Liebe Kollegen, ich habe den Eindruck, die Oppositionszeit der CDU hat Sie traumatisiert, weil Sie bei jeder Diskussion permanent darauf zurückkommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Einzige, was uns amüsiert, ist die Regierung!)
Aber Spaß beiseite. Ich möchte auf das eingehen, was der Kollege Hahn gesagt hat. Ich halte es in der Tat für notwendig, dass man zu einem Kompromiss kommt zwischen dem kommunalen Selbstverständnis, das man so zusammenfügen kann, dass man möglichst viel in eigener kommunaler Verantwortung entscheiden will, und den Notwendigkeiten eines Landes, bestimmte Verwaltungsangelegenheiten einheitlich zu gestalten, gegebenenfalls auch politisch umzusetzen. Das akzeptiere ich sehr wohl. Ich bin der Auffassung, dass wir hier einen guten Kompromiss gefunden haben. Herr Kollege Hahn, ich bin sehr gespannt, welche Änderungsüberlegungen hier noch kommen.
Ich will noch auf Folgendes eingehen. Alle drei Fraktionen der Opposition haben in unterschiedlicher Melodie und Dramatik erklärt, das Verfahren sei unerträglich.Was hätten Sie denn gemacht, wenn wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt hätten, den wir nicht so ausführlich im Vorfeld behandelt hätten?
Wir haben das über ein Jahr lang sehr, sehr sorgfältig mit den Kommunalen Spitzenverbänden besprochen. Warum legt nun die Fraktion diese Initiative vor? Weil die kommunale Familie größten Wert darauf legt, dass die Änderungen möglichst rasch in Kraft treten. Die Ursprungsüberlegung war, die Änderungen zum 1. Januar 2005 einzuführen. Das ist aufgrund der parlamentarischen Abläufe nicht mehr zu machen. Deshalb gibt es den dringenden Wunsch, die Regelungen zum 1. April 2005 in Kraft treten zu lassen. Das ist doch vernünftig. Wenn mir jetzt einer erzählt, dass er nicht in der Lage sei, innerhalb der nächsten vier Monate die Fragen zu diskutieren, die den meisten Fachleuten bekannt sind, dann glaube ich ihm das nicht.
Was ist neu? Das Verfahren ist doch sehr klug. Es wurde früher genauso gehandhabt. Stellen Sie sich vor, wir hätten jetzt eine Regierungsanhörung durchgeführt. Unter Berücksichtigung der notwendigen Fristen wären wir frühestens im Herbst des kommenden Jahres mit unserem Vorschlag hier ins Plenum gekommen. Dann hätten Sie mit Recht die gleiche Diskussion begonnen und gesagt, der Landtag muss sich damit beschäftigen.Wir hätten ein Jahr verloren. Das halte ich für in der Sache nicht vertretbar. Deshalb will ich ausdrücklich sagen: Wir haben hier einen nicht nur zulässigen, sondern auch in der Sache sinnvollen Weg gewählt. Es hat einen sehr intensiven Abstimmungsprozess gegeben. Meine Damen und Herren, wir werden in der zweiten Lesung und in den weiteren Beratungen auf die Einzelheiten eingehen können.
Lassen Sie mich mit zwei Bemerkungen schließen. Damit Sie alle das richtig einordnen können, möchte ich aus einem Brief des Präsidenten des Hessischen Landkreistages vom 6. Dezember 2004 zitieren. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Sehr geehrter Herr Staatsminister, auch wir möchten zu Beginn einiger ergänzender Bemerkungen den Dank unseres Verbandes an Sie persönlich, Frau Staatssekretärin Scheibelhuber, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und an die Hessische Landesregierung aussprechen für Ihre Bereitschaft, den schon lange vom Hessischen Landkreistag vorgetragenen Wunsch zur organisatorischen Reform der Verwaltung auf Kreisebene aufzugreifen und umzusetzen. Insbesondere danken wir auch für die zwar zeitlich sehr gedrängte, aber doch umfassende und partnerschaftliche Art der Beratung und Gespräche.
Meine Damen und Herren, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit jemals ein solches Schreiben bekommen hätten, Sie hätten angeordnet, dass die Glocken im ganzen Land läuten.
(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie würden Springprozessionen veranstalten!)
Erstens. Die neue Regelung ist kommunalfreundlich. Es ist ausdrücklich daraufhin zuweisen: Die Kommunen bekommen zusätzlich 1,6 Millionen c aus staatlichen Mitteln. Das hat es vorher noch nie gegeben. Die Ungleichgewichte in den staatlichen Abteilungen sind Jahrzehnte alt. Die werden jetzt ausgeglichen. Keine Regierung hatte jemals die Kraft, das Thema anzugehen. Diese Regierung tut es.
Zweitens. Diese Regelung bietet alle Chancen zur Effizienzsteigerung. Sie wird die Bürokratie abbauen. Das Wichtigste ist: Diese Regelung dient den Steuer zahlenden Bürgerinnen und Bürgern in Hessen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Vereinbarungsgemäß überweisen wir den Gesetzentwurf zur Beratung und zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Innenausschuss. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen.
Große Anfrage der Abg. Priska Hinz, Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Fraktion betreffend Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Sozialassistentinnen und Sozialassistenten – Drucks. 16/2635 zu Drucks. 16/1499 –
Die Redezeit beträgt vereinbarungsgemäß zehn Minuten pro Fraktion. Ich erteile Frau Kollegin Hinz für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gemessen an der Bedeutung, die die vorschulische Bildung inzwischen hat – zumindest in den bildungspolitischen Diskussionen –, ist die Beantwortung der Großen Anfrage durch
die Landesregierung tatsächlich enttäuschend ausgefallen. Entweder hat sich die Landesregierung noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt, oder sie hält es nicht für notwendig, dem Parlament die sachlichen Grundlagen dafür zu bieten, vertiefende Debatten über die Frage zu führen, wie die Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern in diesem Lande künftig eigentlich geleistet werden soll.
Viele Fragen kann die Landesregierung überhaupt nicht beantworten, z. B. die Fragen, welche Vorbildung die Personen haben, die an den Fachschulen für Sozialpädagogik aufgenommen werden, und in welchem Umfang Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund in den Kindertagesstätten in Hessen arbeiten. Sie wissen nichts über die durchschnittliche Verweildauer in diesem Beruf. Sie wissen nicht,wie viele Sozialassistentinnen und Sozialassistenten als Zweitkräfte in den hessischen Kindertagesstätten beschäftigt sind oder was Sozialassistenten nach dem Abschluss ihrer Ausbildung überhaupt machen.
Wenn Sie die von uns gestellten Fragen beantworten können, fühlen Sie sich wiederum oft nicht zuständig. Dabei sind doch viele Probleme, die in der Großen Anfrage angerissen werden, notwendig zu klären, wenn man eine Vorstellung und ein Konzept dafür entwickeln will, wie die qualifizierte Aus- und Fortbildung der Pädagogen künftig aussehen soll, die sich in den Kindertagesstätten nicht nur um Betreuung und Erziehung, sondern auch um Bildungsangebote kümmern sollen.
Man müsste sich z. B. fragen, warum es einen Rückgang der Zahl der Bewerber an den Fachschulen für Sozialpädagogik gibt. Ich denke, das hängt unter anderem damit zusammen, dass das Berufsbild nicht mehr so attraktiv ist wie noch vor vielen Jahren. Das heißt, es gibt wenige Aufstiegsmöglichkeiten, es gibt schwierige Arbeitsbedingungen,dafür aber relativ wenig Unterstützung für den Beruf, und die Bezahlung ist auch schlecht. Das bedeutet vor allen Dingen, das die Zahl der männlichen Bewerber stark zurückgegangen ist und wir ein Übergewicht von Frauen in den Kindertagesstätten haben. Wir bräuchten aber auch männliche Vorbilder, gerade in diesem Bereich von Bildung und Erziehung.
Der Migrantenanteil an den Auszubildenden beträgt 7 %. Etwa 18 % der Kinder in den Tagesstätten haben aber einen Migrationshintergrund. Das heißt, hier ist eigentlich ein Bedarf für die Ausbildung und den Einsatz von Erzieherinnen und Erziehern mit Migrationshintergrund vorhanden. Allerdings weiß die Landesregierung noch nicht einmal, wie viele Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund in den Kitas beschäftigt sind.Das müsste man doch wissen, wenn man der Meinung ist, es ist gut, dass man – sozusagen als Brücke zu anderen Kulturen, für die interkulturelle Erziehung, aber auch für die Beratung von Eltern mit Migrationshintergrund – solche Pädagogen in den Einrichtungen hat. Dann müsste man gezielt Werbung und Ausbildung betreiben. Solange man sich für das Problem nicht interessiert, solange man nicht weiß, wie die Situation tatsächlich ist, kann man natürlich überhaupt nichts ändern.
Zum Thema Fortbildung: Die Landesregierung zieht sich völlig aus ihrer Verantwortung zurück. Sie hat das schon getan, indem sie bei der Kommunalisierung der Jugendhilfe gesagt hat, das alles sei Sache der Träger. Das Fortbildungswerk für Erziehungskräfte auf Landesebene
wurde geschlossen. Das Land rühmt sich jetzt allein noch der Sprachförderung in den Kindertagesstätten, also mit der Fortbildung der Erzieherinnen und Erziehern. Das ist sicher eine richtige und wichtige Sache, allerdings gibt es immer noch Defizite bei den diagnostischen Kompetenzen der Pädagogen. Das hat die letzte Studie erwiesen, die die Sozialministerin vorgestellt hat.
Ausweislich der Antwort auf die Große Anfrage setzt die Landesregierung aber darauf, dass es Sache der örtlichen öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe ist, bei Bedarf entsprechende Konzepte zu entwickeln. Die Landesregierung vertraut auf die Kompetenz der Träger. Die Landesregierung ist auch davon überzeugt, dass sich die Kommunen inhaltlich und strukturell auf ihre neuen Aufgaben eingestellt haben.
Daher sieht die Landesregierung keinen zusätzlichen Fort- und Weiterbildungsbedarf seitens des Landes. Diese Aussage ist ein Armutszeugnis.
Obwohl sie einen Bildungs- und Erziehungsplan für die Null- bis Zehnjährigen entwickeln und einen bruchlosen Übergang von der Kindertagesstätte zur Schule schaffen will, sieht sie keinen Bedarf, die Fort- und Weiterbildung von der Landesseite aus zu fördern. Meine Damen und Herren, so kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Man kann nicht einfach alles nur den Trägern überlassen und sich auf den guten Willen der Erziehungskräfte verlassen, sich angemessen fortzubilden.
Wenn wir wirklich eine Verbesserung der Qualität frühkindlicher und vorschulischer Bildungs- und Erziehungsangebote erreichen wollen, bedarf es allerdings neben einer angemessenen und ausreichenden Fortbildung auch einer verbesserten Ausbildung und einer verbesserten Qualifizierung des Erziehungspersonals. Wir wissen, dass das Niveau der Bewerberinnen und Bewerber an den Fachschulen aufgrund der stagnierenden Bewerberzahlen und aufgrund der Tatsache, dass die Berufsgruppe schlecht bezahlt wird , nicht mehr so ist wie vor zehn Jahren. Die Leitung jeder Fachschule sagt Ihnen, dass das Niveau leider gesunken ist. Wir bräuchten aber für diesen Beruf gerade die Besten der Jahrgänge.Wir brauchen die, die in der Schule gute Lernerfahrungen gemacht haben, damit sie ihre guten Lernerfahrungen nicht nur in die Ausbildung, sondern auch später in die Arbeit einbringen können, um eine Lernmotivation für die Kinder zu schaffen.
Eine Ausbildung, die sich an neuen Herausforderungen orientiert, muss nicht nur dicht an einer guten Praxis sein, sondern auch theoretische Grundlagen und vor allem wissenschaftliche Reflexionsmöglichkeiten vermitteln, die im Beruf weiterhin notwendig sind.
Die Kompetenzen, die Erzieher und Erzieherinnen brauchen, um die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder zu fördern und zu unterstützen, Defizite abzubauen, Talente zu fördern, diagnostische Kompetenzen wahrzunehmen, pädagogische und psychologische Kenntnisse verbessert anzuwenden, in Neurobiologie versiert zu sein und sich mit naturwissenschaftlichen und mathematischen Phänomen auseinander zu setzen, damit man eine lernanregende Umwelt für Kinder schaffen kann, ist der eine Teil einer verbesserten Ausbildung.
Zum anderen muss die Zusammenarbeit mit den Eltern ein ganz wesentlicher Baustein sein. Eltern brauchen die kompetente Beratung durch professionelle Erziehungskräfte an den Kindertagesstätten. Erzieher und Erzieherinnen müssen in der Lage sein, mit Grundschullehrern zusammenzuarbeiten. Sie müssen aber auch in der Lage sein, auf gleicher Augenhöhe mit Jugendhilfeeinrichtungen zusammenzuarbeiten. Deswegen ist es, glaube ich, richtig, dass es inzwischen Versuche gibt, an Fachhochschulen eine neue Art von Ausbildungsgängen für Erzieherinnen und Erzieher auf einem Niveau einzuführen,das nicht nur gute Praxis, sondern eben auch wissenschaftliche und theoretische Grundlagen vermittelt.
Wir sind der Meinung, dass nicht von vornherein alle Erzieherinnen und Erzieher eine Fachschulausbildung brauchen, dass man aber zumindest mit dem Leitungspersonal beginnen sollte, weil dieses die Qualitätsentwicklung in ihren Kindertagesstätten, in ihren Einrichtungen voranbringen, Personalentwicklung im weitesten Sinn betreiben und auch überlegen muss, welche Fortbildung die Einrichtung braucht. Daher wäre es angemessen, mit dem Leitungspersonal zu beginnen.
Deswegen bedauere ich es sehr, dass die Landesregierung sagt, sie finde es eine Einschränkung des Berufsbildes, dass z.B.die Alice-Salomon-Schule als eine von mehreren Fachhochschulen in Berlin einen solchen Versuch startet. Im Gegenteil ist das eine Intensivierung der Ausbildung für Pädagogen im vorschulischen Bereich. Diese Intensivierung der Ausbildung aber ist dringend notwendig, wenn wir diesen Bereich als Bildungsbereich aufwerten wollen.
Ich finde es auch sehr merkwürdig, dass Sie in Ihrer Antwort auf unsere Anfrage einen neuen Begriff kreieren, ohne zu sagen, was Sie eigentlich meinen, wenn Sie auch für eine verbesserte Ausbildung sind.
Sie wollen auf einmal pädagogische Akademien einführen, von denen kein Mensch weiß, was das ist. Sind das Fachschulen, die einen anderen Namen haben, sind das Berufsakademien – das würde aber bedeuten, dass die Träger die Ausbildung finanzieren müssten –, oder sind das verkappte Hochschulen? Was ist das eigentlich? Sie müssten sich bitte entscheiden, welchen Weg Sie gehen wollen.Vor allem müssten Sie dem Parlament einmal klar sagen, welches Ziel Sie bei der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern haben, damit wir über das Konzept der Landesregierung seriös diskutieren könnten. – Schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Für eine gute und pädagogisch hochwertige Erziehung und Betreuung sind motivierte Mitarbeiter entscheidend. Jedoch führt die aktuelle Diskussion über die Neuorientierung der frühkindlichen Erziehung durch die Hinzunahme des Bildungsgedankens auch zu neuen Anforderungen an die Fachkräfte in unseren Kindertagesstätten.
In diesem Zusammenhang würde ich noch gern ein Wort zu den Äußerungen von Frau Wagner vom gestrigen Nachmittag sagen.Aber sie ist bei dieser Diskussion nicht da; das ist eigentlich schade. Bitte richten Sie ihr aus: Wir sind nicht verrückt, wenn wir einen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren erarbeiten. Die Bildung beginnt nicht erst mit fünf Jahren in der Kinderschule, sondern mit der Geburt. Sprechen Sie einmal mit Hirnforschern.
An dieser Stelle übernehmen wir aber nicht die Verantwortung der Eltern, sondern wir sind dafür verantwortlich, dass Eltern und Erziehern Hilfestellung gegeben wird,