Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

Mit dem von Ihnen zu verantwortenden Stellenabbau erreichen Sie aber genau das Gegenteil. Herr Banzer, wir brauchen eine bürgernahe Justiz. Ohne eine ausreichende Aufgabenkritik und eine Kosten-Nutzen-Analyse hat Ihr

Vorgänger im Amt acht Amtsgerichte geschlossen. Weitere 25 Amtsgerichte stehen auf der Abschussliste dieses Hauses.

(Günter Rudolph (SPD): Unerhört! – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es ist unbestritten, dass angesichts des desolaten Landeshaushalts auch die Justiz nicht nur im Visier von Einsparüberlegungen ist, sondern auch hinterfragt werden muss, welche Aufgaben die Justiz erledigen muss und mit welcher Effizienz diese Aufgaben erledigt werden.Aber auch hier beschreitet die Landesregierung einen völlig falschen Weg. Das international bewährte und von hoher Qualität geprägte Grundbuch soll mittel- und langfristig nach dem Willen der Landesregierung aus den Grundbuchgerichten ausgegliedert werden. Sie, Herr Banzer, müssen sich jetzt die Frage stellen, ob Sie an diesem Irrweg festhalten oder ob Sie dieser unsäglichen Diskussion ein Ende bereiten.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit einer entsprechenden Änderung der Grundbuchordnung auf Bundesebene wahrscheinlich gar nicht unklug, wenn Sie hier einen anderen Weg beschreiten würden.

Ich möchte ein weiteres Beispiel benennen. Die außergerichtliche Streitschlichtung, die wir heute Morgen noch debattieren werden, die die Justiz nicht gerade unerheblich entlastet, soll in ihren Zuständigkeiten nach dem Willen der Landesregierung eingeengt werden.Das ist aus unserer Sicht das völlig falsche Signal. Denn wir als SPDLandtagsfraktion wollen, dass die außergerichtliche Streitschlichtung weiter gestärkt wird und, wenn möglich, eine neue Streitkultur in unserem Land entsteht,

(Axel Wintermeyer (CDU): Das wäre schön auch im Parlament!)

dass es keinen Sieger oder Besiegten gibt, sondern dass durch die Stärkung der außergerichtlichen Streitschlichtung ein dauerhafter Rechtsfrieden erreicht wird.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört natürlich auch das Stichwort „gerichtsnahe Mediation“, von dem wir uns viel versprechen und wozu wir einen entsprechenden Antrag eingebracht haben, um die gerichtsnahe Mediation in der Justiz in Hessen zu verankern. Den Antrag haben Sie mit Ihrer absoluten Mehrheit leider abgelehnt.

Herr Ministerpräsident Koch, Sie müssen sich natürlich auch vorhalten lassen, dass Sie die anstehende Kabinettsumbildung nicht dazu genutzt haben, Ihr zuvor aufgeblähtes Kabinett zu verkleinern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts eines neuen Defizits von 1,75 Milliarden c wäre dies zwar, gemessen am Gesamtetat, nur ein kleiner Posten, aber gewiss das richtige Signal gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten zeigen können, dass die Landesregierung in finanziell schlechten Zeiten auch selbst bereit ist, den Gürtel enger zu schnallen, und nicht nur brutalstmöglich am Bürger ansetzt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Banzer, nachdenklich stimmt auch, dass Sie, bevor Sie überhaupt im Amt sind, wahrscheinlich reflexhaft und

vielleicht auch unreflektiert an die Sprachregelung Ihres Amtsvorgängers anknüpfen und ebenso einen konsequenten Strafvollzug für Hessen propagieren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das Wort hat die FDP erfunden! Er hat immer von „brutalstmöglich“ gesprochen!)

Dass der Justizvollzug nicht gerade zum Ruhmesblatt Ihres Amtsvorgängers zählt, zeigen nicht nur die unzähligen Pannen der letzten Monate. Ich möchte an den Ausbruch zweier Gefangener aus der JVA Kassel oder auch an den sexuellen Missbrauch eines Gefangenen durch drei Mitgefangene erinnern.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Banzer in den Knast!)

Ich möchte natürlich auch auf die Inbetriebnahme der JVA Hünfeld eingehen, zu deren Gunsten jetzt qualifiziertes Personal von den anderen Justizvollzugsanstalten Hessens abgezogen wird. Dieses Personal fehlt in den anderen Anstalten.

Außerdem ist es so, dass die JVA Hünfeld zwar eine Anstalt der Sicherheitsstufe II ist,aber von ihren eigentlichen Standards – das wissen die Fachleute – eine der Sicherheitsstufe I ist, die also den höchsten Standard genießt, aber diese Anstalt mit Häftlingen sozusagen gegenüber anderen Anstalten privilegiert belegt wird. In Hünfeld werden nämlich nur Erstverbüßer, keine Mörder, keine Totschläger, keine Sexualstraftäter einsitzen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Mithin wird sich die Zusammensetzung in den anderen Haftanstalten Hessens nachteilig verändern.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir müssen ferner kritisch hinterfragen,mit welcher Qualität in einem Crashkurs ausgebildete Private die bisherigen Aufgaben des Staates erledigen werden bzw. inwieweit sich auch das Berufsbild der Justizvollzugsbediensteten im staatlichen Teil des Gefängnisses sozusagen zum Schließer verändern wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, insgesamt ist der Wechsel des 62-jährigen Hardliners und alten Weggefährten Dr. Wagner an die Fraktionsspitze kein zukunftsfähiges Personaltableau der CDU.

(Beifall bei der SPD)

Man kann in der Tat den Eindruck gewinnen, dass Sie, Herr Koch, jetzt Ihre letzten Geschütze auffahren. Mit Ihnen, Herr Banzer, kommt ebenso ein alter Weggefährte Kochs ans Ruder, der wegen seiner Kritik am Kulturzwangsverband mit eingebunden werden und sich nun in Kabinettsdisziplin üben soll.

Herr Banzer, wir als SPD-Fraktion kündigen Ihnen jedenfalls eine in der Sache harte, aber auch konstruktive Zusammenarbeit an und hoffen, dass Sie Ihr neues Amt im Sinne der Justiz und eines Rechtstaates ausüben werden.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben das Thema verfehlt!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Rhein das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für diese Möglichkeit, hier die Kurzintervention auf Frau Kollegin Hofmann abzugeben.

Frau Kollegin Hofmann, ich dachte eigentlich, dass Sie einmal über Ihren Schatten springen und ein bisschen die Kleinkariertheit in der Beurteilung der Politik von Dr. Wagner ablegen. Sie haben hier wirklich falsche Fakten vorgetragen. Was haben wir denn in den vergangenen sechs Jahren in der Justizpolitik erlebt? Eine einzigartig positive und nachhaltige Prägung der hessischen Justizpolitik.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dass Sie da lachen, bezeichnet Sie selbst. Wir haben einen Abbau der Überbelegung im Justizvollzug, den Sie nie geschafft haben. Wir haben eine Reform des hessischen Justizvollzuges, Stichwort: Jugendvollzugskonzept. Das alles haben Sie in Ihrer Amtszeit nicht geschafft.

Wir haben viele wegweisende Projekte unter Staatsminister Dr. Christean Wagner auf den Weg gebracht. Wir haben die Missbräuche im Justizvollzug fast auf null heruntergefahren. Das ist die Realität, vor der wir heute stehen.

(Beifall bei der CDU)

Das haben Sie auch nie geschafft: Wir bauen eine teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt innerhalb kürzester Zeit neu errichtet. Es sind 500 Plätze, die da zusätzlich entstehen.

Es kommt noch eines hinzu. Frau Kollegin Hofmann, von Ihnen als justizpolitische Sprecherin hätte ich einmal ein freundliches Dankeschön dafür erwartet, dass es dieser Minister war, der die Modernisierung der Justiz nachhaltig angepackt hat: Vollausstattung der Justiz mit EDV, elektronisches Grundbuch, elektronisches Handelsregister. Die EDV-Vollausstattung ist eines der größten Projekte, die wir haben.

Wir sind stolz auf das, was Sie geleistet haben, Herr Dr. Wagner.Wir sind stolz, dass wir als CDU-Fraktion mit Ihnen in dieser Zeit zusammenarbeiten konnten.

Der Ministerpräsident hat gesehen: Das sind große Fußstapfen, die dieser Minister hinterlässt. Er hat jemanden gefunden, der diese großen Fußstapfen ausfüllen wird. Das ist der erfolgreiche Landrat des Hochtaunuskreises, Herr Banzer, und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit diesem erfolgreichen und kompetenten Landrat.

Ich will Ihnen einmal eines sagen: Es ist überheblich und arrogant,was ich teilweise gelesen habe.Das ist ein Mann, der 70 % der Bevölkerung des Hochtaunuskreises von seiner Politik hat überzeugen können,

(Beifall bei der CDU)

ein Mann, der für 70 % der Menschen im Hochtaunuskreis steht. Und Sie treten mit einer Arroganz und Überheblichkeit in der Frage der Beurteilung seiner Leistung und seiner Kompetenz auf.

(Abg. Norbert Schmitt (SPD): Das ist falsch! 21 % sind das!)

Herr Kaufmann, Sie haben die Frage gestellt – –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, noch einen Satz. – Sie haben die Frage nach der justizpolitischen Kompetenz gestellt. Dieser Mann ist kompetent, und er wird dieses Ministerium erfolgreich führen.Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.