Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Sie tun also alles dafür, dass die Beschäftigung und die Anstellung von Arbeitnehmern zu einer gefahrengeneigten Tätigkeit wird,

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

genauso wie das Betreiben eines Atomkraftwerkes eine gefahrengeneigte Tätigkeit ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, lieber Herr Al-Wazir, kommen Sie zur Vernunft, nutzen Sie die Chancen, die der Pakt für Deutschland bietet, den wir Ihnen vorgelegt haben. Ziehen Sie diesen irrsinnigen Gesetzentwurf zurück.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Rhein, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Denzin für die FDP-Fraktion.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mein lieber Mann, wenn wir noch ein Argument gebraucht hätten, dann hätten wir es jetzt! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Seien Sie bitte so lieb.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wahlen wirken manchmal auch im Vorfeld schon Wunder. Wie es scheint, lenkt der Kanzler offensichtlich schon aus Furcht vor drohendem Machtverlust in Nordrhein-Westfalen in letzter Minute ein.Wie es scheint, lenkt er während dieser Minuten hinsichtlich der unsinnigen Zusatzregelungen in der deutschen Fassung der Antidiskriminierungsrichtlinie ein.

Damit hat sich die SPD wenigstens ein Mal gegenüber den grünen Einschränkern der Freiheit durchgesetzt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dennoch ist es aus zwei Gründen wichtig, das Thema hier zu erörtern.

Zum einen möchte ich schon wissen, wie die hessische SPD zu den vorgesehenen Regelungen steht und inwieweit sie für den Abbau der Überfrachtungen des Gesetzesentwurfs ist.Bei den GRÜNEN weiß man,was sie wollen.

Zweitens ist es interessant, im Hessischen Landtag einmal zu erörtern,wes Geistes Kind die Vertreter des bisher vorgelegten Gesetzentwurfes sind.

(Beifall der Abgeordneten der FDP und CDU)

Über die einzelnen Regelungen hinaus stellt dieser Gesetzentwurf insgesamt einen untauglichen Versuch dar, mit den Mitteln des Zivilrechtes Political Correctness zu verordnen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Für uns Liberale sind Toleranz,Weltoffenheit und die Anerkennung der Meinung anders Denkender eine Selbstverständlichkeit. Das gehört zu unserem politischen Selbstverständnis. Deshalb lehnen wir es ab, dass per Gesetz bestimmte Einstellungen verordnet werden sollen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der SPD: Darum geht es doch gar nicht!)

Wir brauchen, was die ethnische Herkunft angeht, wir brauchen auch, was die Geschlechterrolle angeht, einen Schutz, der öffentlich zu gewährleisten ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Aber alles,was darüber hinaus auf den deutschen Entwurf aufgesattelt worden ist, ist Leninsche Denkweise,

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Um Gottes willen!)

ist Kontrolle staatlich verordneter Einstellungen, statt auf Eigenverantwortung und Bewusstsein der Menschen zu setzen. Meine Damen und Herren, wir wollen den emanzipierten Menschen, nicht den, der nach Verordnungen zu leben hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

In der derzeitigen – auch wirtschaftlichen – Situation ist der Entwurf das total Unsinnigste, was man sich überhaupt vorstellen kann; Herr Rhein hat darauf hingewiesen. Sie schlagen mit dem Entwurf allen Arbeitsplatzsuchenden, allen, deren Arbeitsplatz gefährdet ist, allen Ausbildungsplatzsuchenden, allen Wohnungssuchenden ins Gesicht,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

weil es gerade im Mittelstand bei den vorgesehenen Verantwortlichkeiten zu Schadensersatzpflichten im zivilrechtlichen Verhalten kommen kann. Sogar wenn ein Kunde eines Unternehmens einen Mitarbeiter dieses Unternehmens vermeintlich oder tatsächlich diskriminiert hat, hat der Mitarbeiter des Unternehmens einen Schadensersatzanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber. Das müssen Sie sich einmal überlegen.

Ich hoffe – ich appelliere an die SPD; sie wird aber jetzt nicht mehr viel Einfluss nehmen können –, dass der ganze Spuk, alles, was in der Umsetzung im deutschen Entwurf über 1 : 1 hinausgeht, herauskommt und dass den GRÜNEN endlich einmal klar gemacht wird, dass die Zivilgesellschaft bei uns durchaus in der Lage ist, eigenverantwortlich zu leben und zu entscheiden.

(Lebhafter Beifall bei FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Denzin. – Das Wort hat die Abg. Fuhrmann von der SPD-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): „Fuhrmeyer“, so wie „Mittermann“!)

Meine Damen und Herren! Wer hier wie Chruschtschow mit dem Schuh auf das Pult haut, endet bei Lenin. Herr Denzin, ich muss wirklich sagen: Was der Kollege Boris Rhein hier geboten hat, war billige Polemik.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir sollten ihm ein Bier ausgeben; denn das war wirklich Stammtisch pur, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Denzin hat gesagt: Wir müssen Einstellungen ändern. – Nun ist die Frage: Wie? Wenn Sie immer das Menetekel von Bürokratie an die Wand malen, kann ich nur sagen:

Wir als SPD sprechen in diesem Zusammenhang jedenfalls von Menschen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Die Frage lautet ganz einfach:Gibt es in Deutschland Diskriminierung, ja oder nein?

(Zurufe von der CDU)

Wenn wir die Frage bejahen – und das müssen wir ganz eindeutig –, müssen wir auch Gesetze machen, auch wenn Sie noch so laut rufen, Herr Kollege Milde. Es geht nämlich nicht um irgendeine Bürokratie; es geht ganz schlicht um Menschenwürde. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Aber davon verstehen Sie nicht viel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es stimmt: Das Antidiskriminierungsgesetz geht über die EU-Richtlinie zum Gleichheitsgrundsatz ohne Unterschied von Rasse und ethnischer Herkunft, Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und die Verwirklichung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern hinaus. Das sind die drei EU-Richtlinien. Wir haben dies ausgeweitet auf alle acht in der Arbeitswelt bereits gültigen Kategorien.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Aber das wird noch korrigiert!)

Wir werden das nicht korrigieren, Herr Kollege Jung. Das werden Sie hören.

(Clemens Reif (CDU): Lesen Sie einmal die neueste Presseerklärung!)

Natürlich nicht. Es geht um Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung. Und das ist richtig so, meine Damen und Herren.

(Clemens Reif (CDU): Haben Sie die Presseerklärung gelesen?)

Herr Kollege Irmer, was Sie z. B. von Homosexuellen halten, können wir immer wieder einmal nachlesen. Vielen Dank. Mit Ihnen diskutiere ich überhaupt nicht.