Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

der Klimaproblematik und der langfristigen Versorgungssicherheit gesehen werden. Daher bleibt es nach unserer Auffassung derzeit nötig, die Option zur künftigen Nutzung der Kernenergie offen zu halten und insbesondere auch, was bisher vernachlässigt wurde, Forschung und Entwicklung, vor allen Dingen in den sicherheitsrelevanten Bereichen, weiterzuführen.

Generell sage ich ganz deutlich, dass Laufzeiten von Kraftwerken nicht politisch-ideologisch zu entscheiden sind, sondern grundsätzlich nach den Erfordernissen der Sicherheitstechnik,

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dann müssen Sie sie gleich abschalten!)

des Klimaschutzes und der Betriebswirtschaftlichkeit, genau in dieser Reihenfolge, Frau Kollegin Hammann: Sicherheitstechnik,Klimaschutz,Betriebswirtschaftlichkeit. Das sind die drei Punkte.

Wenn ich dann Ihren Ausführungen folgen darf, frage ich: Wer war es denn, der die weitere Herstellung des Endlagers, die weitere Planung und den Bau, eingestellt hat? Das war die rot-grüne Bundesregierung. Das war Herr Trittin.

(Beifall bei der FDP)

Anders wird er ja neuerdings als Feinstaub-Jürgen zitiert. Der war es, der es eingestellt hat.Wer war es denn, der ein Zwischenlager für Brennelemente am Kernkraftwerk Biblis eingerichtet hat? Das war Herr Trittin. Man könnte ihn in dem Sinne auch als Dosenkönig bezeichnen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ha, ha, ha!)

Meine Damen und Herren, ich habe weder von Herrn Schmitt noch von Ihnen, Frau Hammann, in Ihrem Redebeitrag gehört, wie Sie denn damit umgehen wollen, wenn einmal das Kraftwerk abgeschaltet ist und ausläuft.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die wollen neuerdings selbst wissen, warum!)

Bei den Beratungen, die wir in den vergangenen Jahren im Umweltausschuss zum Thema Biblis geführt haben, ist doch eines deutlich geworden – das will ich noch einmal für die FDP ganz klar von diesem Pult aus sagen –:Es wird mit uns keinen Sicherheitsrabatt in Biblis geben.

(Beifall bei der FDP – Ursula Hammann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind doch nur leere Worte!)

Den hat es mit uns nicht gegeben, und den wird es mit uns nicht geben. Darauf können Sie sich verlassen.

Herr Kollege Schmitt, da bin ich bei Ihnen: Wir werden uns überlegen müssen, inwieweit Kombimodelle der Bioenergie und regenerativer Energien gekoppelt werden können, um eine größere Schlagkraft, eine größere Sicherheit für die Zukunft herzustellen. Das alles braucht Zeit und ist nicht von oben herab zu verordnen. Ich

glaube, die Zeit der „Spargel“ in der Landschaft zur Nutzung der Windenergie ist vorbei. Die Bevölkerung wehrt sich zunehmend dagegen. Auch das werden Sie nicht durch Reden ändern können: Die Sicherheit ist damit nicht zu gewährleisten.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir sollten bei dieser Diskussion die Kirche im Dorf lassen und darüber hinaus bedenken, dass die GRÜNEN das heute hier schon ein bisschen als Wahlkampfauftakt eingebracht haben. Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten darauf einzustellen haben, diese Anträge in ähnlicher oder anderer Form hier im Plenum zu diskutieren.Wir als FDP sind darauf vorbereitet. Wir wollen einen vernünftigen Energiemix. Da sage ich auch ganz deutlich: Zu diesem Energiemix zählt auch die Kernenergie. Über den Entschließungsantrag der GRÜNEN könnten wir meines Erachtens zur Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeit auch in diesem Parlament heute gleich abstimmen. Wir als FDP sind jedenfalls heute gewillt, diesen Antrag der GRÜNEN abzulehnen. – Danke.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Ihr seid immer bereit!)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Umweltminister, Staatsminister Dietzel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns über Energiepolitik unterhalten,vor allem über Energiepolitik in Hessen, denke ich einmal, dass wir in den letzten Jahren gezeigt haben,dass wir vom Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ausgehen.Wenn man von diesem Leitbild ausgeht, müssen wir natürlich auch drei Ziele anstreben: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.

Wenn wir diese Ziele anstreben, muss für die Kernkraft auf höchstem Sicherheitsniveau Platz sein. Vor dem Hintergrund, dass etwa ein Drittel der Stromversorgung in Deutschland aus Kernkraftwerken kommt und in Hessen über 60 % der Versorgung aus Kernkraftwerken stammt, ist dies ein wichtiger Anteil an der Grundlast unserer Versorgung.

Die Bundesregierung hat ehrgeizige Pläne. Bis zum Jahre 2015 sollen 20 % der Energie aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.So weit,so gut.Diesen Ansatz könnten wir durchaus mittragen. Die andere Frage, die sich stellt, lautet: Woher soll die Energie kommen? Es sollen allein 36.000 MW Windleistung installiert werden. Meine Damen und Herren, ich bin durchaus kein Windkraftgegner, aber es muss nicht auf jedem Berg ein Windrad stehen.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wir werden mit den Menschen in unserem Lande die Diskussion darüber führen, welches Ausmaß diese als alternativ angepriesene Energie haben kann. Heinrich Heidel sagte vorhin, die Windkraftanlagen seien unstet. Richtig ist, dass eine Windkraftanlage 40 bis 50 Stunden pro Jahr Volllast läuft. Eine Volllastnutzung dieser 36.000 MW entspricht 2.200 MW. Das muss man einmal ins Verhältnis setzen. Durch das Ausstiegsgesetz werden 20.000 MW im Kernkraftbereich vernichtet.Wenn man diese Zahlen miteinander vergleicht, kann man nicht einfach sagen: Wir

bauen noch ein paar Windmühlen, und dann können wir die Kernkraft abstellen.

Meine Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht. Wenn man dies insgesamt sieht, kann man das eigentlich nur als eine irrationale Energiepolitik der Bundesregierung bezeichnen, denn es ist kein abgestimmtes Maßnahmenpaket, sondern ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, in dem durchaus gegensätzliche Effekte erzielt werden. Ich will einige davon anmerken: Sehr anspruchsvoll sind auf der einen Seite die CO2-Minderungsziele, auf der anderen Seite gibt es aber weiterhin die Steinkohlesubvention. Gezielte Energieverteuerung durch Ökosteuer, dann aber klagen Sie über zu hohe Strompreise. Fördergelder für erneuerbare Energien, aber Sie erheben Ökosteuer auf Ökostrom. Ehrgeizige Visionen zum kompletten Umbau der deutschen Energieversorgung bis weit in das 21. Jahrhundert hinein, aber kein Konzept für die nächsten Jahre, wie Ökologie und Ökonomie in Einklang gebracht werden können.

Es stellen sich zwei zentrale Fragen. Die erste Frage lautet: Kann sich ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, in dem offiziell fünf Millionen Menschen arbeitslos sind, eine Energiepolitik leisten, die unnötig Kosten produziert und die mehr Arbeitsplätze vernichtet, als sie durch Subventionen neu schafft? Die zweite Frage lautet: Kann sich ein Land, das sich zu einem verstärkten Abbau von CO2-Emissionen verpflichtet hat, eine Energie leisten, die im Ergebnis nicht zu einem CO2-Abbau beiträgt, sondern die Emissionen noch erhöht?

Herr Kollege Lenhart hat vorhin ein Beispiel genannt. Sie haben das Abschalten von Obrigheim gefeiert. Auch wenn es Herr Schmitt nicht glaubt,ich habe in der Zeitung gelesen, EnBW überlege sich, Kraftwerke, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren gebaut und die vor fünf bis sieben Jahren stillgelegt worden sind, heute wieder ans Netz zu nehmen, nämlich jene, die in Marbach mit Heizöl und in Walheim mit Kohle betrieben wurden. Das passt nicht zusammen. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist mit der CDU – meine Meinung ist sicherlich nicht ganz neu – aus politischen Gründen nicht zu haben.

Deswegen der dritte Punkt als Ziel einer nachhaltigen Energiepolitik, nämlich die Umweltverträglichkeit und die Sicherheit der Kernkraftwerke. Wir haben uns in den letzten Jahren oft gerade auch über das Thema Biblis unterhalten. Im Jahr 1999 hatte Karlheinz Weimar 49 Auflagen erlassen, von denen in den darauf folgenden acht Jahren nur acht umgesetzt wurden. Wenn ich es richtig sehe, haben wir in den letzten Jahren 57 sicherheitserhöhende Maßnahmen in Biblis umgesetzt. Ich merke an, dass davon 32 Genehmigungen aus dem Jahre 1991 stammen, plus zusätzliche Genehmigungen. In Bezug auf mögliche Flugzeugangriffe haben sich Bund und Land darauf verständigt, sicherheitserhöhende Maßnahmen durchzuführen. Weiter ist anzumerken, dass sich die Größenordnung auf mehrere 100 Millionen c beläuft.Allein in Biblis A wurden 260 Millionen c in sicherheitserhöhende Maßnahmen investiert.

Wir stehen immer noch zu dem Grundsatz, mit dem wir 1991 angetreten sind: Wir stehen zur Kernkraft, aber wir werden bei der Sicherheit keinen Rabatt geben.Wenn wir uns über die Verlängerung von Laufzeiten von Kernkraftwerken unterhalten, wird sich an unserem Ansatz, keinen Rabatt zu geben, nichts ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, vor allem möchte ich noch eines anfügen: Mit Sicherheit wird es bei den Laufzeitverlängerungen keinen Nulltarif und keinen Freifahrtschein geben. Wenn Kernkraftwerke länger betrieben werden, müssen in Zukunft sicherheitserhöhende Maßnahmen nachgerüstet werden.Wir haben hier in Hessen schon einmal gezeigt, dass wir konsequent an diesem Thema arbeiten. Ich bin ausdrücklich anderer Meinung als der CDUBundestagsabgeordnete Dr. Paziorek, der hier einen Freifahrtschein ausgeben will. Meine Damen und Herren, mit mir wird das nicht gehen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Der letzte Punkt, den ich hier anmerken möchte, betrifft die Frage der Endlagerung. Ich bin der Meinung, dass diese Frage von unserer Generation gelöst werden muss, denn wir nutzen die Kernenergie.Wir sollen meiner Überzeugung nach die radioaktiven Abfälle nicht unseren Nachkommen – unseren Enkeln und unseren Urenkeln – überlassen. Die Politik, die die Bundesregierung in diesem Bereich macht,die Endlagerpunkte Konrad und Gorleben zugunsten eines einzigen Endlagers aufzugeben, ist falsch, weil sie diese Endlagerkonzeption in erheblichem Maße zerschiebt, vor allen Dingen aber auch weil ich im Moment kein stimmiges Konzept sehen kann; denn die Standortsuche wird verzögert. Das habe ich in diesem Hause mehrfach kritisiert.

Die Vorgehensweise ist in zeitlicher Hinsicht nicht zu akzeptieren. Wenn ich die Dinge betrachte, die die Bundesregierung im Augenblick vorhat, wird es sich bis auf die Zeit nach 2050 verzögern. Das ist meiner Meinung nach nicht zu verantworten. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es bei einem zügigen Verfahrensablauf möglich ist, Gorleben bis 2020 und Konrad in fünf Jahren in Betrieb gehen zu lassen. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht über die einzelnen Jahre streiten, aber möglich ist das. Die Verzögerung durch die Bundesregierung ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Hessen und der größte Teil der Bundesländer vertreten in der Frage der Entsorgung eine andere Auffassung als die Bundesregierung. Die Frage der Endlagerung fällt in die Verantwortung der Generation, welche die Kernenergie nutzt.

Nächster Punkt. Das Konzept, zwei Endlager zu haben, ist vorteilhaft und sachgerecht. Das Endlager Konrad ist zügig in Betrieb zu nehmen. Gorleben ist weiter zu erkunden. Die Bereitstellung von Endlagern ist staatliche Aufgabe. Die Endlagerstandortregion muss gefördert werden. Deswegen ist die Politik, die wir hier in den letzten sechs Jahren betrieben haben, ein Energiemix aus Kernenergie, aus fossilen Energien und aus erneuerbaren Energien. Ich möchte Knüll hervorheben, wo wir die BioRegio Holz ausgerufen haben, an der die Bevölkerung wie auch die Kommunen bis zur Kreisebene in hervorragender Weise mitmachen. Das ist ein Erfolgserlebnis.

Ich nähere mich dem Schluss: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit – die Kernenergie hat hierbei ihren Stellenwert, aber nur auf höchstem Sicherheitsniveau. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Hammann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Dietzel, man kann die Mär von der Reaktivierung alter Kohlekraftwerke in BadenWürttemberg schnell ausräumen, wenn man eine Meldung der „dpa“, die vor einigen Tagen erschienen ist, liest. Darin steht, dass der Vorstand der EnBW AG die konkrete Vorplanung für zwei Kraftwerksneubauten eingeleitet hat und dafür Planungsmittel bereitstellt. Diese Kraftwerke sollen künftig auslaufende Kernkraftwerke ersetzen. Ob dies allerdings beendet wird, wenn Sie weiterhin auf Atomenergie setzen und wenn die alten Meiler in Deutschland am Netz gehalten werden sollen, wage ich zu bezweifeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle noch etwas darstellen.Wir haben in Deutschland Überkapazitäten im Strombereich. Wir sind in keiner Notsituation. Ich sage: Rot-Grün hat Ihre Versäumnisse von 18 Jahren Regierungsverantwortung übernehmen müssen. 18 Jahre lang wurde unter Ihrer Regierung die Kernkraft genutzt, und es wurden Abfallmengen produziert. Sie haben es nicht geschafft, ein sicheres Endlager auf den Weg zu bringen.

Sie sind in der Verpflichtung, uns zu sagen, wohin der abgebrannte Atommüll kommen soll, denn die jetzigen Zwischenlagerkapazitäten, die erst unter Rot-Grün geschaffen worden sind, sind nur auf eine Stromproduktion von 32 Jahren ausgelegt. Sie geben uns keine Antworten auf die Fragen, die wir Ihnen stellen. Sie betreiben in meinen Augen eine verantwortungslose Atompolitik. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Staatsminister Dietzel, Sie haben das Wort.

Frau Abg. Hammann, mir ist völlig klar, dass es eine Entscheidung der EnBW ist, ob die alten Kraftwerke wieder ans Netz gehen sollen. Es ist aber eine Option, Obrigheim durch diese alten Anlagen zu ersetzen. Es macht keinen Sinn, einerseits die Stilllegung von Obrigheim zu feiern und andererseits Kraftwerke aus den Sechziger- und Siebzigerjahren wieder ans Netz gehen zu lassen, vor allem, wenn wir CO2 einsparen wollen.

(Beifall bei der CDU– Zuruf von der SPD: Dann muss man damit nicht drohen!)

Sie haben natürlich Recht, dass wir in Deutschland im Bereich der elektrischen Energie keine Notsituation haben. Ich sage Ihnen aber eindeutig: Wenn dieses Atomausstiegsgesetz durch ist, werden wir 20.000 MW nicht mehr zur Verfügung haben, die meiner Meinung nach durch erneuerbare Energien nicht vollständig zu ersetzen sind. Was werden wir dann tun? Wir werden Kernkraftwerks

strom aus Frankreich importieren, und dann werden uns die Franzosen irgendwann einmal den Preis diktieren.

Es wird preisgünstige Energie – z. B. aus Russland, aus Reaktoren des Tschernobyl-Typs – zu 1 Cent pro Kilowattstunde angeboten.Dann werden aus Stromproduzenten, die sie jetzt noch sind, Stromhändler.Auf diese Weise wird die Sicherheit der Bevölkerung aber nicht verbessert.