Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Da hätten wir schon gern gewusst, wie die Landesregierung mit den sehr vielen Verträgen umgeht, die jetzt irgendwo herumliegen und von denen man nicht weiß,wie sie weiter gehandelt werden, ob man erst abwarten will, was Kassel sagt, was in der Zwischenzeit passiert, wie die Landesregierung diese Angelegenheit insgesamt weiter handhaben möchte. Denn man darf nicht nur wollen, man muss auch können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Rudolph, SPDFraktion.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein erneuter Beweis: Die Regierung Koch ist mit Ihrer Personalpolitik wiederum gescheitert. Wir fragen uns: Wann nimmt diese Regierung Einsicht an und sagt: „Wir kehren um, wir haben etwas falsch gemacht, jawohl, wir wollen mit den Bediensteten und nicht gegen sie in Hessen Politik machen“?

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Frank Gott- hardt (CDU))

Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Jung, dies ist eine neue Art und Weise – nach dem Motto:Wir ignorieren erst einmal alles, weil wir von dieser Landesregierung per se alles richtig machen, deswegen Augen zu und durch.

Ich habe Ihnen das gestern beim Thema Kopftuch gesagt. Das ist der falsche Weg. Eigentlich sind Sie zu intelligent, um diesen Weg ständig mitzutragen. Deswegen, Herr Dr. Jung, gehen Sie in sich, und hören Sie auf mit dieser falschen Politik.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Und was das Unerträgliche ist: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hessen, die insgesamt 150.000 Beschäftigten, müssen für die falsche Politik dieser Regierung ihren Rücken hinhalten. Das ist das eigentlich Verwerfliche. Deswegen verurteilen wir das.

(Beifall bei der SPD)

Fast 10.000 Mitarbeiter werden in die Mobbingbörse gemeldet. Die Vermittlungsquoten sind enorm – im unteren Bereich zwischen 2 und 3 %. Es gibt ja auch keine Angebote. Bei Hessen-Forst wird es möglicherweise erstmals betriebsbedingte Kündigungen geben.

All dies zeigt:Sie haben gar kein Interesse an einem pfleglichen Umgang mit dem Personal, sondern Sie wollen es als Verfügungsmasse nach Gutsherrenart betrachten. Das passt ins 19. Jahrhundert, aber nicht mehr in die moderne Personalwirtschaft des 21. Jahrhunderts.

(Beifall bei der SPD)

Damit Sie all das machen können, haben Sie im Vorfeld die Mitbestimmungsrechte abgebaut – die gibt es im öffentlichen Dienst fast gar nicht mehr –, damit Sie Ihre „Operation düstere Zukunft“ vollenden können, damit Sie längere Arbeitszeiten umsetzen können.

Übrigens arbeitet auch die Landesregierung, glaube ich, 42 Stunden. Aber allein die Verlängerung der Arbeitszeit sagt noch nichts über deren Qualität.Deswegen ist die Arbeit dieser Landesregierung auch noch nicht besser geworden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, die Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld zeigen: Es gibt eine unglaublich große Demotivation im öffentlichen Dienst.Wer nicht autistisch durch die Amtsstuben Hessens geht, sondern sich mit den Menschen unterhält, wird feststellen können: Noch nie war die Stimmung in hessischen Amtsstuben so schlecht. Auch das ist das Verdienst von Herrn Koch, Herrn Bouffier und all denen, die hier Verantwortung tragen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim)(CDU))

Der Dialog mit den Beschäftigten – ja, ich weiß, die Wahrheit tut Ihnen weh,wir sagen sie Ihnen trotzdem jeden Tag wieder –

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

interessiert Sie auch gar nicht. Die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Einschaltung des Personalrats ist dafür ein erneuter Beleg.

Ich weiß gar nicht, wie Sie sich das für die Zukunft vorstellen. Wir haben Ihnen angeboten, es gibt Möglichkeiten, zusammen mit den Beschäftigten Personalkosteneinsparungen vorzunehmen. Die sind dringend notwendig. Sie haben das abgelehnt. Deswegen wird die SPD-Fraktion, zusammen mit den GRÜNEN, wegen Verstoßes ge

gen Art.37 der Hessischen Verfassung eine Klage vor dem Staatsgerichtshof einreichen. Wir sind der Meinung, die Beschneidung der Mitbestimmungsrechte auf diese Art und Weise ist unzulässig.Auch dort werden Sie Ihr Waterloo erleben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie müssen es endlich einmal versuchen, in Ihre Köpfe hineinzubringen – Opel war ein Beispiel von vielen –:Mitarbeiter wollen miteinbezogen werden; nein, sie müssen miteinbezogen werden. Denn es muss Einschnitte geben. Herr Bouffier – der Finanzminister ist nicht da –, ein Beleg dafür, schauen Sie es sich an, ist Ihr Haushaltsentwurf 2005: Steigerung der Personalkostenquote um 0,6 %. Wo sind denn Ihre Rieseneinsparungen? Schauen Sie sich die Versorgungsaltlasten an – ein exorbitanter Anstieg in den nächsten Jahren. Wo sind denn Ihre Rezepte? Gar keine. Sie wollen das auf dem Rücken der Mitarbeiter austragen. Das ist ein erneuter Beleg dafür, dass Ihre Personalpolitik gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) und Michael Boddenberg (CDU))

Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft, alles soll auf Druck passieren. Das sind Ihre Antworten aus der Personalwirtschaft des 19. Jahrhunderts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das war ja geradezu rührend, wie Herr Haselbach eben erklärt hat, was die CDU unter Gleichheit versteht. Erst schneidet man den Beamten die Ohren ab,und dann sagt man den Angestellten:Ihr braucht keine Brillen mehr. – Das ist CDU-Gleichheit.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt, welch verqueres Weltbild Sie bei der Personalführung einer großen Verwaltung haben. Allein mit Druck werden Sie genau das Gegenteil erreichen. Deswegen ist das ein Beleg dafür – eine Gerichtsschlappe nach der anderen. Irgendwann einmal müssen Sie doch intellektuell zur Kenntnis nehmen, dass Sie mit dieser Personalpolitik auf dem Rücken der Menschen gescheitert sind.

Deswegen kann die Antwort nur lauten: Hören Sie auf. Kehren Sie um.Schließen Sie mit den Beschäftigten einen Beschäftigungspakt.

Herr Boddenberg, weil Sie das in anderen Bereichen zu Recht fordern: Warum nehmen Sie denn die Gespräche nicht auf? Wir wollen doch einmal sehen, ob die Gewerkschaften und die Beschäftigten nicht dazu bereit sind.

Natürlich wird das auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein unangenehmer Prozess. Aber es geht darum, das sozialverträglich zu gestalten. Jeder, der ordentlich die Zahlen des Haushalts lesen kann – Herr Schmitt und viele andere haben es Ihnen immer wieder gesagt –, weiß: Wir haben zu hohe Personalkosten, aus unterschiedlichen Gründen. Jetzt geht es darum, diesen Prozess zu gestalten.

Herr Kollege Rudolph, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie brauchen doch auch Einstellungskorridore, damit die Verwaltung nicht vergreist.Deswegen ist dies ein erneuter Beleg: eine Schlappe nach der anderen beim Verwaltungsgericht.Einerseits ist es gut,dass Ihnen Grenzen aufgezeigt werden, andererseits ist es schlecht für das Land, weil das Personal schlecht verwaltet wird. Kehren Sie um. Reden Sie mit den Menschen. Machen Sie vernünftige Angebote, dann wird es auch Einsparungen geben. Ihre Personalpolitik ist gescheitert, wie viele andere Maßnahmen dieser Landespolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es bleibt für die Landesregierung bei dem Ziel, wie der Kollege Haselbach das hier ausgeführt hat: Wir wollen auch für die Tarifbeschäftigten eine Angleichung, was die Arbeitszeit angeht, an die Situation bei den Beamten.Wir halten das für richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Debatte hier war ein Durchmarsch in wenigen Minuten durch alle Themen. Das wird der Sache nicht gerecht.

Es geht um einen schlichten Sachverhalt. Deshalb kann man alles viel tiefer hängen. Es geht um die Frage, ob für diejenigen, die in neue Beschäftigungsverhältnisse beim Land Hessen eintreten, die Regelung der Arbeitszeit einen mitbestimmungspflichtigen oder einen mitwirkungspflichtigen Sachverhalt darstellt.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Das ist das Einzige, worum es hier geht. Das kann man ganz tief hängen. Wir sind der festen Überzeugung – entlang der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes –, dass es sich hierbei um eine mitwirkungspflichtige Angelegenheit handelt.

Das VG Wiesbaden hat nun anders entschieden. Das ist eine – zurückhaltend formuliert – überraschende Entscheidung. Es liegt noch keine Begründung vor.

Gestern habe ich angewiesen, dass wir natürlich vor den VGH gehen und dort eine entsprechende Schutzschrift hinterlegen.

Dann wird man sehen, zu welchen rechtlichen Erwägungen man kommt. Meine Damen und Herren, eines will ich deutlich zurückweisen. Hier ist in breiter Front alles Mögliche diskutiert worden. Ein Kernpunkt war – damit die Zuhörer einmal wissen, um was diskutiert wird –, man würde mit den Menschen nicht sprechen. Das ist schlicht falsch, objektiv falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ein Mitwirkungsverfahren bedeutet, dass die Vorlage an die personalrätlichen Gremien übermittelt wird. Das bedeutet, dass das mit ihnen erörtert wird. Das bedeutet, dass man auf Einwände eingeht, sie als Dienstherr unter

Umständen aber nicht akzeptiert – das ist die zweite Frage.

Es hat eine ganz breite Erörterung stattgefunden.„Da hat niemand mit niemandem gesprochen“ – das ist doch völlig falsch. Es geht im Ergebnis um die ganz schlichte Frage: Reicht eine Erörterung und dann eine Entscheidung des Dienstherrn, oder müssen wir ein Mitbestimmungsverfahren durchführen?

Der Personalrat entscheidet sich, und wir stimmen nicht zu. Dann sind wir im Einigungsstellenverfahren. Die Einigungsstelle wird eine Empfehlung abgeben.Daran will ich keinen Zweifel lassen: Da das Ziel der Landesregierung ungeachtet dieser VG-Entscheidung nach meiner Überzeugung richtig ist, wird die Landesregierung im Zweifel, wenn die Verfahren so weitergehen sollten, am Schluss eine Entscheidung ersetzen und zum gleichen Ergebnis kommen.