Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Reden Sie doch nicht so einen konzentrierten Unsinn, Herr Kollege Reif.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Clemens Reif (CDU): Kann es sein, dass der Kämmerer von der SPD ist?)

Seien Sie doch einfach einmal intellektuell in der Lage, zu sagen, das, was Frau Härtel gemacht hat, war nicht in Ordnung.Dann haben Sie die Zustimmung vieler Kolleginnen und Kollegen im Hause.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielfältige und exquisite Geschenke auf Kosten der Steuerzahler und, meine Damen und Herren, ein besonders schönes Beispiel: Herr Kollege Innenminister Bouffier, Sie hatten vor einiger Zeit Ihren 50.Geburtstag.Es gab einen Empfang des CDU-Kreisverbandes. Wer war da? Frau Härtel.

Ich unterstelle Ihnen guten Glauben. Sie haben gedacht, die gute Frau schenkt Ihnen ein – wie ich hoffe – schönes Aquarell. Sie haben gedacht, sie zahlt das natürlich aus der eigenen Kippe. Das war natürlich nichts, mitnichten. Das hat die Stadt Hanau, den Steuerzahler in Hanau, 358 c gekostet.

Herr Innenminister,ich schätze Sie intellektuell so redlich ein, dieses Bild können Sie mit Genuss gar nicht mehr anschauen. Geben Sie es an Frau Härtel zurück.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, umso besser, aber das zeigt das Verhalten von Frau Härtel. – Wer sich, wie Frau Härtel, so verhält, nicht einsieht, Unrecht getan zu haben, und nicht den Mut hat, politische Konsequenzen für dieses Fehlverhalten zu ziehen, dem müssen die Bürgerinnen und Bürger am 11. Mai die rote Karte zeigen. Der letzte Vorhang für Frau Härtel muss fallen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Frau Härtel ist ja, wenn die Information stimmt, immer noch wohlgelittenes Mitglied des Landesvorstandes. Frau Härtel sagt sich wahrscheinlich:Warum soll ich politische Konsequenzen übernehmen, wenn das auch andere für ihr Handeln nicht tun? Frei nach Roland Koch: Ich übernehme die politische Verantwortung, aber lehne natürlich jegliche persönliche Verantwortung ab. – Meine Damen und Herren, das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Das ist absoluter Unfug! – Zurufe von der CDU)

Deswegen gibt es eine große Allianz aller demokratischen Parteien in Hanau.Ich finde es gut,weil man mit einer solchen Oberbürgermeisterin nicht mehr zusammenarbeiten kann. Ein demokratisches Bündnis sagt: mit dieser Frau nicht, wenn sie nicht den Mut hat,Verantwortung zu übernehmen, und deswegen Abwahl, die Bürger entscheiden.

(Horst Klee (CDU): Was wollen Sie denn überhaupt?)

Allerdings haben wir ein Quorum in der Hessischen Verfassung; 30 % der Wahlberechtigten, d. h. mindestens 18.000, müssen mit Ja stimmen. Frau Härtel wurde im Jahr 2000 mit 15.000 Stimmen gewählt. Das zeigt die Absurdität dieser Rechtsvorschrift. Das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es macht auch keinen Sinn, dass es bei der Wahl des Bürgermeisters kein Quorum gibt,aber die Abwahl an ein hohes Quorum geknüpft ist. Sie wissen alle, die Beteiligung ist bei allen Wahlen der Landräte schlecht, sie ist bei Wahlen in großen Städten schlecht. Das ist ein generelles Problem. Deswegen müssen wir diese Vorschrift ändern.

(Zurufe von der CDU)

Für Hanau und die Bürgerinnen und Bürger wäre es in der Tat gut, Frau Härtel bekäme die Quittung für ihr Verhalten, damit die Kommunalpolitik in Hanau vorangeht. Alle Parteien sind sich einig, dass das ein gutes Signal wäre. Es liegt an der CDU in diesem Hause, zukünftig solche weiter möglichen Dinge – Frau Diehl in Maintal machte das auch so – zu verhindern, indem das gleiche Quorum bei der Abwahl wie bei der Wahl gilt; das wäre wahre Demokratie. Deswegen ist der Antrag gut und sinnvoll.Wir bitten um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): So was Falsches! Pharisäer! – Clemens Reif (CDU): Genau!)

Ich rufe Herrn Abg. Beuth, CDU-Fraktion, auf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat vollmundig bei seiner ersten Rede angekündigt, dass er die Trommel, die wir in der vergangenen Wahlperiode hier häufiger gehört haben, weglegen wolle. Aber offensichtlich hat er sie an Herrn Rudolph weitergegeben – sehr schade an dieser Stelle.Ich rate dazu,durchzuatmen.Ich versuche nun meinerseits, tatsächlich zu dem Antrag betreffend Neufassung der kommunalrechtlichen Vorschriften zu reden.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie hier die Öffentlichkeit wenige Tage vor dem Abwahlverfahren in Maintal und vor dem in Hanau suchen und versuchen, Stimmen zu gewinnen. Wir haben das erwartet. Aber ich denke, das war wenig nützlich, meine Damen und Herren.

Ob die Tatsache, dass Sie es thematisieren, nützt, wie es nützt und wem es am Ende nützt, das werden wir am

Sonntag sehen.Dann haben nämlich die Wählerinnen und Wähler in Maintal und in Hanau das Wort.

Ich sage für unsere Fraktion, dass der Antrag – nicht der Redebeitrag, Herr Kollege Rudolph – mit der Frage der Neufassung der kommunalrechtlichen Vorschriften durchaus bedenkenswert ist. Dieser Antrag ist weniger krampfhaft als der andere, den wir hier in dem Zusammenhang zu beraten haben, diesen unseligen Antrag bezüglich des vermeintlichen Eingreifens des Justizministeriums.

Meine Damen und Herren, weder für die Abwahl von Frau Diehl noch für die Abwahl von Frau Härtel obliegt uns hier im Hessischen Landtag überhaupt irgendeine Entscheidung. Keine gesetzliche Regelung, die wir hier treffen wollten oder könnten, würde diese beiden Fragen noch klären können. Der Souverän hat am Sonntag das Wort. Das sind die Wählerinnen und Wähler. Das haben wir abzuwarten.

Lassen Sie mich zur Frage der Abwahlmöglichkeit ein paar Worte sagen. Zu verantworten hatte das die grünrote Landesregierung im Jahre 1992. Der damalige Innenminister Herbert Günther war derjenige, der die Kommunalverfassung zu verantworten hatte. Im ursprünglichen rot-grünen Gesetzentwurf war die Abwahlmöglichkeit der direkt Gewählten überhaupt nicht enthalten. Erst ein Parteitag der SPD – wenn ich das richtig weiß – hat dazu geführt,

(Beifall bei der SPD)

dass überhaupt die Abwahlmöglichkeit hineingekommen ist.

(Gerhard Bökel (SPD): Da sehen Sie, was Parteitage bringen!)

Sie haben das Quorum festgelegt und stellen sich heute an das Rednerpult und beklagen das. Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen, dass es in Bayern und Baden-Württemberg überhaupt keine Möglichkeit der Abwahl gibt. Das damalige Vorbringen der GRÜNEN, nämlich ein Initiativrecht für das Volk für das Abwahlbegehren in die Kommunalverfassung aufzunehmen, ist damals von der SPD so, wie Sie es in Ihrem heutigen Antrag fordern, abgelehnt worden.Auch das gehört zur historischen Wahrheit.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass am kommenden Sonntag das Quorum nicht zwangsläufig verfehlt werden muss, sondern es bleibt abzuwarten. Das werden wir am Sonntagabend wissen. Ein Änderungsbedarf für die Kommunalverfassung ganz grundsätzlich drängt sich nicht selbstverständlich auf. Das möchte ich hier zur Sache einmal deutlich sagen. In zehn Jahren Direktwahl gab es vier Abwahlverfahren. Davon sind zwei durchgekommen, zwei sind gescheitert. Keines der Abwahlverfahren ist allerdings am Quorum gescheitert.

(Rudolf Haselbach (CDU): Hört, hört!)

Insofern drängt sich diese Frage, die Sie hier thematisieren, nicht unmittelbar auf.

(Beifall bei der CDU)

Gleichwohl – deswegen stimmen wir der Überweisung an den Ausschuss zu,ich sage ja „bedenkenswert“ – erscheint es fragwürdig, wenn am Beispiel der Stadt Hanau, wie es Kollege Rudolph gesagt hat, mehr Menschen für die Abwahl stimmen müssen, als für die eigentliche Wahl der Oberbürgermeisterin gestimmt haben.Aber auch hier hat die Kommunalverfassung an anderer Stelle, wo es um die

Abwahl von hauptamtlichen Beigeordneten geht, bestimmte Quoren eingeführt:Wenn es um die Abwahl geht, gelten höhere Quoren als für die Wahl.

Meine Damen und Herren, wir dürfen die Schutzfunktion der Quoren für die Möglichkeit, unsere Parlamente ordentlich organisiert zu halten, nicht übersehen. Wir müssen verhindern, dass wir nur noch Populismus pur haben, dass es nicht mehr möglich ist, auch einmal eine unpopuläre Entscheidung über eine längere Wahlperiode durchzutragen.

Sie üben das Spielchen gerade in Berlin ganz heftig mit der Frage unpopulärer Entscheidungen. Die Frage, ob wir es zulassen wollen, dass der Zufall die Rathäuser regiert oder dass Bürgermeister erpressbar sind, indem sie von Bürgerinnen und Bürgern oder von der Gemeindevertretung zu irgendetwas gezwungen werden können, müssen wir im Ausschuss gemeinsam beraten.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir für eine beständige Politik eine Kommunalverfassung haben müssen, die es eben nicht zulässt, dass zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt die Abwahl eines direkt Gewählten möglich ist.

(Günter Rudolph (SPD): Unglaublich!)

Meine Damen und Herren,denken Sie mit daran,dass wir arbeitsfähige Parlamente und arbeitsfähige Verwaltungen haben müssen und dass wir hierfür am Ende auch Quoren brauchen. Denken Sie an das Land Brandenburg. In Brandenburg hatte man nur geringe oder überhaupt keine Quoren. Dort hat man sie eingeführt, weil dort innerhalb von zehn Jahren ein Bürgermeisterkegeln eingesetzt hatte. Da waren Sie bei einer Oberbürgermeisterwahl betroffen. Wir halten es für bedenkenswert, Rücktritte, Abwahlen und auch die Versorgungsregelungen entsprechend im Ausschuss zu diskutieren.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aha!)

In diesem Sinne stimmen wir für die Überweisung. Für den Klamauk, den Sie hier anlässlich der Geschichten veranstaltet haben, die uns am Sonntag erwarten, haben wir kein Verständnis. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist in diesem Hause fraktionsübergreifender Konsens, dass das Verhalten von Frau Härtel in ihrer Funktion als Oberbürgermeisterin völlig unfassbar und unbegreifbar, aber auch nicht hinnehmbar ist. Es muss deshalb entsprechende Konsequenzen haben.

(Beifall der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) und Heinrich Heidel (FDP))

Herr Kollege Rudolph, Sie haben den größten Teil Ihrer Redezeit darauf verwandt, hier detailreich verschiedene Vorfälle zu schildern. Nichtsdestotrotz meine ich, hier ist nicht der Ort, mit Häme und Spott über eine Partei herzuziehen. Es sind nur einige Wenige der direkt Gewählten, die sich vor Ort wie kleine Sonnenkönige fühlen und mei