Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten zum Zweiten den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt wissen, sodass wir bewusst in unseren Entwurf nicht hineingeschrieben haben, dass dieses Aufenthaltsverbot befristet ist, der Gesetzgeber z. B. sagt: „auf sechs Monate“. Wir sind der Auffassung, dass es die Aufgabe derjenigen Behörden ist, die von der Verwaltungsgerichtsbarkeit überprüft werden, genau zu schauen, dass für die konkrete Lage eine konkrete Begrenzung notwendig und möglich ist.Wir möchten nicht die Fixierung eines Datums im Gesetz – das hat nun einmal, wie wir aus der Empirik wissen, zur Folge, dass sich Behörden, auch die Justiz, zum größten Teil an diese Regeln schlicht halten –,
sondern dass pro Einzelfall jeweils selbstständig entschieden wird, ob eine Maßnahme sechs Tage, sechs Wochen, sechs Monate, wie auch immer sein soll. Sie muss rechtsstaatlich korrekt im Rahmen der Verhältnismäßigkeit abgearbeitet werden.
Dritter Punkt. Es ist vollkommen klar, dass mit diesem Aufenthaltsverbot in keinster Weise die betroffene Person daran gehindert werden darf, z. B. zur eigenen Wohnung oder zum Arbeitsplatz zu kommen. Es wäre absurd, so etwas zu unterstellen. Wir haben es aber ganz bewusst in den Gesetzentwurf geschrieben.
Ich unterstelle, dass – wie in diesem Hause seit vielen Jahren und Jahrzehnten üblich – ein derartiger Gesetzentwurf im zuständigen Ausschuss nicht nur beraten,sondern dazu auch eine Anhörung stattfinden wird. Ich freue mich über die Diskussion im Ausschuss und unterstelle aufgrund der Äußerungen, die ich bisher dazu gehört habe, dass die FDP hiermit einen nicht besonders streitigen Vorschlag für die Ergänzung unseres Polizeigesetzes hereingegeben hat.
Ich darf Sie daran erinnern, dass bereits in sechs Bundesländern eine ähnliche Regelung besteht. Die Länder Bayern und Baden-Württemberg brauchen eine entsprechende Regelung nicht, da dort „komischerweise“ die Verwaltungsgerichte erklärt haben, dass die Generalklausel, wie sie auch in Hessen lautet, dort anwendbar ist.Wir sind der Auffassung, wenn Rechte eingeschränkt werden – natürlich ist das die Einschränkung eines Rechtes –, dann soll es auch auf spezialgesetzlicher Grundlage stattfinden. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat Herr Schaub das Wort. Ich weiß, Sie haben sich nicht als Hütchenspieler, sondern als Fußballspieler einen Namen gemacht. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hahn, Sie können sicher sein, dass wir mit Ihnen gemeinsam darauf achten werden, dass auch bei hektischem Agieren dieser Landesregierung und dem Versuch, jeweils subjektives Sicherheitsempfinden zu konstruieren, die Bürgerrechte nicht unter die Räder kommen.Wir halten es aber auch für ganz wichtig, dass Rechtslücken geschlossen werden und Rechtssicherheit erzeugt wird.
Wir halten es genauso für wichtig, dass der Schutz der Bevölkerung sichergestellt wird. Es muss unser aller Ziel sein, dass wir dafür Sorge tragen, dass bei einer solchen Geschichte wie dem Hütchenspiel die Beamtinnen und Beamten der Polizei nicht zum Spielball dieser Rechtslücke werden. Jetzt müssen wir gemeinsam in der weiteren Beratung darauf achten, dass das, was wir in dieses Gesetz hineinschreiben, nicht einen zu hohen Anspruch konstruiert und möglicherweise über das Ziel hinausschießt. Es geht dabei um eine konkrete Situation. Wir werden mit Ihnen gemeinsam dafür und darum streiten, dass für diese konkrete Situation Abhilfe geschaffen wird.
Wir werden in der Sitzung des Ausschusses mit Sicherheit die Durchführung einer Anhörung beantragen. Dabei wollen wir auch die Praktiker zu Wort kommen lassen. Denn wir haben inzwischen schon erfahren, dass eine
Reihe der Praktiker der Auffassung ist,man benötige eine weitere gesetzliche Regelung nicht.Aber auch wir stellen fest, dass eine ganze Reihe anderer Länder solche Regelungen hat. Darunter befinden sich auch Länder mit von der SPD geführten Landesregierungen.
Das Augenmerk wird insbesondere darauf zu richten sein, dass es zu keiner Kollision mit der Versammlungsfreiheit kommt. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Das wird in der Begründung von Ihnen auch sehr ausführlich beschrieben. Denn da besteht eine gewisse Neigung, dass es zu einer Kollision kommt. Wir werden darauf sehr genau achten.
An dieser Stelle muss ausdrücklich gelobt werden, dass Sie bereits im Vorfeld den Datenschutzbeauftragten befragt haben. Der wird im Rahmen der Anhörung sicherlich auch noch einmal zu hören sein. Es ist ein ganz wichtiger Fakt, dass wir aufpassen, dass wir letztlich nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.
Wir werden hinsichtlich der Frage, zu diesem Punkt Rechtsklarheit zu erzeugen,offensiv gegenübertreten und mit Ihnen gemeinsam dafür streiten, dass wir die Instrumente sehr sorgfältig wählen. Sie müssen für diesen konkreten Fall passen. In der Anhörung wird sich sicherlich herausstellen, wie wir das am besten machen können.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hahn, jedenfalls mit der CDU-Landtagsfraktion wird es in dieser Sache in der Tat keinen großen Streit geben. Denn der vorliegende Gesetzentwurf der FDP-Fraktion für ein Siebtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird von uns grundsätzlich begrüßt.
Für meine Fraktion möchte ich noch einmal anmerken, dass aus unserer Sicht allerdings Novellierungsbedarf in etwas umfassenderer Form erforderlich ist, als dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgt wird. Beispielhaft will ich hier nur die Frage des finalen Rettungsschusses nennen, dessen Zulassung auch von der FDP-Fraktion dieses Hauses gefordert wird. Ich denke, wir sollten schon einmal darüber reden, ob wir jede einzelne Fragestellung wie die vorliegende, die sicherlich berechtigt ist, jeweils in ein eigenes Gesetzgebungsverfahren münden lassen wollen oder ob wir uns darauf verständigen können, eine umfassendere Novellierung vorzunehmen. Soweit ich das übersehe, steht das für das HSOG ohnehin bald an. Dem Deckblatt Ihres Gesetzentwurfs kann entnommen werden, dass das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf den 31. Dezember nächsten Jahres befristet ist. Insofern steht ehedem alsbald eine Novellierung an.
Herr Kollege Hahn, wie bereits gesagt, stimmen wir inhaltlich hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der Schaffung eines längerfristig geltenden Aufenthaltsverbotes überein. Die Neuregelung wurde wegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und der damit geschaffenen Grundlage erforderlich, die am 28. Januar dieses Jahres erfolgt ist. An diesem Tag wurde festgestellt,
dass ein längerfristiges Aufenthaltsverbot nicht durch § 31 HSOG gestützt wird. Ihr Gesetzentwurf will diese Möglichkeit schaffen. Das längerfristige Aufenthaltsverbot kann sich aber auch nicht, wie es bisher erfolgt ist, auf die Generalklausel des § 11 HSOG stützen.
Die geltende Rechtslage ist sicherlich nicht ausreichend und befriedigend. Denn man kann mit ihr z. B. die so genannte Hütchenspielerszene nicht wirksam bekämpfen.
Ich möchte aber noch etwas zu bedenken geben. Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltene Beschränkung der Möglichkeit des Aussprechens eines Aufenthaltsverbotes auf einen bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde könnte unter Umständen den Sicherheitsbelangen nicht gerecht werden. Ich möchte hier das Beispiel kleinerer Gemeinden anführen, bei denen es möglicherweise erforderlich werden kann, das gesamte Gemeindegebiet mit einem Verbot des Aufenthaltes zu belegen. Herr Kollege Hahn, ich darf darauf hinweisen, dass außer Berlin alle anderen Länder, die eine entsprechende Regelung getroffen haben, Regelungen für das Aufenthaltsverbot vorgesehen haben, in denen die Möglichkeit besteht, in dem Aufenthaltsverbot das gesamte Gemeindegebiet zu erfassen. Ich denke, darüber wird in der Sitzung des Ausschusses und im Rahmen der Anhörung noch zu diskutieren sein.
Ich hatte es bereits gesagt: Wir von der CDU würden es vorziehen, die notwendigen Änderungen des Polizeirechts in einem Gesamtpaket zu beraten und zu diskutieren. Lassen Sie uns darüber im zuständigen Innenausschuss reden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP befindet sich im Augenblick noch in einer Art Selbstfindungsprozess hinsichtlich der Suche nach der richtigen Oppositionsrolle.
(Nicola Beer (FDP): Herr Kollege, das bestreite ich! – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Woher wissen Sie das?)
Jetzt versucht sie es einmal mit law and order. Aus Ihrer Sicht ist das auch möglicherweise richtig. Wir werden das ja sehen. Nachdem ich mir das durchgelesen hatte, was Sie hier vorschlagen,war ich mir hinsichtlich eines Punktes jedoch sicher: In den Zeiten, in denen die FDP noch eine Bürgerrechtspartei war, hätte ein solcher Vorschlag ihren erbitterten Widerstand gefunden. Heute treiben Sie so etwas selbst voran. Wir werden sehen, ob die Hardliner der CDU irgendwann einmal von den Hahn-Linern der FDP abgelöst werden.
Ich komme zur Sache, nämlich zum Aufenthaltsverbot. Uns muss natürlich klar sein, dass ein solches Aufenthaltsverbot in eine Reihe von Grundrechten eingreift. Art. 11 Grundgesetz gewährleistet Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet, Art. 2 die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 9 Grundgesetz die Versammlungsfreiheit und Art. 13 Grundgesetz die Unverletzlichkeit der Wohnung. Ich könnte jetzt noch einige andere Artikel des Grundgesetzes aufzählen. Natürlich gelten diese Grundrechte nicht unbeschränkt.
Natürlich kann in diese Grundrechte aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Das kann aber immer nur dann geschehen, wenn die vorgesehene Regelung erforderlich und auch verhältnismäßig ist. Nach den Erfahrungen, die man in den anderen Bundesländern gemacht hat, habe ich bereits hinsichtlich der Erforderlichkeit erhebliche Bedenken.
Der gedankliche Ansatz ist alt. Polizei und Justiz können in der Strafverfolgung noch so gut und effektiv arbeiten, im Grunde genommen kommen sie immer zu spät. Denn die Tat ist dann geschehen.Sie kann nicht mehr verhindert werden. Vielleicht kann der Täter noch zur Rechenschaft gezogen werden. Das Opfer konnte aber nicht wirksam geschützt werden. Nachträglich kann es nur noch Genugtuung erfahren. Natürlich gibt es deswegen auch immer mehr Versuche, präventiv zu wirken, Straftaten also zu verhindern. Gerade wir GRÜNEN haben immer wieder erklärt, dass dies viel effektiver ist als das rein nachsorgende Strafrecht. Es gibt die Präventionsräte, die aufsuchende Sozialarbeit, die Streetworker. Darüber hinaus kennt man noch einiges mehr.Das alles sind Versuche,das Umfeld potenzieller Täter so zu beeinflussen, dass Straftaten verhindert werden.
Das Problem des Aufenthaltsverbotes besteht nun in Folgendem: Sie wollen präventiv wirken. Straftaten sollen ja verhindert werden. Sie wollen dafür aber ein repressives Mittel einsetzen, das bereits einen strafähnlichen Charakter hat. Eine Sanktion wird bereits wegen des Verdachtes ausgesprochen, das Verüben einer Straftat stehe bevor. Wer so etwas über das Strafrecht regeln wollte, würde einen Sturm der Entrüstung ernten. Denn natürlich kann niemand aufgrund eines reinen Verdachtes verurteilt werden. Bereits dieser Aspekt müsste bei uns sämtliche Alarmglocken zum Schellen bringen.
Natürlich – es ist bereits erwähnt worden – gibt es das in einer Reihe von Bundesländern, zuerst 1996 in Niedersachsen und nachfolgend in einigen anderen Bundesländern. In Bremen hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls das Aufenthaltsverbot auf die polizeiliche Generalklausel gestützt. Das ist also ganz im Norden wie auch ganz im Süden so.
Ich teile die Auffassung, dass, wenn man überhaupt eine solche Regelung für notwendig erachtet, eine ausdrückliche Regelung, die im Interesse der Rechtsklarheit die Voraussetzungen und Grenzen regelt, natürlich besser ist. Hier muss man sich einmal anschauen, dass z. B. der Hamburger Senat auf eine Anfrage in der dortigen Bürgerschaft gesagt hat, dass 2002 überhaupt kein einziges Aufenthaltsverbot in Hamburg ausgesprochen worden ist, wohingegen in Sachsen seit Einführung der Regelung – ich weiß nicht genau, wann das war – bis 2002 nach Auskunft der dortigen Staatsregierung in 100 Fällen Aufenthaltsverbote angeordnet wurden.Auf der einen Seite 100,
auf der anderen Seite null in einem Jahr in einer Stadt wie Hamburg,das sollte erheblichen Zweifel daran nähren,ob eine solche Regelung tatsächlich Wirkung zeigt.
Darüber wird im Ausschuss sicherlich noch zu sprechen sein. Ich teile die Auffassung, dass eine solch weit gehende Regelung ohne eine vorangehende Anhörung nicht eingeführt werden kann.Wir müssen da die Erfahrungen der Praxis einbeziehen und uns auch fragen, warum andere Bundesländer meinen, auf eine solche Vorschrift verzichten zu können.
Für meine Fraktion muss von vornherein völlig klar sein, dass die Zustimmung zu einer Regelung, die aber nicht so weit gefasst sein kann wie die hier vorgelegte, nur in Betracht kommt, wenn an mehreren Punkten nachgebessert wird und eines klar ist: Das Aufenthaltsverbot darf nicht dazu missbraucht werden, bestimmte Gegenden von unliebsamen Teilen der Gesellschaft frei zu halten oder eine bestimmte Auffassung von bürgerlicher Ordnung zu exekutieren.Das darf keinesfalls sein.Die Beispiele hat es gegeben. In Karlsruhe wurde durch ein Aufenthaltsverbot für alle Punks
jawohl, zur Praxis in anderen Bundesländern – versucht, diese fern zu halten. Das ist ein realer Fall, der in BadenWürttemberg gespielt hat.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hat das etwas mit dem Gesetzentwurf zu tun? Sind Sie jetzt Polemiker oder Richter?)
Das Verwaltungsgericht hat das aufgehoben. Hier muss für uns ganz klar sein: Nicht unangepasstes Verhalten, abweichende Lebensweise oder ungewöhnliches Aussehen rechtfertigen ein Aufenthaltsverbot, sondern ausschließlich Abwehr zukünftiger Straftaten.
Das gilt im Übrigen auch für die offene Drogenszene. Ich weise darauf hin, dass mit einem solchen Aufenthaltsverbot nicht jede offene Drogenszene aus den Innenstädten fern gehalten werden kann,