Protokoll der Sitzung vom 20.12.2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jenseits des Weihnachtsmärchens sei uns aber ein Blick hinter die Kulissen gestattet. Die Steuereinnahmen sind erfreulich angestiegen; das haben hier alle erfreut zur

Kenntnis genommen. Das kann man auch nur begrüßen, und diese Mehreinnahmen müssen wir im Haushalt erfassen.Auch das ist klar.

Wir fragen uns aber: Wo liegt das Verdienst dieser Landesregierung für die Mehreinnahmen, die den Haushalt jetzt ein bisschen weniger schrecklich aussehen lassen? Denn bei aller Euphorie über die gestiegenen Einnahmen darf man nicht vergessen, dass der Haushalt weiterhin nicht verfassungsgemäß ist. Das hat der Kollege von Hunnius schon ausgeführt. Die Höhe der Verschuldung liegt weiterhin über der der Investitionen. Die Verschuldungsgrenze liegt bei 845,3 Millionen c, die Nettoneuverschuldung bei 958,5 Millionen c.

Wir müssen dem ganz entschieden entgegentreten, genauso wie die Kollegen von der FDP, wenn jetzt ganz plötzlich begonnen wird, eine Uminterpretation der Verfassungsgrenze einzuläuten, und man nun auf einmal den Investitionsanteil der Kommunen in die Investitionen des Landes einrechnet. Ich denke, das ist Etikettenschwindel. Solch einen Etikettenschwindel im laufenden Verfahren werden auch wir nicht mitmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir werden auch nicht mitmachen, dass dabei völlig untergeht, dass die Erlöse aus den Immobilienverkäufen nur das strukturelle Defizit des Landes erhöhen und als verdeckter Kredit sozusagen weiterhin dazuzurechnen sind.Auch das dürfen wir nicht vergessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Also, es gibt keine Trendwende, und es gilt schon gar nicht der Satz: „Haben Trendwende geschafft“. Dieser Satz drückt nach meinem Sprachverständnis aktives Handeln, Umkehr und Umsteuern aus. Aber Umsteuern und Handeln kann ich hier nun beim besten Willen nicht erkennen. In der Landeskasse geht mehr Geld ein als erwartet. Das ist in höchstem Maße erfreulich.Aber was hat der Finanzminister, was hat diese Landesregierung mehr dazu beigetragen, als voller Erwartung zu sitzen, abzuwarten, dass Kassenschluss ist,und dann mit großen Augen das Geld zu zählen? Ich kann sagen, dass die Antwort darauf ziemlich einfach ist. Sie ist einfach, sie ist kurz, sie heißt: nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man kann dazu auch unverdientes Glück oder unverdiente Belohnung sagen. Die Landesregierung hat in der Vergangenheit das Gegenteil getan. Sie hat durch Blockade im Bundesrat dafür gesorgt, dass die von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung vorgeschlagene Streichung der Steuervergünstigungen nicht schon im Vorjahr möglich werden konnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hessen hat daher bereits im vorigen Haushalt rund 750 Millionen c zu wenig gehabt. Diese Mehreinnahmen hätten wir schon haben können, wenn das Land Hessen diese Blockadehaltung nicht mit organisiert hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie hätten es haben können,wenn Sie es denn gewollt hätten. Sie haben es versäumt, und das müssen Sie sich zu

rechnen lassen. Sie haben dafür gesorgt, dass wir weitere hohe Schulden aufgehäuft haben.

Herr Finanzminister, Sie haben die rot-grüne Bundespolitik immer als grottenschlecht bezeichnet. Ich sage nur: So grottenschlecht kann sie nicht gewesen sein, wenn sich im letzten Quartal des Jahres eine so erfreuliche Einnahmenentwicklung abzeichnet. Schließlich haben wir auch von Ihnen gehört, dass Entwicklungen Zeit brauchen, bis sie greifen. Ich stelle also fest: So schlecht kann es nicht gewesen sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Weimar, in Ihrer Presseerklärung vom 16.12. haben Sie erklärt, die Trendwende sei durch die „Operation düstere Zukunft“ eingeleitet worden. Herr Weimar, das gehört nun wirklich in den Bereich der Legendenbildung. Ohne die glückliche Fügung bei den Steuereinnahmen im letzten Quartal hätte der Nachtragshaushalt so fest vor der Wand gesessen, dass Knecht Ruprecht es auch mit einer Ersatzmannschaft Rentiere nicht geschafft hätte, ihn von dort wegzubekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Elchen!)

Er hätte einmal den Elchtest versuchen sollen, genau. – Die Stagnation bei den Personalkosten ist nur die halbe Wahrheit. Durch die Ausgliederung von Betrieben und die Kommunalisierung in der Landesverwaltung heißen Personalkosten jetzt nicht mehr Personalkosten. Sie verschwinden in den Sachkostenbudgets. Die andere Hälfte der Stagnation bei den Personalkosten haben Sie teuer erkauft, Herr Weimar. Sie haben sie teuer erkauft durch Frustration und Demotivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen Sie zum Dank für die gekürzten Bezüge und die Nullrunden auch noch die Erhöhung der Arbeitszeit aufgebrummt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hieraus eine Erfolgsgeschichte zu stricken, das ist im höchsten Maße unsensibel und insbesondere gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den unteren Einkommensbereichen ungerecht. Das gehört sich so nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Was hat sie eigentlich gegen den Weimar? – Gegenruf des Ministers Karlheinz Weimar: Ja, es ist unerträglich! – Heiterkeit bei der CDU)

Mein Fazit für heute: Wir freuen uns für Hessen, dass die Steuereinnahmen trotz des Verhaltens der Hessischen Landesregierung wieder angestiegen sind.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Ja, trotz. Was haben Sie dazu getan? Ich warte auf Ihre Erklärung, Herr Weimar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir sehen die Landesregierung in der Pflicht,bei den Ausgaben entscheidend umzusteuern. Unsere Vorschläge dazu lagen bei der ursprünglichen Haushaltsberatung auf dem Tisch. Sie haben ihnen nicht zugestimmt, und deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt so nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielen Dank, Frau Erfurth. – Ich darf Herrn Staatsminister Weimar das Wort erteilen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt beim Parlament entschuldigen und wieder hinsetzen! – Gegenruf des Ministers Volker Bouffier: Das wird immer doller!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, wie – wie man bei uns sagen würde – durschenanner die Opposition aufgrund der Entwicklung ist, die wir aufgezeigt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bitte?)

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu der Frage machen, die hier aufgeworfen worden ist. Ich glaube nicht, dass ich außer pünktlicher Steuerzahlung direkt etwas für die Steuereingänge kann. Aber wenn Sie mir das sozusagen nicht zugestehen, möchte ich Sie bitten, mir rückwirkend auch zuzugestehen, dass ich für die Einbrüche bei den Steuereinnahmen ebenfalls nicht verantwortlich bin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe in Erinnerung, dass es mir höchstpersönlich vorgeworfen worden ist, dass weniger Steuern eingegangen sind. Daher mindestens dieser Hinweis dazu.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben blockiert!)

Aber bei dieser Frage ist vielleicht ganz interessant, zu analysieren, was passiert ist. Um 172 Millionen c werden wir vom ursprünglichen Haushaltsansatz heruntergehen. Das ist immerhin die niedrigste Nettoneuverschuldung seit fünf Jahren. Das ist eine ausgesprochen positive Entwicklung,und die ist natürlich nicht nur durch die höheren Steuereinnahmen im Dezember entstanden, sondern sie ist aufgrund mehrerer Faktoren entstanden.

Zum einen haben wir immer noch nicht die Einnahmenhöhe erreicht, die wir beim ursprünglichen Haushaltsansatz vorgesehen hatten. Wir hatten ursprünglich knapp über 13,3 Milliarden c angesetzt und haben jetzt einen Ansatz von 12,992 Milliarden c.Das heißt,gegenüber der Planung sind es immer noch geringere Steuereingänge. Sie sind nur höher gegenüber der Entwicklung, wie wir sie im August/September/Oktober gesehen haben, weil sich die Parameter zwischenzeitlich Gott sei Dank entspannt haben.

Damit es hier auch klar ist:Wir haben im Jahr 2000 in Hessen 14,99 Milliarden c Steuern eingenommen und in diesem Jahr 12,99 Milliarden c, also ziemlich genau 2 Milliarden c weniger Steuern als im Jahr 2000. Wenn Sie es netto herunterbrechen, sind es nach Länderfinanzausgleich gegenüber dem Jahr 2000 500 Millionen c, die wir weniger in der Kasse haben,und gegenüber dem Jahr 1999 über 200 Millionen c. Dass man sagen könnte, das sei befriedigend, ist sicherlich nicht der Fall. Aber man muss

sich anschauen, wie die Entwicklung voraussichtlich sein wird. Dazu möchte ich gleich etwas sagen.

Ein zweiter Punkt, aus dem das gespeist worden ist: Natürlich haben wir Einsparungen vorgenommen. Vor allen Dingen haben wir dafür gesorgt, dass frei werdende Gelder im Laufe des Jahres nicht anderweitig eingesetzt werden können. Das betrifft immerhin eine Größenordnung von ca. 160 Millionen c.

Herr Abg.Schmitt,zu dem,was Sie gesagt haben.Ich habe es Ihnen schon dreimal erklärt, ich mache es jetzt zum vierten Mal: Was wir nicht eingesammelt haben, sind die Kleinpositionen im Haushalt,weil es nicht Gegenstand eines Nachtragshaushalts sein kann, dass wir bei Tausenden von Stellen Prognosen anstellen, wie viel durch die Haushaltssperre am Jahresende tatsächlich übrig bleiben wird. Aber die vielen kleinen Beträge werden natürlich bei der Schlussrechnung des Haushalts noch einen beachtlichen Betrag ausmachen, den ich im Moment nicht auswerfen kann, von dem ich aber weiß, dass wir on top zusätzliche Einsparungen an dieser Stelle haben werden.

Ich finde, darüber brauchen wir nicht zu streiten. Denn wir sind nicht in der Lage, gleichzeitig einen Haushalt aufzustellen sowie einen Nachtragshaushalt, bei dem, heruntergebrochen auf Kleinzahlen, Veränderungen vorgenommen werden. Das ist auch gar nicht so wichtig, weil wir in der Schlussabrechnung sehen werden, wie diese Zahlen sind. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus, dass durch unsere Haushaltssperre zusätzliche Mittel eingespart werden.

Mein Ausblick ist daher im Moment, dass wir durchaus eine Chance haben, etwas besser herauszukommen, als das mit den 958,5 Millionen c angenommen worden ist.

Ich kann Ihnen übrigens sagen, dass uns mit gestrigem Stand noch 13,9 Millionen c am Steuersoll gefehlt haben. Jetzt haben wir noch ein paar Tage,in denen Geld eingeht. Ich denke, wir sind jetzt wirklich auf der sicheren Seite. Die Tendenz geht eher dahin, dass es auf der Steuereinnahmenseite ein paar Euro mehr werden. Das ist nicht schlimm, und man kann sich darüber freuen. Wie gesagt, die Schlussabrechnung wird noch Positives bringen.

Das heißt, wir haben einen beachtlichen Teil davon dadurch eingebracht, dass wir die Haushaltssperre gemacht haben und dass wir vermieden haben,dass Gelder,die frei geworden sind, weil sie durch Entwicklungen anderer Art nicht gebraucht wurden, anderweitig eingesetzt wurden. Ich lege schon Wert darauf, dass das ein durchaus beachtlicher Faktor ist. Da Sie gesagt haben, wir würden bei den Ausgaben zu wenig tun, möchte ich Sie darauf hinweisen: Das ist einfach nicht wahr.Wenn Sie sehen,dass wir im vorigen Jahr beim Haushalts-Ist bei 16,1 Milliarden c Ausgaben waren, im Jahr davor, 2003, bei 16,5 Milliarden c und dieses Jahr, 2005, derzeit mit 16,332 Milliarden c herauskommen, in denen nicht die Einsparungen enthalten sind, die zum Jahresende tatsächlich noch erreicht werden und die die Ausgabenposition reduzieren, dann stellen Sie fest, dass wir bei einer Haushaltssteigerung von 200 Millionen c liegen.

Ich weise Sie darauf hin, dass davon 110 Millionen c auf Investitionen und 53 Millionen c auf den Kommunalen Finanzausgleich entfallen. Das heißt, es handelt sich um Ausgaben in der Höhe von 163 Millionen c, die auch gewollt sind.

Übrigens haben wir im Rahmen der „Operation sichere Zukunft“ angekündigt, dass wir die Investitionsausgaben

in Hessen steigern werden. Das haben wir gemacht: von 1,59 Milliarden c auf 1,7 Milliarden c. Das ergibt zusätzlich 110 Millionen c. Die Kommunen bekommen 53 Millionen c mehr. Das sind die besagten 23 %. Das heißt, bei dem Rest, der – wenn man von den 200 Millionen c ausgeht – übrig bleibt, handelt es sich um eine minimale Steigerung unseres Haushaltsvolumens.