Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Wir haben uns bereits in der ersten Lesung ausführlich mit den Vorgaben der Landesregierung auseinander gesetzt. Sie hier im Raum und darüber hinaus wissen, dass die Hessen-FDP schon seit Jahren mit der Vorgabe angetreten ist, dass wir eine Hessen-Verwaltung organisieren müssen, die effizient und effektiv ist. Wir sind seit Jahren mit dem Wunsch angetreten, eine Bündelung der Organisation der Hessen-Verwaltung zu haben.Da gab es einmal den „ideologischen“ Streit – so sage ich einmal –, ob man das in der Form einer Mittelinstanz oder in der Form einer Zusammenfassung der Stränge macht. Die damalige Regierungskoalition von FDP und CDU hat entschieden, dass eine Bündelung durchgeführt werden soll, das heißt eine Stärkung der Mittelinstanzen als wirkliche Bündelungsbehörden und nicht als ein weiteres Nebeneinander.

Dazu gehört natürlich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass auch die darunter oder teilweise daneben liegenden Organisationseinheiten einer Überprüfung unterzogen werden. Das ist richtig. Aber das setzt voraus – da bin ich leider, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz und lieber Rudi Haselbach, eher bei den Kollegen von Rot-Grün –, dass man vorher eine Aufgabenkritik macht.

(Beifall bei der FDP)

Man sollte sich wirklich vorher überlegen: Was soll denn durch die Hessen-Verwaltung organisiert werden? Wenn man dann weiß, was von der Hessen-Verwaltung organisiert werden soll,muss man sich fragen,wo man es am besten organisiert. Allein die Vielzahl von Änderungs- und Ergänzungsanträgen,die nach der Gesetzesvorlage eingereicht worden sind – sie datiert erst vom 28. September 2004; damit ist also immerhin schon ein Diskussionsprozess von einem Dreivierteljahr aufgenommen worden –, zeigt, dass die „Hessen-Partei CDU“ – deshalb ist das auch nur ein Scherz – diese Aufgabenkritik gerade nicht gemacht hat und gerade nicht stringent überlegt hat, wo eine Aufgabe in der Hessen-Verwaltung richtig organisiert werden kann, wenn sie nicht zu privatisieren ist. Vielmehr wird immer wieder nachgeliefert, immer wieder nachgeliefert, teilweise auch verbessert und verändert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union,so stellen jedenfalls wir Liberale uns eine ordentliche Führung und eine ordentliche Regierungsarbeit nicht vor. In den vier Jahren, in denen wir an der Regierung beteiligt sind, ist eine solche Unordnung in diesem Haus noch nicht passiert.

(Beifall bei der FDP)

Man kann sich darüber streiten, ob Verfahrensfragen wichtig sind oder nicht. Aber da ich in der vergangenen Sitzung des Innenausschusses eine freundschaftlich-interessante Debatte mit dem hessischen Innenminister, der zugleich Mitglied des Hessischen Landtags ist, hatte, will ich schon darauf hinweisen, dass es für den Antragsteller Landesregierung, genauso aber auch für die Mehrheitsfraktion CDU mindestens unangenehm sein müsste – Sie

merken, Herr Präsident, dass ich mich ganz gewählt und diplomatisch ausdrücke –, dass 15 oder 20 Änderungsvorschläge unterbreitet werden, bei denen die Antragsteller schlicht und ergreifend falsche Orts- und sonstige Bezeichnungen verwendet haben. Es mag sein, dass man „Taunus“ bei einem Ortsnamen einmal mit Klammer und einmal ohne Klammer schreibt. Da kann einmal ein Fehler passieren. Aber wenn es insgesamt 15-mal passiert ist, macht das deutlich, wie schnell gearbeitet worden ist und wie locker das zu Papier gebracht worden ist.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Offensichtlich hat man mit heißer Nadel genäht.

Herr Minister, Herr Landtagsabgeordneter Bouffier, es hat auch drei, vier Fehler gegeben, die in diesem Hause entstanden sind.Solche hat es auch gegeben.Das ist sicher ein bisschen bedauerlich.Wenn die Erstdrucke vorliegen, sollte man prüfen, ob Fehler gemacht worden sind. Aber darüber darf sich nicht die antragstellende Landesregierung aufregen; denn die Vielzahl der Fehler hat sie selbst produziert. Wenn das Parlament dem Antragsteller, der Regierung, die Fehler erst drei Tage vor der Sitzung des Innenausschusses mitteilt, sollte man dafür Danke sagen und sich nicht darüber aufregen, dass es so spät passiert ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat etwas mit dem Verfahren unter uns zu tun. Das hat auch etwas damit zu tun, dass Sie das wirklich sehr locker nehmen. Wenn mein Sohn so etwas in der Klassenarbeit machen würde – wir hatten dieses Thema erst gestern Abend; deshalb weiß ich, wovon ich spreche –, würde ich sagen: Solche Hudelfehler dürfen nicht passieren. – Herr Innenminister, solche Huddelfehler dürfen einer Landesregierung in Hessen nicht passieren.

(Beifall bei der FDP)

Zu den Inhalten. Sie wissen genauso gut wie die Damen und Herren, die uns medial begleiten, dass die FDP auch bei den Fragen der Gerichte immer eine sehr konsequente Linie gefahren hat.Wir brauchen nicht überall und an jeder Stelle irgendwelche Gerichte. Auch die Gerichte müssen so organisiert werden, dass sie auf der einen Seite effektiv und effizient sind und auf der anderen Seite der Bürgernähe Rechnung tragen. Das ist bei jedem Gerichtsstandort ein Abwägungsprozess.

Auf der einen Seite kann man das Gutachten des Landesrechnungshofes zu diesem Thema nehmen. Wir können uns darüber austauschen – das haben wir an dieser Stelle bestimmt schon 15-mal getan –, ob man alles übernimmt, was im Bericht des Rechnungshofes steht oder nicht, oder warum man das oder jenes nicht macht. Ich sage es aber noch einmal, von mir aus zum 20. Mal: Einer Landesregierung darf nicht das passieren, was ihr mit dem Gerichtsstandort Butzbach passiert ist.

(Beifall bei der FDP)

Das zeigt, wie wenig ernst Sie die Sache genommen haben. Ich sage es noch einmal: Zuerst sollte alles nach Gießen. Nachdem der Wahlkreisabgeordnete und jetzt hinter mir sitzende Präsident sich darum gekümmert hat, gab es als zweite Lösung die Trennung der vier Orte – zwei nach Gießen,zwei nach Friedberg.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in dem Gesetzentwurf, den Sie heute in zweiter Lesung vorliegen haben, wird nun alles nach Friedberg verlegt. Das zeigt, wie wenig vorbereitet, wie huddelig man da rangegangen ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube noch nicht einmal, das waren Flüchtigkeitsfehler. Ich glaube vielmehr, dieses Thema hat zuvor niemanden interessiert. Irgendwann aber hat das Kabinett im Zuge der „Operation sichere Zukunft“ – ich übernehme jetzt Ihr Wort, wenn auch nicht kritiklos – beschlossen, dass auch dort etwas verändert werden muss. Daraufhin musste der Justizminister innerhalb von 24 Stunden etwas vorlegen, das vorher nicht erarbeitet worden war. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so regiert man halt nicht gut, und in diesem Punkt haben Sie nicht gut regiert.

(Beifall bei der FDP)

Das müssen Sie sich gerade von jemandem sagen lassen, der mit Ihnen gemeinsam vier Jahre lang dieses Land handwerklich wirklich gut regiert hat.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Art und Weise, wie Sie das vorgelegt haben, ist handwerklich nicht besonders gut. Schönheitspreise konnten Sie damit nicht gewinnen, ganz im Gegenteil. Ob die Amtsgerichte nun dorthin oder dorthin gelegt werden müssen, dafür fehlt uns eine Reihe von Begründungen. Auch die „Feinjustierung“, wie das Zauberwort im Justizministerium heißt und von Christean Wagner hier mehrfach genannt wurde, hat für uns die Gründe nicht nachvollziehbar dargelegt.Sie müssen das verantworten,was Sie vorgelegt haben. Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, sodass wir uns hier nicht in Fundamentalopposition ergehen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, so richtig überzeugend ist das nicht.

Besonders wenig überzeugend wird Ihre Argumentation beim Wegfall der Gerichtstage der Arbeitsgerichtsbarkeit. Mir muss niemand erzählen, der Präsident des Landesarbeitsgerichts habe diesen Vorschlag unterbreitet. Mir muss auch niemand erklären,zu welcher Partei er sich seit vielen Jahrzehnten ganz öffentlich als in Mittelhessen ehrenamtlich Tätiger bekennt.Aber eines,meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, können Sie nicht tun: Sie können nicht auf der einen Seite die Gerichtstage bei der Arbeitsgerichtsbarkeit mit der Begründung abschaffen, es sei effizienter, im Hause zu verhandeln, und gleichzeitig bei den jetzt geschliffenen Amtsgerichten Gerichtstage einführen.

(Beifall bei der FDP)

Entweder stimmt das Argument bei der Arbeitsgerichtsbarkeit, oder es stimmt bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Beides ist aber schon logisch nicht miteinander zu vereinbaren. Auch hieran erkennen Sie, dass das ein bisschen schnell gemacht worden ist. Offensichtlich wollte man gerade im Mittel- und Nordhessischen dem einen oder anderen Wahlkreisabgeordneten aus diesem Hause Gutes tun und hat gesagt: Da gibt es dann einmal Gerichtstage in diesem Gericht; reg dich nicht so auf, wenn das beschlossen wird. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die das betrifft, Sie müssen wissen: In ein oder zwei Jahren wird die OLG-Präsidentin genau dasselbe zu Papier bringen, was jetzt der LAG-Präsident zu Papier gebracht hat – dass es nämlich nichts bringt. Dann werden auch diese Gerichtstage geschlossen werden. Da sollte man den Bürgern gegenüber doch ehrlich sein.

Die Integration der Grundbuchämter in der Zusammenführung der Katasterämter zu Bodenmanagementbehörden ist höchst streitig – auch bei uns.Kollegin Beer hat das in einer Debatte der letzten oder vorletzten Plenarwoche schon einmal dargelegt. Auch wir sind in unserem Wahl

programm davon ausgegangen, dass das alles so einfach zusammenzulegen ist. Ganz offensichtlich ist aber nicht nur die gesetzliche Grundlage dafür noch nicht vorhanden. Wir wissen, das liegt im Bundestag vor, auf Initiative des Bundesrates. Ich glaube, hier muss auch wirklich einmal die Frage diskutiert und neu entschieden werden, ob die Philosophie eines Rechtspflegers, eines Mitarbeiters der dritten Gewalt, mit der Philosophie eines Amtmanns der zweiten Gewalt zusammengelegt werden kann.

(Beifall der Abg. Heinrich Heidel (FDP) und Bernhard Bender (SPD))

Damit Sie mich bitte alle richtig verstehen: Ich will beide nicht abwerten. Aber das sind ganz unterschiedliche Denkweisen, ganz verschiedene Handlungsstrukturen.

Nun weiß ich, gerade in der Verwaltung sollte man nie sagen, das war schon immer so, da könnte ja jeder kommen. Das ist falsch. Aber man sollte sich schon noch einmal überlegen, ob hier eine Kompatibilität herzustellen ist oder nicht. Wir jedenfalls – Kollegin Beer war in Baden Württemberg und in Rheinland-Pfalz und hat sich dort Modellprojekte angesehen – müssen das doch schwer bezweifeln.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will dem Präsidenten doch ein bisschen entgegenkommen und auf fünf Minuten der Redezeit für die FDP-Fraktion verzichten.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Offensichtlich haben Sie es gut gemeint. Vielleicht machen Sie es in der dritten Lesung auch noch gut – aber nur dann stimmen wir mit. Ansonsten enthalten wir uns der Stimme. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz fügt sich in einen ganzen Kranz von Verwaltungsstrukturreformgesetzen ein. Herr Kollege Hahn, ich nehme nur ein Stichwort von Ihnen auf: „Schönheitspreis nicht zu gewinnen“ – aber ja. Haben Sie bei einem Verwaltungsreformvorhaben schon jemals irgendwo in Deutschland einen Schönheitspreis gewinnen können? Das ist ausgeschlossen. Das ist begrifflich ausgeschlossen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist nicht besonders sexy!)

Woran liegt das? Stichwort:Aufgabenkritik. Das diskutieren wir seit 50 Jahren. Natürlich haben wir eine Aufgabenkritik gemacht.Aber diejenigen,die mit dem Ergebnis dieser Kritik nicht einverstanden sind, erklären grundsätzlich, es fehle an der Kritik.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP), an Staatssekretär Herbert Landau gewandt: Herr Staatssekretär, bei den Amtsgerichten kann mir das keiner erzählen!)

Drittes Beispiel. Herr Kollege Hahn, ich habe unsere gemeinsamen Zeiten noch vor Augen. Das Innenministerium hat die große Freude, das zu vertreten und sämtliche Fachressorts hier zusammenzuführen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das macht Freude!)

Deshalb bin ich auch in vielen Fragen kundig. Vergessen wir das. Ich entsinne mich intensivster Fragen, wie man Verwaltung vernünftig organisiert. Dabei gibt es Interessen – und die sind nachvollziehbar –

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Genau!)

von Amtsinhabern, von einzelnen Teilen des Landes, von bestimmten Bereichen, von Organisationen, die Anspruch haben, gehört zu werden. Es gibt Gesichtspunkte wie Arbeitslosigkeit und Strukturfragen. Das gehört doch hier hinein. Das ist auch nichts Neues.

Wir haben immer wieder erklärt – letztlich steht das im Zusammenhang mit der „Operation sichere Zukunft“, aber auch unabhängig davon –, es kann doch kein Zweifel daran herrschen, dass die Verwaltung so, wie sie ist, auf Dauer nicht bleiben kann.

Wir haben ein Gesamtkonzept für dieses Land. Das mag man für falsch halten – das muss man durchaus einräumen. Jeder kann das nach eigenem Gusto beurteilen. Aber was soll ich damit anfangen, wenn hier sozusagen wahlkreisscharf diskutiert wird, warum die eine Behörde hier und die andere Behörde dort sein soll? Das ist doch ausgeschlossen.

Ich könnte mir den Spaß machen und jeden Wahlkreisabgeordneten fragen, wie es werden soll.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Der Kollege Haselbach – darauf will ich mich beziehen und nicht alle Punkte vortragen – hat zu Recht folgendes Beispiel erwähnt: Wir haben uns dazu entschieden, nicht alles in die Zentren zu legen. Das kann man auch anders entscheiden. Das führt dann dazu, dass man z. B. die Katasterverwaltung in Heppenheim und nicht in Darmstadt ansiedelt. Man kann das auch anders entscheiden. Quer durch die Parteien gibt es Abgeordnete aus dem Kreis Bergstraße, die finden das großartig, und die aus Darmstadt finden das fehlerhaft.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Darum geht es überhaupt nicht! Das hat keiner gemacht!)

Ich nehme das Beispiel Katasterverwaltung Rhein-Main.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Machen Sie es doch nicht lächerlich!)