Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Ich möchte gerne fragen, warum sich die FDP, wenn hier eine große Koalition an die Wand gemalt wird, die noch gar nicht beschlossen ist, sondern über die höchstens verhandelt wird, eigentlich jedem Gespräch mit einer großen demokratischen Partei verweigert hat.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das stimmt!)

Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Kollegin Fuhrmann, liebe Petra – wenn ich das anfügen darf –,

(Heiterkeit)

die FDP hat ja Gespräche mit der CDU, einer großen demokratischen Partei, geführt.

(Erneute Heiterkeit)

Insofern läuft die Frage auf jeden Fall ins Leere.

(Norbert Schmitt (SPD): Die CDU ist aber die kleinere Partei!)

Meine Damen und Herren, kehren wir zurück zu dem Thema des heutigen Tages, dem Antrag der SPD zum „umfassenden Versagen der Sozialministerin“; so ist er ja betitelt. Der Antrag ist – das sieht man beim ersten Lesen, und ich glaube,diese Ansicht teilen viele Kollegen – wenig konstruktiv. Frau Fuhrmann, Sie haben in dem Antrag eine Situationsbeschreibung aus Ihrer Sicht vorgenommen. Das kann man machen. Wir werden gleich zu den einzelnen Punkten kommen. Aber ich habe – ich dachte, es gäbe eine Seite 2 – Vorschläge der SPD zur Sozialpolitik vermisst.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben jetzt einiges gesagt; das will ich nicht bestreiten. Aber zumindest der Antrag hat zu diesem Thema relativ wenig ausgesagt.

Meine Damen und Herren, die SPD thematisiert verschiedene Punkte der letzten Jahre – sicher auch Schwerpunkte der hessischen Sozialpolitik –, die wir an dieser Stelle nicht zum ersten Mal diskutieren. Das Thema „Operation sichere Zukunft“ war auch aus Sicht der Liberalen in diesem Haus aus mehreren Gründen kein Glanzstück der Landesregierung.

(Reinhard Kahl (SPD): Richtig!)

Wir sind der Auffassung, dass nicht nur der Stil, wie die „Operation sichere Zukunft“ vorgenommen wurde,falsch war, sondern es hat sich auch gezeigt, dass in Bereichen gespart, ja so gekürzt worden ist, dass eine nachhaltige Entwicklung der Sozialpolitik nicht mehr möglich ist. Es hat sich um kurzfristige Sparergebnisse gehandelt, die eine nachhaltige positive Entwicklung letztendlich nicht fördern.

Was wir wollen,ist eine Sozialpolitik,die auf die wichtigen Zukunftsfelder setzt. Das sind die Bereiche Kinder, Jugend und Familie; das ist ganz klar. Darauf legt die FDP auch ihren Schwerpunkt in der Sozialpolitik.

Aber es gibt natürlich auch andere wichtige Themen.Deshalb sage ich: Das Sparpaket war – ich glaube, das müsste die Landesregierung selbst feststellen, wenn sie das kritisch begutachtet – kein Erfolg. Die Landesregierung muss erkennen, dass das Sparpaket in verschiedene Bereiche eingegriffen hat, wo wir zwar kurzfristig Einsparungen, langfristig aber höhere Kosten haben werden. Meine Damen und Herren, das ist sicher nicht der richtige Weg für eine moderne Gesellschaftspolitik in Hessen.

(Beifall bei der FDP)

Allerdings – das muss man klar erwähnen – werden hier verschiedene Punkte vermischt. Die SPD schreibt einige Zeilen zur Arbeitszeitverlängerung unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, sozusagen unter dem Gender-Gedanken, und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Familienfreundlichkeit. Die Liberalen in diesem Haus sind nicht der Meinung, dass das Thema Arbeitszeitverlängerung so einseitig diskutiert werden kann, Frau Fuhrmann.

Die Arbeitszeitverlängerung in Hessen war ein richtiger Schritt und eine nachhaltige Entscheidung, um die Kosten des Landes im Bereich des Personalwesens zu minimieren. Wenn Sie sehen, wie viele Stunden Menschen außerhalb des öffentlichen Dienstes arbeiten – nehmen Sie einmal Kolleginnen und Kollegen hier im Haus –, werden Sie feststellen, dass 42 Stunden in der heutigen Gesellschaft

ein relativ kurzer Zeitraum sind. Sie müssen das auch zu der Tatsache gegenrechnen, dass Menschen im öffentlichen Dienst fast unkündbar sind. Die Entscheidung hat sicher nicht allen gut gefallen; das ist völlig klar. Sie stellt einen Einschnitt und auch eine Belastung für Familien dar. Aber dieser Punkt kann nicht isoliert gesehen werden.

Zum Zweiten ist es auch so, dass Familien nicht nur von Frauen gesteuert werden; so aber sagt es Ihr Antrag aus. Familienbetreuung wird in einem modernen Land auch von Männern übernommen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja, aber die 3 % können wir im Moment noch vernachlässigen!)

sicher noch untergeordnet; aber auch Männer tun etwas für Familien. Insofern ist der Antrag an dieser Stelle sehr engstirnig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Frauen. Die hessische Familienministerin hat – die FDP hat das unterstützt – im Rahmen der Novellierung des Hessischen Gleichstellungsgesetzes gemeinsam mit der FDP ein Gesetz mit der Experimentierklausel vorgelegt, das unserer Meinung nach viele Ansätze bietet, um eine wirkliche Politik nach dem Gender-Mainstreaming-Gedanken zu machen. Ich will anfügen, dass ich dann, wenn wir über die Frauenpolitik diskutieren, oft das Gefühl habe, dass wir sehr unterschiedliche Ansätze haben und Gender Mainstreaming sehr unterschiedlich auslegen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das stimmt eindeutig!)

Ich habe oft das Gefühl, dass Sie, Frau Kollegin Fuhrmann,liebe Petra – ich darf das noch einmal anfügen –,die Frauenpolitik unter dem alten Fördergedanken und nicht unter dem Aspekt des Amsterdamer Vertrages sehen. Gender Mainstreaming ist eben mehr als alte Frauenförderung.

(Heiterkeit – Zurufe)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank. Sie haben Recht. Es ist mehr als eine Förderung nach dem alten Muster. Ein solcher Versprecher kann bei diesem Thema in der Erregung schon einmal passieren.

Immerhin hat die SPD festgestellt, dass in der Frauenpolitik anscheinend nur zwei kritische Punkte herauszugreifen sind. Insofern hat die Ministerin, denke ich, hier keine schlechten Resultate vorzulegen.

Die Familienpolitik ist ein Schwerpunkt, den wir als FDP ganz weit oben ansiedeln. Da, muss ich sagen, hat die CDU die Messlatte sicher selber sehr hoch gelegt. Die CDU hat ja gesagt: Bis 2010 wird eine flächendeckende Betreuungsquote umgesetzt sein.– Wir haben hierüber im Sozialpolitischen Ausschuss auch sehr energisch diskutiert. Dort war zu hören, dass das in Schritten erfolgen soll, Frau Ministerin.

(Petra Fuhrmann (SPD): Aber nicht in Schrittchen!)

Sie wissen auch, dass Sie das Ergebnis bis 2010 mit einer Erhöhung der Fördermittel aus der Offensive für die Betreuung der Kinder von 14 auf 18,2 Millionen c nicht erreichen können. Das wird nicht ausreichend sein, und mit kleinen Schritten werden Sie die große Etappe nicht hinter sich bringen können. Deshalb sind wir sehr gespannt, was die Landesregierung an dieser Stelle weiter vorschla

gen wird. Wenn man einen Titel wie „Familienland Nummer eins“ ausgibt,

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Sehr gut!)

muss man den Titel auch mit Argumenten und Leistungen unterfüttern. Davon aber sind wir weit entfernt, Frau Ministerin. Dort gibt es noch viel zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ein weiterer Aspekt bei der Familienpolitik war die Entscheidung des hessischen Innenministers, einen Erlass herauszugeben, nach dem die Familien durch die Kommunen quasi benachteiligt werden sollten. Meine Damen und Herren, wir haben darüber im letzten Plenum energisch diskutiert. Die Landesregierung hat den Erlass zurückgezogen. Wir werten das auch als Erfolg der sehr berechtigten und konstruktiven Kritik der Opposition.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will nicht werten, wer dafür verantwortlich war, dass es so weit gekommen ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir! – Weitere Zurufe: Wir!)

Sie bestimmt nicht. – Ich will auch nicht werten, wer in der Landesregierung dafür verantwortlich war, dass es so weit gekommen ist. Man kann es auch als Erfolg von Frau Lautenschläger auslegen, dass der Innenminister seinen Erlass zurückgenommen hat.

(Lachen bei der SPD)

Wir werden dazu sicher noch einiges hören.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist, was hinten herauskommt, um einen großen deutschen Politiker zu zitieren. Insofern sind wir froh, dass der Innenminister den Erlass im Sinne der hessischen Familien zurückgenommen hat; denn der Weg war falsch. Ich glaube, das haben Sie auch erkannt.

(Norbert Schmitt (SPD): Er hatte sich doch in der Debatte verdrückt!)

Der Antrag geht weiterhin auf das Thema „Menschen mit Behinderung“ ein und kritisiert das Gleichstellungsgesetz der Landesregierung, das wir gemeinsam mit der CDU im Landtag eingebracht haben. Frau Fuhrmann, bei der Diskussion darüber wundere ich mich wirklich darüber, dass immer noch die Argumente, die wir vorgetragen haben und die von Ihnen bis jetzt nicht widerlegt sind, angeführt werden.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir sind vom Status quo ausgegangen und haben gesagt: Wir haben in Hessen ein Konnexitätsprinzip. Das heißt: Wenn das Land verpflichtende Maßnahmen für die Kommunen beschließt, muss das Land sie auch bezahlen. Das war die Ausgangslage. Wir haben nach der Anhörung ein Gesetz formuliert, das zugegebenermaßen nicht so weit geht, wie sich das die Behindertenverbände in Hessen gewünscht haben; das ist unbestritten. Aber wir haben ein Gesetz formuliert, das das Machbare umsetzt und auch Möglichkeiten eröffnet, in den Kommunen über Zielvereinbarungen zu guten Ergebnissen zu kommen. Sie haben damals angekündigt, Frau Fuhrmann, Sie würden das Konnexitätsprinzip mit einem eigenen Gutachten widerlegen.Wir warten auf das Gutachten noch heute.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)