Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Frau Kollegin Waschke, das, was Sie gerade eben vorgetragen haben, ist leider nur zum Teil die Wahrheit. Wenn ich daran denke, wie verantwortungsvoll im Petitionsausschuss mit Petitionen und Härtefällen umgegangen wird, dann muss ich sagen: Sie sind in Ihrem Redebeitrag der Arbeit des Petitionsausschusses nicht gerecht geworden.

Eine Kommission – oder auch ein Ausschuss – kann sich über geltendes Recht nicht hinwegsetzen. Deswegen ist es völlig sinnlos, eine Härtefallkommission einzurichten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, hier ist eine Petition angesprochen worden, bei der es um eine türkische Familie ging. Ich will diesbezüglich an die Themen Asyl und EUBeitritt anknüpfen, die wir heute Morgen miteinander beraten haben. Das nur als Replik.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags befasst sich mit Einzelfällen und Einzelschicksalen. Die Abgeordneten, die in diesem Ausschuss sehr verantwortungsvoll arbeiten, sind selbstverständlich in der Lage, sich mit der Hilfe und Unterstützung des Ministeriums und des Petitionsreferats einen Einblick in die einzelnen Sachverhalte, aber auch in die Rechtslage zu verschaffen. Sie sind somit fähig,vernünftige und abgewogene Entscheidungen zu treffen.Wir müssen uns aber nach dem im Moment geltenden Ausländergesetz richten. Weder der Petitionsausschuss noch eine Härtefallkommission könnte sich darüber hinwegsetzen.

Wir haben bereits in der Aussprache zum Petitionsbericht vor einigen Wochen gemeinsam festgestellt, dass der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags über Rechte verfügt, die weit über die Rechte hinausgehen, die die Petitionsausschüsse anderer Landtage haben. Die Betroffenen einer Ausländerpetition sind zunächst geschützt und nicht unmittelbar von Abschiebung bedroht. Die Behörden warten das Ergebnis des Petitionsverfahrens ab. Das kann man doch nicht einfach außen vor lassen, sondern man muss hier klar zur Kenntnis nehmen, dass wir in Hessen mit dem Petitionsausschuss bereits eine Art Härtefallkommission haben, die mit sehr weit reichenden Rechten ausgestattet ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir den Antrag der SPD-Fraktion anschaue, dann sticht mir die unter Punkt 2 a vorgeschlagene Zusammensetzung der Härtefallkommission ins Auge.Wenn ich dann lese, die Personen, die sich um die Härtefälle kümmern, sollen „über eine gewisse fachliche und sachliche Qualifikation verfügen“, dann muss ich fragen: Was bedeutet „gewisse fachliche und sachliche Qualifikation“? Das sind aber dünne Ansprüche, die die SPD hier stellt. Ich denke, dass die Abgeordneten des Hessischen Landtags über ausreichende sachliche und fachliche Qualifikationen verfügen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Da haben wir starke Zweifel!)

um in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und dem Petitionsreferat vernünftige und gute Entscheidungen zu treffen – wahrscheinlich sogar bessere Entscheidungen, als sie eine Härtefallkommission treffen könnte, weil wir eine politische Einordnung vorzunehmen und die politische Verantwortung zu tragen haben.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bei fünf Minuten Redezeit erlaube ich keine Zwischenfragen.

Lassen Sie mich noch einen Punkt aufgreifen, den ich ziemlich heftig finde.Wir haben in Hessen ein in der Verfassung verbrieftes Petitionsrecht. Man könnte jetzt, freundlich ausgedrückt, sagen, Sie formulieren in Ihrem Antrag die Großzügigkeit, dass sich das Verfassungsgremium Petitionsausschuss am Ende an eine Härtefallkommission, die in jedem Fall eine mindere Legitimation hätte, wenden darf. Meine Damen und Herren, wo sind wir denn? Der Petitionsausschuss ist so ziemlich das am besten legitimierte Gremium, das man sich in diesem Bereich vorstellen kann. Deswegen soll es auch so bleiben, dass sich der Petitionsausschuss mit diesen Fragen beschäftigt. Wir werden im Petitionsausschuss als Abgeordnete unsere Verantwortungsbereitschaft zeigen.

Wir haben im Petitionsausschuss in der Vergangenheit sehr verantwortungsvoll, in der Regel außerordentlich einig und ausgesprochen fair eine vernünftige und gute Arbeit geleistet. Diese Aufgabe sollten wir in diesem Gremium als Abgeordnete, die sich für die Menschen in unserem Lande einsetzen, auch weiterhin wahrnehmen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie mich noch auf einen Artikel zurückkommen, der im März in der „Fuldaer Zeitung“ erschienen ist. Dort hat die Kollegin Waschke ein Expertenhearing gemacht. Darin ist ein so genannter Experte zitiert:

Ich habe noch nie erlebt, dass der Petitionsausschuss des Hessischen Landtages etwas gebracht hat.

Meine Damen und Herren, dieser Mensch ist unerträglich ahnungslos.Das ist eine grobe Missachtung der Arbeit des Petitionsausschusses, weil dieser Petitionsausschuss mithilfe der Abgeordneten vielen Menschen in unserem Land bereits geholfen hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Mit dem schließt sich das Thema Entbürokratisierung ab!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Beuth, nach Ihrer Rede muss ich wirklich sagen, dass Sie das Thema des heutigen Tages verfehlt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn man sich hierhin stellt und so tut, als sei die Einrichtung einer Härtefallkommission etwas Exotisches, dann sollte man vielleicht einmal den Blick in andere Bundesländer wenden: nach Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin. Genau in diesen Bundesländern existieren nämlich bereits Härtefallkommissionen, und zwar sehr positiv, wie uns berichtet wird.

(Zurufe von der CDU)

Ich würde Ihnen empfehlen, vielleicht den Blick einmal in diese Richtung zu wenden. Es ist schon ein bisschen unerträglich, dass Sie auf der einen Seite argumentieren, der gesetzliche Rahmen gebe es gar nicht her, deswegen gehe das alles nicht, und auf der anderen Seite in Berlin alles verhindern, was eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Hör doch auf!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist nicht das erste Mal, dass wir im Hessischen Landtag über Härtefallkommissionen reden. Das sage ich auch in Richtung SPD. Wir als GRÜNE haben zweimal im Hessischen Landtag versucht, Härtefallkommissionen einzuführen. Das ist damals leider am Widerstand und den Gegenstimmen der SPD gescheitert. Ich freue mich, dass in der SPD-Fraktion der Lernprozess eingesetzt hat.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich sehe es auch im Petitionsausschuss, dass mittlerweile erkannt wird, dass wir dringend eine Härtefallkommission brauchen. Es gibt in der Auslegung des Ausländergesetzes Anwendungsprobleme, die zu einer Härte für die Betroffenen führen, so z. B. in vielen Fällen bei geduldeten Ausländern. Der Grund für ihr aus integrationspolitischer Sicht bedenklich problematisches Versagen einer Aufenthaltsgenehmigung ist der Bezug von Sozialhilfe. Hier führten ein noch so langer Aufenthalt und eine gesellschaftliche Integration nicht zur Verfestigung des Aufenthalts. Dabei sind es oft nicht die Betroffenen, die den Sozialhilfebezug verschulden.

Vor diesem Hintergrund ist es daher besonders zynisch, wenn diesen Menschen, die versucht haben, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten und die gerne gearbeitet hätten,vorgeworfen wird, von Sozialhilfe zu leben, und aus diesem Grund der begehrte Aufenthaltstitel versagt wird.

Meine Damen und Herren, hier laufen auch die so genannten Altfallregelungen ins Leere und stellen keine adäquate Lösung dar. Die Bleiberechtsregelungen der Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder für Flüchtlinge und Asylsuchende von 1999 und 2001 führen zu Aufenthaltsbefugnissen und die wiederum zu Arbeitsberechtigungen. Sie haben zu einer erheblichen Reduktion der Belastung von Gerichten und einer Entlastung der Sozialkassen geführt. Ihre Voraussetzungen sind aber teilweise so eng, dass dennoch viele Ungerechtigkeiten bestehen und viele Menschen durch das Raster fallen.

In Hessen setzen sich seit 1997 auch Wohlfahrtsverbände, Kirchen, der Hessische Flüchtlingsrat, die AGAH, Pro Asyl, Gewerkschaften und andere Einrichtungen für die

Einführung einer solchen Kommission ein – leider bisher ohne Erfolg.

Die Forderung nach einer Härtefallkommission kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es uns gelingen muss, rechtliche Rahmenbedingungen zu ändern. Im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes ist im geplanten Aufenthaltsgesetz eine Härtefallregelung in Form eines Aufenthalts aus humanitären Gründen geplant. Sie sieht für die Bundesländer die Möglichkeit vor, Härtefallkommissionen einzurichten, die im Falle des Vorliegens einer dringenden humanitären oder persönlichen Härte eine Empfehlung an die zuständige Ausländerbehörde geben können. Das ist doch der gesetzliche Rahmen, der geändert werden kann. Sie tun in Berlin alles, um eine Verbesserung der gesetzlichen Regelung zu verhindern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Regelungen bieten die Möglichkeiten, auch Fälle zu lösen, in denen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt werden, die Ausreise oder Abschiebung des Betroffenen aber trotzdem eine besondere Härte darstellt. Herr Kollege Beuth, wir sitzen zusammen im Petitionsausschuss des Hessischen Landtags.Wir alle haben diese Fälle liegen.Wir alle kämpfen darum, humanitäre Lösungen zu finden. Dann finde ich es an der Sache vorbei argumentiert, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen: Das geht alles nicht; wir wollen das nicht; die Härtefallkommission ist Quatsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, jedes Mitglied im Petitionsausschuss wird sich oft wünschen, eine humanitäre Lösungsmöglichkeit für solche Fälle zu haben, auch die Damen und Herren von der CDU, Herr Kollege Gotthardt.

(Frank Gotthardt (CDU): Was meinen Sie, was die Härtefallkommission anders als der Petitionsausschuss machen soll?)

Vor diesem Hintergrund fordern wir nun noch einmal den Ministerpräsidenten dieses Landes auf, Regelungen im Vermittlungsausschuss nicht weiter zu blockieren. Hier wird auf eine unerträgliche Art und Weise auf Kosten wehrloser Menschen ein gesellschaftliches Spiel gespielt und gepokert. Das geht so nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Ein letzter Satz. – Herr Kollege Beuth, wenn Sie mir nicht glauben, sollten Sie vielleicht die Briefe lesen, die vom Landeskirchenamt an Sie geschickt werden. Das schreibt nämlich:

Gestatten Sie mir als Mitglied der Härtefallkommission von Nordrhein-Westfalen, in der seit 1996 mehr als 4.000 Härtefälle im Rahmen des geltenden Rechts besprochen und entschieden wurden,für die Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen zu werben.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Wenn Sie uns das nicht glauben, dann glauben Sie es den Kirchen, denn die wissen auch, wovon sie reden. Die haben tagtäglich mit diesen Fällen zu tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Abg. Hahn, FDP-Fraktion.