Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Langer Rede kurzer Sinn: Das hessische Polizeirecht muss, wie immer mal wieder, auf den Prüfstand. Sie haben es zu Recht auf den Prüfstand gestellt. Aber Ihnen als Union fehlt bei diesem sensiblen Bereich in manchen wichtigen Punkten die notwendige Sensibilität. Deshalb müssen Sie diese Verschärfungen, die mit dem Datenschutz nicht mehr so viel gemein haben, wie wir Liberale es wollen, allein tragen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind für ein modernes Polizeirecht. Modern heißt auch, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu 100 % beachtet werden. Das macht Ihr Gesetzentwurf leider nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hahn hat nicht ganz zu Unrecht darauf hingewiesen, dass in der dritten Lesung nicht wesentlich neue Argumente

vorgetragen wurden.Gleichwohl bitte ich um Verständnis. Wir wissen, dass sowohl Gerichte wie auch interessiertes Publikum die Protokolle des Landtags danach auswerten, was sich der Gesetzgeber bei dieser oder jener Maßnahme gedacht hat. Deshalb will ich in einigen wenigen Strichen doch noch ein paar Bemerkungen machen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es reicht aber schon die erste und zweite Lesung, Herr Minister!)

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz wird das modernste Polizeigesetz in Deutschland sein.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Das ist ein Polizeigesetz, das viele Elemente aufgreift, die in ganz Deutschland diskutiert werden. Ich biete Ihnen an, dass wir einmal gemeinsam schauen, ob diese Elemente, die wir in diesem Gesetz novellieren, nicht auch in anderen Landesgesetzen auftauchen. Es hat genau die gleiche Entwicklung wie die Videoüberwachung, wie der Unterbindungsgewahrsam. Das waren alles Stichworte, die Sie abgelehnt haben, die heute in Deutschland Standard sind.

Meine Damen und Herren, zum Zweiten will ich etwas deutlich sagen. Ich glaube, Herr Rudolph oder Herr Dr. Jürgens hat gesagt, die hessische Polizei dürfe nicht alle technischen Möglichkeiten eingeräumt bekommen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist Blödsinn!)

Sie soll aber alle technischen Möglichkeiten bekommen, die sie braucht, damit sie effizient ihre Arbeit erfüllen kann, damit sie die andere Arbeit, die genügend vorhanden ist,an der Stelle,wo Menschen gebraucht werden,einsetzen kann.Dort,wo Technik diese Arbeit ersetzen kann, ersetzen wir sie durch Technik. Das ist eine Position, die wir seit Jahren durchführen. Das ist auch sehr vernünftig.

(Beifall des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Ich will das einmal an einem Beispiel erklären. Ich kann Folgendes überhaupt nicht verstehen. Wir suchen zurzeit 25.000 Kraftfahrzeuge nur in Hessen.Wenn ich jetzt Polizeibeamte überall hinstelle und sage: „Merkt euch die Kennzeichen“, dann sagen Sie: „Das ist ohne Problem.“ – Wenn ich jetzt eine technische Anlage dahin stelle und sage: „Prüft die Kennzeichen mit unserem Fahndungsbestand“, dann fällt für Sie die Welt zusammen, und der Rechtsstaat ist eingeschränkt. – Meine Damen und Herren, hier sind bei Ihnen ein paar Dinge durcheinander geraten.

(Beifall der Abg. Armin Klein (Wiesbaden) und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das ist eine vernünftige Technik, die polizeiliche Tätigkeit erleichtert und dazu führt, dass wir eher gestohlene Fahrzeuge finden und dass Opfer von Verbrechen ihre Fahrzeuge früher bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatsminister, der Abg. Al-Wazir möchte Ihnen eine Frage stellen.

(Minister Volker Bouffier: Nein!)

Sie sagen Nein.

Ich möchte im Zusammenhang kurz vortragen.

Das ist das eine.Das Zweite ist,Herr Dr.Jürgens:Polemik ersetzt nun wirklich keine Argumente.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das sagt aber der Richtige!)

Sie haben wieder alles vorgetragen, wie am Anfang. Ich mache es jetzt kurz – in aller Freundschaft –: Es war alles falsch. Wie jedes Mal, wenn Sie hier vorne zu diesen Themen sprechen, war alles komplett falsch.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist jetzt nicht Polemik!)

Sie haben die Anhörung wirklich als Patchwork-Anhörung ausgewertet. Ich habe selten eine Anhörung zu Polizeigesetzen erlebt, die eine so breite Zustimmung hatte. Sie haben Herrn Graulich an einer Ecke erwähnt. Die anderen fünf Ecken, wo er zugestimmt hat, haben Sie nicht erwähnt. Das nur als Beispiel.

Ich will neben diesem Kennzeichenlesegerät auf zwei Punkte eingehen, die mir besonders wichtig sind. Meine Damen und Herren, ich bin sehr dankbar dafür, dass auch die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten den lebenserhaltenden finalen Rettungsschuss wie die Landesregierung und die sie tragende Partei, die CDU, jetzt im Gesetz verankern wollen. Das ist für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten wichtig.Aber es ist im Endeffekt vor allen Dingen für die Geisel wichtig, die in einer unerträglichen Situation ist. Wenn ein Polizeibeamter als Ultima Ratio, als letzte Möglichkeit, auch unter Inkaufnahme schießt, dass der Täter dabei getroffen wird, dann ist es – nachdem das übrigens alle Fachleute bereits 1973 im Musterpolizeigesetzentwurf für Deutschland festgelegt haben, aber die Politiker nicht den Mut hatten, das ins Gesetz zu schreiben – dringend geboten, dass der Gesetzgeber in dieser extrem schwierigen Frage sagt, was er davon hält. Deshalb bedanke ich mich sehr dafür, dass das Haus in breiter Mehrheit diesen Punkt, nämlich den lebenserhaltenden finalen Rettungsschuss, unterstützt. Das ist ein wichtiges Signal an die hessische Polizei.

Nächster Punkt:Abhören. Hier begeben wir uns auf Neuland. Deshalb will ich deutlich machen, worum es eigentlich geht. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich gesagt, die Wohnraumüberwachung sei wie auch die Telefonüberwachung in diesem Bereich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bereich der Strafverfolgung gesagt, im Kernbereich privater Lebensgestaltung dürfe das Abhören nicht stattfinden. Das heißt, wenn sich ein Täter mit seiner Frau unterhält, führt das im Ergebnis dazu, dass wir die Abhöranlage abschalten müssen. Die polizeiliche Praxis hält diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für falsch – ich auch, aber ich muss sie akzeptieren. Sie geht in den Bereich der Strafverfolgung.

Jetzt reden wir von der Vorbeugung, von der Verhinderung, von der Gefahrenabwehr. Da bin ich exakt anderer Meinung, als hier von der Opposition vorgetragen wurde. Erstens halte ich es juristisch für falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit Strafverfolgung beschäftigt. Die Länder sind zuständig für die Gefahrenabwehr. Die Gefahrenabwehr bedeutet im konkreten Fall, wie es im Gesetz stehen soll: Die Polizei macht eine Abhörmaßnahme. Dann muss man sich darüber im Klaren sein, was Sie verlangen. Sie hören, dass jemand mit einer schwersten Straftat bedroht wird. Wir sprechen von Gefahr für

Leib, Leben und Freiheit. Das bespricht er mit seiner Frau oder mit wem auch immer, der ihm besonders nahe ist. Dann verlangen Sie, dass wir abschalten. Dann sage ich Ihnen zweitens, dass ich das für unverantwortlich halte.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mir ist es – das will ich sehr deutlich zu Protokoll geben – für diesen Bereich der höchsten Rechtsgüter wichtiger, dass das Opfer davor geschützt wird, Opfer eines Verbrechens zu werden. Das ist mir wichtiger als der Intimbereich des Täters. Meine Damen und Herren, das muss klar sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich hatte vorhin darauf hingewiesen,wir beschreiten juristisches Neuland. Deshalb habe ich es hier so deutlich gesagt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist für Karlsruhe interessant!)

Ich bin der festen Überzeugung,dass auch dieses einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird.

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz hat es gesagt, und ich will vollständigkeitshalber darauf hinweisen. Dieses Gesetz umfasst eine ganze Reihe von Regelungen, erfreulicherweise auch eine Reihe von Regelungen, die hier nicht im Streit waren, insbesondere zur Eigensicherung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das ist wichtig. Deshalb kann ich zum Ergebnis nur sagen: Dieses neue hessische Polizeigesetz, diese Novellierung verbessert die Arbeitsmöglichkeiten der Polizei. Sie dient dem Schutz vor Kriminalität und verbessert die Situation der inneren Sicherheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.Wir kommen zur Abstimmung.

Es wird über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in dritter Lesung abgestimmt. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und FDP.Gegenstimmen? – CDU und GRÜNE.Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Dann rufe ich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in dritter Lesung, Drucks. 16/3342 zu Drucks. 16/3189 und zu Drucks. 16/2352, auf. Wer seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – SPD, GRÜNE. Enthaltungen? – FDP. Damit ist dieser Gesetzentwurf mit Mehrheit beschlossen und zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Dr. Jürgens von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, ich möchte im Namen meiner Fraktion beantragen, die jetzt anstehenden Tagesordnungspunkte 17 und 18, also die Lesung der Gleichstellungsgesetzentwürfe für behinderte Menschen, von der Tagesordnung abzusetzen. Sie können dann in der nächsten Plenarsitzungsrunde im Januar 2005 oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgerufen werden.

Heute Nachmittag hat eine Demonstration Behinderter aus ganz Hessen vor dem Landtag stattgefunden. Außerdem gab es eine Diskussionsrunde hier im Landtag. In dieser wurde deutlich, dass viele behinderte Menschen fordern, es solle lieber gar kein Gleichstellungsgesetz geben als dieses.

Wir haben immer gesagt, es geht dabei mehr um die Qualität als um die zeitlichen Abläufe. Wir reden jetzt seit zehn Jahren über ein Gleichstellungsgesetz. Da kommt es jetzt nicht darauf an, ob sich die Mitglieder der Mehrheitsfraktion und der Landesregierung noch einmal die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, ob dieser Gesetzentwurf noch verbessert werden kann oder ob er zurückgezogen werden sollte.Deshalb beantragen wir,beide Gesetzentwürfe heute von der Tagesordnung abzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Jürgens, herzlichen Dank. – Zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Gotthardt das Wort.

Herr Präsident, wir sehen keine Notwendigkeit, dies zu tun. Nur weil eine Organisation heute Nachmittag eine Podiumsdiskussion organisiert hat, kann es nicht sein, dass wir den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens ändern. Deshalb bitte ich, über diesen Antrag einfach abzustimmen.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag.

(Wortmeldung der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))