (SPD): Das wird durch unser Gesetz nicht aufgehoben! – Andrea Ypsilanti (SPD): Das steht gar nicht infrage!)

Herr Schmitt, alles andere bewegt sich häufig sehr schnell an der Grenze der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union.Art. 49 des EGVertrags definiert das sehr streng. Sie wissen, dass zurzeit eine Klage anhängig ist. Der Europäische Gerichtshof hat noch nicht entschieden, wie weit man bei der Tarifbindung, der Tariftreue und bei all diesen Punkten in den nationalen Gesetzgebungen oder in den – wie in unserem Fall – Ländergesetzgebungen gehen darf.

Frau Ypsilanti, Sie wissen auch, dass es in Hessen eine solche rechtliche Vorgabe schon einmal gegeben hat. Ich erinnere mich deshalb so gut daran, weil ich seinerzeit mehrere Jahre lang in der Vergabekommission der Stadt Frankfurt gesessen habe.

Ich will Ihnen nur zwei Punkte nennen, die ich noch in Erinnerung habe. Ich erinnere mich daran, dass wir immer wieder über den Kontrollaufwand gesprochen haben: Ist ein solches Amt einer Kommune – in dem Fall immerhin die größte Kommune Hessens – überhaupt in der Lage, das so zu kontrollieren,wie Sie und der DGB das zu Recht eingefordert haben?

Um es vorweg zu sagen:Wir führen gerade Gespräche mit dem DGB. Das wissen Sie.Aber wir gehen längst nicht so weit, wie Sie es in Ihrem Gesetzentwurf fordern, indem Sie beispielsweise weitere sogenannte vergabefremde Kriterien aufgenommen haben. Sie haben das Thema Ausbildungsplätze erwähnt.

In dieser Kommission standen wir bei der Umsetzung immer wieder vor einer,wie ich finde,fast lustigen Frage.Die Vorgabe der Verordnung lautete: Wenn es zwei gleiche Angebote gibt, muss der bevorzugt werden, der ausbildet. – Ich mache es ganz kurz. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal erlebt haben, wie es ist, wenn zwei Angebote auf dem Tisch liegen.Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht zwei absolut gleiche Angebote gesehen. Insofern war das immer eine Manövriermasse, und es war der Interpretation der Mitglieder der Kommission überlassen, wie man damit umgeht.

Ich erinnere mich auch noch daran, dass ich von dem damaligen Wirtschaftsminister Dieter Posch im Rahmen einer Anfrage einmal wissen wollte, wie seine Einschätzung ist:Wie viele Ausbildungsplätze haben wir dadurch möglicherweise generiert? Ich meine, die Antwort lautete, dass wir dadurch in ganz Hessen zwei bis vier Ausbildungsplätze generiert hätten. Vielleicht wird Herr Posch das nachher bestätigen.

Kurzum: Wir sind strikt dagegen, Regelungen in ein Gesetz zu schreiben, die man entweder nur schwer oder gar nicht kontrollieren kann. Wir sind auch dagegen, Punkte in ein Gesetz zu schreiben, die vergabefremd sind und im Grunde genommen zu willkürlichen Entscheidungen der entsprechenden Vergabestellen führen, die dann immer rechtlich angreifbar sind.

Wir haben einen Gesetzentwurf.Die Landesregierung hat mit dem DGB über einen groben Entwurf verhandelt. Dieser Entwurf konzentriert sich auf die Themen Bauaufträge, Gebäudereinigung, sowie Wach- und Sicherheitsleistungen. Um den Aufwand nicht ausufern zu lassen, sagt die CDU-geführte Regierung: Wir wollen mit einer solchen Regelung erst ab einem Schwellenwert von über 50.000 c eingreifen.

Das ist die Größenordnung – selbst wenn das momentan nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang steht –, die wir, wie Sie wissen, auch für die kommunale Ebene vorgeschlagen haben. Man wird sie dort auch umsetzen, was die freihändige Vergabe anbelangt. Wenn es um Größenordnungen unterhalb dieses Schwellenwertes geht, ist es sinnvoll, den handelnden Personen in der Verwaltung etwas Spielraum zu lassen. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist.

Aber das wars auch schon – wenn ich das einmal so sagen darf. Frau Ypsilanti, wir wollen auf keinen Fall eine verpflichtende Einbindung der kommunalen Ebene. Das ist nämlich Konnexität. Dazu haben Sie möglicherweise eine andere Auffassung. Wir sind nun einmal dieser Auffassung. Erst recht meinen wir, dass es, wenn es denn so ist, kaum zu ermitteln wäre, über welche Größenordnungen wir eigentlich reden. Das ist nach unserer Auffassung Konnexität. An dem Punkt bin ich sehr auf der Seite der

jenigen, die sagen, das soll die kommunale Seite selbst behandeln. Wir haben ein Beteiligungsgesetz. Das heißt, dass die kommunale Ebene an der Stelle zu beteiligen ist.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Aber die Kommunen haben das begrüßt, Herr Boddenberg!)

Noch einmal: Ich bin dieser Auffassung; andere teilen sie nicht. Möglicherweise teilt auch das Kabinett sie in einzelnen Punkten nicht. Ich glaube, dass das in dieser Debatte ein zentrales Problem hinsichtlich der kommunalen Ebene sein wird.

(Norbert Schmitt (SPD): Die Kommunen begrüßen aber unseren Vorstoß!)

Damit bin ich beim ÖPNV und den von Ihnen angeführten weiteren Unternehmen auf dieser Ebene: Volkshochschulen und andere mehr.

(Norbert Schmitt (SPD): Wegen der Kontrolldichten begrüßen die Unternehmen unseren Vorschlag!)

Was die Unternehmen des Landes anbelangt – Stichwort: Flughafen –, so unterliegen wir dort unserer Auffassung nach dem Zivilrecht. Das heißt, dort haben wir gesellschaftliches Recht.Aufgrund der Gesellschaftersatzungen dieser Unternehmen muss also über solche Fragen entschieden werden. Sie sind an der Stelle aber autonom. Insofern werden auch die sicherlich am Ende keine Berücksichtigung finden können.

Letzter Punkt. Sie wissen, dass es Gespräche mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund gibt. Im Moment liegt dort ein Entwurf vor, der sich in etwa an der Konzeption in Bayern orientiert.Sie wissen auch,dass andere Bundesländer – aktuell: im November 2006 Nordrhein-Westfalen – das alles wieder eingezogen haben, weil sie zu dem Schluss gekommen sind, das habe nicht viel gebracht.

Wir sind bereit, mit dem DGB weiter über ein solches Instrument auf der Landesebene zu reden, das in seinem Anwendungsbereich allerdings sehr beschränkt sein wird. Wir gehen davon aus, dass man, auch dank des guten Willens des Gewerkschaftsbundes, zu einer Lösung kommen kann, möglicherweise noch in diesem Jahr.

Das ist das Angebot, das auf dem Tisch liegt. Dann schauen wir uns, wenn es zustande kommt, in einigen wenigen Jahren einmal an, ob es Erfolg hatte oder nicht.

Wie gesagt: Ich befürchte – das war auch das, was ich eingangs in Ihre Richtung gesagt habe –, dass die Versprechungen, die Sie versuchen, den Menschen zu machen, nicht erfüllt werden. Aber möglicherweise ist es für den einen oder anderen Unternehmer, was seine Sorgfaltspflicht in derartigen Dingen anbelangt,durchaus eine weitere Hemmschwelle, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Wenn das das Ergebnis ist, wäre es am Ende in Ordnung. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Boddenberg. – Nun hat sich Herr Kollege Schäfer-Gümbel für eine Kurzintervention zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich aus zwei Gründen gemeldet. Erstens. Die Bemerkung von Herrn Boddenberg, dass hier Verheißungen versprochen werden, ist völlig aus der Luft gegriffen. Es geht um das, wo wir uns im Abstrakten sogar einig sind, nämlich darum, einen Wettbewerb mit gerechten Löhnen zu organisieren. Deswegen brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Das scheint bei Ihnen zumindest so weit gegriffen zu haben, dass Sie mittlerweile mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund über Eckpunkte für ein Tariftreuegesetz verhandeln.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das mit den gerechten Löhnen ist noch nicht angekommen!)

Ob das hinreichend ist, was Sie hier vorgestellt haben, werden wir an anderer Stelle zu diskutieren haben.

Zweiter Punkt. Sie haben das Thema Konnexität eingeführt. Das wird ein wesentliches Argument werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das in der Anhörung abgeräumt wird. Es geht um die Ausgestaltung eines bestehenden Rechtsrahmens. Es geht nicht um neue gesetzliche Bestimmungen.Deswegen ist das Thema Konnexität zwar von dem einen oder anderen Interessierten eingeführt worden, um das zu verhindern. Aber es ist nicht richtig. Ich glaube, das werden wir in der Anhörung auch dezidiert abräumen können.

(Beifall bei der SPD)

Auf diese Frage haben Sie eben keine Antwort gegeben. Ich bin sehr gespannt, was die Landesregierung dazu sagt. Wenn Sie das in das freie Ermessen der Kommunen stellen, werden Sie Rechtsunsicherheit organisieren.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Das haben uns die Kommunen an den verschiedensten Stellen im Vorfeld der Beratungen immer wieder gesagt. Das war einer der Punkte, warum die Verordnung letztendlich gekippt wurde: Sie ist eine nachstehende Rechtsstufe und kann deswegen nicht dieselbe Bindungskraft wie ein Gesetz erreichen.– Wenn Sie es nicht in einem Gesetz regeln, werden Sie die Rechtsunsicherheit in die Kommunen tragen. Deswegen ist Ihr Weg an der Stelle dezidiert falsch.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Nächster Redner ist Herr Kollege Posch für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin,meine Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ypsilanti, Sie haben nicht umsonst zu diesem Thema gesprochen

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ich rede nie umsonst zu irgendwas, Herr Posch!)

und damit den Stellenwert dieses Themas für die Sozialdemokraten in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht. Das bedeutet auch, dass man für eine solche Frage eine besondere Verantwortung übernimmt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Dazu muss ich Ihnen sagen: Das Beispiel der Staatsweingüter zur Begründung dieses Gesetzentwurfes anzuführen, führt in der Tat in die Irre.