Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Wie war das mit Herrn Fischer? – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Visakontrolle!)

Frau Kollegin Wagner, ich zitiere wörtlich aus dem Bericht des Bundesschatzmeisters der FDP:

Wir können es uns nicht mehr leisten, dass ca. 20 % unserer Mitglieder, aus welchen Gründen auch immer, keinen Beitrag leisten. Wir können es uns ebenso wenig leisten, dass ein überproportional großer Teil unserer Mitglieder sich selbst auf den Mindestbeitrag eingestuft hat, obwohl die persönliche Einkommenssituation auch bei vorsichtigster Betrachtungsweise augenfällig davon abweicht.

Frau Kollegin Wagner, deshalb ist Kontrolle manchmal gut, wenn es um Geld geht. Sie wissen doch selbst, dass nicht alle Leute das angeben, was sie angeben müssten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Wagner, wenn sich Mitglieder Ihrer Partei arm rechnen, ist das zunächst einmal Ihr Problem. Meine Sorge soll es nicht sein, wenn die hessische FDP und die Bundes-FDP Finanzprobleme haben. Seis drum.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das geht Sie auch gar nichts an!)

Aber wir reden heute über die Einnahmen des Staates. Wir reden heute über die Besteuerung. Wir reden heute

darüber, dass alle Leute gemäß ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Darüber reden wir nicht!)

Außerdem reden wir über das, was uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat: Bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen darf es nämlich nicht so enden, dass die Ehrlichen die Dummen sind. Wenn Sie in Ihrer Partei tolerieren, dass sich Leute arm rechnen, ist das Ihre Sache. Wenn es um die Finanzierung des Staates geht, müssen die Finanzbehörden in der Lage sein, Steuersünder aufzuspüren und dafür zu sorgen,dass sie genauso viel wie die Ehrlichen bezahlen.

Dafür haben wir die Instrumente geschaffen. Darum geht es, und deshalb sind die Instrumente, die heute zur Debatte stehen, wichtig. Ihre Hinweise auf Bürgerrechte gehen völlig fehl. Es kann nicht sein, dass das, was Sie hier vorlegen, dazu führt – wie gesagt, faktisch nicht von Ihnen gewollt –, dass die Steuersünder geschont und nicht effektiv verfolgt werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat Michael Denzin, FDPFraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war ein hilfloser Versuch nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Nur, das war kein Angriff, sondern ein Fehlgriff vom ersten bis zum letzten Wort.

(Beifall bei der FDP)

Herr Wagner, ich möchte Sie bitten, sich für Ihre Entgleisungen zu entschuldigen.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wofür denn?)

Ein Satz zur Sache. Wir haben einen Vorschlag gemacht, den Herr Kollege von Hunnius vorgetragen hat. Es geht um die Abgeltungssteuer. Damit können Sie sich den ganzen Überwachungswust, den Sie gemeinsam mit den GRÜNEN eingeführt haben, sparen. Gemeinsam mit den GRÜNEN sind beschlossen worden: das Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses, das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus – Schily II – mit all seinen Einschränkungen der bürgerlichen Rechte, das Finanzmarktförderungsgesetz 2002 und das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das theoretisch den Zugriff auf die bei den Krankenkassen befindlichen Krankendaten von 80 Millionen Bürgern erlaubt.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Dann sagen Sie immer, es gibt keine Reformen in Deutschland! Dann sagen Sie immer, es gibt einen Stillstand in Deutschland!)

Ferner gibt es das Gesetz zur Förderung der so genannten Steuerehrlichkeit – unmöglich. Über die Inhalte haben wir hier eben etwas gehört. Ferner gibt es das Alterseinkünftegesetz, das Telekommunikationsgesetz und Abhörgesetze.All das sind Durchleuchtungsgesetze.Der mit den

USA getroffenen Vereinbarung über die Daten von EUPassagieren hat euer Außenminister zugestimmt. Ferner gibt es das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung und das Gesetz zur Neuregelung der Luftsicherheitsaufgaben.

Hierbei gibt es überall einen Diskussionsansatz. Aber wenn die GRÜNEN, die diese Vielzahl von Gesetzen mitbeschlossen haben, sich hierhin stellen, sich so wie Herr Wagner gebärden und dann von sich behaupten, sie hätten mit den Bürgerrechten etwas im Sinn, ist das nicht nur infam, sondern es entlarvt sich auch von selbst.

(Beifall bei der FDP)

Sehen Sie sich diese zehn Gesetze an. Überdenken Sie Ihre Haltung, und befassen Sie sich nicht mit Parteitagsanträgen der FDP.

(Beifall bei der FDP)

Herr Wagner hat die Möglichkeit zu einer Erwiderung.

Herr Kollege Denzin, ich nehme erfreut zur Kenntnis, dass Sie sich zu einer Kurzintervention gemeldet haben und überhaupt nicht mehr über Ihren Antrag reden. Das zeigt, dass Sie offenkundig darüber nachdenken, ihn zurückzuziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Aber, Herr Denzin, ich wollte auf einen ganz anderen Punkt hinweisen. Ich wollte aufzeigen, wo sich die vermeintliche Bürgerrechtspartei FDP zu Bürgerrechten äußert.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Dafür haben Sie eben einen sehr eindrucksvollen Beweis geliefert. Zu all den zehn Punkten, die Sie hier aufgelistet haben, haben Sie im Hessischen Landtag keinen Antrag gestellt.Nur wenn es darum geht,die Steuerhinterziehung zu bekämpfen, entdecken Sie Ihr Herz für Bürgerrechte und stellen hier solche Anträge. Herr Denzin, darauf wollte ich hinweisen. Das haben Sie mit Ihrem Redebeitrag eindrucksvoll bestätigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich geht es bei all den Gesetzen, über die wir hier reden, um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit,um die Abwägung zwischen den Freiheitsrechten von Menschen und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Wir müssen diese Abwägung jedes Mal von neuem vornehmen, und es ist jedes Mal eine schwierige Abwägung. Es ist keine Frage, dass die Abwägung, die wir vornehmen müssen, schwierig ist.

Herr Denzin, Sie haben aber zu dem Punkt, auf den ich hingewiesen habe, nichts gesagt. Sie nehmen an dem Punkt, über den wir hier reden, nämlich wie wir die Steuerhinterziehung effektiv bekämpfen können, eine falsche Abwägung vor.Herr Denzin,das ist der Punkt,auf den ich hinweisen wollte, und das haben Sie wirklich eindrucksvoll bestätigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Denzin (FDP):Abgeltungssteuer!)

Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum ich mich entschuldigen sollte, wie Sie das angemahnt haben. Ich hätte all das noch viel schärfer formulieren können.Angesichts dessen, dass der Ehrenvorsitzende der FDP ein wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilter Mensch ist, hätte ich das, was ich hier gesagt habe, noch sehr viel schärfer formulieren können.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie knüpfen dort an, wo Otto Graf Lambsdorff in den Achtzigerjahren aufgehört hat. Anfang der Neunzigerjahre wollten Sie die Partei der Besserverdienenden sein, und Ihr Antrag ist jetzt eine Kombination aus beidem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner spricht Herr Abg. Milde für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist köstlich zu beobachten, wie sich GRÜNE und FDP darüber streiten, wer die Bürgerrechte am höchsten hält.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind Sie ungefährdet! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Ihnen komme ich jetzt, Herr Kollege Wagner. – Ich wundere mich auch, Herr Kollege Wagner, dass ausgerechnet Sie so eine Rede gehalten haben. Offensichtlich sind bei Ihnen die Maßstäbe, die Sie eben angelegt haben, nicht immer die gleichen. Offensichtlich fällt die Abwägung, von der Sie eben gesprochen haben, bei Ihnen nicht in allen Fällen gleich aus. Sonst müssten wir das Gesetz über die Schleierfahndung noch verschärfen, und Sie müssten zustimmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war nicht mein Punkt!)

Eines möchte ich Ihnen noch sagen. „Im Zweifel für die Freiheit“ haben Sie sich hier zumindest nicht entschieden; das ist eindeutig.Wenn Sie sagen: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, muss ich Ihnen auch sagen, Herr Wagner: Sie hätten an ganz anderen Stellen in der Welt für Kontrolle sorgen müssen, bevor Sie jemanden nach Deutschland hereinlassen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eigentlich wollte ich das Thema versachlichen; denn wir reden hier über ein in der Tat sehr ernstes Thema.Wir reden nicht nur über das Bankgeheimnis,sondern auch über die Frage, wie wir als Staat mit Steuerzahlern insgesamt

umgehen. Dazu möchte ich Ihnen grundsätzlich sagen, dass wir weder eine Durchleuchtung der Bürger wollen noch glauben, dass sie in der Form kommt, wie sie eben von der FDP beschrieben wurde. Aber bei dem Verdacht auf Straftaten muss eine Verfolgung von Steuersündern vernünftig möglich sein.

(Roland von Hunnius (FDP): Bei Verdacht!)