Ich frage Sie weiterhin:Was ist denn mit der völligen Aufweichung des Sanktionssystems? Wer hat denn den Gesetzentwurf dazu eingebracht? Das war Ihre Bundesjustizministerin.
Ich bin selbst in einigen Fällen Strafverteidiger.Ich glaube aber, dass die geplante exzessive Ausweitung der Rechte der Beschuldigten gerade nicht im Sinn der Opfer ist. Sie können so etwas auch nicht behaupten.
Da wir hier Landespolitik betreiben, möchte ich auch noch landespolitische Aspekte einfließen lassen.
Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Ende meiner Rede. – Was haben wir in den letzten vier Jahren mit der FDP gemeinsam geregelt? 612.000 c stehen den Opferhilfevereinen zur Verfügung. Das sind 50 % mehr, als es 1998, zu der Zeit Ihrer Regierung, gab.Wir haben in Hessen ein dichtes Netz Opferberatungsstellen geknüpft.Wir haben etliche Initiativen im Bundesrat eingebracht, die den Schutz der Opfer bezwecken. Das spricht für sich.
Meine Redezeit ist zu Ende. – Wir brauchen, wenn es um den Schutz der Opfer geht, keinen Nachhilfeunterricht von der SPD und den GRÜNEN. – Ich danke Ihnen ganz herzlich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rhein,Sie haben hier eben in einer Art und Weise gesprochen, dass man der Meinung sein könnte, pöbelnde Arroganz wäre eine Tugend.Ich kann Ihnen sagen:Das ist sie nicht.
Der Antrag der SPD-Fraktion gibt uns Gelegenheit, einmal wieder den Unterschied zwischen Schaumschlägerei auf der einen Seite und verantwortlicher Politik auf der anderen Seite zu erkennen.
Meine Damen und Herren der CDU, schauen wir uns doch einmal an, was Sie in Ihrem Regierungsprogramm zum Opferschutz noch verkündet hatten. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich:
Wir werden den Opferschutz sichern und ausbauen. Hessische Opfer von Gewaltstraftaten und Wohnungseinbrüchen sollen aus einem Fonds materiell unterstützt werden können, soweit andere Leistungen nicht zu erlangen sind.
So weit der formulierte Anspruch. In der „Operation düstere Zukunft“ haben Sie dann den Opferentschädigungsfonds von 450.000 c auf 50.000 c um 90 % gekürzt. Man kann nur sagen: versprochen – gebrochen.
Meine Damen und Herren von der CDU, was Sie noch im Modellprojekt erproben wollen, hat Rot-Grün, verantwortlich handelnd, im Opferentschädigungsgesetz nunmehr umgesetzt. Den Opfern einer Straftat wird die Möglichkeit eingeräumt, bei jeder Vernehmung eine Vertrauensperson zuzuziehen, und die Möglichkeiten der Nebenklage und damit auch der Beiordnung eines Rechtsanwalts werden deutlich erweitert.
Meine Damen und Herren, die Strafverfolgung muss natürlich weiterhin Aufgabe der Strafjustiz bleiben, um ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten. Gleichzeitig muss in den Verfahren den Opfern weitestgehende Genugtuung verschafft werden, um ihre Interessen zu wahren.Durch das neue Opferentschädigungsgesetz wird z.B. das so genannte Adhäsionsverfahren die Möglichkeit, bereits im Strafverfahren eine Entscheidung über Schmer
zensgeld oder einen Schadenersatzanspruch zu bekommen, deutlich verbessert. Das war deswegen nicht ganz einfach, weil der Zivilprozess auf der einen Seite und der Strafprozess auf der anderen Seite sehr unterschiedlichen Verfahrensgrundsätzen folgen. Dazu kann man sich die Beweislastregelung anschauen. Im Strafrecht gilt: im Zweifel für den Angeklagten. Davon profitieren sicherlich einige. Im Zivilprozess gilt der Grundsatz: Jeder muss beweisen, was er behauptet.Wenn ein Täter bei einer unstreitigen Körperverletzung eine Notwehrsituation behauptet, die er nicht beweisen kann, ist er im Strafverfahren freizusprechen, im Zivilprozess gleichwohl zu verurteilen.
In dieser schwierigen Situation ist es nach meinem Dafürhalten gelungen, im Opferrechtsreformgesetz eine vernünftige Regelung für das Adhäsionsverfahren auf Bundesebene zu finden.Vorgesehen ist z. B., dass ein Vergleich über die aus der Straftat erwachsenen Ansprüche im Strafverfahren geschlossen werden kann. Das ist sachgerecht und ein praktischer Täter-Opfer-Ausgleich im Verfahren selbst. Das wird konkretisiert und kann befriedende Funktion haben. Herr Rhein, ein Kooperationsgespräch im Täter-Opfer-Ausgleich mit einem Kaffeeklatsch zu vergleichen, das ist wirklich bar jeder Kenntnis der Situation.
Auch die Möglichkeit für den Angeklagten, die geltend gemachten Ansprüche anzuerkennen und ein entsprechendes Anerkenntnisurteil zu erwirken, bedeutet gleichzeitig für den Strafrichter die Möglichkeit, das bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.
Jetzt kommen wir zurück zur Schaumschlägerei. Man muss sich einmal angucken, was die CDU gegen das Opferrechtsreformgesetz eingewandt hat, die Stellungnahme des Bundesrates, der von Ihnen dominiert ist. Sie wollten verhindern, dass die Opfer ausführlich über ihre Rechte im Adhäsionsverfahren informiert werden.
Das wollten Sie aus dem Gesetz herausstreichen.Sie wollten auch erreichen, dass Schadenersatzansprüche zwischen Arbeitskollegen, z. B. bei einem Unfall oder einer tätlichen Auseinandersetzung auf dem Betriebsgelände, die vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden müssen, gänzlich aus dem Adhäsionsverfahren herausgenommen werden. Die von Rot-Grün vorgesehene Vorabentscheidung, ob im Adhäsionsverfahren überhaupt entschieden wird, und die Beschwerde dagegen wollten Sie auch gestrichen haben. Das heißt, in der Praxis wollen Sie über den Bundesrat die Situation der Opfer verschlechtern und nicht verbessern. Das muss man klar und deutlich sagen.
Wenn Sie immer lautstark einen besseren Schutz von Opfern anmahnen – allerdings erst, seit Sie im Bund in der Opposition sind; davor haben Sie dazu auch geschwiegen –, aber, wenn es ernst wird, zurückweichen und sagen, dass Sie es so nicht gemeint haben und dass Sie nicht so viel Opferschutz haben wollen, kann ich nur sagen: große Klappe und nichts dahinter. Das ist zwar das Markenzeichen Ihrer Rechtspolitik, aber nicht das, was wir für verantwortliche Politik halten.
Keine Profilneurose auf Kosten der Opfer, sondern verantwortliches Handeln, so wie es mit dem Opferrechtsreformgesetz geschehen ist – das bringt uns voran und unterscheidet uns von Ihnen.
(Frank Gotthardt (CDU): Einen sachlichen Beitrag, bitte! – Gegenruf der Abg. Nicola Beer (FDP): Immer sachlich, Herr Gotthardt! – Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Da sieht man, wie unterschiedlich man das definieren kann!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Klein, immer sachlich. Ich weiß allerdings nicht, ob Ihnen, auch wenn es sachlich vorgetragen wird, gefallen wird, was ich sage.
Die FDP hat sich den Opferschutz, die Stärkung von Rechten der Opfer immer sehr zu Herzen genommen und sie verfolgt. Deswegen haben wir offensichtlich anders als die CDU-Fraktion überhaupt keine Probleme, das von Rot-Grün vorgelegte Opferrechtsreformgesetz anzuerkennen. Wir sind der Meinung, dass viele der Sachen, die hier geregelt werden, einen Schritt in die richtige Richtung gehen. Frau Kollegin Hofmann, allerdings geht dieses Gesetz unserer Meinung nach nicht weit genug.Sie haben Teile, die es unserer Meinung nach nötig hätten, geregelt zu werden, schlichtweg weggelassen.Von daher kann keineswegs von dem großen Wurf gesprochen werden, den Sie hier für Ihre Bundesregierung reklamiert haben.
Wir halten es für richtig, dass die Verfahrensrechte von Opfern im Strafverfahren gestärkt werden, Stichwort: Nebenklage, Stichwort: Opferanwalt, Stichwort: Informationsrechte. Das ist ein Punkt, bei dem ich Probleme habe, wenn ich Stellungnahmen auch Ihres Justizministers sehe, Herrn Kollegen Wagner, in denen bemängelt wird, dass das zu einer Belastung der Justiz führen würde. Meines Erachtens ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir eine verbesserte Information der Opfer, der Verletzten haben, nicht nur über ihre Rechte und den Ablauf des Strafverfahrens, sondern gerade nach Ende des Strafverfahrens über das, was im Laufe des Vollzugs geschieht, also über Lockerungen und Entlassungen. Es muss selbstverständlich sein, dass ein Opfer, wenn es dies wünscht, derartige Informationen bekommt, gerade vor dem Hintergrund, den Sie angeführt haben, Herr Rhein, dass das Opfer Angst vor Racheakten oder anderem haben kann, wenn jemand verurteilt worden ist.
Ich bin auch der Meinung, dass die Schritte, die zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen gegangen werden, Stichwort: Videoaufzeichnungen bei den amtsgerichtlichen Verhandlungen, Einführung der Abschriften der Videoaufzeichnungen in den Landgerichtsprozess, richtig sind.
Frau Kollegin Hofmann, kritisch sehe ich die Direktzuweisung an das Landgericht. Ich meine, dass dies eine Möglichkeit ist, von der wir in der Praxis sehr schwerlich Gebrauch machen sollten, da man sehen muss, dass dem Beschuldigten der gesetzliche Richter in einer Instanz genommen wird und es deswegen die Ausnahme bleiben muss.
Für richtig halte ich auch die Verbesserung und Stärkung des Adhäsionsverfahrens. Die Einwände, die hier seitens der CDU-geführten Länder gemacht werden, kann ich schwerlich nachvollziehen, wenn man selbst ständig die Verbesserung und Stärkung des Adhäsionsverfahrens gefordert hat.Von daher müssen wir hier redlich bleiben. Es ist unbestritten, dass die CDU auch immer für die Stärkung der Rechte der Opfer gekämpft hat. Aber wenn die Bundesregierung endlich einmal agiert, dann sollte man das wenigstens anerkennen. Denn sie bewegt sich nicht in allen Bereichen.Ich bin froh,wenn sie sich in dem Bereich ein bisschen bewegt.
Sie hat sich aber nicht weit genug bewegt, lieber Tarek AlWazir. Ich kann z. B. nicht nachvollziehen, warum die Änderungsanträge der FDP-Bundestagsfraktion im Hinblick auf die Einführung der Nebenklage und den Opferanwalt in Jugendgerichtsverfahren nicht mit aufgenommen wurden, obwohl man dem in der Debatte relativ offen gegenüberstand. Das kann auch nur das alte Strickmuster sein, nach dem Motto: Weil es von einer anderen Fraktion kommt, darf es nicht aufgenommen werden.
Ich kritisiere vor allem, dass Sie eine Möglichkeit ungenutzt gelassen haben, nämlich bei der Opferentschädigung ganz wichtige Ergänzungen vorzunehmen. Wir haben hier schon des Öfteren diskutiert, dass es in diesem Bereich zu völlig unnötigen Lücken im Opferentschädigungsgesetz kommt.
Ich lasse gerne eine Nachfrage zu, aber ich möchte noch zwei Gedankengänge in der kurzen Redezeit unterbringen.
Wie gesagt, wir haben häufiger diskutiert, dass es zu völlig unnötigen Lücken im Opferentschädigungsgesetz kommt, dass bisher kein Schmerzensgeld gezahlt werden kann, dass Opfer von Straftaten im Ausland, z. B. während einer Urlaubsreise, leer ausgehen und dass ein Entschädigungsanspruch zum Teil auch daran scheitert, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob das Opfer ein Opfer einer vorsätzlichen und nicht nur einer fahrlässigen Tat geworden ist. Hier müssen wir auf Länderebene den Opfern mit entsprechenden Opferfonds unter die Arme greifen.
Herr Kollege Wagner, auch ich mahne an, dass die CDU endlich in die Gänge kommt und die von der FDP schon lange vorgeschlagene Opferschutzstiftung in Hessen auf die Reihe bringt.
Kontraproduktiv sind in diesem Zusammenhang auf jeden Fall die Kürzungen, die Sie bei den Opferhilfevereinen vorgenommen haben.