Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich kann mich sehr kurz fassen. Denn das, was Kollegin Faeser hier vorgetragen hat, unterstützen wir vollumfänglich. Wir hatten an diesem Punkt zwei Schwierigkeiten, über die wir auch in der Anhörung diskutiert haben. Das ist zum einen die Frage der IMSI-Catcher. Der zweite Bereich betrifft den Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.

Ich glaube, dass das, was Sie, Kollegin Zeimetz-Lorz und meine Damen und Herren von der CDU, jetzt auch als Änderungsvorschlag vorgelegt haben, nicht dem gerecht wird, was das Bundesverfassungsgericht geschrieben hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass bei entsprechenden Maßnahmen, wenn man zum Kernbereich privater Lebensgestaltung kommt, abzuschalten ist. Das ist die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Sie verschieben mit Ihrem Änderungsvorschlag die Zuständig

keit, wann abzuschalten ist, auf die Behörde. Ich glaube, dass wir als Gesetzgeber gehalten sind, ein Gesetz so klar zu formulieren, dass auf jeden Fall abzuschalten ist, wenn in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingegriffen wird. Sie versuchen hier mit einem Trick, die Entscheidung, wann abzuschalten ist, auf die Behörde zu schieben. Das ist der eine Punkt, an dem wir uns unterscheiden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich könnte jetzt den Datenschutzbeauftragten mit dem zitieren, was er gesagt hat. Aber das lassen wir einmal. Ich glaube, dass Ihr Entwurf nicht mit dem übereinstimmt, was das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat.

Der zweite Punkt ist die Frage, die wir in unserem Änderungsantrag aufgeworfen haben. Dort hätten Sie eigentlich ein bisschen mehr Bewegung zeigen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben uns des Öfteren schon darüber unterhalten, inwieweit die parlamentarische Kontrollkommission informiert wird, wann und wie schnell sie informiert wird. Das letzte Mal haben wir darüber geredet und uns auch öffentlich gestritten, Herr Innenminister, als es um die Döner-Morde – so hieß das, glaube ich – ging. Es ging um die Verwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes in diesen Fall.

(Zuruf von der CDU: Ein einziger Fall!)

Nein.– Da hat sich gezeigt,dass wir zwar Regelungen im Gesetz haben, dass aber diese Regelungen nicht so zwingend sind, dass dann die Kommission, die dafür zuständig ist, unverzüglich informiert wird und das nicht morgens aus der Zeitung erfährt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen haben wir den Änderungsantrag eingebracht. Ich glaube, dieser Änderungsantrag müsste auch für Sie zustimmungsfähig sein, weil er die Rechte des Parlaments stärkt und sagt, dass das Parlament und die Kontrollkommission des Verfassungsschutzes unverzüglich und umfänglich zu informieren sind. Deswegen müsste er eigentlich für Sie als Abgeordnete auch zustimmungsfähig sein, damit die Rechte der Abgeordneten gewahrt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher ist dieser Vorschlag und dieser Gesetzentwurf für uns nicht zustimmungsfähig. Aber das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt. Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es an dieser Stelle auch relativ kurz machen, da es an das anknüpft, was wir bereits in der ersten Lesung und auch im Ausschuss ausgeführt haben. Wir kritisieren nach wie vor, dass der Gesetzentwurf auch in der durch die CDU geänderten Fassung nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Wenn man die sehr deutliche Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten liest, Frau Kollegin Kühne-Hörmann, so

glaube ich nicht, dass diese wenig konturierte Fassung, die Sie durch Ihren Änderungsantrag vorgenommen haben, den Vorstellungen des Landesdatenschutzbeauftragten entspricht.

(Beifall bei der FDP)

Das Gesetz wäre nur dann verfassungskonform, wenn durch diesen Änderungsantrag ein konkretes Abbruchgebot in das Gesetz gekommen wäre. Wir haben diese Diskussion schon bei den von uns beantragten Änderungen zum HSOG ausführlich geführt. Auch hier haben wir Ihnen nachweisen können, dass das HSOG so, wie es momentan in Kraft ist, nicht mehr verfassungsgemäß ist, weil auch hier diese Abhörmaßnahmen ohne entsprechende Abbruchgebote vorgesehen sind. Aber auch dort haben Sie sich nicht überzeugen lassen. Von daher wundert es mich überhaupt nicht, dass wir diese Diskussion an dieser Stelle erneut führen und das bei Ihnen erneut nicht auf fruchtbaren Boden fällt.

Das Gleiche gilt für den Mangel einer expliziten Regelung zum Schutz der Berufsgeheimnisträger nach § 53 StPO. Auch dies ist für uns Grund genug, den Gesetzentwurf hier an dieser Stelle trotz der veränderten Form abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier. Herzlich willkommen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe das Gesetz seinerzeit in erster Lesung begründet. Ich will mich auch auf wenige Bemerkungen beschränken.

Dieses Gesetz verschafft dem Verfassungsschutz eine Reihe von Befugnissen. Das sind teilweise Befugnisse, die er schon länger hat und die neu abgegrenzt werden, aber das sind auch neue Befugnisse. Ich bin der Auffassung, dass hier – und da kann ich an das anknüpfen, was wir heute Mittag diskutiert haben – die berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger vernünftig austariert werden müssen, damit auf der einen Seite ihre Sicherheit gewährleistet und auf der anderen Seite nicht ohne Not in die Freiheitsrechte eingegriffen wird. Ich sehe keinerlei verfassungsrechtliches Risiko. Ich halte die meisten Punkte,die hier genannt wurden, entweder für falsch oder für schon so lange diskutiert,dass wir es jetzt wirklich kurz machen können.

Frau Kollegin Faeser, Sie haben hier etwas aus dem Strafrecht zitiert. Sie haben selbst vom Strafrecht gesprochen. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass das Verfassungsschutzgesetz nicht zum Strafrecht gehört.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das kann man anders sehen. Ich bleibe dabei: Die Aufgabenerfüllung steht im Vordergrund. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass das, was Sie hier auszugsweise vorgetragen haben, nicht passt. Ich wüsste auch gern einmal ganz konkret, neben den formelhaften Beschwörungen des Datenschutzes oder der Verhältnismäßigkeit: An welcher Stelle ist in diesem Gesetz die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt? Das habe ich in der ganzen Debatte nie gehört.

(Nicola Beer (FDP): Das habe ich doch gerade dargestellt! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei der Anhörung!)

Nein, bei der Anhörung auch nicht. – Das ist immer sozusagen in der Wolke.Wo das am deutlichsten wird, ist bei dem schönen Satz und der Kritik, die von der FDP immer wieder kommt, dass wir das und nicht nur das ins Gesetz hineinschreiben müssten, sondern auch welcher und wie der Kern der privaten Lebensgestaltung ist. Meine Damen und Herren, bis zu dieser Stunde gibt es schlicht von niemandem irgendeine Beschreibung, was das ist. Das Bundesverfassungsgericht hat selbst in seiner Beschlussentscheidung, die mittlerweile veröffentlicht ist, dargelegt, dass dies nicht zu formulieren, sondern im Einzelfall abzuwägen ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb kriegen wir das mit diesen Beschwörungsformeln nicht in den Griff. Wir haben jetzt ausdrücklich – ich begrüße das – den Gesetzesbefehl als Ausfluss der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung stehen, wo ich nach wie vor der Meinung bin, dass es nicht zwingend ist, aber ich halte das im Ergebnis für richtig, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen ist.

(Nicola Beer (FDP):Aber im Ursprungstext war er nicht drin!)

Bleiben wir bei meiner Haltung. Ich halte das nicht für zwingend, aber ich bin jetzt dafür, okay.

(Lachen der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich sage es noch einmal, damit es jeder zum Mitschreiben hat. Es ist für mich ein gewaltiger Unterschied, ob wir uns im Strafverfolgungsrecht oder in der Gefahrenabwehr im Polizeirecht oder gar im Verfassungsschutzrecht befinden. Das wird hier alles miteinander gemengt und immer formelhaft vorgetragen.

Es bleibt dabei. Auch die verehrte Opposition hat bisher noch niemals auch nur den Versuch gemacht, zu beschreiben, was es denn eigentlich ist. Es ist unredlich, zu kritisieren, dass es nicht im Gesetz steht, wenn bisher niemand in der Lage war – ich will das aus Zeitgründen nicht ausbreiten – und auch nicht in der Lage sein kann, zu definieren, was denn der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist.

Unser Datenschutzbeauftragter Prof. Ronellenfitsch hat sehr eindrucksvoll im Ausschuss gesagt: Das ist alles und nichts, und es kommt auf den Einzelfall an. – Wenn es auf den Einzelfall ankommt, dann ist es Sache der Behörde. Und unsere Behörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Deshalb ist das die einzige Form, wie man es überhaupt machen kann.

Aus diesem Grund kann ich überhaupt nicht erkennen, dass hier von Verfassungs wegen Bedenken sein könnten. Man kann das politisch alles anders bewerten. Aber die verfassungsrechtliche Debatte ist völlig anders.

Frau Kollegin Faeser, noch eine Bemerkung. Ich weiß nicht, ob Sie bei der Anhörung dabei waren, aber Sie könnten es nachlesen. Sie haben sich wieder zum IMSICatcher geäußert.Andere haben so halb gesagt: Ja, ja, wir schließen uns an. – Wenn Sie sich anschließen, muss ich sehr deutlich sagen: Das, was wir vorhin, heute Mittag, als einen großen Sicherheitserfolg gelobt haben, wäre ohne IMSI-Catcher nicht möglich gewesen.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): So ist es!)

Es geht nicht, je nach Punkt im Publikum und Geschmack einmal so herum und einmal so herum zu sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Und es geht schon gar nicht, wenn man entweder nicht informiert ist oder Informationen nicht zur Kenntnis nimmt.

(Günter Rudolph (SPD): Nur mit Ideologie geht es auch nicht!)

Frau Faeser, Sie haben wörtlich erklärt: Wir haben deshalb hier unter anderem unsere Ablehnung begründet, weil der IMSI-Catcher im Umkreis von 60 oder 80 m nicht nur alles erfasst, sondern es sogar unmöglich macht, Notrufe abzusetzen. – Das ist schlicht falsch. Das ist schlicht Unfug.

(Nancy Faeser (SPD): Das hat aber die Anhörung ergeben!)

Alle Experten, die mit dieser Sache zu tun haben – wir haben es im Innenausschuss sehr ausführlich gemacht –, haben dargelegt, dass das Notrufsystem davon in gar keiner Weise beeindruckt ist und dass das Notrufsystem natürlich weitergeht. Jetzt bitte ich Sie einfach um eines. Wenn Sie schon als selbst gewählte Expertin auf diesem Gebiet tätig werden, dann sollten Sie wenigstens – –

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So viel Spaß muss doch sein. Herr Kollege Rudolph, Sie waren doch dabei. Sagen Sie Ihrer Kollegin, was dort ausgeführt wurde. Es gibt keinen außer Frau Faeser, der bisher ernsthaft behauptet hat, dass Notrufe nicht abgesetzt werden können.

Wir können über politische Grundlinien streiten. Aber wir sollten nicht über Fakten streiten. Ich bitte das Haus um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)