Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre auch nicht verfassungsgemäß!)

Die Demokratie ist noch immer das oberste Staatsprinzip, das wir in Hessen haben – auch wenn ihr manchmal schon spätfeudale Züge in eurer Arbeit deutlich machen wollt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir uns alle darüber einig sind, dass eine Änderung vorzunehmen ist, dann war es unheimlich vernünftig, dass der Fraktionsvorsitzende der größten Fraktion, Dr. Franz Josef Jung, die anderen drei Kollegen eingeladen hat. Ich breche da kein Beratungsgeheimnis – so etwas gibt es bei Besprechungen von Fraktionsvorsitzenden nicht –,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

aber wir waren uns darüber einig, dass es eine Änderung geben muss.

(Reinhard Kahl (SPD): Eben, unstrittig!)

In diesem Gespräch waren wir uns auch darüber einig – ich sage das jetzt hier, weil das etwas mit Stil zu tun hat –, dass es einen Fraktionsentwurf gibt. Wir hatten zwei andere Kritikpunkte; insbesondere – ich schaue Tarek AlWazir an, weil der die Frage sehr problematisiert hat – welche Rechengrundlage wir zugrunde legen. Aber wir waren uns über Folgendes einig.

Erstens. Es bleibt bei 110 Abgeordneten. Wir verändern die Zahl der Wahlkreise nicht.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Zweitens. Weil es um die erste Gewalt geht, bringen die Fraktionen – und nicht mehr die Landesregierung – einen Gesetzentwurf ein.

(Günter Rudolph (SPD): Ja! – Reinhard Kahl (SPD):Aber bitte alle!)

Drittens. Wir versuchen, die zwei strittigen Punkte einigermaßen zu klären. Das haben wir bisher nicht geschafft. Das ist richtig.

Tarek Al-Wazir – ich kann das ja nachvollziehen – hat die Idee vorgetragen: Ich habe doch nichts dagegen, dass die Wahlbevölkerung genommen wird.Aber vertreten wir eigentlich nur die Wahlbevölkerung? – Da ist ein Offenbacher selbstverständlich noch etwas anders involviert als einer aus der Wetterau, denn er hat sicherlich einen größeren Bevölkerungsanteil zu vertreten; wenn er sich in Offenbach für die Polizei einsetzt – das war sein Beispiel –, dann setzt er sich nicht nur für die Wahlbevölkerung ein, sondern auch für die nicht deutsche Bevölkerung.

Darüber kann man doch diskutieren. Aber bitte nicht „Murks und schlechter politischer Stil“ – das sind alles Dinge, die nicht hierher gehören.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, deshalb will ich auch nicht viel mehr dazu sagen. Ich will darauf hinweisen, dass wir das, was wir in der Wetterau erreicht haben, auch in Gießen erreichen können. Für die FDPFraktion sage ich ausdrücklich: Wir haben auch ein Ziel, ein Interesse daran, dass das in Gießen etwas anders organisiert wird, als es jetzt im Gesetzentwurf steht.

(Zuruf von der SPD: Danke!)

Aber irgendwann müssen wir mit dem Gesetzgebungsverfahren beginnen. Das haben wir jetzt getan. Da sollten sich alle diejenigen, die mit diesem Thema etwas zu tun und kein Interesse daran haben – wie der Generalsekretär, den ich jetzt anscheinend noch zu einem Nachruf provoziert habe –, parteipolitisches Kapital daraus zu schlagen,

(Günter Rudolph (SPD):Was?)

zusammensetzen und eine Lösung finden.

(Reinhard Kahl (SPD):Abrüsten!)

Es ist am sinnvollsten, man nimmt das Modell Wetterau.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir haben das vorgeschlagen!)

Da gab es Gespräche zwischen Norbert Kartmann,Jürgen Walter, dem Kollegen Becker und mir. Da gab es Gespräche mit den GRÜNEN, auch wenn sie vor Ort niemanden haben; ansonsten sind wir dort mit sehr hohen Repräsentanten des Landtags vertreten. Es gab verschiedene Karten. Die veränderten sich im Verlauf der Diskussion immer mehr – bis wir den Vorschlag erarbeiteten hatten, gemeinsam CDU und FDP, wie wir ihn jetzt eingebracht haben.

Ich glaube, das muss man alles sehr niedrig hängen. Wir müssen das Problem in Gießen – wenn es noch eines gibt – lösen. Meine Parteifreunde sagen dasselbe. Sie sagen auch, dieser Zuschnitt ist relativ willkürlich.

Wir dürfen gar keinen willkürlichen Zuschnitt machen, weil wir dann wieder ein Problem mit dem Staatsgerichtshof haben. Herr Dr. Jung hat eben gesagt – ich wiederhole es –:Wir werden jetzt die Änderungen, die notwendig sein können oder müssen, im Rahmen der Gesetzesberatungen erörtern. Ich appelliere an Sie, in der Öffentlichkeit nicht weiter das Bild zu vermitteln, als würden wir irgendwelche parteipolitischen Zuschnitte von Wahlkreisen machen wollen. Das Ziel muss es vielmehr sein, dass letztlich dieses Haus als erste Gewalt mit sehr, sehr großer Mehrheit die notwendige Wahlkreisneueinteilung vornimmt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Hahn. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Schmitt von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das habe ich mir gedacht! – Günter Rudolph (SPD): Sie haben ihn doch provoziert, Herr Kollege Hahn!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat hat mich der Kollege Hahn mit der Behauptung provoziert, meine Pressemitteilung enthalte Unwahrheiten. Ich habe sie zum Glück bei mir, Herr Kollege Hahn. Gehen wir sie einfach einmal durch und arbeiten einmal ganz solide ab, ob es Tatsachenbehauptungen oder Unwahrheiten sind.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da bin ich gespannt! – Lebhafte Zurufe)

Ich habe geschrieben: „CDU und FDP haben die von ihnen gewünschten Änderungen als Fraktionsentwurf eingebracht.“ So ist es wohl. Nächste Behauptung: „Damit werden alle bisherigen Prinzipien über den Haufen geworfen.“ Dazu hatte der Kollege Rudolph von uns etwas gesagt. Bisher gab es tatsächlich noch nie einen Entwurf, der nicht von allen Fraktionen in diesem Haus getragen worden ist.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Das ist also keine Unwahrheit, sondern eine nüchterne, sachliche und richtige Feststellung.

Die nächste Behauptung ist: „Bis zum heutigen Tag habe für die Neuordnung der Wiesbadener Wahlkreise kein Vorschlag des Ministeriums vorgelegen.“ Ist das eine Unwahrheit, oder ist das die Wahrheit, Kollege Hahn? Das möchte ich jetzt von Ihnen einmal wissen. Ich will es auch vom Innenminister wissen. Denn wenn er die Frage wahrheitsgemäß beantwortet, wird er sagen müssen: bis zum heutigen Tage kein Entwurf des Innenministers. Deswegen hatten wir ja in unserem Schreiben vom 27. Mai dieses Jahres darauf hingewiesen,

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

dass wir zu Wiesbaden als Partei und als Fraktion gar nicht Stellung nehmen können, weil dazu überhaupt kein Vorschlag vorliegt.

Sie sagen immer, es habe Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden gegeben. Wir haben diese Frage in der Tat mit unserem Fraktionsvorsitzenden erörtert. Er musste immer sagen:Ich habe keine Ahnung,wie es in Wiesbaden weitergehen soll.

Dann habe ich behauptet: „Im Bereich Gießen sei dem Vorschlag der SPD, den sie an den Innenminister gerichtet habe, nicht gefolgt worden.“ Das ist eine Tatsachenfeststellung. Ist das richtig, oder ist das falsch? Ist das gelogen, oder ist es wahr? Es ist die nüchterne Wahrheit. Es ist nicht einmal zu Gesprächen gekommen, meine Damen und Herren.

Herr Schmitt, die zwei Minuten sind herum.

Deswegen sage ich noch einmal: Murks im Detail und ganz miserabler politischer Stil in der Sache. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Schmitt. – Als Nächster hat Herr Al-Wazir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu dem, in dem wir uns wahrscheinlich alle miteinander einig sind. Unter anderem die Landesanwältin hat zum Stichwort „Gültigkeit der letzten Landtagswahl“ gesagt,dass aus ihrer Sicht dringend etwas für die Zukunft passieren muss.Wir als Fraktion sehen das auch so, weil es aus unserer Sicht nicht sein kann, dass bei der bisher gültigen „Währung“ Wahlberechtigte, wenn ich einmal so sagen darf, der Wahlkreis 19 im Landkreis Gießen von seiner Größe her 42,8 % über dem Durchschnitt und der Wahlkreis 30 in der Stadt Wiesbaden um 31,15 % unter dem Durchschnitt liegt. Das können wir in unser aller Interesse nicht stehen lassen, weil es im Zweifelsfall, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz,der einzelnen Abgeordneten nichts nützt,wenn sie den Wahlkreis gewinnt und die Wahl danach für ungültig erklärt wird, weil man das vorher wusste und ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof anhängig war.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Darüber sind wir uns einig!)

Da sind wir uns alle einig. Ein Zweites, bei dem wir uns alle einig sind, ist, dass wir, wenn man sich die Größen insgesamt anschaut,weiterhin an dem Prinzip festhalten sollten, möglichst keine gebietskörperschaftüberschreitenden Wahlkreise zu haben. Das haben wir bisher nur zwischen Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner in dem einen Fall und zwischen Darmstadt und Darmstadt-Dieburg in dem anderen Fall. Das sollte man nicht auch noch vergrößern, sondern man sollte, wenn es irgend geht, innerhalb der Grenzen der Kreise oder der kreisfreien Städte bleiben.

(Norbert Schmitt (SPD):Auch richtig!)

Das Dritte ist – das folgt daraus –, dass die Wetterau, bei welchem Modell auch immer, einen dritten Wahlkreis braucht. Selbst da sind wir uns noch alle einig.

Die Frage, bei der es anfängt, ein bisschen problematisch zu werden,ist:Wo soll denn,wenn die Wetterau einen dritten Wahlkreis braucht, dieser hergenommen werden? Da werden wir uns langsam uneinig. Das hat sehr viel damit zu tun, welche „Währung“, also welche Berechnungsgrundlage, man nimmt.

Es gibt aus meiner Sicht zwei sinnvolle Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit, die man begründen kann, ist die, die Zahl der Wahlberechtigten zu nehmen; so ist es bisher. Dann gilt, bezogen auf die Wahlentscheidung, das Motto: gleicher Wert der abgegebenen Stimme.