Protokoll der Sitzung vom 14.07.2004

Ich habe doch vorhin zugestimmt, Herr Kollege Milde. Da haben Sie nicht zugehört. Ich habe es gelobt. Sie können anscheinend nicht vertragen, dass man Sie einmal lobt. Ich meine, wir haben genug Anlass, Ihnen zu sagen, wie schlecht Ihre Politik in Hessen ist. Aber wenn Sie schon einmal gelobt werden, genießen Sie das doch einfach.

Lassen Sie mich von der hier beschriebenen breiten Palette des gewöhnlichen Leasings zu den Sale-and-leaseback-Geschäften kommen.

(Reinhard Kahl (SPD): Jetzt wird es spannend!)

Eine bereits im Besitz der Kommune befindliche Immobilie wird veräußert, um sie anschließend zurückzumieten. Ein Unternehmen, das auf diese Weise sein dringend benötigtes Verwaltungsgebäude oder gar seine Maschinen oder Produktionsanlagen veräußert, wird häufig mit großer Skepsis betrachtet – mit Recht.Denn wo Sale-andlease-back zur bloßen Finanzierung benutzt wird, sind andere Kapitalquellen in der Regel bereits erschöpft. Das Unternehmen geht buchstäblich an seine Substanz und gefährdet damit langfristig sein Überleben.

Es ist der Landesregierung zuzustimmen, wenn sie solche Sale-and-lease-back-Geschäfte der Kommunen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend der Geldbeschaffung dienen, als Verstoß gegen die Hessische Gemeindeordnung ansieht, nach der nur Vermögensgegenstände veräußert werden dürfen, die in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werden.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Herr Kollege Kahl,wir kommen gleich noch zu den Erbschaftsmodellen. Ich finde, mit ein bisschen mehr Gelassenheit können wir auch über Waldeck-Frankenberg diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das in den letzten Jahren zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte CrossBorder-Leasing ist eine Abart der Sale-and-lease-backGeschäfte, bei der das Gemeindeeigentum nicht verkauft, sondern nur auf 99 Jahre verpachtet wird und der Geschäftspartner der Kommune in den USA sitzt. Sinn der Sache war, bestimmte Steuervorteile in den USA auszunutzen.

Weitere Diskussionen zu dem Thema können wir uns ersparen, denn sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus in den USA haben Steuerrechtsänderungen verabschiedet, die dem Cross-Border-Leasing jedenfalls bei zukünftigen Projekten den Boden entziehen.

Meine Damen und Herren,wo ein Steuertrick im Ausland funktioniert, wird natürlich versucht, ihn in geeigneter Form ins Inland zu übertragen. Damit wären wir bei den eingangs beschriebenen Erbschaftsteuermodellen angelangt. Werden mittels Sale-and-lease-back kommunale Immobilien an private Unternehmen, z. B. an eine eigens für diesen Zweck gegründete Leasing-AG übertragen, können deren Gesellschafter gleich zwei Steuervorteile nutzen. Zum einen kann im Erbfall der Freibetrag für Betriebsvermögen ausgeschöpft werden. Zum anderen pro

fitiert die Gesellschaft von der generell niedrigeren Bewertung von Immobilienvermögen. Nur so können wir diesen von der Landesregierung angedeuteten Versuch, die Steuer – – Entschuldigung, jetzt bin ich eine Seite zu weit.

(Dr.Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Sie sollen eine freie Rede halten!)

Das ist eine komplizierte Materie, Herr Kollege Jung. – Zum anderen profitiert die Gesellschaft von der generell niedrigeren Bewertung von Immobilienvermögen.

Nun können wir, wie die Landesregierung in ihrer Antwort anzudeuten versucht, dieses Steuerschlupfloch stopfen oder, vornehm formuliert, diese Gestaltungsmöglichkeit aus dem Steuerrecht entfernen.Aber neue Einzelfallregelungen machen unser Steuerrecht – ich glaube, da sind wir uns alle einig – nicht gerade einfacher. Zu einer einfachen Lösung würde beitragen, die Erbschaftsteuerbelastung von Grundvermögen und von Kapitalvermögen einander anzugleichen.

Meine Damen und Herren, das scheint mir die richtige Lösung zu sein. Damit hätten wir alle Spatzen gefangen, und wir müssten keine Sonderregelungen einführen. Denn im Gegensatz zu Frau Kollegin Hartmann bin ich nicht der Meinung,dass man,wenn man Möglichkeiten im Steuergesetz ausnutzt, sozusagen Steuerbetrug begeht. Was einem Privaten offen steht, muss auch einer Kommune offen stehen.

(Reinhard Kahl (SPD):Auf Kosten des Landes?)

Wenn man das als Gesetzgeber nicht will, dann stehen einem alle Möglichkeiten offen,dies zu ändern.Ich muss sagen, da sind wir und auch die Bundesregierung in der Pflicht.Wenn das nicht gewollt ist, müssen die Gesetze geändert werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Das Kommunalleasing muss von Fall zu Fall kritisch überprüft werden. Die Kommunalaufsicht leistet dazu ihren Beitrag, soll und kann jedoch die sorgfältige Abwägung der Risiken und der Chancen, die durch diese Geschäfte entstehen, nicht den kommunalen Gremien abnehmen.

Die gründliche Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD zeigt die ganze Spannweite der Erscheinungsformen von Kommunalleasing auf. Dieses Thema ist zur Polemik, so wie ich meine, vollkommen ungeeignet. Lassen Sie uns, wenn die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, auf die Urteilskraft der Kommunalpolitikerinnen und -politiker vertrauen. Dieser Grundsatz gilt auch bei Kommunalleasinggeschäften. Wer die Vorteile eines Geschäftes nutzen möchte, muss auch die Risiken tragen.

Am Ende möchte ich dem Ministerium noch einmal ganz herzlich danken, weil diese Antwort auf die Große Anfrage wirklich sehr präzise ist und wahrscheinlich auch mit sehr viel Arbeit verbunden war. Herzlichen Dank für diese gute Antwort. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr von Hunnius für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beschäftigt sich mit Kommunalleasinggeschäften, und dies nicht ausschließlich mit negativem Vorzeichen. Das allein ist schon ein großer Fortschritt, den ich ausdrücklich würdigen möchte.

(Beifall bei der FDP)

Man kann die Sozialdemokraten da wirklich einmal loben. Sie werden so oft von den Wählerinnen und Wählern beschimpft, ich lobe sie einmal ausdrücklich.

Kommunalleasinggeschäfte sind eine ganz besondere Art von ÖPP- oder PPP-Geschäften, also Geschäften, bei denen eine Kommune ein Leasinggeschäft mit einem Partnerunternehmen, einem Privatunternehmen, eingeht.Aus der erfreulich umfangreichen Antwort der Landesregierung ergibt sich eine Reihe von Fakten, die ich in zusammengefasster Form vortragen möchte.

Kommunalleasinggeschäfte sind in Hessen immer noch die absolute Ausnahme. Zwölf genehmigungspflichtige Leasinggeschäfte im Zeitraum von fünf Jahren beweisen: Die meisten Kommunen trauen sich an diese Finanztransaktion noch nicht heran. Dabei sind die Erfahrungen offensichtlich überwiegend positiv. Die verwegene Fehlfinanzierung des Kreishauses in Hofheim ist glücklicherweise eine Ausnahme geblieben.

(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

Der Genehmigungspflicht unterliegen lediglich solche Geschäfte, die als kreditähnlich zu bezeichnen sind, also nicht Cross-Border-Leasing. Frau Kollegin Hartmann hat schon darauf hingewiesen, dass Cross-Border-Leasing ohnehin vom amerikanischen Gesetzgeber nicht mehr in der bisherigen Form ermöglicht wird, insofern brauchen wir uns darüber im Augenblick nicht mehr zu unterhalten.

Für Mobilien, im allgemeinen Sprachgebrauch als Kraftfahrzeuge bezeichnet, ist das Leasing für Kommunen zur gängigen Finanzierungsform geworden, allerdings nur dort, es muss auch nicht genehmigt werden.

Vorsicht ist geboten, weil auch eine aufsichtsbehördliche Genehmigung noch lange nicht bedeutet, dass sich ein Leasinggeschäft wirklich rechnet. Ich zitiere:

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die übernommenen Zahlungsverpflichtungen mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune im Einklang stehen.

Erforderlich ist zwar der Vergleich mit einer herkömmlichen Kreditfinanzierung, aber das war es dann auch schon. Das heißt konkret: Die Verantwortung ist und bleibt da, wo sie hingehört, nämlich bei der jeweils betroffenen Kommune.

(Beifall bei der FDP)

In der Antwort der Landesregierung heißt es wörtlich:

Die Landesregierung ist nicht der Auffassung, dass den Kommunen der Abschluss bestimmter Rechtsgeschäfte wegen möglicher Risiken gesetzlich oder aufsichtsbehördlich generell untersagt werden sollte.

Das ist gut und richtig. Es bedeutet aber, wer nicht im Besitz aller erforderlichen Informationen über das Geschäft und seine mittel- und langfristigen Konsequenzen ist, sollte die Finger davon lassen. Das bedeutet auch, dass die wichtigste Entscheidungsgrundlage eine ökonomische,

d. h. eine betriebswirtschaftliche und nicht kameralistische Bewertung sein muss. Wer die nicht anstellen kann, wer nicht weiß, was discounted Cashflow ist, der muss ebenfalls auf Kommunalleasinggeschäfte verzichten, anstatt sich auf externe Einflüsterer zu verlassen. Das ist nämlich die große Gefahr, dass Kommunalparlamente und Kommunalverwaltungen meinen, das große Rad mitdrehen zu sollen, aber gar nicht genau wissen, worum es geht, und Risiken eingehen, die sie nicht tragen dürften.

(Beifall bei der FDP)

Ein natürlicher Interessengegensatz besteht zwischen dem Blickwinkel des Innenministers und dem des Finanzministers.Während der Innenminister Kommunen durchaus auch davon profitieren lassen will, dass sie inländische Steuerschlupflöcher nutzen, arbeitet der Finanzminister, der für ein stetiges Steueraufkommen zu sorgen hat, durch entsprechende Anweisungen an die Oberfinanzdirektion dem entgegen.

Öffentlich-Private-Partnerschaften können generell einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung kommunaler Investitionen leisten, weil sie in vielen Fällen Kostenvorteile bieten, weil sie im kommunalen Sektor Effizienzreserven einführen, die von Privatunternehmen ausgeschöpft wurden, und weil sie die Kommunen zu dem dringend erforderlichen betriebswirtschaftlichen Denken zwingen.

Dies gilt auch für die Variante Kommunalleasinggeschäfte. Aber eines zeigt die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion deutlich: Das Land schützt die Kommunalpolitik nicht vor eigener Torheit und voreiligen Entscheidungen. Deshalb ist Beratung dringend notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Die Ankündigung der Landesregierung, gezielt ÖPP-Beratung für Kommunen zu leisten, kann deshalb aus unserer liberalen Sicht nur begrüßt werden.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Regierung, Kommunale Spitzenverbände und Privatwirtschaft sich mit ihren jeweiligen Erfahrungen einbringen, können Öffentlich-Private-Partnerschaften dazu beitragen, dass trotz klammer Kassen die Infrastruktur nicht zurückgefahren wird, sondern dass sie gepflegt und ausgebaut werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Den Nutzen davon hätten nicht nur die Kommunen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen.– Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg. Kühne-Hörmann für die Fraktion der CDU das Wort.

(Heinrich Heidel (FDP): Sie schließt sich dem Wort des Vorredners an!)