Die Aussage der amtierenden KMK-Präsidentin Doris Ahnen, die Reform der KMK werde intern bereits lange diskutiert, ist insofern wertlos, als diese internen Diskussionen augenscheinlich noch nicht viel erbracht haben.
Wir Liberale halten den Schritt von Christian Wulff, von Walter Hirche und der CDU/FDP-Regierungskoalition in Niedersachsen für einen mutigen und richtigen Schritt. Er setzt das um, was die FDP-Fraktion in diesem Hause und die Liberalen bundesweit schon seit Jahren fordern, nämlich endlich von der bürokratisch organisierten Zusammenkunft von Ministern und vielen hoch bezahlten Ministerialbeamten wegzukommen hin zu einer mutigen Koordination der Länderinteressen untereinander und auch gegenüber dem Bund.
Wir finden es schade, dass Hessen nicht dabei ist. Hessen wäre dabei, wäre die FDP in diesem Lande genauso mit der Union in einer Regierungskoalition wie in Niedersachsen.
Schade, dass sich Hessen weiterhin für eine Mammutbürokratie ausgesprochen hat. Schade, dass sich Hessen weiterhin für eine Bildungspolitik im Schleichgang ausgesprochen hat.Schade,dass sich Hessen konservierend und nicht nach vorn blickend verhält. Dies ist keine moderne Politik, die die Landesregierung im Bereich der Kultusministerkonferenz und der Bund-Länder-Kommission zeigt. Es ist eine nach hinten gerichtete konservative Politik.
Frau Kultusministerin, es mutet schon ein bisschen abenteuerlich an, wenn Sie nicht nur in einer ersten, vielleicht noch emotional getragenen und von Ihrer Arbeit als ehemalige Präsidentin der KMK geleiteten Spontanäußerung so etwas sagen, sondern wenn Sie in einer Erklärung vom vorgestrigen Tag noch einmal nachlegen – ganz nach dem Motto: Das ist ein leichtfertiger Frontalangriff auf die Kultusbürokratie und auf die Föderalismusbestrebungen der Länder.
Meine sehr verehrte Frau Kollegin Wolff,wenn Sie wie ich in der Bundesrats- und Bundestagskommission für Föderalismus sitzen würden, so wüssten Sie, dass wir auch gerade deswegen, weil die KMK so schlafmützig ist, Probleme mit dem Bund haben. Das Problem ist die KMK. Deshalb muss sie von vorn neu aufgebaut werden. Wenn Sie das als Frontalangriff empfinden,so kann ich Ihnen sagen: Gott sei Dank haben Christian Wulff und die CDU/FDP-Regierung diesen Frontalangriff auf die KMK nun gefahren.
Der Weg muss für eine Neuordnung freigemacht werden, und zwar für eine Neuordnung der Abstimmung im Bildungswesen zwischen den Bundesländern. Wir müssen uns dagegen wehren, dass insbesondere die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, leider auch von der Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN, Frau Sager, unterstützt, in Berlin zurzeit mit aller Macht versucht, noch mehr Einfluss auf die Bildungshoheit der Länder zu bekommen. Dazu brauchen wir aber ein schlagfertiges und schnelles Instrument der Absprache der Länderinteressen und nicht das altmodische KMK-Modell,das wie ein alter Tanker durch das Meer dümpelt und zu keinen Ufern gelangt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass Christian Wulff die Reißleine gezogen hat. Es macht deutlich, dass offensichtlich Ministerpräsidenten – oder, um es etwas abstrakter zu sagen: nicht originär die Bildungspolitiker – das Thema in die Hand nehmen mussten, weil es die Bildungspolitiker allein offensichtlich nicht geschafft haben.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass Frau Ahnen einerseits und der Direktor der KMK andererseits erklären, sie seien auf einem guten Weg, sie führten interne Diskussionen, und es werde alles wieder gut, denn der PISASchock habe sie aufgeweckt. Fakt ist nun einmal, dass die KMK ein Moloch mit einem Haushalt von insgesamt knapp 50 Millionen c ist. Es ist nun einmal wahr, dass die KMK derzeit zwischen 230 und 240 Mitarbeiter beschäftigt. Es ist nun einmal wahr, dass die KMK ein Sekretariat in Bonn und eines in Berlin hat. Es ist nun einmal klar, dass die KMK insgesamt 36 Ausschüsse, Unterausschüsse und Kommissionen hat.
Frau Kultusministerin Wolff, dass Sie so etwas weiterhin beibehalten wollen, wundert uns Liberale in diesem Hause schon sehr.
Gemäß der Entscheidung des Kabinetts in Niedersachsen ist der Stecker gezogen worden. Nunmehr sind alle verpflichtet, eine moderne und schlagkräftige Einrichtung in der Organisation der Bildungspolitik der Länder – auch im Zusammenhang mit dem Bund – aufzubauen.
Ruth Wagner, Nicola Beer und Doris Henzler haben in den letzten Monaten in diesem Haus schon mehrfach Debatten geführt. Der Beschluss, auf den sich nunmehr der Antrag der CDU bezieht, ist von der FDP in diesem Hause vorbereitet worden. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir sagen: Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung muss weg.
Es ist überhaupt ein Treppenwitz der Geschichte, dass die Veranstaltung „BLK“ heißt, obwohl es die Kompetenz der Länder ist, Bildungspolitik zu machen.Aber der Bund hat uns schon immer vorgeführt, und wir haben ihm den Vortritt gelassen.
Die ZVS muss weg.Wir brauchen sie nicht mehr.Wir räumen den Hochschulen die Autonomie ein, sich ihre Studenten selbst auszusuchen.
Wir brauchen ein Treffen der Kultusminister, genauso wie es Treffen der Justizminister und der Innenminister gibt. Nur, Frau Wolff, eines wissen Sie besser als ich: Das Sekretariat der Kultusministerkonferenz ist mit 230 oder 240 Leuten besetzt. Man streitet sich zurzeit über die genaue Zahl. Offensichtlich gibt es unbesetzte Stellen. Manche nennen die eine Zahl, manche die andere; das ist mir völlig egal.
Das Sekretariat der Innenministerkonferenz dagegen ist nur mit vier Leuten besetzt. Ansonsten ist der Leiter des Ministerbüros des jeweiligen Präsidenten gleichzeitig auch der Sekretär der Kommission. Fragen Sie doch Dieter Posch. Er hat während seiner Dienstzeit als Minister mehreren Konferenzen vorgestanden, z. B. der Wohnungsbauminister- und der Wirtschaftsministerkonferenz. Er hatte überhaupt keine zusätzlichen Mitarbeiter in irgendwelchen Sekretariaten.
Die Bildungsbürokraten – Frau Ministerin Wolff, offensichtlich gehören auch Sie dazu, wie Ihre Zwischenrufe zeigen – sollten sich ein Beispiel an den Organisationsformen der anderen Ministerkonferenzen nehmen.
Wir Liberalen sind nicht blind; wir sind sogar sehr gut informiert. Wir wissen, dass es Aufgabenbereiche gibt, die man am besten organisiert, indem man sie zusammenführt. Dabei handelt es sich z. B. um die Anerkennung der ausländischen Schul- und Hochschulabschlüsse sowie um die Betreuung deutscher Schulen im Ausland – um nur zwei Beispiele zu nennen. Sie brauchen uns gar keinen Vortrag zu halten. Dass man das irgendwie organisieren muss, ist klar.Aber man benötigt nicht 220 Menschen, um so etwas zu organisieren, sondern man kann das einfacher und besser machen.
Wir Liberalen haben in Punkt 3 unseres Antrags ausführlich dargelegt, was wir wollen. Wir wollen ein neues Gremium, dessen Kernaufgabe die Selbstkoordination in Fragen von länderübergreifender Bedeutung zur Sicherung bundesweiter Mobilität und Qualität ist,und zwar für Lernende, Studierende, Lehrende und wissenschaftlich Tä
tige. Wir wollen, dass die Organisation effizient arbeitet und einen größeren Wert auf Qualität legt, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir wollen, dass sämtliche Ausschüsse, Unterausschüsse und Kommissionen, die überflüssig sind, aufgelöst werden.
Wir Liberale können verstehen, dass der Präsident, der Direktor oder der Chef der Kultusministerkonferenz – wie auch immer er heißt – mit großem Bedauern zur Kenntnis bringt, dass seine Mitarbeiter verunsichert sind. Das ist das tägliche Geschäft, das wir hier abzuarbeiten haben. Auch viele Mitarbeiter hessischer Behörden sind verunsichert. Aber es gibt einen Unterschied zwischen den Mitarbeitern der KMK und z. B. einem Forstwirt in Nordhessen: Ein Mitarbeiter der KMK ist in aller Regel von Beruf Pädagoge, und ein Pädagoge gehört eher in eine Schule, als dass er wissenschaftliche oder bürokratische Tätigkeiten ausüben sollte.
Die Bedenken, die dort vorgetragen worden sind, halten wir für völlig neben der Kappe,wie man so schön sagt.Wir brauchen ein effizientes Gremium, das sich um die Kernaufgaben der Koordination zwischen den Bundesländern kümmert und das Absprachen über die zu beachtenden Standards trifft, damit z. B. ein Offizierskind, das von Bundesland A zu Bundesland B ziehen muss – wie es bei mir einmal war –, nicht den Anschluss verliert. Wir brauchen dafür aber keine zusätzliche Bürokratie. Wenn wir die Qualitätsstandards evaluieren wollen, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, müssen wir ein externes Institut damit beauftragen. Um diese Arbeit auf den Punkt zu bringen, brauchen wir keine Bürokratie.
Es kann nicht sein, dass das schwächste Glied in der Kette das Marschtempo bestimmt. Das Einstimmigkeitsprinzip darf es nur bei einem einzigen Punkt geben, nämlich bei der Anerkennung der Abschlüsse, sodass ein Schüler Mobilität erfahren kann, ohne dabei auf der Strecke zu bleiben. Ansonsten müssen die Leistungen und die Qualität der Bildungsgänge in den einzelnen Bundesländern in einem Wettbewerb zueinander stehen können.Wir könnten uns in Hessen – das haben wir von 1999 bis 2003 bewiesen – durchaus im Wettbewerb mit anderen Bundesländern qualifizieren. Wir müssen es nur wollen, und wir müssen es auch dürfen. Die KMK hindert uns allerdings daran.
Lassen Sie mich deshalb für die FDP-Fraktion in diesem Hause abschließend sagen – aber ich glaube, ich spreche auch für alle anderen liberalen Fraktionen in den Bundesländern sowie für die Bundestagsfraktion –: Wir müssen die Chance nutzen. Das, was Niedersachsen jetzt gemacht hat, war dringend notwendig, um den Mehltau wegzublasen und die Talare über die Köpfe der Mitglieder der KMK zu ziehen. Chancen nutzen: Für Hessen muss das heißen,aus dem Schmollwinkel herauszukommen und die richtigen Weichen für eine vernünftige und effiziente Koordination der Bildungspolitik der Länder zu stellen. Nur dann können wir im Föderalismuskampf mit dem Bund stark sein. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich zu Anfang deutlich zu sagen:Wir wollen in der Bildungslandschaft keinen Partikularismus und keinen Zentralismus, sondern wir wollen einen gelebten Föderalismus.
Manche der Diskussionen, die heute in unserem Land geführt werden, hätten zu einem anderen Zeitpunkt durchaus ihre Berechtigung gehabt. Aber es gibt auch Zeitpunkte, an denen eine solche Diskussion längst nicht mehr die Berechtigung hat, die sie noch zu haben scheint. Das gilt sowohl für die notwendige Diskussion über die Rechtschreibreform als auch für die Debatte, die sich mit der Zukunft der Kultusministerkonferenz in Deutschland beschäftigt und die Sie, Herr Hahn, eben angesprochen haben. Ich hätte mir gewünscht, dass die Diskussion über die Rechtschreibreform, die in diesen Tagen geführt wird, in den Jahren 1995 und 1996 stattgefunden hätte.
Aber zu dem Zeitpunkt, als die Weichen für die Rechtschreibreform gestellt wurden, war in diesem Land nur Lethargie zu spüren.
Niemand hat sich wirklich darum gekümmert. Heute, acht Jahre später, nachdem wir bereits ganze Schülergenerationen mit der neuen Rechtschreibung beschäftigt haben, regen sich die Leute darüber auf. Diese Diskussion kommt schlichtweg zu spät.
(Beifall bei der CDU – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Es war immer so,dass es zu spät war! Das ist nie öffentlich diskutiert worden!)