Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Ich will nun etwas zum Subsidiaritätsprinzip sagen. Wir sind uns darin einig, dass es angestrebt werden muss, dass die Gründung kommunaler Wirtschaftsunternehmen künftig nur noch unter restriktiven Voraussetzungen möglich sein soll, und dass durch ein strenges Subsidiaritätsprinzip die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen sukzessive zurückgeführt und auf jene Tätigkeiten beschränkt werden soll, die von den Kommunen besser erledigt werden können als von privaten Anbietern.

Diese Änderung im kommunalen Wirtschaftsrecht ist keineswegs gegen die Kommunen oder deren Interessen gerichtet. Vielmehr sprechen sowohl prinzipielle als auch ganz praktische Überlegungen für diese Änderungen. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Kommunen nur noch die Aufgaben wahrnehmen, die ihnen wirklich obliegen.

Die Abgrenzung ist in diesem Bereich ausgesprochen schwierig. Die Kollegen haben auch schon angedeutet, dass die Ausuferungen, die zum Teil stattfinden, nicht hinzunehmen sind.

(Günter Rudolph (SPD): Aber doch nicht in Hessen!)

Wir werden den Bestandsschutz für bereits bestehende kommunale Unternehmen beachten. Im Gegensatz zur SPD sind wir der Auffassung, dass eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich notwendig ist.

Die Frage muss beantwortet werden, inwieweit auch Unternehmen, an denen Kommunen gemeinsam mit Privaten maßgeblich beteiligt sind, von dieser Subsidiaritätsforderung erfasst werden sollen.Es muss auch darüber geredet werden,dass es weiterhin möglich sein muss,die Gewinnung privaten Kapitals zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verwenden.

Die Beteiligungsrechte sind vorhin schon angesprochen worden. Die Kommunen sollen gesetzlich verpflichtet werden, regelmäßig Beteiligungsberichte zu erstellen. Das halte ich für ausgesprochen notwendig. Die meisten größeren Kommunen haben in den letzten Jahren bereits intensiv an der Konzeption derartiger Berichte gearbeitet, sodass eine Unterstützung dieser Entwicklung durch eine klare gesetzliche Regelung sinnvoll erscheint und damit gewährleistet wird,dass die kommunalen Mandatsträger über die Beteiligungen der Kommunen besser informiert werden. In vielen größeren Städten übersteigen die Umsätze der kommunalen Unternehmen inzwischen das Volumen des kommunalen Haushalts. Deswegen meine ich, es muss zu mehr Transparenz kommen.

Die Prüfung der kommunalen Unternehmen durch den Präsidenten des Rechnungshofes – wir finden, ein Mehr an kritischer Begleitung kann nicht schaden. Deswegen glauben wir, dass die Vorschläge des Präsidenten des Rechnungshofes, die in der letzten Woche vorgetragen

worden sind, Eingang in die Überlegungen zur Novellierung der HGO finden müssen.

Insgesamt befinden wir uns auf einem guten Weg.Wir sind im Zeitplan vorn. Deswegen wird im Frühjahr dieses Jahres die HGO-Novelle eingebracht mit den wichtigen Themen der wirtschaftlichen Betätigung der kommunalen Unternehmen und der Gemeinden. Aber das ist nur ein Thema. Herr Kollege Hahn, warten Sie es deswegen ab, bis die HGO-Novelle kommt,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es geht nicht um mich! Es geht um die Lösung des Problems!)

von der ich hoffe, dass Sie in voller Form zustimmen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat der Innenminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Landesregierung hat ihre Position immer wieder vorgetragen. Wir sind gar nicht weit auseinander. Kollege Hahn weiß das. Ich habe zuletzt auf der Mitgliederversammlung des Hessischen Städtetages bewusst vorgetragen, welchen Veränderungsbedarf ich sehe. Ich gehe davon aus, dass wir, zumindest was das Kabinett angeht, das auch so umsetzen werden, und die feste Absicht ist, in der letzten Sitzung dieses Hauses vor der Sommerpause den Gesetzentwurf vorzulegen. Die ablehnende Haltung der Landesregierung heute ist keine Ablehnung in der Sache, sondern zum Zeitpunkt.

(Nicola Beer (FDP): Peinlich, peinlich!)

Wir haben ja eine gemeinsame Vergangenheit. Seien Sie deshalb vorsichtig. Ich kenne jede Akte.

(Dieter Posch (FDP): Eierei!)

Herr Kollege Posch, wir eiern überhaupt nicht. Sie als ehemaliger Minister wissen genauso gut wie ich, es macht keinen Sinn, ein für die Kommunen herausragend wichtiges Gesetz wie die HGO zweimal zu ändern. Es macht keinen Sinn, sich jetzt das Gemeindewirtschaftsrecht vorzunehmen und das, was dringend gemacht werden muss – z. B. das Gemeindehaushaltsrecht –, im Juli zu beraten. Das wäre unsinnig. Deshalb trage ich Ihnen vor, was in dieser Novelle sein wird.

Es werden die Themen des Gemeindewirtschaftsrechts sein. Es werden die Themen des Gemeindehaushaltsrechts sein – eine mehr als komplizierte Angelegenheit, relativ trocken und selten politisch umstritten, aber von größter Bedeutung. Es wird die Frage des Gemeindeverfassungsrechts sein, nach dem Motto: Gibt es Veränderungen bei der Frage, wann eine Fraktion automatisch eine Fraktion ist, und wann sie es nicht ist? Es gibt eine Vielzahl von Wünschen aus unterschiedlichen Bereichen in der Frage: Werden Wahlkreise auf kommunaler Ebene eingeführt? Wird im kommunalen Wahlrecht bei dem Thema Kumulieren und Panaschieren etwas geändert – Namen hinzufügen, Ortsteile hinzufügen? Es gibt die Wünsche auf allen Ebenen bis dahin, dass immer wieder gefordert wird, dass man eine Sperrklausel einführt, und viele andere Fragen. Der vierte Komplex wird in diesem

Zusammenhang eine Verbindung mit dem Thema der Doppik bzw. der neuen Haushaltsrechnungslegungen sein. Das sind für das Kommunalwesen alles wesentliche Fragen.

Wenn Sie dieses große Werk zusammenfassen, dann werden wir ernsthaft nicht darüber streiten können, dass das einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens Ende Februar den ersten Kabinettsbeschluss dazu haben werden. Dann kommt die Anhörung – zwei Monate –, die uns gesetzlich vorgeschrieben ist.Dann kommt der zweite Kabinettsbeschluss.Dann brauchen wir 14 Tage, um das Parlament zu erreichen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dann ist November!)

Es wird Juni oder Juli werden. Ich trage das deshalb so vor, weil wir eine Behauptung zur Seite legen können: Es geht nicht darum, ein Thema zur Seite zu führen, zu eiern oder sich vielleicht vom Thema zu verabschieden. Ich habe immer die Auffassung vertreten – ich komme zu dem Antrag der FDP –, dass ich im Grundsatz alle diese vier Punkte teile.Das habe ich immer vorgetragen,und das gilt auch heute.

Ich will die Redezeit sehr knapp halten, weil wir uns oft genug darüber ausgetauscht haben, und mich nur beispielhaft äußern. Ich halte es für richtig, dass das Subsidiaritätsprinzip in der Gemeindeordnung aufgenommen wird. Darüber gab es zwischen diesen Teilen des Hauses und mir nie eine Diskussion. Dabei ist nicht entscheidend, dass es auch bei Geltung eines Subsidiaritätsprinzips immer eine Fülle von Streitfragen gibt und es in der Praxis immer noch Probleme aufwirft. Es geht darum, dass wir ein grundsätzliches Signal aussenden, das so aussieht, dass wir der Auffassung sind, dass der Staat – und in dem Fall die Kommunen – nur das macht, was er machen muss. Wenn es in gleicher Weise mit dem gleichen Angebot auch durch Private machbar ist,können es Private machen,weil wir auf diese Weise Wettbewerbsverzerrungen vermeiden wollen.

Aber – jetzt an die Kollegen der FDP – es gibt eine Reihe von Punkten, da bin ich mit Ihrem Entwurf nicht ganz einig, weil ich glaube, dass er zu kurz greift.Wir werden eine sehr intensive Debatte haben. Sie haben z. B. bei der Subsidiaritätsklausel, die ich immer – Sie waren oft genug dabei – für richtig gehalten habe, an die Errichtung und Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens angeknüpft. Ich halte das für nicht ausreichend.

Es geht nicht um die Erweiterung. Es geht nicht um die Übernahme. Es geht eigentlich auch nicht um die Frage der Neugründung eines Betriebes, sondern es geht um die wirtschaftliche Betätigung. Deshalb möchte ich bei dem Gesetz an die wirtschaftliche Betätigung unabhängig davon anknüpfen, ob die etwas Neues gründen oder nicht. Das genau ist der entscheidende Punkt. Wir müssen z. B. regeln – dazu sagt Ihr Gesetzentwurf nichts, aber ich halte es für notwendig –:Wollen wir das im Kommunalrecht tragende Prinzip der Staatsbezogenheit lockern oder nicht?

Ich persönlich vertrete die Auffassung, wir müssen es lockern. Wir haben es im Energiebereich gemacht. Sie wissen genau, wir haben eine Fülle von Städten, die durch ihre Unternehmungen überall tätig sind. Wenn sich eine hessische Stadt mit einer Tochterunternehmung in Thüringen oder Brandenburg engagiert, dann ist das zunächst einmal mit dem Kommunalrecht nicht ganz einfach.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Vor allen Dingen mit der Steuer!)

Dazu müssen wir eine Antwort geben, weil die vortragen, dass ihr Unternehmen eine Entwicklungschance haben muss und ansonsten keine hat. Das sind ernsthafte Fragen. Dazu müssen wir uns äußern. Dazu werde ich einen Vorschlag unterbreiten. Wir müssen uns zu dem Thema der verbundenen Leistungen äußern, wo Kommunale mit Privaten etwas gemeinsam betreiben – ein ziemlich kompliziertes Feld.Aber auch dazu müssen wir eine Entscheidung treffen. Das ist in weiter Fläche der Fall. Damit Sie sehen, dass ich in Teilen viel weiter gehe, als Sie vielleicht glauben: Ich neige dazu, nicht mehr Aktiengesellschaften zuzulassen. Das trifft erheblich. Wenn wir das Primat der öffentlichen Vertretung ernst nehmen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir aus dem Dualismus und teilweise dem Gegensatz zwischen Gesellschaftsrecht und Kommunalrecht herauskommen.

Es ist unbefriedigend, wenn ein Kreistagsabgeordneter oder ein Stadtverordneter in der Presse liest, dass eine städtische Unternehmung hohe Verluste erzielt hat, er im Kreistag bzw. in der Stadtverordnetenversammlung dazu eine Auskunft möchte und die dort in den Unternehmen im Aufsichtsrat oder wo auch immer tätigen Vertreter des Kreises oder der Stadt ihm mitteilen müssen: Das darf ich dir nicht sagen, denn ich bin z. B. nach Aktienrecht gebunden. – Das ist keine gute Situation.

(Michael Denzin (FDP): Das gilt auch für die GmbH!)

Das Aktienrecht ist das am stärksten gebundene.Bei der GmbH haben wir etwas mehr Möglichkeiten. – Deshalb neige ich dazu zu sagen: Wir regeln nur bei Neuem, weil der Bestandsschutz und Art. 28 Grundgesetz den Eingriff in Vorhandenes sehr einschränken und dieser meines Erachtens auch nicht erfolgen sollte. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob man z. B. die Frage der Aktiengesellschaft über kommunalrechtliche Vorschriften regelt.

Lassen Sie mich ein letztes Thema ansprechen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Hahn?

Sofort. Lassen Sie mich einen Gedanken noch zu Ende führen.

Die Informationspflichten der Vertreter des Gemeindevorstands in den kommunalen Unternehmen gegenüber der Gemeindevertretung – in der Regel sind es die hauptamtlichen Mitglieder des Gemeindevorstands, die in diesen Unternehmungen sind – wie auch immer zu regeln, halte ich für vernünftig. Es in dem Kreis und in der Stadt so zu machen und in der anderen Stadt anders, das versteht die Öffentlichkeit nicht. Dann bleibt nur übrig: Alle Welt redet über große Verluste, aber die Amtsträger dürfen nichts sagen, und am Schluss soll es der Bürger bezahlen. – Wir müssen Ordnung hineinbringen.

Das sind die Gründe, die weit über die verschiedenen Komplexe der Kommunalrechtsnovelle der FDP hinausgehen. Das sind Gründe, die zu dem Gesetzesentwurf der Freien Demokraten, allein auf das Gemeindewirtschaftsrecht bezogen, eine vertiefte Bearbeitung erforderlich

machen. Und das werden wir tun. – Jetzt bin ich bereit, Zwischenfragen zu beantworten.

Herr Hahn, bitte schön.

Herr Staatsminister, warum haben Sie diese sehr interessanten Fragen in den letzten neun Monaten nicht bereits in die Diskussion im Innenausschuss eingebracht und einer Entscheidung zugeführt?

(Beifall bei der FDP)

Diese Fragen habe ich mehrfach vorgetragen. Herr Kollege Hahn, ich meine sogar, dass Sie bei der Hauptversammlung des Städtetags anwesend waren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja! – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bevor man sich zu diesen Fragen abschließend – auch im Innenausschuss – äußert, muss doch auf der Ebene der Sachbearbeitung geschaut werden, dass z. B. die Fragen des Aktienrechts so behandelt sind, dass man eine Position einnehmen kann, die trägt. Das eine ist, eine Position zu haben.Dann muss man das abprüfen.Wir tun dies übrigens zur Stunde auch mit dem Landesrechnungshof. Wir tun das mit vielen anderen.Wir versuchen zurzeit z. B., zusammen mit den Kommunen herauszufinden, wen was trifft, um abschätzen zu können, welcher Veränderungsbedarf besteht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Das kann man auch öffentlich machen, weil es in der Zeitung stand. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt, die einen sehr reichhaltigen Kranz an Unternehmungen hat,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Fundus!)

hat öffentlich verkündet, was sie dort alles beabsichtigt. Das haben wir im Ausschuss vertieft behandelt.Ich denke, es gibt vernünftige Gründe, die aus kommunaler Sicht zu berücksichtigen sind, und es gibt die Gründe, die wir eben miteinander besprochen haben. Das muss man zusammenbringen. Meine Absicht als Kommunalminister ist es nicht, das alles mit der Axt zu erledigen, sondern ich setze auf Einsicht und Kooperation. Deshalb werden wir im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf die Kommunalen Spitzenverbände nicht nur einbeziehen, sondern wir werden die Stellungnahmen auch würdigen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem man sich gegenüber dem Parlament mit einer Regierungsmeinung festlegt.

Unter dem Strich. Die Fragen, um die es hier geht, behandeln wir jetzt seit – was haben Sie zitiert? – dem 6. Mai 2003, Herr Kollege Hahn. Ich bin guter Hoffnung,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nach neun Monaten! Du trägst über,Volker!)

dass ich Ihnen am 6. Mai 2004 zumindest das vorlegen kann, was ich Ihnen eben genannt habe.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Welcher Sommer war es?)