Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie bei der Verbandsunterstützung von Abmahnvereinen reden, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Verbände mindestens 70 Mitglieder haben müssen, also nicht wie Abmahnvereine eben mal gegründet werden können, da sie eine gewisse Bestandsfähigkeit haben müssen usw.Sie werden die Verbände sein,die auch bisher schon behinderte Menschen und andere in Sachen Benachteiligung unterstützen.

Selbstverständlich ist das ADG auch kein Gesinnungsdiktat, wie der Justizminister es z. B. in der Fragestunde gesagt hat. Es geht nicht um Gesinnung. Es geht nicht darum, Gesinnung zu bestrafen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was denn sonst?)

Es geht um Verhalten. Es geht darum, diskriminierendes Verhalten zu unterlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht darum – das ist unsere Forderung –, dass sich das Recht auf die Seite der diskriminierten Menschen stellt. Sie wollen, dass es weiterhin auf der Seite der Diskriminierer bleibt. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein!)

Das verstehen auch die Menschen in diesem Lande immer besser, trotz Ihres publizistischen Trommelfeuers. Schauen Sie nur einmal in die Online-Umfrage des ZDF, die seit der letzen Woche läuft. Die Zustimmungsquote zum Antidiskriminierungsgesetz schwankt immer zwischen 75 und 80 %.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wie ist die Zustimmung bei der Todesstrafe?)

Jetzt ziehen Sie sich darauf zurück, das ADG soll nicht über die EU-Richtlinien hinausgehen, sondern Sie wollen es nur 1 : 1 umsetzen. Ich sage ganz klar:An einem Punkt geht das Antidiskriminierungsgesetz in der Tat über die EU-Richtlinien hinaus.Wir wollen im Zivilrecht nicht nur die Benachteiligung wegen Rasse oder ethnischer Herkunft bekämpfen, sondern auch solche wegen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.

Um es einfach auf den Punkt zu bringen: Ihre Position bedeutet, dass künftig Menschen vor Diskos wegen ihrer Hautfarbe oder ihres ausländischen Aussehens nicht mehr abgewiesen werden dürfen, aber die Rollstuhlfahrerin sehr wohl, wie es erst kürzlich in Frankfurt, wie wir der Presse entnehmen konnten, geschehen ist.

Sie müssen begründen, warum Sie es für richtig halten, dass weiterhin Frauen, Behinderte, Schwule und Lesben benachteiligt werden dürfen. Diese Begründung haben Sie bisher nicht geliefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich frage mich auch seit geraumer Zeit, warum Sie das Antidiskriminierungsgesetz eigentlich so heftig und mit Schaum vor dem Mund bekämpfen und auch vor Verfälschungen nicht zurückschrecken,um alles dagegen zu tun.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie haben schon mit Schaum vor dem Mund daran gearbeitet!)

Ich glaube, im tiefsten Innern der schwarzen Seele sind Ressentiments und Vorurteile so tief verankert, dass Sie keine wirkliche Gleichberechtigung für denkbar halten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Unverschämtheit! Das ist eine Beleidigung! – Zurufe von der CDU)

Im tiefsten Innern der schwarzen Seele halten Sie es für das gute Recht eines Menschen,andere zu diskriminieren. Nur so lässt sich auch erklären, dass Sie das Antidiskriminierungsgesetz als Angriff auf die Freiheit missverstehen.

(Frank Gotthardt (CDU): Skandal! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich lasse mir das nicht von Ihnen gefallen, Herr Jürgens! – Volker Hoff (CDU): Pfui Teufel! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Herr Dr. Jürgens, Sie wägen Ihre Worte bitte etwas, Herr Kollege Hahn, Sie auch, und dann geht es weiter.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich lasse mir das nicht gefallen von Ihnen! – Gegenruf des Abg. Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann gehen Sie raus! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich bitte um Aufmerksamkeit.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich lasse mir das von Ihnen nicht sagen als freier Abgeordneter!)

Das haben wir jetzt zur Kenntnis genommen, Herr Kollege Hahn. Herr Dr. Jürgens hat noch das Wort für eine Schlussbemerkung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er soll sich entschuldigen!)

Weil das so ist, missverstehen Sie gerade das Antidiskriminierungsgesetz als Angriff auf die Freiheitsrechte. Uns geht es um die Freiheitsrechte aller Bürger, nicht nur der Steuerhinterzieher, wie z. B. bei der FDP.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Unverschämtheit! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Uns geht es auch um die Freiheitsrechte der Minderheiten. Diese zu verteidigen dient das Antidiskriminierungsgesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU):In Nordrhein-Westfalen würde man jetzt sagen: So en fiesen Möpp! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit.Wir können das doch in Frieden regeln.

Ich darf dem Kollegen Hahn das Wort zur Geschäftsordnung geben und bitte Sie um Aufmerksamkeit. Wir werden das jetzt regeln. Dann können wir weitermachen.

Vielen Dank,Herr Präsident,dass Sie mir die Möglichkeit geben, mich persönlich, aber auch für die FDP-Fraktion zur Geschäftsordnung zu melden.

Jeder im Raume weiß, dass ich Vater eines behinderten Kindes bin.

(Zurufe von der SPD: Nicht schon wieder!)

Was soll dieser Zwischenruf?

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. – Einen solchen Zwischenruf muss ich rügen.

Jeder in diesem Raume weiß, dass ich Vater eines geistig behinderten Kindes bin, und jeder im Raume weiß, dass ich aus Gründen, die beispielsweise Michael Denzin eben vorgetragen hat, gegen das Antidiskriminierungsgesetz bin.

Ich halte es für einen Vorgang, der entweder der Entschuldigung bedarf oder aber einer Sitzung des Ältestenrats, wenn der Kollege Jürgens hier sagt, alle diejenigen, die gegen das Gesetz sind, gegen die Gleichberechtigung oder für die Diskriminierung von Behinderten sind.

Herr Jürgens,nehmen Sie das zurück,oder wir müssen das im Ältestenrat aufarbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Jürgens, Sie haben nicht das Recht gepachtet, alleine über Behinderte zu reden. Andere dürfen das auch, z. B. auch Väter von behinderten Kindern dürfen das tun.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der CDU)

Herr Kollege Hahn, kommen Sie dann bitte zum Schluss.

Herr Präsident, zum Zweiten erwarten wir als FDP-Fraktion unverzüglich eine Entschuldigung von Herrn Jürgens, der sich nach dem Motto geäußert hat: „Die FDP ist die Partei der Steuerhinterzieher“.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Recht hat er!)

Wenn Sie das nicht tun, gibt es ebenfalls eine Ältestenratsitzung. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Dr. Jürgens, wünschen Sie das Wort zu einer persönlichen Erklärung?