Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier kämpft keiner mehr für seinen Bereich. Es werden nur noch die Anweisungen des Konzernvorsitzenden Koch exekutiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Symptomatisch ist der Auftritt des Ministerpräsidenten hier – Frau Sorge und Herr Siebel haben schon darauf hingewiesen –: die Gängelung des Sprechers der Konferenz der hessischen Universitäten Postlep. Wenn Mittel

entzug dafür angedroht wird, dass ein Hochschulpräsident nicht mehr macht, als das Demonstrationsrecht seiner Studierenden anzuerkennen, dabei aber gleichzeitig darauf hinweist, dass andere Kommilitoninnen und Kommilitonen nicht an der Durchführung ihres Studiums gehindert werden dürfen und dass für die Professoren an seiner Universität eine Lehrverpflichtung besteht, die zu erfüllen ist, dann kann ich nicht verstehen, wie hier mit Mittelkürzung gedroht wird. Da wird Autonomie, da wird Partnerschaft durch feudalherrschaftliche Umgangsart ersetzt.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Gotthardt (CDU): Der soll einmal bei uns in die Geschäftsstelle kommen, wenn die besetzt wird und Hausfriedensbruch gemacht wird!)

Es ist auch einfach, an dem von Ihnen, Herr Corts, vorgelegten Einzelplan zu beweisen, dass Bildung und Wissenschaft und Kunst keine Priorität mehr besitzen.

Erster Bereich, die Hochschulen. Es ist nicht nur der Hochschulpakt gebrochen. Anders als in der Vereinbarung zum Hochschulpakt vorgesehen, nämlich dass bei steigenden Studierendenzahlen die Mittel entsprechend erhöht werden, und zwar über die eigentlich vorgesehene Erhöhung hinaus, Stichwort: 5-%-Korridor, nehmen Sie zusätzlich 30 Millionen c aus dem System heraus. Da kann leistungsorientierte Mittelzuweisung mit den Parametern nicht mehr funktionieren.

(Beifall des Abg. Michael Siebel (SPD))

Stichwort: Baumittel an den Hochschulen. Sicher, Sie halten gerade eben die 127,8 Millionen c. Sie übertreffen sie leicht mit 132 Millionen c, die im Hochschulpakt zugesagt sind. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Verantwortung von Ruth Wagner hatten wir 158 Millionen c Investitionen im Hochschulbereich. Das heißt, Sie gehen hier um 32 Millionen c zurück. Damit erbringt der Hochschulbereich über 50 % der Einsparungen im investiven Bereich,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hört, hört!)

der 60 Millionen c, die Herr Koch vorgegeben hat, und das mit entsprechend schädlichen Auswirkungen auf die konjunkturelle Lage in diesem Land. Hier wird nicht intelligent gespart, hier wird dumm gekürzt, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Punkt: Belastung der Hochschulen durch dieses Bürokratiemonstrum Langzeitstudiengebühren. Diese Strafgebühr gibt keinerlei Leistungsanreiz für die Studierenden und bildet vor allem auch nicht die Belastungen der Hochschulen ab. Die Präsidenten haben in der Anhörung darauf hingewiesen,dass sie nicht belastet sind durch einen Studierenden, der nicht kommt, weil er ein Kind zu betreuen hat oder einen Angehörigen zu pflegen hat, sondern dass sie belastet sind durch Studierende, die drei-, vier-, fünfmal dieselbe Veranstaltung in Anspruch nehmen. Es ist also eine reine Strafsteuer, kein Leistungsanreiz.

Die Ausnahmeregelungen, die Sie vorsehen, sind nicht nur hoch bürokratisch, sie berücksichtigen auch nicht die entsprechenden Auswirkungen auf BAföG und Kindergeld. Frau Kollegin Kühne-Hörmann, das ist das Problem, und da sind Ihre schönen bunten Charts im Internet falsch.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt. Die Langzeitstrafgebühren behindern die Durchlässigkeit, und zwar nicht nur von der Fachhochschule zur Universität, sondern auch von den Berufsakademien zur Fachhochschule, denn es gibt immer noch die Anrechnung der an den Berufsakademien absolvierten Studienzeiten, obwohl die Berufsakademien überhaupt keine Hochschulen sind.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, letztendlich wird auch die Mobilität ins Ausland und aus dem Ausland nach Deutschland durch dieses Gesetz behindert. Denn wenn Sie ins Ausland gehen und möchten, dass die Leistungen, die Sie dort erbracht haben, hier im Studium angerechnet werden, dann zählt der Countdown bei den Studienzeiten weiter. Frau Kühne-Hörmann, von daher ist auch diese Darstellung im Internet falsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schlimmste ist aber, dass die Einnahmen, die hier geriert werden, nicht an die Hochschulen zur Verbesserung der Studienbedingungen fließen, damit man endlich zügiger studieren kann.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der angeblichen Hochbegabtenförderung, dem von Ihnen, Herr Minister, immer wieder propagierten LöwenFonds, ist spätestens seit der Antwort auf meine Kleine Anfrage nichts mehr zu sehen. Da war die Antwort einfach eine Fehlanzeige: Wir möchten es ganz gerne, haben aber keine Ahnung, wie wir es finanzieren sollen, und wir wissen auch nicht, wann es geht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich komme noch einmal auf eine Bemerkung des Ministerpräsidenten zu sprechen, die er gestern gemacht hat. Leider kann er heute nicht hier sein.

(Frank Gotthardt (CDU): Da sitzt er doch!)

Jetzt sitzt er auf der anderen Seite;aber jetzt hört er vielleicht einmal zu. – Er hat gestern meinem Fraktionsvorsitzenden vorgeworfen, es sei doch alles wunderbar, es gebe den zweithöchsten Zuschuss für den Hochschulbereich, bezogen auf die zurückliegenden Jahre. – Herr Ministerpräsident,das ist doch eine Milchmädchenrechnung. Sie selbst müssen doch wissen, dass der Etat für den Bereich Wissenschaft und Kunst von innen heraus ausgehöhlt wird. Nicht nur, dass der Zuschuss für den Einzelplan 15 um 43 Millionen c gesenkt wird,hier werden doch mittlerweile auch die Versorgungslasten etatisiert. Allein der Anstieg bei den allgemeinen Versorgungslasten beträgt 2 Millionen c beim Einzelplan 15, von 89 Millionen auf 91 Millionen c. Das heißt, selbst wenn ich eine schwarze Null schreibe, erodiert das System von innen heraus, weil man für die eigentlichen Aufgaben in Forschung, Lehre und Kultur überhaupt kein Geld mehr übrig hat.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Petra Fuhrmann (SPD): Der Ministerpräsident hört gar nicht zu!)

Meine Damen und Herren, mit diesem vorgelegten Haushaltsentwurf werden die Anstrengungen der Hochschulen zur Umstrukturierung, zur Qualitätssteigerung und zur Profilbildung zunichte gemacht, und das ist ein düsterer

Ausblick auf die Zukunft. Hinzu kommt, wenn wir einmal den engeren Bereich der Hochschulen verlassen, dass darüber hinaus ein Kahlschlag im Forschungsbereich erfolgt.

Stichwortartig: Beim Innovationsfonds werden 5,67 Millionen c gekürzt. Die Investitionszuschüsse an Kliniken sinken um 4,1 Millionen c. Die Zuschüsse an private Hochschulen – Herr Minister, ich dachte immer, das liegt der CDU am Herzen – verzeichnen minus 700.000 c, die Zuschüsse an Studentenwerke – das liegt Ihnen nicht so sehr am Herzen – minus 600.000 c, und bei der außeruniversitären Forschung sind es minus 4,2 Millionen c.

Dazu muss man ganz ehrlich sagen:Es ist aufgefallen – die CDU hat jetzt versucht, nachzubessern –, dass gerade bei den kleineren Forschungsinstituten völlig konzeptionslos und allein aus ideologischen Gründen gekürzt wurde. Wenn man sich die Kürzungen bei der Stiftung Friedensund Konfliktforschung, beim Sigmund-Freud-Institut oder auch beim Institut für Solare Energieversorgungstechnik anschaut, stellt man fest, dass hier nur Ideologie am Werke gewesen ist.

(Beifall bei der FDP)

Die CDU bessert jetzt Gott sei Dank in einigen Bereichen nach. Das hilft aber nicht, Frau Kollegin Kühne-Hörmann; denn wir haben Ihren Willen, der hierbei zum Ausdruck gekommen ist, erkannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich schlimm finde und was heute noch nicht angesprochen worden ist: Die Ignoranz im Hinblick auf die Technologie- und Forschungsförderung geht weit über den Einzelplan hinaus. Herr Kollege Rhiel, schauen Sie sich einmal Ihren Haushaltsplan an. Sie werden feststellen, dass bei Technologie, Innovationsförderung und Technologietransfer noch einmal Streichungen in Höhe von 2,8 Millionen c hinzukommen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Frau Kollegin Beer, Sie müssten langsam zum Schluss kommen.

Ich komme sofort zum Schluss. – Diese Zukunftstechnologien haben bei Ihnen keinen Platz mehr. Dazu passt auch das Chaos innerhalb der CDU im Hinblick auf das Nanotechnologiezentrum. Herr Corts weiß, dass er nichts will. Herr Rhiel und Herr Wagner sagen Ja und wissen sogar, wohin es muss, nämlich nach Mittelhessen. Frau Kollegin Kühne-Hörmann weiß nicht, was sie will.Aber wenn es etwas gibt, dann muss es auf jeden Fall nach Kassel.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Das ist doch keine strukturierte Forschungsförderung. – Auch in der Kultur wird das Aufholen kaputtgemacht. Herr Kollege Corts, mehr Glamour beim Filmpreis verschleiert nicht, dass im kulturellen Bereich gerade auch bei privatem Engagement sehr schmerzhaft gekürzt wird.

Deshalb kann man insgesamt nur feststellen: Es ist traurig, wie hier innerhalb von sechs Monaten ein Paradigmenwechsel erfolgt ist. Hier wird nicht intelligent gespart, sondern dumm gekürzt. Herr Minister Corts, wir haben Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie man diese Kürzungs

orgie verhindern kann. Vielleicht nutzen Sie die nächsten vier Wochen, um noch einmal darüber nachzudenken, dass Sie für einen ganz wichtigen Bereich zu kämpfen hätten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Das Wort hat Herr Staatsminister Corts.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Beer, liebe Frau Sorge, zunächst will ich versuchen, das Klima wieder ein wenig zu verbessern.Wir sollten uns sicherlich sachlich darüber auseinander setzen. Aber die Termini, die ich eben gehört habe, wirken ein wenig giftig.Vielleicht können wir gemeinsam auf eine sachliche Ebene zurückkommen.

Zunächst grundsätzlich und in aller Klarheit: Auch der Haushaltsentwurf des Jahres 2004 für die zwölf Hochschulen des Landes ist auf der Grundlage des im Jahr 2002 vereinbarten Hochschulpakts erarbeitet worden. Die Berechnungen der Budgets entsprechen den Vereinbarungen des Pakts. Sie berücksichtigen allerdings auch – wie sollte dies anders möglich sein – in einem sehr maßvollen Umfang die unumgänglichen und sinnvollen Sparziele der Landesregierung. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, werden Sie das feststellen.

Also sind die Ansätze des Jahres 2003 entsprechend den Vereinbarungen fortgeschrieben worden. Hierzu zählen die Tarifsteigerungen für das Jahr 2004 in Höhe von 1,36 % und zusätzliche Sach- und Investitionskosten in Höhe von 7,6 Millionen c.Nach Abzug der Einsparungen beträgt das Gesamtbudget für das Jahr 2004, das auf die zwölf Hochschulen verteilt werden kann, rund 1,141 Milliarden c. Zum Vergleich: In diesem Jahr sind es 1,148 Milliarden c. Das ist bekanntlich die höchste Summe, die jemals an die Hochschulen verteilt worden ist. Für das nächste Jahr wäre es demnach die zweithöchste Summe, die jemals an die Hochschulen geflossen ist. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Das sind Fakten, die angesichts der Einsparungen bei den Hochschuletats anderer Bundesländer immer wieder genannt werden müssen. Da hier eben die ganze Zeit mit Zahlen gespielt worden ist, will ich insbesondere den Zuschauern einige wenige Zahlen nennen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das heißt, Sie spielen jetzt mit!)

Ich spiele nicht mit, sondern ich versuche, die Debatte auf eine richtige Basis zu stellen.– Erstens.Es hat noch nie einen so hohen Anteil des Budgets der Hochschulen am Gesamtetat gegeben, wie dies in dem vor uns liegenden Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2004 der Fall ist, nämlich 7,51 %.

(Nicola Beer (FDP): Weil der Gesamtetat schrumpft!)