Protokoll der Sitzung vom 14.07.2004

(Heinrich Heidel (FDP): Sie schließt sich dem Wort des Vorredners an!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Dank beginnen, mit dem Herr Frömmrich geendet hat. Ich möchte mich

bei dem Minister und seinem Haus für die ausführliche Beantwortung dieser Großen Anfrage, die in der Tat im Bereich der Leasinggeschäfte zu einer sehr großen Erhellung beigetragen hat, bedanken. Sie hat auch einmal deutlich gemacht, um welchen Umfang genehmigungspflichtiger Geschäfte es überhaupt geht.

Die Große Anfrage zu Kommunalleasinggeschäften betrifft eine Finanzierungsform, die einerseits von Kommunen vor dem Hintergrund ihrer angespannten Haushaltssituation vermehrt in Betracht gezogen wird und andererseits aufgrund der damit verbundenen Problemstellungen und Risiken in nahezu allen Bundesländern diskutiert wird. Bei den hier im Blick befindlichen handelt es sich um Leasingfinanzierungen,und zwar Rechtsgeschäfte,die wirtschaftlich, und das ist das Entscheidende, einer Kreditverpflichtung gleichkommen und der Finanzierung von Investitionsvorhaben der Kommunen dienen. Das Stichwort der Kreditverpflichtung ist hier Dreh- und Angelpunkt, weil nämlich kreditähnliche Geschäfte nach § 103 Abs. 7 HGO der Genehmigung bedürfen.

Die Genehmigung ist nur zu erteilen, wenn die übernommenen Zahlungsverpflichtungen mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune im Einklang stehen. Dabei gelten die gleichen Kriterien wie bei einer Finanzierung durch Kredite. Es kommt also darauf an, ob kreditähnliche Geschäfte vorliegen oder nicht.

Aber auch nicht genehmigungspflichtige Geschäfte sind mit beachtlichen Risiken verbunden. Die Risiken liegen in der langen Nutzungsfestlegung sowie in Schadenersatzund Einstandspflichten,die sich aus Vertragsstörungen ergeben.

Es gibt zum einen die Vertragsstörungen, die die Kommune nicht selbst verursacht hat und die sie nicht beeinflussen kann. Das sind die Änderungen des amerikanischen Steuerrechts. Meine Vorredner haben darauf hingewiesen, das amerikanische Steuerrecht ist geändert worden. Genau diese Störung für die altabgeschlossenen Verträge ergibt sich jetzt, und es ist noch nicht absehbar, was diese Störung bei den einzelnen Projekten zur Folge haben wird.

Zu den Störungen gehört aber auch beispielsweise die Bonität der Depotbank. Der Schutz vor solchen Risiken obliegt im Grundsatz nicht der Rechtsaufsichtsbehörde, vielmehr ist es so, dass sich die Kommune im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Selbstverwaltung und Eigenverantwortung selbst vor diesen Vertragsrisiken schützen muss.

Das bedeutet für all die Kommunalpolitiker, die damit zu tun haben, dass genau diese wirtschaftlichen Vertragsrisiken abgewogen werden müssen. Die Kommune hat bei der Leasingfinanzierung einen Vergleich mit der herkömmlichen Kreditfinanzierung aufzustellen, und dabei darf sich die Leasingfinanzierung wirtschaftlich nicht ungünstiger darstellen. Die Kommune hat diese Vergleichsregelung eigenverantwortlich vorzunehmen und der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

Eine Risikobearbeitung, die sich auf die gesamte Transaktion bezieht, ist also die Aufgabe der Kommune im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Die Finanzminister sind länderübergreifend dazu aufgefordert worden, die Schlupflöcher zu schließen, sodass man ein bundesweit einheitliches System bekommt.

Laut der Antwort auf die Große Anfrage sind nur wenige Leasinggeschäfte genehmigt worden. Das zeigt auch, dass

der genehmigungspflichtige Teil der Leasinggeschäfte weitaus geringer ist als der Teil, der nicht genehmigt werden muss.

Dreh- und Angelpunkt sind der kommunalaufsichtsrechtliche Schutz der Kommunen vor möglichen Gefahren, die Ausnutzung von Steuervorteilen zulasten ausländischer Staaten oder des deutschen Staates und das Spannungsfeld zur kommunalen Selbstverwaltung.

Interessant ist, dass die Mehrheit der Fachleute die Risiken der in Rede stehenden Kommunalleasinggeschäfte bei entsprechend qualifizierter Beratung für beherrschbar hält. Das zeigt sich auch daran, dass nicht noch mehr Fälle aufgetreten sind, in denen es große Probleme gibt. Den Kommunen kann nicht vorgeworfen werden, dass sie sich auf Kommunalleasinggeschäfte konzentrieren, die für sie in finanzieller Hinsicht erhebliche Vorteile haben.

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern verhehle ich aber nicht, dass Kommunalleasinggeschäfte wegen der hohen Risiken nicht unbedingt für wünschenswert gehalten werden und dass man darauf achten muss, dass den Kommunen die damit verbundenen Risiken bewusst sind.

Der Ansatzpunkt für ein mögliches Einschreiten ist allein das Erfordernis einer Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde. Die Genehmigungsvorbehalte der Hessischen Gemeindeordnung sind zahlenmäßig und inhaltlich begrenzt. Der allgemeine Schutz vor Risiken gehört nicht dazu.

Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es aufgrund der Struktur der so genannten Cross-Border-Leasing-Geschäfte nicht zu Auswirkungen auf die kommunale Haushaltswirtschaft und damit auf kreditähnliche Geschäfte kommen kann. Ich möchte auch den Punkt ansprechen, dass die Kommunen aufgrund der fachlichen Beratung von all diesen Geschäften eher Abstand genommen haben. In Hessen wurde auf kommunaler Ebene noch kein Cross-Border-Leasing-Geschäft abgeschlossen.

Wichtig ist, noch einmal darauf hinzuweisen, dass nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von den Aufsichtsbehörden aller Bundesländer generell zu beachtenden Urteils des OLG Dresden vom 11. Juli 2001, das vom BGH bestätigt worden ist,die Aufsichtsbehörde die Genehmigung strikt auf die genehmigungspflichtigen Tatbestände zu beschränken und im Übrigen unmissverständlich auf die Eigenverantwortung hinzuweisen hat, damit die Kommune nicht auch noch für die vertraglichen Risiken haften muss.

Schließlich setze ich darauf, dass die Angelegenheiten auf Bund-Länder-Ebene erörtert werden, um eine möglichst bundeseinheitliche Steuerbeurteilung herbeizuführen, wobei die besonders problematischen Formen der Kommunalleasinggeschäfte aufgrund der faktischen Entwicklungen in Amerika in der Praxis künftig kaum mehr zur Anwendung kommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Innenminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle mit Freude fest, dass das ganze Haus die Haltung, die die Landesregierung in diesen Fragen eingenommen hat, billigt. Da das selten passiert, müssen Sie verstehen, dass ich das

besonders herausarbeite. Ich möchte mich daher ausdrücklich für das Lob bedanken, das wir erhalten haben. Ich gebe dieses Lob gerne an die Mitarbeiter der Kommunalaufsicht weiter, die sich in diesen Tagen nicht nur freuen können, wenn es um die Frage geht, wie die Finanzwirtschaft der Kommunen zu regeln ist.

Ich will das in wenigen Worten darstellen. Hier ist bereits einiges zu diesem vergleichsweise komplexen Thema ausgeführt worden.

Im Zusammenhang mit der Diskussion über die HGO haben wir über die wirtschaftliche Betätigung gesprochen. All das steht in einem inneren Zusammenhang. Es geht um das neue Haushaltsrecht, um die überörtliche Prüfung kommunaler Gesellschaften und um die Frage, welchen Rahmen man den Kommunen vorgeben soll.

Frau Kollegin Hartmann, vor zwei Stunden wurde gesagt: Lasst den Kommunen so viel Freiheit wie möglich. – Jetzt dagegen wird vorgetragen, man habe allergrößte Bedenken angesichts dessen, was die Kommunen zum Teil tun oder gegebenenfalls tun könnten. Diese Aussagen stehen etwas konträr im Raum.Ich will Ihnen nichts unterstellen. Aber wenn man hin und her springt, muss man auch zu dem gleichen Ergebnis kommen; denn die Finanzwirtschaft ist ein untrennbarer Teil der kommunalen Wirtschaft.

Geld macht sinnlich. Deshalb kann man einem Bürgermeister, einem Landrat oder Vertretern einer Kommune nicht vorwerfen – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geld macht sinnlich? Geld macht nicht immer sinnlich!)

Herr Al-Wazir, ich will mir nicht anmaßen, zu beurteilen, was Sie sinnlich macht. Das lasse ich jetzt einmal außen vor.

(Heiterkeit)

Richtig ist doch, dass wir den Kommunen keinen Vorwurf machen können, wenn sie sich bei den Aufgaben, die sie erfüllen, um eine aus ihrer Sicht möglichst ertragreiche Vertragsgestaltung bemühen.

Sehr verehrte Kollegin Hartmann, dabei handelt es sich aber nicht um Steuerhinterzieher. Ich mag auch den Begriff „Steuerschlupfloch“ nicht.Parlamentarier,die diesen Begriff benutzen, stellen sich selbst ins Abseits. Man kann das mögen oder nicht: Wenn jemand eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit nutzt, die das Gesetz erlaubt, ist er deshalb noch lange kein schlechter Mensch. Auch eine Kommune, die diese Möglichkeiten nutzt, ist nicht schlecht. Es liegt an den Parlamenten, das, was nicht gewünscht ist, zu verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb denke ich, wir müssen ganz sachlich darüber diskutieren. Das hat nichts mit Steuerschlupflöchern oder mit Steuerhinterziehung zu tun.

Als Kommunalminister sage ich ausdrücklich, dass ich es trotz all der damit verbundenen Probleme für richtig halte, dass steuerrechtliche Fragen bei der Gestaltung eine wichtige Rolle spielen. Das ist auch nichts Neues.

Wir haben immer wieder die Situation, dass eine Kommune ihre Stadtwerke in Aktiengesellschaften umwandelt, sie im Eigenbetrieb führt oder Tochtergesellschaften gründet. Ich erlebe tagtäglich, dass die Frage, ob die Leistungen da oder dort angeboten werden, keine unwichtige

Rolle bei der Beurteilung spielt, ob Mehrwertsteuer anfällt oder nicht. Das sind entweder 16 % mehr oder 16 % weniger Kosten. Das kann man so oder so entscheiden. Die Fragen nach der steuerlichen Gestaltung sind also durchaus berechtigt.

Ich will diese schwer zu behandelnden Punkte folgendermaßen zusammenfassen. Dem, was die Kollegen hier vorgetragen haben, stimme ich ausdrücklich zu. Das ist zunächst einmal eine kommunale Angelegenheit. Die Aufgabe der Aufsicht besteht nicht darin, den Kommunen alles zu verbieten, wobei lediglich ab und zu eine Öffnung zugelassen wird.

Aber Sie haben, wie ich finde, zu Recht gewürdigt, dass wir uns in den vergangenen Jahren und, soweit ich es übersehen kann, auch schon seit längerer Zeit immer eine große Zurückhaltung auferlegt haben, wenn es um neue Gestaltungsmodelle ging.

In Hessen gibt es das Cross-Border-Leasing auf kommunaler Ebene nicht. Darin unterscheiden wir uns – ich denke, mittlerweile sind wir alle sehr froh darüber – von den anderen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen – auch in anderen Bundesländern – gibt es eine ganze Fülle von Cross-Border-Leasing-Geschäften. Diese Problematik bleibt also außen vor.

Alle Leasinggeschäfte – Sale-and-lease-back sowie alle Sonderformen – sind letztlich ein Ausdruck des Versuchs, durch eine besonders geschickte Vertragsgestaltung Erträge zu erwirtschaften, die es sonst nicht gäbe.

Dazu hat die Kommunalaufsicht eine klare Position bezogen. Ich möchte das in wenigen Worten abschließend darstellen. Wir sehen das so, dass wir eine gewisse Fürsorgepflicht haben.In der Kommune muss entschieden werden. Genehmigt werden muss dagegen relativ wenig. Das berühmte Oderwitz-Urteil hat die Aufsichtsbehörden ausdrücklich sensibilisiert und sie darauf hingewiesen, dass sie sich nur auf die genehmigungspflichtigen Teile – das sind die Darlehensteile – zu konzentrieren haben.

Was sind unsere Grundlagen? Wir gehen davon aus, dass in den Gremien eine sehr sorgfältige und transparente – dieses Stichwort werden Sie von mir immer wieder hören – Beratung erfolgen muss.

Um ein Beispiel zu nennen: Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Cross-Border-Leasing-Vertrag auf Amerikanisch über etwa 12.000 Seiten ohne Übersetzung angemessen in einem deutschen Parlament erörtert werden soll. Deshalb habe ich immer gesagt: Wer das machen will, muss erst einmal dafür sorgen, dass wir überhaupt eine Grundlage haben.

Wir gehen davon aus, dass die so genannten Transaktionskosten nicht von den Kommunen übernommen werden dürfen. Es hat in Deutschland eine Reihe von Kommunen gegeben, die sehr viel Geld für vertragliche Beratung und Ähnliches mehr bezahlt haben.Nachher kam es nicht zum Geschäft, und sie hatten zum Teil in Millionenhöhe entsprechende Belastungen.

Bei allem Respekt vor Rechtsämtern und Ähnlichem mehr: Ohne qualifizierte Berater ist es aus meiner Sicht nicht möglich, sich in diesem Bereich angemessen zu verhalten.

Wir gehen davon aus, dass die Übernahme der Haftung für die Richtigkeit der Beratung und die Gewährung von Sicherheiten für mögliche Haftungsforderungen von den Beratern zwingend anzufordern sind. Wir erleben relativ

häufig, dass z. B. bei Verkäufen von Anteilen an energiewirtschaftlichen Unternehmen. Berater sagen, das sollte man doch bei dieser oder jener Anlageform einlegen. Dann verlangen wir ausdrücklich, dass die Berater auch eine Haftungserklärung für die Sorgfalt der Beratung abgeben. Niemand weiß, wie sich bestimmte Fonds in zehn Jahren entwickeln. Aber die Sorgfalt muss abgefordert werden.

Wir gehen sogar so weit, dass wir Depotbanken mit erstklassiger Bonität und entsprechendem Rating verlangen. Wir empfehlen den Kommunen, bei Ratingänderungen die Depotbanken zu wechseln.

Wir gehen so weit, dass wir verlangen, dass die Haftung bei Entwicklungen und Vertragsstörungen, die von der Kommune nicht beeinflusst werden können – ein Beispiel haben Sie genannt: Steuern –, ausdrücklich auf der Seite des Leistungserbringers liegt.

Meine Damen und Herren, was mir ganz wichtig ist, will ich einmal an einem Beispiel sagen. Wer so etwas macht, braucht ein effektives Vertragsmanagement. Im Rahmen einer überörtlichen Prüfung durch den Landesrechnungshof ist deutlich geworden, dass wir in Hessen eine Großstadt hatten, die nicht einmal wusste, wo sie überall beteiligt war. Deshalb sage ich zu dem Stichwort effektives Vertragsmanagement: Wer in diesen komplizierten Finanzbeziehungen mitspielen will, der muss ein entsprechendes Management bei sich haben, um überhaupt die notwendigen Kriterien einzuhalten; sonst fürchte ich, er wird scheitern.