Meine Damen und Herren, ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen. Ich glaube, wir haben die Frage der Motivation junger Menschen zu sehr unterschätzt. Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel.
Ich habe einen Brief erhalten, der symptomatisch für das ist, was viele von uns – und ich glaube, das wird auch bei Ihnen so sein – häufig hören. Im Zuge dieser Ausbildungsinitiative, die an vielen Stellen viele motiviert hat, nicht nur Mitglieder der Regierungsfraktion, sondern auch der Oppositionsfraktionen, sich ganz konkret um dieses Thema zu kümmern, also Unternehmen zu besuchen – –
Genau das sage ich gerade. Ich werfe Ihnen gar nicht vor, dass Sie nichts getan haben. – In diesem Zusammenhang waren sicherlich auch Sie in Betrieben und haben am Ende vielleicht auch einmal nachgefragt, was aus den Versprechungen bei den Besuchen geworden ist.
Ich war bei einem großen Bauunternehmen. Das hat sich bereit erklärt, wenigstens noch in einer dezentralen Niederlassung einen zusätzlichen Ausbildungsplatz zu stellen. Zehn Minuten später habe ich die Schulleiterin einer Frankfurter Hauptschule angerufen und gesagt: Da gibt es noch einen Ausbildungsplatz, bitte, Sie haben doch bestimmt jemanden,der in diesen Bereich will.– Drei Wochen später schreibt mir das Unternehmen:Wir haben die Bewerbungsunterlagen gesichtet, die waren in Ordnung, haben einen ersten Termin angeboten – er kam nicht. Dann haben wir gesagt, okay, vielleicht hat er das vergessen, wir bieten einen zweiten Termin an – auch nicht gekommen.
Damit will ich nur sagen, ich glaube, ein großer Teil der Gruppe derjenigen, über die wir hier reden, gehört zu denen, denen es noch nicht so deutlich vermittelt werden konnte, wie es sein müsste, dass das der wichtigste Schritt in ihrem weiteren Leben sein wird – nämlich jetzt die Chance zu ergreifen, den Ausbildungsplatz auch zu besetzen. Ich sage auch deutlich: Ich finde es nicht akzeptabel, dass wir in einer solchen Zeit immer noch über enorme Potenziale an nicht besetzten Ausbildungsplätzen verfügen – ob das in der Gastronomie ist, in der Nahrungsmittelwirtschaft, in vielen Gesundheitsberufen. Meine Damen und Herren, offenkundig ist jedenfalls bei einem Teil derjenigen, über die wir hier sprechen, der Leidensdruck noch nicht ganz so groß, als dass wir nicht noch einen Teil des Problems über den Weg eines ein wenig verstärkten Drucks auf diese Gruppe lösen können.
Das ist ein Thema, mit dem wir uns ohne Leidenschaft hinsichtlich Ideologie und Dogmatik von Parteiprogrammen unterhalten sollten. Ich fordere jetzt uns alle wirklich auf, sehr konkret vor allen Dingen mit den Tarifpartnern darüber zu sprechen, was außerhalb von Zwangsmaßnahmen wie der Ausbildungsabgabe ihr Vorschlag ist und wo ihr konstruktiver Beitrag liegt – ich habe einige konkrete Beispiele genannt –, um wenigstens im nächsten Jahr das Problem ein klein wenig zu mildern. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema und die Sachlichkeit der Debatte zeigen, dass wir es hier mit einem Phänomen zu tun haben, bei dem es um die Zukunft junger Menschen geht. Dieses Problem dürfen wir nicht leicht nehmen.Wir sind alle gehalten, in sachlicher Weise Lösungsbeiträge zu bringen.
Zunächst einmal einige wenige Daten. Die Zahl der gemeldeten Bewerber für Ausbildungsplätze hat in diesem
Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 % zugenommen. Sie ist also auf insgesamt 45.000 gestiegen. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze hat gegenüber dem Juni zugenommen; sie ist aber im August bei 35.300 stehen geblieben. Das ist genau die Diskrepanz, von der wir heute, im September, sprechen müssen. Leider haben wir keine Zahlen, die uns eine Entspannung signalisieren.
Wenn ich dennoch darauf hinweise, dass wir, wie wir aus der Erfahrung der letzten Jahre wissen, letztendlich erst im Januar eine Bilanz ziehen können, ist das einerseits als ein Hinweis zur Versachlichung der Debatte gemeint, soll aber andererseits nicht den Eindruck erwecken, als ob ich dieses Problem kleinreden möchte.
Die Dynamik und die Veränderungen, die wir in diesem Bereich derzeit erleben, spiegeln sich auch in den folgenden Zahlen wider. Im Juni gab es noch 20.200 unvermittelte Bewerber. Ende August dagegen waren es nur noch 13.300, also ein Rückgang um 6.900. Das ist die Zahl derer, die vermittelt werden konnten. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze lag im Juni bei 8.300. Ende August gab es nur noch 3.700 unbesetzte Ausbildungsplätze, also ein Rückgang um 4.600. In dieser Differenz spiegelt sich wider, dass die Anstrengungen vieler Beteiligter, nämlich der Mitglieder des Landtags, der Landesregierung und insbesondere auch der Wirtschaftsverbände, neue Ausbildungsplätze zu gewinnen, zwar durchaus von Erfolg gekrönt waren und sind, dass die Lücke aber noch nicht geschlossen werden konnte.
Ich möchte hier einmal deutlich sagen, was ich in dieser Debatte an den Beiträgen der SPD-Mitglieder vermisst habe: Wir sollten von dieser Stelle aus all denen danken, die weiterhin ausbilden und trotz der schwierigen Wirtschaftslage sogar zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben.
Es nützt wenig, immer nur über das Defizit zu sprechen, aber von den positiven Dingen zu schweigen; denn wir wollen die positiven Beispiele in den Vordergrund stellen, um eine Entwicklung einzuleiten, mit deren Hilfe es gelingt, die Lücke zu schließen.
Meine Damen und Herren, Deutschland hat Schwierigkeiten,im internationalen Wettbewerb mitzuhalten.Wenn Sie aber die jüngsten Studien lesen,die veröffentlicht worden sind, stellen Sie fest: Bei Umfragen unter ausländischen Unternehmen, was für sie der Standort Deutschland bedeute und was daran positiv sei, wurde übereinstimmend ausgesagt, die Motivation, der Ausbildungsstand, die Qualifikation, aber auch die soziale Kompetenz der Mitarbeiter in Deutschland stellten im internationalen Wettbewerb ein besonderes Plus dar.
Dann müssen wir uns fragen: Woher kommt das? Kann ein Ausbildungssystem, das derart für die Qualifizierung der Mitarbeiter sorgt, so schlecht sein? Offenbar muss es, was seine Wirkung und die Qualität der Ausbildung gerade der jungen Menschen betrifft, doch sehr gut sein, wenn gerade die fachlichen und sozialen Fähigkeiten der Menschen als besonders vorteilhaft im internationalen Wettbewerb bewertet werden.
Das muss für uns ein Grund sein, dafür zu sorgen, dass das duale Ausbildungssystem eine Zukunft hat. In den vielen Gesprächen, die Sie und ich geführt haben, wird immer wieder deutlich – Herr Boddenberg hat es herausge
stellt –, was die wahren Ursachen sind. Man kann sie ganz nüchtern aufzählen. Zum einen ist es die Tatsache, dass gerade jetzt – das ist der demographische Aspekt – geburtenstarke Jahrgänge Ausbildungsplätze suchen.Das ist ein Faktum,und es ist aus demographischer Sicht gut,dass wir mehr junge Menschen haben, die auch auf den Arbeitsmarkt drängen.
Der zweite Punkt ist schlicht und einfach die wirtschaftliche Situation. Es gibt einen Zusammenhang, der nicht auseinander zu bringen ist, nämlich den Zusammenhang zwischen der Beschäftigung insgesamt und der Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie die Arbeitsplatzsituation aussieht. Bei über 4,5 Millionen Arbeitslosen ist es völlig klar, dass, spiegelbildlich dazu, die Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Situation auch die Zahl der Ausbildungsstellen reduzieren.
Die Unternehmen – das sagen sie – tragen nämlich eine Verantwortung dafür, dass die Ausbildung der jungen Menschen, die sie einstellen, denen sie einen Ausbildungsvertrag geben, auch zu Ende geführt wird. Viele Unternehmen wissen heute nicht, ob sie am Jahresende noch genügend Aufträge haben, um zu überleben. Das ist der wahre Grund. Wenn in Deutschland alle 16 Minuten ein Unternehmen insolvent wird, ist das die Kennziffer, die dafür steht.
Ein dritter Punkt ist ebenfalls zu erwähnen.Man soll nicht darum herumreden – Herr Boddenberg hat es bereits gesagt –: In früheren Zeiten haben die Unternehmen auch junge Menschen eingestellt, die nach dem Schulabschluss noch nicht reif waren für eine Ausbildung, die insbesondere Defizite in der Theorie hatten. Dieser Markt ist heute so gut wie weggefallen, nicht zuletzt deshalb, weil gerade die Massenproduktion inzwischen nicht mehr in der Bundesrepublik beheimatet ist, sondern aufgrund der hohen Lohnkosten ins Ausland abgewandert ist. Hier kommen mehrere Tendenzen zusammen: zum einen die hohe Anerkennung dieser Art von Ausbildung, zum anderen, dass es die wirtschaftliche Lage den Unternehmen unmöglich macht, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, sowie die demographische Entwicklung.
Ich halte nichts davon, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Eine Ausbildungsabgabe kommt für uns nicht in Betracht.
Ein Beispiel – nicht von der Quantität, aber vom System her analog – liefert uns die Abgabe für die Schwerbehindertenbeschäftigung. Die Einführung dieser Abgabe hat nicht dazu geführt, dass mehr Arbeitsplätze für Schwerbehinderte angeboten wurden. Ganz im Gegenteil, die Unternehmen haben sich mit einem guten Gewissen freigekauft. Unsere Sorge bei der Einführung einer Ausbildungsabgabe ist, dass der gleiche Mechanismus greift. Deswegen muss sie abgelehnt werden.
Meine Damen und Herren, der Vorschlag von Frau Schönhut-Keil ist eine Variante. Sie sprechen nicht von einer „Abgabe“, sondern von einer „Umlage“. Das ist ein Vorschlag, der sicher diskussionswürdig ist. Ich denke, im Ausschuss sollte darüber diskutiert werden. Dennoch habe ich berechtigte Zweifel, die ich hier aussprechen möchte.
Die Ausbildungskapazität eines Unternehmens orientiert sich nämlich nicht in erster Linie daran, ob eine solche
Ausbildung finanziell tragbar ist, d. h. an ihrer betriebswirtschaftlichen Bedeutung, sondern die Ausbildungsfähigkeit eines Unternehmens orientiert sich an dem Potenzial an Menschlichkeit und Ausbildungskraft der einzelnen Mitarbeiter,aber nicht zuletzt auch an der Frage:Welche Perspektive habe ich als Unternehmer im Hinblick auf die unternehmerische Lebensfähigkeit und die unternehmerische Zukunft? Um auch in Zukunft überleben zu können, brauche ich eine bestimmte Anzahl qualifizierter Mitarbeiter, die ich heute ausbilden muss, um später die entsprechenden Aufträge ausführen zu können.
Ich komme zum Schluss. All das, was bundespolitisch insbesondere von der Bundesregierung diskutiert und auch eingeführt wurde – Stichwort:Ausbildungsplatzabgabe als Diskussionspunkt –, aber noch mehr die Änderungsvorschläge in der Handwerksordnung haben, was die Ausbildungsplätze und deren Zurverfügungstellung anbetrifft, mehr Schaden angerichtet, als es eine Ausbildungsplatzabgabe ausgleichen könnte.Auch das sollten wir uns merken. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mich beruhigt, dass die Debatte eher eine der leisen Töne ist und versucht wurde, ein paar Übergänge zu finden. Deswegen will ich gleich zu Beginn etwas klarstellen. Wenn der Antrag der SPD-Fraktion richtig gelesen worden wäre, hätten Sie festgestellt, dass sich dort der Begriff der Abgabe nicht findet, sondern wir reden über Finanzierungssysteme.
(Frank Gotthardt (CDU): Ah! So viele gibt es nicht! – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Danach habe ich gefragt! – Zuruf des Abg.Clemens Reif (CDU))
Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Denn wir haben gerade über Umlagenfinanzierung geredet. – Herr Dr. Jung, ich komme gleich dazu. Sie sind offensichtlich nicht mehr ganz so weit davon entfernt.Ich will aber zuerst zwei Bemerkungen zur allgemeinen Situation machen.
Ich weiß, dass Sie gerne dazwischenbrüllen, wenn ich hier vorne stehe.Wenn Sie aber ein bisschen leiser wären, dann könnte ich etwas zügiger durchkommen.
Zweite Bemerkung zur allgemeinen Situation.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es bereits im Ausschuss gesagt. Herr Rhiel und Frau Lautenschläger, wir haben es in Hessen mit einem Problem besonderer Art zu tun, weil die Ausbildungsquote in Hessen rund 1 Prozentpunkt unter dem Bundesdurchschnitt liegt.Das ist ein Befund, mit dem Hessen umgehen muss.
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, woran das liegt. Richtig ist ebenso, dass nur 25 % der ausbildungsfähigen Betriebe ausbilden.
Ich würde gern ein paar Ergänzungen zu der Problembeschreibung machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sicher ist es richtig, dass die allgemeine Wirtschaftslage ihren Teil zu der Ausbildungssituation beiträgt.
Der zweite Punkt, der Berücksichtigung finden muss, ist, dass auch das duale System in einer Krise ist. Die duale Ausbildung funktioniert nicht mehr so, wie wir sie von Mitte/Ende der Achtzigerjahre kennen. Neben der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen hat das im Kern zwei Ursachen, die im Wesentlichen in der Qualifikation liegen.