es kommt noch schlimmer, ich will noch einiges dazu sagen –, dann hätten Sie jederzeit Gelegenheit gehabt, in den letzten Monaten oder in den letzten eineinhalb Jahren – seitdem ist bekannt, dass wir ab dem Jahr 2005 abbauen werden – mit mir zu sprechen.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben die doch getan! – Heike Hofmann (SPD): Die haben doch mit Ihnen gesprochen!)
Ich habe am 10. Februar dieses Jahres, also vor etwa fünf Wochen, einen Besuch der Staatsanwaltschaft Frankfurt vorgenommen. Jede Woche besuche ich ein bis zwei Justizbehörden – Justizvollzugsanstalten, Gerichte, Staatsanwaltschaften –, um unmittelbar vor Ort mit denjenigen zu sprechen, die die Arbeit leisten.
Bei diesem Gespräch, das auch mit dem Personalrat der Staatsanwaltschaft Frankfurt und dem Staatsanwaltsrat der Staatsanwaltschaft Frankfurt stattfand, ist nicht ein einziges der Worte, die wir in diesem offenen Brief wieder finden, auf den sich die GRÜNEN beziehen, gefallen – nicht ein einziges Wort. Das ist hinter verschlossenen Türen geführt worden. Man hätte sich offen streitig miteinander auseinander setzen können.Aber es gab keine einzige Klage. Die Situation, die hier so pompös von Herrn Dr. Jürgens vorgetragen wurde, ist nicht erläutert und angesprochen worden.
Vielen Dank. – Weder der Personalrat noch der Staatsanwaltschaftsrat haben auch nur das Geringste von dem vorgetragen, was in dem offenen Brief an Behauptungen aufgestellt wurde.Meine Damen und Herren,das will ich klar und deutlich sagen: Da bleibt der Verdacht der Inszenierung.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du liebe Zeit! – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Der Generalstaatsanwalt bewertet dies ähnlich. In einem Schreiben vom vorgestrigen Tage, vom 15. März, zu dem offenen Brief gelangt er zu der Einschätzung, ich zitiere wörtlich:
Die von den Vertretern der drei Berufsverbände formulierte Erwartung, die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main könne kollabieren, entbehrt jeglicher Grundlage.
Meine Damen und Herren, was bleibt? Die Mitarbeiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft und aller anderen Behörden und Gerichte im Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums der Justiz sind schon immer einer nicht unerheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Dass sie den daraus erwachsenden Anforderungen Tag für Tag gerecht werden und mit hohem persönlichen Einsatz Bemerkenswertes leisten, findet meine Anerkennung.Allen Bediensteten spreche ich deshalb auch meinen ausdrücklichen Dank dafür aus.
Für die Fraktion der GRÜNEN bleibt nur mein Rat: Bevor Sie hier auftreten,recherchieren Sie gründlich,statt zu polemisieren.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Es ist doch eigentlich schon alles gesagt! – Gegenruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ja, am 40. Jahrestag der DDR war auch alles in Ordnung!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat des Justizministers beginnen. Sinngemäß haben Sie gesagt, die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sei im Landesschnitt nicht überdurchschnittlich hoch.
Wenn das so ist, dann ist das umso schlimmer, denn dann haben wir in ganz Hessen eine solch hohe Arbeitsbelastung, nicht nur in Frankfurt am Main.
Genau das ist auch die Erfahrung, die wir in unseren Gesprächen mit den Verbänden, aber auch vor Ort gewonnen haben. Sie sind vor Ort und führen diese Gespräche, aber bei Ihnen scheinen diese Worte hier hinein und dort wieder hinauszugehen. Sie nehmen das überhaupt nicht wahr. Sie nehmen die Ängste und Sorgen der Staatsanwaltschaften überhaupt nicht ernst.
Außerdem fordere ich Sie hier auf, sich einmal von Ihrer arroganten Art zu distanzieren, in der Sie sinngemäß gesagt haben: Ein Abgeordneter wie Herr Al-Wazir „hospitiere“ in einem Ausschuss.Wir hospitieren nicht als Abgeordnete in einem Ausschuss, sondern wir sind ordentliche Mitglieder und arbeiten dort parlamentarisch.
Was Dr. Jürgens vorgetragen hat und auch wir vortragen werden, ist kein „Oppositionsgetöse“, sondern aus einer puren Notsituation entstanden:ein offener Brief der maßgeblichen Verbände in der Justiz. Das sollten Sie zur Kenntnis und ernst nehmen,anstatt das einfach vom Tisch zu wischen.
Dieser Brandbrief verdeutlicht, dass in Hessen eine effektive Strafverfolgung nicht mehr gewährleistet ist und dass Sie sich in den Behörden der Justiz überhaupt nicht auskennen.
Ich darf Sie noch einmal mit einigen Fakten konfrontieren. Sie haben entschieden – da wird von Ihrer Seite aus nicht diskutiert –, bis 2007/2008 werden bei den Staatsanwaltschaften in ganz Hessen 89 Stellen abgebaut.
Hinzu kommt, dass offene Stellen nicht besetzt werden. Erst auf unseren Druck und auf Druck der Verbände hin sind befristete Stellen in einem Kraftakt verlängert worden.Auch die wollten Sie schröpfen.
Die Arbeitsbelastung bei der Staatsanwaltschaft – ich möchte Herrn Dr. Jürgens widersprechen, weil mir krassere Zahlen vorliegen – liegt mittlerweile bei 140 bis 150 %, bei der Amtsanwaltschaft mit 155 bis 162 % sogar noch darüber. Das sind die Zahlen.
Mit dem Kriminalitätsanstieg in den letzten beiden Jahren – man höre und staune – von 13 % korrespondiert auch der Anstieg der Eingangszahlen bei den Staatsanwaltschaften in Hessen.Wir haben in den Erwachsenendezernaten 55 Eingänge pro Monat und Dezernat und bei den
Jugenddezernaten 130 Eingänge – ohne die Vertretungsanteile, die ein Staatsanwalt für erkrankte oder beurlaubte Kollegen noch übernehmen muss. Herr Landau, zumindest Sie müssten das wissen.
Die Aufgaben der Staatsanwaltschaften haben in den letzten Jahren zugenommen, z. B. bei der Vollstreckung und bei DNA-Maßnahmen. Außerdem hat sich die Qualität der Kriminalität in den letzten Jahren stark verändert.Die Ermittlungen sind umfangreicher und schwieriger. Es wird zumeist gegen mehrere Tatverdächtige ermittelt. Es werden immer häufiger Spezialkenntnisse von den Staatsanwaltschaften abverlangt, z. B. wenn es um Betrugsfälle im eBay-Bereich geht. Außerdem ist es so, dass infolge Zeitmangels die Staatsanwälte überhaupt nicht in der Lage sind, an notwendigen Schulungen und Fortbildungen teilzunehmen.Außerdem hapert es – da muss ich auch widersprechen – an den technischen Voraussetzungen für eine effektive Aufgabenwahrnehmung und Strafverfolgung. Ich möchte an die Zukunftsmöglichkeit mit ermittlungsrelevanten Datenbeständen erinnern.
Hinzu kommt, dass die Verwaltungsarbeiten bei der Staatsanwaltschaft zugenommen haben. Ich möchte nur einmal an das Berichtswesen erinnern.Weil Sie sozusagen die Ohren verschließen und es ein Aufschrei in der Not war, ist es deswegen auch konsequent, dass sich die Interessenverbände in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt und – ich darf zitieren, was Herr Dr. Jürgens gesagt hat – vor einem „Kollabieren der Staatsanwaltschaft“ gewarnt haben.
Mithin möchte ich noch einmal ausführen – das sollten Sie dringend ernst nehmen –, die Staatsanwaltschaften hier in Hessen sind heillos überlastet. Das hat selbst ein Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe, die Sie selbst im Justizministerium 2002 eingerichtet haben, festgehalten und dokumentiert.
Dies hat auch zur Konsequenz, dass Straftaten in Hessen nicht effizient weiterverfolgt werden,Ermittlungen eingestellt werden, obwohl sie ausermittelt werden könnten, und dass Sie selbst, Herr Wagner, zum größten Sicherheitsrisiko für unser Land geworden sind.