Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 8:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen – Drucks. 16/3870 zu Drucks. 16/3520 –

Fünf Minuten Redezeit pro Fraktion sind vereinbart worden. Ich will eine Prognose stellen: Gehen Sie bitte davon aus, dass wir noch eineinhalb Stunden brauchen, um die Tagesordnung abzuarbeiten. Zunächst hat der Kollege Denzin das Wort.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Berichterstatter!)

Entschuldigung, zunächst erfolgt die Berichterstattung. Darauf können und wollen wir nicht verzichten. – Herr Kollege Kaufmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der späten Stunde gebe ich Ihnen einen stark zusammengefassten Bericht. Auf der Drucks. 16/3870, die Ihnen allen vorliegt, finden Sie die Details.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf mit einigen in der Drucksache genannten Änderungen anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr in der 59. Plenarsitzung am 26. Januar 2005 überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr hat eine schriftliche Anhörung betroffener Verbände und Organisationen durchgeführt.

In seiner Sitzung am 14. April 2005 hat er sich mit dem Gesetzentwurf befasst und mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP die Beschlussempfehlung abgegeben. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Jetzt hat der Kollege Denzin das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf den Ablauf dieser Beratung eingehen. Einige werden sich fragen:Wieso kommt die FDP in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs für ein Änderungsgesetz mit dem Antrag, das Gesetz aufzuheben? Das ist schnell aufgeklärt. Man kann ein Gesetz nur durch ein Gesetz aufheben. Wenn ich das so ausdrücke, wird der Ablauf vielleicht nachvollziehbar.

Im Zusammenhang mit der Sache selbst will ich kurz auf drei Punkte hinweisen. Die Fehlsubventionierungsabgabe wurde mehr oder weniger aus Gerechtigkeitsempfinden eingeführt, als die Wohnraumsituation noch angespannt war. Diese Situation haben wir jetzt nicht mehr. Das Gerechtigkeitsargument tritt daher in den Hintergrund.

Immer bedeutender wird aber folgende Wechselwirkung: Ein Zuschlag auf die Sozialmiete führt in den Wohngebieten, in denen diese Abgabe noch erhoben wird, dazu, dass Leute, die sich eine andere Wohnung leisten können, ausziehen und dass der so genannte Segregationsprozess einsetzt. Gerade die, die gestern das Gespräch über das Thema „Soziale Stadt“ geführt haben, möchte ich auf diese Zusammenhänge hinweisen. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen.

Diese Entwicklung wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung verschärfen. Letztlich wird diese Abgabe noch in 70 von 425 Gemeinden erhoben. Ich wäre gespannt, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagen würde, dass in 70 Gemeinden Bürger zur zusätzlichen Gemeindefinanzierung, auch wenn das Geld für die Wohnraumversorgung in ihrer ganzen Breite bestimmt ist, he

rangezogen werden, während das in den anderen 350 Gemeinden nicht der Fall ist. Auch das ist eine spannende Frage.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend ist festzuhalten, dass selbst ein Land wie Berlin, das einen rot-roten Senat hat, die Fehlbelegungsabgabe vor zwei Jahren aus gutem Grund abgeschafft hat. Rheinland-Pfalz hat sie bereits vor langer Zeit abgeschafft. Einige andere Länder haben das auch getan. Daher weiß ich nicht, warum wir an dieser Abgabe festhalten sollten. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Milde, CDU, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anhörung, die dazu stattgefunden hat, hat die ganze Bandbreite der Meinungen zu diesem Thema deutlich gemacht. Unsere Position liegt genau in der Mitte des Meinungsspektrums. Umso besser ist der Gesetzentwurf, den wir heute in zweiter Lesung vorlegen.

(Beifall bei der CDU)

Da darf man ruhig einmal klatschen. – Ich möchte Ihnen ein Zitat aus der „Frankfurter Rundschau“ vorlesen. Sie wissen, dass die „Frankfurter Rundschau“ nicht gerade ein Mitteilungsblatt der CDU ist. Im Juni 2003, nachdem ich angekündigt hatte, was wir machen wollen, hat die „Frankfurter Rundschau“ einen Kommentar dazu veröffentlicht. Darin ist eigentlich alles wiedergegeben, was in den Stellungnahmen zu dem Gesetz enthalten war. Die Überschrift lautete: „Maßvoll“:

Die Pläne der CDU zur Reform der Fehlbelegungsabgabe sind ein vernünftiger Kompromiss.Sie berücksichtigen die Finanzlage der Städte, die ohne die Einnahmen aus diesem Topf schon heute praktisch keinen Wohnungsbau mehr betreiben könnten. Zugleich tragen sie den Wünschen von Sozialpolitikern Rechnung.

Gegner und Befürworter der Abgabe werden bald einen Streit vor Ort führen, weil wir die Entscheidungen von denjenigen treffen lassen, die richtigerweise dafür zuständig sind, nämlich die Kommunen. Dort kann sich Herr Vandreike im Stadtparlament mit den Vertretern der Parteien über dieses Thema auseinander setzen.

Sehen Sie sich z. B. den Presseartikel vom 7. Dezember aus Wiesbaden mit der Überschrift „Geld aus Fehlbelegungsabgabe für Wohnbauprogramm“ an. Sie können nachlesen, dass das Geld aus der Fehlbelegungsabgabe praktisch der einzige Betrag ist, den die Kommunen noch in den sozialen Wohnungsbau investieren. Sie erkennen, wie wichtig das ist.

Zu dem Gesetzentwurf der FDP möchte ich sagen, dass nach § 14 des Bundesgesetzes über die Fehlbelegung der Landesgesetzgeber gar nicht berechtigt ist, auf die Fehlbelegungsabgabe zu verzichten.

(Zuruf des Abg. Michael Denzin (FDP))

Insofern ist und bleibt unser Gesetzentwurf ein maßvoller Mittelweg. Deswegen wird die große Mehrheit dieses Hauses heute zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen SchäferGümbel, SPD, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zustimmen. Herr Milde hat die wesentlichen inhaltlichen Punkte eines auch aus unserer Sicht ausgewogenen Gesetzentwurfs vorgestellt und vorgeschlagen. Insofern kann ich es sehr kurz machen.

Herr Denzin, zu Ihrem Gesetzentwurf kann ich mir allerdings eine Bemerkung nicht verkneifen.Wenn das, was in dem letzten Satz der Problembeschreibung steht, nämlich dass die Fehlbelegungsabgabe in weiten Teilen zu einer Gettoisierung von Wohngebieten geführt habe, für Sie die eigentliche Ursache des Problems darstellt, muss ich sagen, dass es die FDP bei dem Thema Fehlbelegungsabgabe sich selbst, der Wohnungswirtschaft und auch der Stadtentwicklungspolitik zu einfach macht. Sicherlich ist die Fehlbelegungsabgabe in dem einen oder anderen Fall ein zusätzliches Argument, warum die Menschen aus solchen Quartieren wegziehen,aber sie ist keinesfalls die Ursache dafür. – Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf definitiv ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Schönhut-Keil, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen und den Gesetzentwurf der FDP ablehnen. Herr Kollege Denzin, im Übrigen haben Sie uns nicht lückenlos erklärt, warum Sie von der Einbringung des Gesetzentwurfs der CDUFraktion am 26. Januar 2005 bis zum 19. April 2005 gebraucht haben, um diesen Gesetzentwurf vorzulegen.

Ich will nur kurz sagen: Natürlich ist es so, dass gegenwärtig insbesondere im Nordosten unseres Landes die Wohnungen längerfristig leer stehen. Aber wir wissen auch, dass wir im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen nach wie vor einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben. Wir wissen auch, dass sich die Bevölkerungsstruktur in den nächsten Jahren wandeln wird. Das heißt, wir brauchen viel mehr Wohnraum, weil die Leute auch als Singles vermehrt Wohnungen benötigen.

Meine Damen und Herren, im Übrigen darf ich sagen, dass die Anhörung erbracht hat, dass die Mehrheit der Experten damit rechnet, dass im Jahr 2010 deutlich mehr Regionen als heute unter Wohnungsknappheit leiden werden. Das müssen wir bei der Zukunftsprognose berücksichtigen. Knapp gesagt: Bezahlbarer Wohnraum wird nach wie vor knapp bleiben. Da die Einnahmen aus

der Fehlbelegungsabgabe häufig die einzigen Mittel sind, die die Kommunen gegenwärtig in den sozialen Wohnungsbau investieren können, bleibt die Fehlbelegungsabgabe schon aus diesem Grund für uns unverzichtbar. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. – Doch, der Minister. Bitte schön, Herr Minister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem alles gesagt ist, möchte ich das, was ich sagen wollte, zu Protokoll geben. – Danke schön.

(Allgemeiner Beifall – siehe Anlage)

Vielen Dank, Herr Minister. – Zur Geschäftsordnung, bitte schön, Herr Kollege Kaufmann. Es fehlt noch ein Antrag, damit wir etwas machen können.

Herr Präsident, angesichts der Lage und der Äußerungen beantrage ich gemäß § 14 Abs. 1 der Geschäftsordnung, die Drucks. 16/3885 gleich in erster Lesung abzulehnen.

Danke für den Antrag, der hat nämlich noch gefehlt. In dem Fall muss man einen Antrag stellen.

Dann lasse ich zunächst zu Tagesordnungspunkt 7 über den Antrag des Kollegen Kaufmann abstimmen, mit dem die Beratung dieses Gesetzentwurfs beendet wäre. Wer dem Antrag des Kollegen Kaufmann zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Sehen Sie, jeder hat hier eine Stimme. Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist mit der Mehrheit des Hauses, mit den Stimmen aller Fraktionen außer der FDP-Fraktion, dieser Gesetzentwurf in erster Lesung abgelehnt worden und damit erledigt.

Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion unter Tagesordnungspunkt 8 und frage Sie: Wer diesem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Fraktion der FDP angenommen und hiermit zum Gesetz erhoben.

Meine Damen und Herren, das war schon einmal gut.

(Unruhe)